Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 994/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_994/2009

Urteil vom 22. März 2010
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle des Kantons Graubünden,
Ottostrasse 24, 7000 Chur,
Beschwerdeführerin,

gegen

M.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Pius Fryberg,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden
vom 29. September 2009.

Sachverhalt:

A.
M.________, geboren 1978, verfügt über eine Ausbildung als Zimmermann. Zuletzt
war er ab 2. April 2007 als Dachdecker in der Firma P.________ AG tätig. Am 30.
April 2007 stürzte M.________ bei der Arbeit auf einem Baugerüst auf den Boden,
als das Gerüst wegkippte, und prallte auf den Rücken. Dabei zog er sich
Kontusionen am ganzen Körper, insbesondere an der Hals-, Brust- und
Lendenwirbelsäule (HWS, BWS, LWS) zu. Die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA), bei welcher M.________ obligatorisch
versichert war, kam für die Heilbehandlung auf und richtete Taggelder aus. Am
20. Dezember 2007 meldete sich M.________ unter Hinweis auf ein
lumboradikuläres, zervikocephales und brachiales Syndrom nach Unfall mit Sturz
aus vier Metern, Kontusionen der HWS, BWS und LWS, Kniekontusion rechts,
Rissquetschwunde am Schädel frontotemporal, muskuläre Dysbalance der HWS und
LWS sowie muskuläre Haltungsinsuffizienz, bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an (Berufsberatung, Umschulung auf eine neue Tätigkeit,
Wiedereinschulung in die bisherige Tätigkeit, Arbeitsvermittlung, Rente). Die
IV-Stelle des Kantons Graubünden zog die Akten der SUVA bei und führte
erwerbliche Abklärungen durch. Nachdem M.________ Aufforderungen der IV-Stelle,
sich zu melden, mehrfach nicht nachgekommen war und Termine nicht eingehalten
hatte, insbesondere auch nicht mit den Arbeits- und Beschäftigungsstätten der
psychiatrischen Dienste, bei welchen die IV-Stelle eine berufliche Abklärung
veranlasste (Bericht vom 12. November 2008), führte die IV-Stelle erfolglos ein
Mahn- und Bedenkzeitverfahren durch (Schreiben vom 7. Januar 2009). Mit
Vorbescheid vom 28. Januar 2009 stellte die IV-Stelle den Abschluss der
beruflichen Massnahmen in Aussicht. Auch darauf reagierte M.________ nicht. Am
4. März 2009 erliess sie eine dem Vorbescheid entsprechende Verfügung.
Am 20. März 2009 hielt Rechtsanwalt Fryberg, den M.________ bereits am 6. Juni
2008 mit der Wahrung seiner Interessen beauftragt hatte, unter anderem fest,
M.________ befinde sich seit Januar 2009 in psychiatrischer Behandlung bei Dr.
med. K.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, weshalb er nicht
in der Lage gewesen sei, auf das Schreiben vom 7. Januar 2009 zu reagieren. In
der Zwischenzeit habe er sich erfolgreich um ein Praktikum für die angestrebte
Umschulung zum Tontechniker bemüht. Der Anspruch auf Leistungen der
Invalidenversicherung sei daher ausgewiesen, weshalb er um Erlass einer
entsprechenden Verfügung ersuche. Mit Schreiben vom 25. März 2009 führte die
IV-Stelle aus, M.________ könne gegen die Verfügung vom 4. März 2009 Beschwerde
erheben.

B.
Daraufhin liess M.________ Beschwerde führen beim Verwaltungsgericht des
Kantons Graubünden, welches diese mit Entscheid vom 29. September 2009 im Sinne
der Erwägungen guthiess, indem es die IV-Stelle verpflichtete, die beruflichen
Massnahmen wieder aufzunehmen und zu prüfen, inwiefern eine Fortführung
derselben angezeigt sei.

