Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 972/2009
Zurück zum Index II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2009
Retour à l'indice II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2009


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_972/2009

Urteil vom 21. Januar 2011
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichterin Pfiffner Rauber, nebenamtlicher Bundesrichter An. Brunner,
Gerichtsschreiber Fessler.

Verfahrensbeteiligte
R.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Barbara Wyler,
Beschwerdeführerin,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Bern, Abteilung Leistungen, Chutzenstrasse 10, 3007
Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Ergänzungsleistung zur AHV/IV (Zuständigkeit),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 12.
Oktober 2009.

Sachverhalt:

A.
A.a Die 1974 geborene R.________ lebte seit ihrer Geburt im Kanton Bern, seit
Juli 1999 bei einer befreundeten Familie in A.________. Von Dezember 1999 bis
April 2000 und von April bis Mai 2000 wurde sie in der Klinik für Psychiatrie
und Psychotherapie S.________ stationär behandelt (Diagnose: Schwere depressive
Entwicklung mit Somatisierung und zeitweise ausgeprägter Suizidalität, Anorexia
nervosa). Mit Verfügung vom 28. August 2000 sprach ihr die Ausgleichskasse des
Kantons Bern eine ganze Invalidenrente ab 1. August 1999 zu. Ab Mai 2000 lebte
R.________ in der therapeutischen Wohngemeinschaft "C.________" (heute:
Wohngruppe V.________) in X.________, Gemeinde Y.________, im Kanton Thurgau.
Ab diesem Monat richtete ihr die Ausgleichskasse des Kanons Bern auch
Ergänzungsleistungen (EL) aus.
A.b Mit Schreiben vom 4. Januar 2008 teilte R.________ mit, sie wohne neu am
Weg B.________ in X.________, und sie deponiere ihren Heimatschein ab 1. Januar
2008 in der Gemeinde Y.________. Daraufhin stellte die Ausgleichskasse des
Kantons Bern die Ergänzungsleistung zufolge "Kantonswechsel TG" vorsorglich auf
Ende Dezember 2007 ein und forderte unter Hinweis auf den am 4. Januar
gemeldeten Austritt aus der "WG C.________" die für die Monate Januar und
Februar 2008 zu Unrecht ausbezahlten Fr. 746.- zurück (Verfügungen vom 19. und
20. Februar 2008).
A.c Am 12. Februar 2008 meldete sich R.________ beim Amt für AHV und IV des
Kantons Thurgau zum EL-Bezug ab 1. Januar 2008 an. Die Amtsstelle stufte die
Gesuchstellerin nicht (mehr) als Heimbewohnerin ein, was in der EL-Berechnung
zu einem Einnahmenüberschuss führte. Sie wies daher mit Verfügung vom 20. März
2008 das Leistungsbegehren ab, wogegen R.________ Einsprache erhob.
A.d Am 3. November 2008 meldete sich R.________ bei der Ausgleichskasse des
Kantons Bern an und beantragte Ergänzungsleistungen ab dem 1. Januar 2008.
Diese trat mit Verfügung vom 18. November 2008 mangels örtlicher Zuständigkeit
nicht auf das Gesuch ein, woran sie mit Einspracheentscheid vom 24. April 2009
festhielt.

B.
Die Beschwerde der R.________ wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, mit Entscheid vom 12. Oktober 2009 ab.

C.
R.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 12. Oktober 2009 sei aufzuheben und
die Ausgleichskasse des Kantons Bern zu verpflichten, sie weiterhin als
Heimbewohnerin zu behandeln und ihr rückwirkend ab 1. Januar 2008
Ergänzungsleistungen auszurichten und insofern auf die EL-Anmeldung vom 3.
November 2008 einzutreten.
Die Ausgleichskasse beantragt die Abweisung der Beschwerde. Kantonales Gericht
und Bundesamt für Sozialversicherungen haben auf eine Vernehmlassung
verzichtet.

In einer nachträglichen Eingabe weist R.________ unter Auflage entsprechender
Belege darauf hin, dass sie seit dem 1. Dezember 2009 in Z.________ im Kanton
Bern angemeldet ist.

Erwägungen:

1.
Im Streite liegt die Zuständigkeit der Beschwerdegegnerin für die Festsetzung
und Auszahlung der Ergänzungsleistung ab 1. Januar 2008.

