Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 982/2009
Zurück zum Index II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2009
Retour à l'indice II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2009


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_982/2009

Urteil vom 12. Februar 2010
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiber Ettlin.

Parteien
M.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St.
Gallen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Ergänzungsleistung zur AHV/IV (Berechnung des Leistungsanspruchs),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 29. Oktober 2009.

In Erwägung,
dass die Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen dem 1980 geborenen M.________
Ergänzungsleistungen ab 1. Januar 2009 zu der ab 1. März 2002 ausgerichteten
Rente der Invalidenversicherung zugesprochen (Verfügung vom 12. März 2009) und
am 21. Mai 2009 verfügungsweise den Anspruch rückwirkend auf 1. März 2003
bejaht hat, woran sie auf erhobene Einsprache hin festhielt
(Einspracheentscheid vom 24. Juli 2009),
dass das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen die dagegen angehobene
Beschwerde mit Entscheid vom 29. Oktober 2009 teilweise guthiess und die Sache
zu neuer Verfügung im Sinne der Erwägungen an die IV-Stelle zurückwies,
dass M.________ mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das
Bundesgericht gelangt und beantragt, es seien Ergänzungsleistungen ab
Rentenbeginn vom 1. März 2002 (eventuell weiter zurück) zu zahlen, und bei
deren Bemessung sei die Hälfte der Mietnebenkosten gemäss jährlicher
Schlussrechnung zu berücksichtigen,
dass die Vorinstanz mit angefochtenem Entscheid zwar die Sache zu neuer
Verfügung an die Verwaltung zurückgewiesen hat, hingegen die Rückweisung nur
noch der rechnerischen Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten dient und der
Verwaltung kein Ermessenspielraum bleibt, weshalb es sich um einen Endentscheid
im Sinne von Art. 90 BGG handelt und auf die Beschwerde einzutreten ist (vgl.
BGE 134 II 124 E. 1.3 S. 127; Urteile 2C_596/2007 vom 24. Juni 2008 E. 1.2, in:
RDAF 2008 II S. 390; 9C_684/2007 vom 27. Dezember 2007 E. 1.1, in: SVR 2008 IV
Nr. 39 S. 131, je mit Hinweisen; Hansjörg Seiler, Rückweisungsentscheide in der
neueren Sozialversicherungspraxis des Bundesgerichts, in: Schaffhauser/
Schlauri [Hrsg.], Sozialversicherungsrechtstagung 2008, St. Gallen 2009, S. 28
bis 31),
dass die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden kann,
wobei das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde legt, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG); das Bundesgericht kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 132 V 393),
dass gemäss Art. 12 Abs. 1 ELG (in Kraft ab 1. Januar 2008) der Anspruch auf
eine jährliche Ergänzungsleistung ab Beginn des Monats besteht, in dem die
Anmeldung eingereicht worden ist, sofern sämtliche gesetzlichen Voraussetzungen
erfüllt sind, allerdings laut Art. 22 Abs. 1 ELV der Anspruch mit dem Monat der
Anmeldung für die Rente, frühestens jedoch mit der Rentenberechtigung beginnt,
wenn die Anmeldung für eine jährliche Ergänzungsleistung innert sechs Monaten
seit der Zustellung der Verfügung über eine Rente der AHV oder der IV
eingereicht wird,
dass sich der Beschwerdeführer zwar am 19. Januar 2009 zum Bezug von
Ergänzungsleistungen angemeldet hat und Zahlungen auch für die Zeit vor dem 1.
Januar 2008 fordert, hingegen der Beginn des Anspruchs in Art. 12 Abs. 1 ELG
und Art. 22 Abs. 1 ELV (in der ab 1. Januar 2008 gültigen Fassungen) gleich
geregelt ist wie in den bis zum 31. Dezember 2007 gültig gewesenen Art. 21 Abs.
1 und Art. 22 Abs. 1 ELV, weshalb die Frage der intertemporalrechtlichen
Anwendbarkeit der Bestimmungen offen bleiben kann (BGE 130 V 445 E. 1.2.1 S.
446; Urteil P 42/05 vom 16. Januar 2006 E. 2.1),
dass Ausgangspunkt der Auslegung jeder gesetzlichen Bestimmung deren Wortlaut
ist und das Gesetz in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem
Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zu Grunde liegenden Wertungen auf der
Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden muss (BGE 134 V
170 E. 4.1 S. 174),
dass der Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 ELV klar ist, weshalb der Beschwerdeführer
mit der Berufung auf Art. 112 Abs. 2 lit. b BV, wonach der Bund zu beachten
hat, dass die Renten der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung den
Existenzbedarf angemessen zu decken haben, für eine zeitlich über den Wortlaut
von Art. 22 Abs. 1 ELV hinausgehende Nachzahlung nichts gewinnt, zumal Art. 112
Abs. 2 lit. b BV einen blossen Gesetzgebungsauftrag enthält, in dessen Rahmen
der Gesetzgeber den interpretationsbedürftigen Begriff der "angemessenen
Deckung des Existenzbedarfs" zu konkretisieren hat (Carigiet/Koch,
Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, 2009, S. 39 ff.),