C.
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides die Bestätigung der
Verfügung vom 4. März 2009.
Die Vorinstanz und M.________ schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
Gleichzeitig ersucht M.________ um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
ist zulässig gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen (Art. 90 BGG)
sowie gegen selbstständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die
Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren (Art. 92 Abs. 1 BGG). Gegen andere
selbstständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde nach
Art. 93 BGG zulässig, sofern - alternativ - der Entscheid einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Abs. 1 lit. a) oder die Gutheissung der
Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden
Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde
(Abs. 1 lit. b).

1.2 Beim vorinstanzlichen Entscheid, mit welchem die Beschwerdeführerin
verpflichtet wird, die beruflichen Massnahmen wieder aufzunehmen und zu prüfen,
inwiefern diese fortzuführen sind, handelt es sich um einen
Rückweisungsentscheid und damit nach der Terminologie des BGG um einen
Zwischenentscheid (BGE 133 V 477 E. 4.2 S. 481; Urteil 8C_125/2008 vom 13.
Oktober 2008; vgl. auch Hansjörg Seiler, Rückweisungsentscheide in der neueren
Sozialversicherungspraxis des Bundesgerichts, in: Schaffhauser/Schlauri
[Hrsg.], Sozialversicherungsrechtstagung 2008, 2009, S. 29). Er kann daher nur
unter den Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG selbstständig angefochten
werden. Dabei liegt ein nicht wieder gutzumachenden Nachteil vor, wenn eine
Behörde durch die Rückweisung gezwungen wird, entgegen ihrer Auffassung eine
neue Anordnung zu erlassen (BGE 133 V 477 E. 5.2 S. 483 ff.; SVR 2008 IV Nr. 31
S. 100 E. 1.2, I 126/07). So verhält es sich hier. Die vorinstanzlich
angeordnete Wiederaufnahme beruflicher Massnahmen ist nach Ansicht der
Beschwerdeführerin falsch, weil nach durchgeführtem Mahn- und
Bedenkzeitverfahren in Anbetracht der verletzten Mitwirkungspflicht des
Versicherten der Abschluss dieser Massnahmen zu Recht erfolgt und ein Anspruch
für die Zukunft mit Neuanmeldung geltend zu machen sei. Auf die Beschwerde ist
daher einzutreten.

2.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung berichtigen
oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

3.
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht zu Recht die
leistungseinstellende Verfügung der Beschwerdeführerin aufgehoben hat.

3.1 Die Vorinstanz erwog, die IV-Stelle habe, nachdem der Versicherte seiner
Pflicht zur Mitwirkung bei der beruflichen Wiedereingliederung nicht
nachgekommen sei, das Mahn- und Bedenkzeitverfahren korrekt durchgeführt und
grundsätzlich zu Recht in Betracht gezogen, von der Sanktionsmöglichkeit einer
vorübergehenden oder dauernden Leistungskürzung oder gar -verweigerung Gebrauch
zu machen. Diese Sanktionen könnten aber nur so lange greifen, als zwischen dem
Fehlverhalten und dem Schaden ein Kausalzusammenhang bestehe. Gebe die
versicherte Person ihre Passivität bzw. Weigerung zur aktiven Mitarbeit auf,
falle der Kausalzusammenhang dahin. Von diesem Zeitpunkt an müsse mit Wirkung
für die Zukunft geprüft werden, ob auf die bisherige Kürzung/Verweigerung
zurückzukommen sei. Nachdem der Versicherte im Nachgang zur Verfügung vom 4.
März 2009 offenbar bereit gewesen sei, sich einer Berufsmassnahme/Umschulung zu
unterziehen und somit anscheinend ein Eingliederungswille bestand, habe die
IV-Stelle einen allfälligen Anspruch auf berufliche Massnahmen angesichts der
aktuellen Lebensumstände und Verhältnisse (hinreichend und glaubhaft erstellte
ernsthafte Arbeits-/Ausbildungsbemühungen) zu Unrecht verneint, was im Resultat
zur Gutheissung der Beschwerde, zur Aufhebung der strittigen Verfügung und zur
Rückweisung der Sache an die IV-Stelle zur weiteren Behandlung (inklusive
Neubeurteilung) führe. Wenn die IV-Stelle entgegen ihrer bisherigen Haltung
plötzlich davon ausgehe, dass mangels Erwerbsverlust kein Anspruch auf
Leistungen der Invalidenversicherung bestehe, erstaune dies doch, weil sie
zuvor den Anspruch auf berufliche Massnahmen nicht bestritten und über den
Rentenanspruch bzw. den IV-Grad noch gar nicht verfügt habe. Die Verneinung des
Anspruchs auf berufliche Massnahmen sei daher zu Unrecht erfolgt.