2.
2.1 Nach Art. 1a Abs. 3 aELG (in Kraft gestanden bis 31. Dezember 2007) ist der
Kanton, in dem der Bezüger seinen Wohnsitz hat, zuständig für die Festsetzung
und Auszahlung der Ergänzungsleistung. Der Wohnsitz im Sinne dieser Vorschrift
bestimmt sich nach den Art. 23-26 ZGB (Art. 13 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit
Art. 1 Abs. 1 ELG). Der (zivilrechtliche) Wohnsitz einer Person befindet sich
an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält (Art. 23
Abs. 1 ZGB). Der Aufenthalt an einem Ort zum Zweck des Besuchs einer
Lehranstalt und die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs-,
Versorgungs-, Heil- oder Strafanstalt begründen keinen Wohnsitz (Art. 26 ZGB).

2.2 Gemäss Art. 21 Abs. 1 ELG (in Kraft seit 1. Januar 2008) ist der Kanton, in
dem die Bezügerin oder der Bezüger Wohnsitz hat, zuständig für die Festsetzung
und Auszahlung der Ergänzungsleistung (Satz 1). Der Aufenthalt in einem Heim,
einem Spital oder einer andern Anstalt und die behördliche oder
vormundschaftliche Versorgung einer mündigen oder entmündigten Person in
Familienpflege begründen keine neue Zuständigkeit (Satz 2). Diese Bestimmung
ist mangels einer anders lautenden Übergangsbestimmung mit ihrem Inkrafttreten
grundsätzlich sofort anwendbar.

3.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen die formellen Gültigkeitserfordernisse
des Verfahrens in Sozialversicherungsangelegenheiten vor den kantonalen
Versicherungsgerichten (BGE 135 V 124 E. 3.1 S. 127).

Die Beschwerdegegnerin hatte der seit Mai 2000 in der therapeutischen
Wohngemeinschaft "C.________" (heute: Wohngruppe V.________) im thurgauischen
X.________ lebenden Beschwerdeführerin ab Mai 2000 Ergänzungsleistungen
ausgerichtet. Nach deren Mitteilung vom 4. Januar 2008, sie wohne an einer
neuen Adresse in X.________ und sie deponiere ihren Heimatschein ab 1. Januar
in der zuständigen Gemeinde Y.________, stellte sie die Leistungen zufolge
Kantonswechsel auf Ende Dezember 2007 ein und forderte unter Hinweis auf den
Austritt aus der "WG C.________" den für die Monate Januar und Februar 2008
ausbezahlten Betrag zurück.

Die Beschwerdegegnerin ging somit offensichtlich davon aus, dass die
Beschwerdeführerin spätestens seit 1. Januar 2008 nicht mehr in der
Wohngemeinschaft "C.________" lebte, nicht mehr Heimbewohnerin war, jedoch
weiterhin im Kanton Thurgau wohnhaft blieb. Daraus schloss sie auf die Absicht
dauernden Verbleibens in diesem Kanton und dass sich die Beschwerdeführerin den
Aufenthaltsort zum Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen gemacht und somit
Wohnsitz im (zivilrechtlichen) Sinne von Art. 1a Abs. 3 aELG resp. Art. 21 Abs.
1 Satz 1 ELG begründet hatte (BGE 133 V 309 E. 3.1 S. 312), weshalb sie sich ab
diesem Zeitpunkt nicht mehr als zuständig für die Festsetzung und Auszahlung
der Ergänzungsleistung erachtete.

4.
4.1 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung
der Vorinstanz berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1
und Art. 105 Abs. 2 BGG).

4.2 Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als
erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Dies
ist dann der Fall, wenn eine bereits bei Erlass des angefochtenen Entscheids
bestandene Tatsache erst durch den angefochtenen Entscheid rechtswesentlich
wird (Hansjörg Seiler und andere, Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2007, N. 3 und 6
zu Art. 99 BGG; Urteil 8C_205/2010 vom 1. Juli 2010 E. 3.3). Inwiefern diese
Voraussetzung gegeben ist und das neue Vorbringen nicht bereits im
vorinstanzlichen Verfahren eingebracht werden konnte und musste, ist näher
darzulegen (SVR 2009 AHV Nr. 9 S. 33, 9C_219/2009 E. 1.3).

