Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 970/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_970/2009

Urteil vom 12. Mai 2010
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.

Verfahrensbeteiligte
S.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Gabathuler,
Beschwerdeführer,

gegen

Pensionskasse Y.________,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 16. September 2009.

Sachverhalt:

A.
Der 1950 geborene S.________ war vom 1. Mai 1988 bis 31. Mai 2006 bei der Firma
A.________ beschäftigt und damit bei der Fürsorgestiftung X.________ (heute:
Pensionskasse Y.________) vorsorgeversichert. Diese überwies am 22. Dezember
2006 eine Austrittsleistung in der Höhe von Fr. 181'834.80 an die neue
Vorsorgeeinrichtung des Versicherten (Freizügigkeitsleistung von Fr. 179'319.35
per Austrittsdatum, zuzüglich Zinsen bis Auszahlungsdatum von Fr. 2'515.45).
Seinem Ersuchen um Ausrichtung einer nach seiner eigenen Berechnung um Fr.
25'314.50 höheren Austrittsleistung gab sie nicht statt.

B.
Klageweise liess S.________ das Rechtsbegehren stellen, die Pensionskasse sei
zu verpflichten, ihm als Austrittsleistung per 31. Mai 2006 eine Nachzahlung
von Fr. 25'314.50 zu erbringen, nebst Verzugszins von 3,75 % seit 1. Juli 2006,
zahlbar an die Freizügigkeitsstiftung der Bank Z.________. Mit Entscheid vom
16. September 2009 wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die
Klage ab.

C.
S.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei die Pensionskasse
zu verpflichten, ihm als Austrittsleistung per 31. Mai 2006 eine Nachzahlung
von Fr. 25'314.50, eventualiter von Fr. 15'425.20 zu leisten, nebst Verzugszins
von 3,75 % seit 1. Juli 2006, zahlbar an die Freizügigkeitsstiftung der Bank
Z.________.
Während die Pensionskasse auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet
das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Stellungnahme.

Erwägungen:

1.
Als die beschwerdegegnerische Vorsorgeeinrichtung auf den 1. Januar 2005 vom
Leistungs- zum Beitragsprimat wechselte, schrieb sie sämtlichen Versicherten
ein Startguthaben in der Höhe der damaligen Austrittsleistung gut. Umstritten
ist die Berechnung des dem Beschwerdeführer unter diesem Titel zustehenden
Betrages.

2.
Im angefochtenen Entscheid werden die gesetzlichen Bestimmungen über die
Berechnung der Austrittsleistung, auf welche bei einem vor Eintritt eines
Vorsorgefalles erfolgenden Austritt aus der Vorsorgeeinrichtung Anspruch
besteht (Art. 15 ff. FZG), und die darauf Bezug nehmende reglementarische
Bestimmung (Art. 7.3 des Reglements über die Personalvorsorge der
Fürsorgestiftung X.________ in der seit 1. Januar 2003 anwendbaren Fassung),
insbesondere die Berechnungsarten A (Freizügigkeitsleistung gemäss Art. 16
FZG), B (Mindestbetrag gemäss Art. 17 FZG) und C (Mindestbetrag gemäss Art. 18
FZG), zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.
3.1 Nach einem Vergleich der drei reglementarischen Berechnungsmethoden, von
denen diejenige mit dem höchsten Ergebnis Anwendung findet, gelangte die
beschwerdegegnerische Pensionskasse im Falle des Beschwerdeführers zu einer
Freizügigkeitsleistung von Fr. 156'677.-, dies entsprechend Variante A gemäss
Art. 7.3 des Reglements (Freizügigkeitsleistung gemäss Art. 16 FZG), welcher
Wert von der Vorinstanz bestätigt und vom Beschwerdeführer denn auch nicht
bestritten wird. Ebenso steht fest und bedarf keiner weiteren Erörterung, dass
Berechnungsart C (Altersguthaben nach BVG; Mindestbetrag gemäss Art. 18 FZG)
ausser Betracht fällt, weil der sich daraus ergebende Wert tiefer ist als der
von der Beschwerdegegnerin anerkannte Betrag.