3.2 Die Beschwerde führende IV-Stelle rügt sinngemäss, das kantonale Gericht
sei in Verletzung von Bundesrecht davon ausgegangen, dass die beruflichen
Massnahmen auch nach unbestrittenermassen korrekt verfügtem Abschluss wieder
aufzunehmen und zu prüfen sei, inwiefern diese fortgeführt werden könnten, wenn
die versicherte Person ihren Eingliederungswillen zeige. Die vorinstanzlich
vertretene Ansicht entleere Art. 24 Abs. 4 ATSG (in Verbindung mit Art. 7, 7a
und 7b IVG) seines Sinnes. Das kantonale Gericht hätte vielmehr die Beschwerde
abweisen müssen und in den Erwägungen darauf hinweisen können, dass sich der
Versicherte erneut für berufliche Massnahmen bei der IV-Stelle anmelden könne.
Schliesslich verletze der angefochtene Entscheid auch Art. 8 IVG sowie Art. 61
lit. c und h ATSG.

3.3 Der Versicherte bringt vor, zunächst sei sein Verhalten zumindest
entschuldbar, weil er der Aufforderung der Beschwerdeführerin aufgrund seiner
depressiven Stimmung nicht nachgekommen sei. Weiter habe er sich selbst um
seine Ausbildung zum Tontechniker bemüht, weshalb der IV-Stelle durch sein
Verhalten kein Schaden entstanden sei. Schliesslich ergebe das von der
IV-Stelle vorgeschlagene Prozedere, wonach er sich, nachdem er aus eigenem
Antrieb eine Stelle gefunden habe, nochmals um berufliche Massnahmen bemühen
sollte, keinen Sinn.

4.
Was das von der IV-Stelle im vorinstanzlichen Beschwerdeverfahren vorgebrachte
Argument betrifft, der Versicherte sei nicht in anspruchsbegründendem Ausmass
(von mindestens 20 %) invalid, kann der Argumentation der Beschwerdeführerin
prinzipiell nicht gefolgt werden. Weil es sich bei den für den Versicherten
ohne Umschulung zumutbaren angepassten Tätigkeiten um unqualifizierte
Hilfsarbeiten handelt, die im Vergleich zur erlernten Tätigkeit als Zimmermann
oder der mit dieser zumindest verwandten, zuletzt ausgeführten Arbeit als
Dachdecker qualitativ nicht als "annähernd gleichwertig" bezeichnet werden
können, ist nicht entscheidwesentlich, ob die rechtsprechungsgemäss geforderte
Erheblichkeitsschwelle erreicht wird. Im Rahmen der vorzunehmenden Prognose
sind unter Berücksichtigung der gesamten Umstände nicht nur der Gesichtspunkt
der Verdienstmöglichkeit, sondern auch der für die künftige
Einkommensentwicklung ebenfalls bedeutsame qualitative Stellenwert der beiden
zu vergleichenden Berufe mitzuberücksichtigen. Eine annähernde Gleichwertigkeit
im Sinne einer Momentaufnahme einzig unter dem Aspekt der Verdienstmöglichkeit
genügt nicht. Vielmehr dürfte die annähernde Gleichwertigkeit der
Erwerbsmöglichkeit in der alten und der neuen Tätigkeit auf weite Sicht nur
dann zu verwirklichen sein, wenn auch die beiden Ausbildungen einen
einigermassen vergleichbaren Wert aufweisen (BGE 124 V 108 E. 3b S. 111; Urteil
I 783/03 vom 18. August 2004 E. 5.2; Meyer-Blaser, Zum
Verhältnismässigkeitsgrundsatz im staatlichen Leistungsrecht, 1985, S. 186).
Die mit einer angemessenen Umschulung einhergehende bessere Stellung auf dem
Arbeitsmarkt ist für den Versicherten umso wichtiger, als er noch jung und die
verbleibende Aktivitätsdauer dementsprechend lang ist (vgl. AHI 2000 S. 29 E.
3c). Der Umschulungsanspruch des Beschwerdegegners ist somit grundsätzlich auch
dann gegeben, wenn ein momentaner Einkommensvergleich eine Verdiensteinbusse
von weniger als 20 % ergäbe.