Die Beschwerdeführerin hat im bundesgerichtlichen Verfahren zwei Arztberichte
eingereicht, welche aufzeigen sollen, dass sie entgegen der Auffassung der
Vorinstanz im Jahre 2000 nicht freiwillig in die therapeutische
Wohngemeinschaft "C.________" eingetreten war, sondern weil keine andere
Lebensform möglich gewesen sei. Da das kantonale Versicherungsgericht der Frage
der Freiwilligkeit des Heimeintrittes eine massgebliche Bedeutung zugemessen
habe, habe erst der angefochtene Entscheid Anlass gegeben, dazu Stellung zu
nehmen und entsprechende Beweismittel einzureichen. Wie es sich damit verhält
und ob die erwähnten ärztlichen Berichte nicht schon im vorangegangenen
Verfahren hätten eingereicht werden müssen, kann offen bleiben, weil die
Freiwilligkeit des Heimeintritts nicht entscheidrelevant ist (vgl. hinten E.
5.2.2). Ebenso unbeachtlich ist die - nach Ablauf der Rechtsmittelfrist -
mitgeteilte (Wieder-)Anmeldung im Kanton Bern auf den 1. Dezember 2009. Es
handelt sich dabei um eine nach Erlass des Einspracheentscheids vom 24. April
2009 eingetretene Tatsache (BGE 131 V 407 E. 2.1.2.1 S. 412; 116 V 246 E. 1a S.
248).

4.3 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente
noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden. Es kann unter Berücksichtigung
der den Parteien obliegenden Begründungs- resp. Rügepflicht eine Beschwerde aus
einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen oder mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 133 II 249
E. 1.4.1 und 1.4.2 S. 254; BGE 9C_448/2010 vom 16. August 2010 E. 2.2).

5.
5.1 Die Vorinstanz hat zur streitigen Zuständigkeitsfrage erwogen, die
Versicherte sei freiwillig im Mai 2000 in die Wohngemeinschaft "C.________"
eingetreten. Mit ihrem freien Entschluss, ab 1. Januar 2008 die Nächte
ausserhalb der Wohngemeinschaft in einem möblierten Zimmer am selben Ort zu
verbringen und den Heimatschein bei der Gemeinde Wuppenau zu hinterlegen, habe
sie den Willen dokumentiert, ihren Lebensmittelpunkt auch längerfristig dorthin
zu verlegen, und habe damit am Aufenthaltsort X.________ zivilrechtlichen
Wohnsitz genommen. Dementsprechend habe sie sich am 12. Februar 2008 bei der
EL-Durchführungsstelle des Kantons Thurgau zum Leistungsbezug ab 1. Januar 2008
angemeldet. Dass zuvor ein Aufenthalt in der Wohngemeinschaft "C.________"
bestanden habe, sei nicht von Bedeutung. Nach der zu Art. 1a Abs. 3 aELG
ergangenen Rechtsprechung (BGE 133 V 309 E. 3.1 S. 312) sei auch bei einem
Heimaufenthalt eine neue Wohnsitznahme nicht ausgeschlossen. Ebenfalls spiele
es keine Rolle, ob sie in der Institution selber wohne oder extern in einem
möblierten Zimmer. Die Beschwerdegegnerin sei daher zu Recht nicht auf die
Anmeldung vom 3. November 2008 eingetreten.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, es habe sich nicht um eine freiwillige
Entscheidung gehandelt, in eine therapeutische Wohngemeinschaft einzutreten.
Vielmehr sei aus gesundheitlichen Gründen nur ein betreutes Wohnen in einem
Heim in Frage gekommen. Dass sie vorübergehend die Nacht jeweils extern in
einem möblierten Zimmer verbracht habe, habe zu keinem Zeitpunkt einen
Heimaustritt im materiellen Sinne dargestellt, sondern den temporären Versuch,
"die Lebensweise als Heimbewohnerin (...) zurück in die Selbständigkeit zu
führen". Es habe nie die Absicht dauernden Verbleibens ausserhalb des Heims
durch Miete einer eigenen Wohnung mit selbständigem Wohnen bestanden. Vielmehr
arbeite sie immer noch darauf hin, eines Tages aus dem Heim austreten zu
können. Soweit sei sie aber noch nicht. Im Gegenteil verbringe sie seit
September 2008 die Nächte nicht mehr auswärts. Im Übrigen sei die Hinterlegung
des Heimatscheins auf der Gemeinde am Aufenthaltsort für die Bestimmung des
zivilrechtlichen Wohnsitzes nicht massgebend. Unter den gegebenen Umständen
habe sie seit ihrem Heimeintritt im Mai 2000 bis heute gar nie einen eigenen
Wohnsitz im Kanton Thurgau begründen können, weshalb die bisherige Regelung
weiterzuführen sei und die Beschwerdegegnerin ihr nach wie vor
Ergänzungsleistungen auszurichten habe.