dass die mit Verfügung vom 18. Dezember 2008 eröffnete Rente der
Invalidenversicherung rückwirkend ab 1. März 2002 ausgerichtet wird (bestätigt
durch Urteil 9C_1029/2009 vom 12. Februar 2010), so dass in Anbetracht der
Anmeldung vom 19. Januar 2009 zum Bezug von Ergänzungsleistungen der Anspruch
darauf am 1. März 2003 entstanden ist (Art. 22 Abs. 1 ELV), d.h. im Monat der
eingegangenen IV-Anmeldung, was das kantonale Gericht bundesrechtskonform
erkannt hat,
dass der Beschwerdeführer sodann beantragt, es sei bei der Bemessung der
Ergänzungsleistungen die Hälfte der in den jährlichen Schlussrechnungen jeweils
ausgewiesenen Heiz- und Nebenkosten als Aufwand anzurechnen,
dass die Verwaltung die Hälfte der monatlichen Bruttomiete von Fr. 1'496.- (ab
1. April 2005: Fr. 1'516.- und Fr. 1'596.- ab 1. April 2006) für die mit der
Mutter geteilte Wohnung als Ausgaben anerkannt hat, worin Akontozahlungen für
Nebenkosten von Fr. 220.- (Fr. 240.- und Fr. 320.-) je Monat enthalten sind,
was die Vorinstanz rechtlich korrekt festgestellt hat (Art. 97 Abs. 1 und Art.
105 Abs. 1 BGG),
dass es sich bei den Akontozahlungen um vorläufige Zahlungen handelt, die an
die jährlich aufgelaufenen Nebenkosten anzurechnen sind (BGE 132 III 24 E. 5.1
S. 28), weshalb nicht zusätzlich zur halben Bruttomiete die Hälfte der in der
jährlichen Kostenabrechnung ausgewiesenen tatsächlichen Heiz- und Nebenkosten
den anerkannten Auslagen zugeschlagen werden können; denn die
Nebenkostenabrechnung weist eine im Umfang der Akontozahlungen bereits bezahlte
Schuld und insofern nicht zusätzlichen Aufwand aus,
dass zudem weder eine Nach- noch eine Rückzahlung zu berücksichtigen ist, wenn
eine Schlussrechnung für die Nebenkosten erstellt wird (Art. 3b Abs. 1 lit. b
ELG [in der bis zum 31. Dezember 2007 gültigen Fassung]; Art. 10 Abs. 1 lit. b
ELG [in der ab 1. Januar 2008 gültigen Fassung]), aus welchem Grund in den
Schlussrechnungen ausgewiesene Abweichungen zu den Akontozahlungen keine
anerkannte Ausgaben oder anrechenbare Einnahmen sind,
dass das kantonale Gericht mit Recht die Anrechnung der Hälfte der in der
Schlussrechnung ausgewiesenen Heiz- und Nebenkosten mit der Begründung
abgelehnt hat, dies liefe auf eine zweifache Berücksichtigung desselben
Aufwands hinaus,
dass dem Verfahrensausgang entsprechend die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen sind (Art. 66 Abs. 1 BGG),

erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 12. Februar 2010

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Ettlin