5.
5.1 Nach den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz kann die Sanktion nach Art.
21 Abs. 4 ATSG nur so lange greifen, als zwischen Verhaltensweise und Schaden
ein Kausalzusammenhang besteht. Der versicherten Person steht es frei, um
Zusprechung beruflicher Massnahmen für die Zukunft zu ersuchen, sobald sie ihre
verweigernde Haltung aufgegeben hat. Entschliesst sie sich, die bisherige
Verweigerung aufzugeben, fällt für die Zukunft der Kausalzusammenhang
grundsätzlich dahin. Es ist deshalb ab diesem Zeitpunkt mit Wirkung für die
Zukunft zu prüfen, ob auf die bisherige Kürzung bzw. Verweigerung der Leistung
zurückzukommen ist (KIESER, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, N. 98 [mit
Hinweisen] zu Art. 21 ATSG). Die nach Erlass einer auf Art. 21 Abs. 4 ATSG
gestützten Verfügung erklärte subjektive Eingliederungsbereitschaft macht die
Widersetzlichkeit, welche zur Verfügung geführt hat, nicht ungeschehen. Die
nachträgliche Erklärung der versicherten Person ist indes gegebenenfalls als
Neuanmeldung zu betrachten (vgl. Urteil I 183/87 vom 20. Juli 1987 E. 1b zu
aArt. 31 Abs. 1 IVG).

5.2 Die Vorinstanz stellte für das Bundesgericht verbindlich fest (E. 2
hievor), dass der Beschwerdegegner innert der ihm angesetzten Frist nicht das
Zumutbare zu seiner beruflichen Wiedereingliederung beigetragen hat. Erst
nachdem die Beschwerde führende IV-Stelle nach Ablauf des Mahn- und
Bedenkzeitverfahrens am 4. März 2009 den Abschluss der beruflichen Massnahmen
verfügt hatte (vgl. hiezu SVR 2007 IV Nr. 34 S. 120 E. 4), liess der
Beschwerdegegner am 20. März 2009 geltend machen, er sei krankheitsbedingt
nicht in der Lage gewesen, innerhalb der ihm gesetzten Frist zu reagieren;
ausserdem habe er sich inzwischen selbst erfolgreich um eine Praktikumsstelle
als Tontechniker bemüht. Dies belegte er in der Folge mit einer
Praktikumsvereinbarung zwischen ihm und den Studios X._________ vom 16. April
2009. Nach dem Gesagten (E. 5.1 hievor) ändert die nach ordnungsgemäss
durchgeführtem Mahn- und Bedenkzeitverfahren und verfügter Leistungseinstellung
(oder -kürzung) erklärte subjektive Eingliederungsbereitschaft indes
grundsätzlich nichts daran, dass ein Leistungsanspruch nurmehr von diesem
Zeitpunkt an für die Zukunft (ex nunc et pro futuro) zu prüfen ist. Anderes
gilt, wenn die Verletzung der Mitwirkungspflicht entschuldbar ist, etwa weil
sie der versicherten Person nicht zugerechnet werden kann, da sie
krankheitsbedingt nicht in der Lage war, ihren Pflichten nachzukommen (vgl.
Art. 43 Abs. 3 ATSG; Kieser, a.a.O., N. 51 zu Art. 43 ATSG). Die Vorinstanz
stellte aber nicht fest, dass es dem Beschwerdegegner aus psychischen Gründen
unmöglich gewesen wäre, seiner Mitwirkungspflicht nachzukommen. Die Akten
lassen einen solchen Schluss ebenfalls nicht zu. Zum einen war der Versicherte
trotz seiner psychischen Probleme in der Lage, sich um einen Praktikumsplatz zu
bemühen. Zum anderen bestätigte Dr. med. K.________ am 2. April 2009 lediglich,
der Beschwerdegegner habe sich zu Behandlungsbeginn (Mitte Dezember 2008) nach
zahlreichen, vergeblichen Bemühungen um einen Praktikumsplatz als Tontechniker
in einer "depressiven Stimmung" befunden; sein derzeitiger psychischer Zustand
erlaube den jederzeitigen Beginn von Umschulungsmassnahmen.