5.2 Mit der Feststellung, der Eintritt in die therapeutische Wohngemeinschaft
"C.________" im Mai 2000 sei freiwillig erfolgt, wirft die Vorinstanz (auch)
die Frage auf, ob die Beschwerdegegnerin überhaupt zuständig war für die
Festsetzung und Auszahlung der Ergänzungsleistung ab diesem Monat. Indem die
Beschwerdegegnerin ab Mai 2000 Ergänzungsleistungen ausrichtete, ging sie davon
aus, dass der Eintritt ins "C.________" und der Aufenthalt dort keinen neuen
Wohnsitz im Kanton Thurgau begründeten. Darauf könnte nur unter den
Voraussetzungen für eine Wiedererwägung oder prozessuale Revision der
jeweiligen Leistungsabrechnungen zurückgekommen werden. Es bestehen indessen
keine genügenden Anhaltspunkte dafür, dass die Annahme, die Beschwerdeführerin
habe nach wie vor Wohnsitz im Kanton Bern, zweifellos unrichtig gewesen war
oder auf einem unvollständigen Sachverhalt beruhte. Die Beschwerdegegnerin hat
denn auch weder im vorinstanzlichen noch in diesem Verfahren ihre Zuständigkeit
zur Festsetzung und Auszahlung der Ergänzungsleistung bis Ende 2007 bestritten.
5.3
5.3.1 Art. 21 Abs. 1 ELG hat gegenüber der bis Ende 2007 geltenden Regelung
gemäss Art. 1a Abs. 3 aELG insofern eine Änderung gebracht, als er neu die
Zuständigkeit für die Festsetzung und Auszahlung der Ergänzungsleistung u.a.
bei einem Aufenthalt in einem Heim, einem Spital oder einer anderen Anstalt
ordnet. Solche Tatbestände wurden unter dem bisherigen Recht anknüpfend an den
zivilrechtlichen Wohnsitzbegriff durch Anwendung von Art. 26 ZGB geregelt
(vorne E. 2.1). Nach der Rechtsprechung wird in dieser Bestimmung jedoch
lediglich die Vermutung angestellt, wonach der Aufenthalt am Studienort oder in
einer Anstalt nicht bedeutet, dass auch der Lebensmittelpunkt an den fraglichen
Ort verlegt worden ist, was für die Begründung eines neuen Wohnsitzes
erforderlich ist (BGE 127 V 237 E. 1 S. 238). Diese Vermutung ist widerlegbar,
insbesondere wenn eine urteilsfähige mündige Person freiwillig und
selbstbestimmt, allenfalls vom "Zwang der Umstände" (etwa Angewiesensein auf
Betreuung, finanzielle Gründe) diktiert sich zu einem Anstaltsaufenthalt
unbeschränkter Dauer entschlossen hat (BGE 133 V 309 E. 3.1 S. 312 mit weiteren
Hinweisen; vgl. auch BGE 135 III 49 E. 6.2 S. 56). Die Widerlegung der
Vermutung in Art. 26 ZGB unter Annahme eines neuen Wohnsitzes konnte somit zu
einem Wechsel der Zuständigkeit des Kantons zur Festsetzung und Auszahlung der
Ergänzungsleistung führen. Soweit durch diese Regelung Standortgemeinden von
Institutionen zur Betreuung und Pflege Invalider benachteiligt werden konnten,
wies das Bundesgericht darauf hin, es bleibe Sache des Gesetzgebers, Abhilfe zu
schaffen und gegebenenfalls ergänzungsleistungsrechtlich eine vom
zivilrechtlichen Wohnsitz abweichende Lösung vorzusehen (BGE 133 V 309 E. 3.3
in fine S. 314).
5.3.2
5.3.2.1 Der neue Art. 21 Abs. 1 ELG knüpft die kantonale Zuständigkeit für die
Festsetzung und Auszahlung der Ergänzungsleistung zwar nach wie vor am Wohnsitz
der bezugsberechtigten Person an. Satz 2 der Bestimmung stellt nun aber klar,
dass der Aufenthalt in einem Heim, einem Spital oder einer anderen Anstalt und
die behördliche oder vormundschaftliche Versorgung einer mündigen oder
entmündigten Person in Familienpflege keine neue Zuständigkeit begründen. Die
Materialien (zu deren Bedeutung für die Gesetzesauslegung BGE 133 III 273 E.
3.2.2 S. 278) zur Totalrevision des Ergänzungsleistungsrechts im Rahmen der
Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und
Kantonen (NFA) machen deutlich, dass die Zuständigkeit bei einem Heim- oder
Anstaltsaufenthalt gegenüber dem früheren Rechtszustand anders geregelt werden
sollte. In der Vorlage zuhanden des Parlaments wurde dem Bundesrat die
Kompetenz eingeräumt, nach Anhörung der Kantone besondere
Zuständigkeitsbestimmungen für in Heimen oder Spitälern lebende Personen zu
erlassen (Botschaft vom 7. September 2005 zur Ausführungsgesetzgebung zur
Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und
Kantonen [NFA], BBl 2005 S. 6029 ff., 6357). Zur Begründung wurde ausgeführt,
bei Heimbewohnern habe sich in der Praxis immer wieder gezeigt, dass zwischen
den Kantonen Streitigkeiten über die Zuständigkeit entstanden seien, weil die
Wohnsitzfrage nicht immer ohne weiteres zu beantworten gewesen sei (BBl 2005 S.
6233). Auf Antrag seiner vorberatenden Kommission (Protokoll der Sitzung vom
18./19. Januar 2006 S. 69 ff.) schlug der Ständerat als Erstrat vor, die
Kompetenz des Bundesrates zu streichen und durch den nunmehr geltenden Satz 2
von Art. 21 Abs. 1 ELG zu ersetzen. In der parlamentarischen Beratung führte
der Kommissionssprecher aus, die neue Regelung stimme mit derjenigen im
Bundesgesetz über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger (ZUG; SR
851.1) überein. Die zum ZUG entwickelte Praxis für Heim- und Anstaltsinsassen
sowie Familienpfleglinge solle auch im ELG grundsätzlich Anwendung finden.
Zuhanden der Materialien werde mit aller Deutlichkeit festgehalten, dass die
Änderung keine Auswirkungen auf die Festlegung des zivilrechtlichen Wohnsitzes
habe. Dieser bestimme sich einzig und allein nach dem Schweizerischen
Zivilgesetzbuch (AB 2006 S 212). Der Nationalrat stimmte dem gegenüber der
bundesrätlichen Vorlage neu gefassten Art. 21 Abs. 1 ELG diskussionslos zu (AB
2006 N 1255).
5.3.2.2 Nach dem klaren Willen des Gesetzgebers, wie er auch im Wortlaut seinen
Niederschlag gefunden hat, ist somit der Eintritt in ein Heim, ein Spital oder
eine andere Anstalt oder die behördliche oder vormundschaftliche Versorgung
einer mündigen oder entmündigten Person in Familienpflege unabhängig davon, ob
am Aufenthaltsort zivilrechtlicher Wohnsitz begründet wird, ohne Bedeutung für
die Frage der Zuständigkeit zur Festsetzung und Auszahlung der
Ergänzungsleistung. Zuständig ist resp. bleibt der Kanton, in welchem die
EL-beziehende Person unmittelbar vor dem Heim- oder Anstaltseintritt Wohnsitz
hatte. Insoweit stellt sich die in der Praxis häufig schwierige Abgrenzung von
wohnsitzbegründendem freiwilligen Eintritt in ein Heim oder eine Anstalt und
nicht wohnsitzrelevanter Unterbringung nicht. Ob Wohnsitz am Standort des Heims
oder der Anstalt besteht, ist lediglich dann von Bedeutung, wenn der
EL-Anspruch erst während des Aufenthalts in der Institution entsteht. Für den
Fall eines Aufenthalts in einem Heim, einem Spital oder einer andern Anstalt
hat der Gesetzgeber somit eine Regelung getroffen, bei welcher - ähnlich wie im
Fürsorgebereich (vgl. BGE 135 V 134 E. 2.1 S. 136) - der zivilrechtliche
Wohnsitz und die Zuständigkeit zur Festsetzung und Auszahlung der (Ergänzungs-)
Leistung auseinanderfallen können.