3.2 Umstritten ist die in Art. 7.3 des Reglements vorgesehene und nach
Auffassung des Beschwerdeführers anwendbare, weil nach seiner Berechnung zum
höchsten Ergebnis führende Variante B. Bei dieser setzt sich die
Freizügigkeitsleistung (Mindestbetrag gemäss Art. 17 FZG) zusammen aus den von
der versicherten Person in die Personalvorsorge eingebrachten
Freizügigkeitsleistungen mit Zins und der Einkaufssumme für den Einkauf
zusätzlicher Beitragsjahre mit Zins (lit. a), den von der versicherten Person
an die Altersleistungen geleisteten Beiträgen mit Zins sowie allfälligen
Nachzahlungen mit Zins (lit. b) und einem Zuschlag von 4 % für jedes Altersjahr
über dem Alter von 20 Jahren, höchstens jedoch 100 % auf dem Betrag gemäss lit.
b, wobei das Alter der Differenz zwischen dem laufenden Kalenderjahr und dem
Geburtsjahr der ausscheidenden Person entspricht (lit. c). Dabei besteht einzig
Uneinigkeit in der Frage, wie die in den Jahren 1988-1994 geleisteten Beiträge
bis Ende 2004 (d.h. bis zum Primatwechsel) zu verzinsen sind. Denn diese hat
die Fürsorgestiftung der X.________ als Vorsorgeeinrichtung mit Leistungsprimat
als Gesamtbeiträge (vgl. dazu Schneider/Geiser/Gächter, BVG und FZG, Bern 2010,
N. 33 zu Art. 65 BVG) entsprechend Art. 19 des damals geltenden Reglements
(Art. 50 Abs. 1 lit. c BVG) erhoben, d.h. ohne zwischen Sparbeitrag für die
Äufnung des Alterskapitals und Risikobeitrag für die Deckung der
Hinterlassenen- und Invalidenleistungen (wie dies bei Vorsorgeeinrichtungen mit
Beitragsprimat üblich ist, vgl. dazu Schneider/Geiser/Gächter, a.a.O., N. 29
ff. zu Art. 65 BVG) zu unterscheiden.