5.3 Bei dieser Ausgangslage erging die leistungseinstellende Verfügung vom 4.
März 2009 zu Recht. Insbesondere kann sie nicht als offensichtlich unrichtig
bezeichnet werden, weshalb unerheblich ist, ob die Eingabe des Versicherten vom
20. März 2009 als Wiedererwägungsgesuch aufzufassen gewesen wäre (im Übrigen
hätte die Vorinstanz die Beschwerdeführerin ohnehin nicht zu einer
Wiedererwägung verpflichten können; eine solche fällt ausschliesslich in das
Ermessen der Versicherungsträgerin [Art. 53 Abs. 2 ATSG]; BGE 133 V 50 E. 4.2.1
S. 54). Weil die Geeignetheit des Verhaltens einer versicherten Person, den
versicherten Schaden zu vergrössern, lediglich hypothetisch zu beurteilen ist
(vgl. etwa Urteil 8C_128/2007 vom 14. Januar 2008 E. 3.2), ist das vom
Beschwerdegegner letztinstanzlich vorgebrachte Argument, selbst bei
fristgerechter Reaktion auf das Schreiben der Beschwerdeführerin vom 7. Januar
2009 hätte er das Praktikum nicht früher beginnen können, so dass sein
Verhalten keinen Schaden bewirkt habe, nicht stichhaltig. Schliesslich ändert
an der Rechtmässigkeit der vorinstanzlich angefochtenen Verfügung auch der
Umstand nichts, dass der Beschwerdegegner die Aufgabe seiner bisherigen
Verweigerungshaltung am 20. März 2009 hinreichend deutlich dargetan und im
weiteren Verlauf belegt hatte. Allerdings hätte die Beschwerdeführerin seine
Eingabe als Neuanmeldung entgegennehmen und von diesem Zeitpunkt an den
Anspruch auf berufliche Massnahmen erneut prüfen müssen (E. 5.1 und 5.2
hievor), anstatt ihn lediglich auf den Beschwerdeweg zu verweisen.

6.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdegegner die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seinem Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege wird entsprochen (Art. 64 BGG; BGE 125 V 201 E. 4a S. 202). Er hat
der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn er später dazu in der Lage ist (Art.
64 Abs. 4 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Graubünden vom 29. September 2009 wird aufgehoben.

2.
Dem Beschwerdegegner wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt, indes
vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

4.
Rechtsanwalt Pius Fryberg wird als unentgeltlicher Anwalt des Beschwerdegegners
bestellt, und es wird ihm für das bundesgerichtliche Verfahren aus der
Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet.

5.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an
das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden zurückgewiesen.

6.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 22. März 2010
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Bollinger Hammerle