5.4 Vorliegend ist daher nicht entscheidend, ob die Beschwerdeführerin ab 1.
Januar 2008 zivilrechtlichen Wohnsitz im Kanton Thurgau hatte, sondern ob auch
ab diesem Zeitpunkt von einem Heimaufenthalt im ergänzungsleistungsrechtlichen
Sinne auszugehen ist. Die Vorinstanz hat diese Frage nicht geprüft und auch
keine diesbezüglichen Feststellungen getroffen. Da die Akten insoweit nicht
spruchreif sind, ist die Sache zur entsprechenden Sachverhaltsermittlung und
anschliessender neuer Verfügung an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen (Art.
107 Abs. 2 BGG).

6.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdegegnerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und der Beschwerdeführerin eine
Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichtes des
Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, vom 12. Oktober 2009 und
der Einspracheentscheid der Ausgleichskasse des Kantons Bern vom 24. April 2009
werden aufgehoben. Die Sache wird an die Verwaltung zurückgewiesen, damit sie
im Sinne der Erwägungen verfahre.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden der Ausgleichskasse des Kantons Bern
auferlegt.

3.
Die Ausgleichskasse des Kantons Bern hat die Beschwerdeführerin für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche
Abteilung, hat die Parteientschädigung für des vorangegangene Verfahren neu
festzusetzen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 21. Januar 2011

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Fessler