3.3 Die Beschwerdegegnerin und die Vorinstanz gehen davon aus, dass die
Gesamtbeiträge bis Ende 2004 vollumfänglich gutzuschreiben seien, d.h.
inklusive dem darin enthaltenen, nicht ausgesonderten Risikoanteil, aber dafür
ohne Zins. Nach Auffassung des Beschwerdeführers müssen auch die Gesamtbeiträge
grundsätzlich vollständig oder dann jedenfalls ab 1995 - zu welchem Zeitpunkt
der Gesamtbeitrag aufgegeben wurde zugunsten der Unterscheidung von Spar- und
Risikobeitrag - verzinst werden.
3.3.1 Da entsprechend dem damals geltenden Reglement dem Guthaben des
Beschwerdeführers auch der im Gesamtbeitrag enthaltene Risikobeitrag
gutgeschrieben wurde, kann sich der Anspruch auf Verzinsung jedenfalls nicht
auf Art. 17 Abs. 4 FZG stützen. Denn nach dieser Norm können Beiträge zur
Finanzierung von Leistungen nach Abs. 2 Bst. a-c nur dann von den Beiträgen der
versicherten Person abgezogen werden, wenn der nicht für die Leistungen und
Kosten nach den Absätzen 2 und 3 verwendete Teil der Beiträge verzinst wird.
Mit anderen Worten wird ein Zins nur vorgeschrieben, wenn die Beiträge - was
hier nicht der Fall ist - nach Abs. 2 (und 3) abgezogen werden.
3.3.2 Fraglich ist indessen, ob sich der Anspruch auf Verzinsung aus Litera b
der Berechnungsart B (Art. 7.3 des Reglements) ergibt, wonach sich die
Freizügigkeitsleistung unter anderem zusammensetzt aus den "von der
versicherten Person an die Altersleistungen geleisteten Beiträgen mit Zins", so
dass mit anderen Worten die "an die Altersleistungen" geleisteten Beiträge zu
verzinsen sind. Die Vorinstanz verneint dies mit der Begründung, eine
Verzinsung der Alterssparbeiträge im Sinne des Reglements sei für die bis Ende
1994 geleisteten Beiträge nicht möglich, da bis zu diesem Zeitpunkt gar kein
Sparbeitrag ausgeschieden worden sei. Diese Argumentation greift indessen zu
kurz. Auszugehen ist vielmehr davon, dass das ab 1. Januar 2003 in Kraft
stehende Reglement die Frage der Verzinsung der - ihm nicht bekannten -
Gesamtbeiträge gar nicht regelt, da es (wie im Finanzierungssystem des
Beitragsprimats üblich) zwischen Spar- und Risikobeiträgen unterscheidet (vgl.
Art. 6.2 des Reglements) und sich dessen Litera b der Berechnungsart B (Art.
7.3 des Reglements) auf die nach diesem neuen Reglement entrichteten Beiträge
an die Altersleistungen bezieht. Da das Reglement auch keine
Übergangsbestimmungen für die nach dem früheren Recht geleisteten
Gesamtbeiträge enthält, liegt in Bezug auf die Verzinsung derselben eine Lücke
vor.
3.3.2.1 Das Reglement als vorformulierter Inhalt des Vorsorgevertrags ist nach
dem Vertrauensprinzip auszulegen. Danach ist darauf abzustellen, wie die zur
Streitigkeit Anlass gebende Willenserklärung vom Empfänger in guten Treuen
verstanden werden durfte und musste. Dabei ist nicht auf den inneren Willen des
Erklärenden abzustellen, sondern auf den objektiven Sinn seines
Erklärungsverhaltens. Der Erklärende hat gegen sich gelten zu lassen, was ein
vernünftiger und korrekter Mensch unter der Erklärung verstehen durfte. Weiter
sind die besonderen Auslegungsregeln bei Allgemeinen Geschäfts- oder
Versicherungsbedingungen zu beachten, insbesondere die Unklarheits- und die
Ungewöhnlichkeitsregel (BGE 134 V 223 E. 3.1 S. 227 f., 369 E. 6.2 S. 375).
Ergibt sich durch Auslegung, dass eine reglementarische Ordnung für eine
zwischen den Parteien aufgetretene Schwierigkeit keine Regelung vorsieht, muss
die vertragliche Regelung vom Richter ergänzt werden. Dabei ist es im Recht der
beruflichen Vorsorge im Allgemeinen sinnvoll, die gesetzliche Regelung analog
zur Lückenfüllung von Reglementen heranzuziehen (BGE 129 V 145 E. 3.1 S. 148;
vgl. auch BGE 119 V 283 E. 5a S. 287; SVR 1997 BVG Nr. 66 S. 199, B 18/96 E.
6b; Urteil B 35/03 vom 17. Februar 2004 E. 3.3.4 [mit Zusammenfassung in SZS
2004 S. 447]).
3.3.2.2 Im Lichte dieser Grundsätze ist nicht zu beanstanden, wenn die
Beschwerdegegnerin und die Vorinstanz die Lücke analog zur (von ihnen als lex
specialis zu Art. 17 Abs. 1 FZG betrachteten) Regelung des Art. 17 Abs. 4 FZG e
contrario füllen, wonach die Beiträge nicht zu verzinsen sind, wenn die zur
Finanzierung von Invaliden- und Hinterlassenenleistungen (sowie
Überbrückungsrenten) aufgewendeten Beiträge dem Konto des Versicherten
verbleiben.
Zwar wäre es denkbar, im Sinne des Beschwerdeführers auch beim Gesamtbeitrag
rechnerisch zwischen einem Spar- und einem Risikoanteil zu unterscheiden und
ersteren zu verzinsen. Dies hätte allerdings zur Folge, dass auf der anderen
Seite der Risikoanteil von den gutzuschreibenden Beiträgen abzuziehen wäre. Für
eine derartige Korrektur müsste indessen ein Risikoanteil festgelegt werden,
was einen Eingriff in den gesetzlich geschützten (Art. 49 BVG) Autonomiebereich
der Vorsorgeeinrichtung bedeuten würde. Denn wenn eine Vorsorgeeinrichtung -
wie ohne weiteres zulässig und bei Leistungsprimatskassen üblich - einen
Gesamtbeitrag vorgesehen hatte, basierte auch ihre Kalkulation darauf; es wäre
systemwidrig, nachträglich richterlich einzugreifen und eine Aufteilung in
Spar- und Risikobeitrag zu verlangen, welche für alle Versicherten gelten
müsste und eine umfassende Neukalkulation verlangen würde.

4.
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die
Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 12. Mai 2010
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Keel Baumann