Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 93/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_93/2009

Urteil vom 17. März 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Seiler,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Parteien
W.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Krapf,

gegen

Stadt Zürich Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV, Amtshaus Helvetiaplatz, 8004
Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Ergänzungsleistung zur AHV/IV,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 27. Dezember 2008.

Sachverhalt:

A.
Die 1953 geborene W.________ bezieht eine Ergänzungsleistung zu ihrer
Invalidenrente. Seit 1. Januar 2004 hat sie Anspruch auf eine Dreiviertelsrente
der Invalidenversicherung nebst Kinderrente, worauf die Pensionskasse eine neue
Berechnung der Invalidenleistungen vornahm. Dies ergab für die Zeit vom 8.
August 2002 bis 30. April 2008 eine Nachzahlung von Fr. 19'041.50
(Teilinvalidenrente) und für die Zeit vom 8. August 2002 bis 31. März 2008 eine
solche von Fr. 3757.65 (Kinderrente). Den Gesamtbetrag von Fr. 22'799.15
überwies die Pensionskasse auf das Bankkonto der Versicherten.
Mit Verfügung vom 6. Mai 2008 verpflichtete das Amt für Zusatzleistungen zur
AHV/IV der Stadt Zürich W.________ zur Rückerstattung von im Zeitraum vom 1.
September 2003 bis 31. Mai 2008 zu viel ausgerichteten Zusatzleistungen im
Betrag von Fr. 14'181.-. Diese Verfügung blieb unangefochten. Gestützt auf die
Zahlungsermächtigung, welche W.________ am 18. Oktober 2004 der Pensionskasse
erteilt hatte, überwies diese am 19. Mai 2008 dem Amt für Zusatzleistungen zur
AHV/IV, welches am 29. April 2008 eine Verrechnung der BVG-Rentennachzahlung
mit den von ihm erbrachten Zusatzleistungen geltend gemacht hatte, den Betrag
von Fr. 14'181.-.
Am 26. Juni 2008 ersuchte W.________ um Erlass der Rückerstattung zu viel
bezogener Ergänzungsleistungen in der Höhe von Fr. 14'181.-. Das Amt für
Zusatzleistungen lehnte dieses Gesuch mit Verfügung vom 9. Juli 2008 ab, woran
es mit Einspracheentscheid vom 7. August 2008 festhielt.

B.
Die Versicherte liess Beschwerde führen mit den Anträgen, unter Aufhebung des
Einspracheentscheides sei ihr die Rückerstattung des zurückgeforderten Betrages
von Fr. 14'181.- zu erlassen; ferner sei ihr für das Einspracheverfahren und
das kantonale Beschwerdeverfahren die unentgeltliche Verbeiständung zugewähren.
Mit Entscheid vom 27. Dezember 2008 wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich die Beschwerde unter Bewilligung der unentgeltlichen
Verbeiständung für das kantonale Verfahren ab.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt W.________ die
vorinstanzlich gestellten Rechtsbegehren erneuern; im Weiteren ersucht sie für
das letztinstanzliche Verfahren um die Bewilligung der unentgeltlichen
Prozessführung und Verbeiständung.
Während das Amt für Zusatzleistungen auf Abweisung der Beschwerde schliesst,
verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
Nach Art. 25 Abs. 1 ATSG (SR 830.1) sind unrechtmässig bezogene Leistungen
zurückzuerstatten. Wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie
nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt. Gemäss Art. 4 Abs. 2
ATSV (SR 830.11) ist für die Beurteilung, ob eine grosse Härte vorliegt, der
Zeitpunkt massgebend, in welchem über die Rückforderung rechtskräftig
entschieden ist. Wie die Vorinstanz zutreffend dargelegt hat, fällt bei einer
Verrechnung ein Erlass nur in Betracht, wenn sie mit laufenden oder künftig
fällig werdenden Leistungen erfolgt. Anderes gilt jedoch, wenn es darum geht,
der versicherten Person bereits ausbezahlte Leistungen durch gleich hohe, unter
anderem Titel geschuldete zu ersetzen und die beiden Betreffnisse miteinander
zu verrechnen. Hier besteht lediglich ein anderer Rechtsgrund für die
geschuldeten Leistungen; das Vermögen der rückerstattungspflichtigen Person
erfährt keine Veränderung, die zu einem Härtefall führen kann, weshalb die
Frage des Erlasses nicht zu prüfen ist (BGE 122 V 221 E. 5c S. 226). Im
nämlichen Urteil hat das Eidgenössische Versicherungsgericht in Präzisierung
der Rechtsprechung entschieden, dass die Rückerstattung im Falle rückwirkend
ausgerichteter Rentennachzahlungen insoweit keine grosse Härte darstellen kann,
als die aus den entsprechenden Nachzahlungen stammenden Mittel im Zeitpunkt, in
dem die Rückzahlung erfolgen sollte, noch vorhanden sind. Diese Präzisierung
bezieht sich nur auf jene Fälle, in denen dem Versicherten nachträglich
zusätzliche Leistungen aus Ansprüchen zufliessen, die sich bezüglich ihrer
zeitlichen Bestimmung mit dem vorangegangenen EL-Bezug decken (E. 6d S. 228).

3.
Das Vorliegen des guten Glaubens ist mit der Vorinstanz zu bejahen, sodass
einzig zu prüfen ist, ob die weiter vorausgesetzte grosse Härte gegeben ist.

3.1 Nach den Feststellungen des kantonalen Gerichts zahlte die Pensionskasse
dem Amt für Zusatzleistungen am 19. Mai 2008 gestützt auf die
Zahlungsermächtigung der Versicherten in Verrechnung mit dem
Pensionskassenguthaben der Beschwerdeführerin den Betrag von Fr. 14'181.-,
entsprechend der vom Amt am 6. Mai 2008 verfügten Rückforderung, aus. Damit
entfällt eine grosse Härte nach Art. 25 Abs. 1 ATSG, wurden doch der
Beschwerdeführerin vom 1. September 2003 bis 31. Mai 2008 unter dem Titel
Zusatzleistungen ausgerichtete, zu hohe Zahlungen nachträglich durch
Verrechnung mit Pensionskassenleistungen in gleicher Höhe ersetzt; es besteht
nunmehr ein anderer Rechtsgrund für die geschuldeten Leistungen, wogegen das
Vermögen der rückerstattungspflichtigen Beschwerdeführerin keine Veränderung
erfahren hat, die zu einem Härtefall führen könnte, sodass die Prüfung der
Erlassfrage entfällt.

3.2 Die Beschwerdeführerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf BGE 122 V 221 E.
6d S. 228 berufen. Denn die Pensionskasse hat den Betrag von Fr. 14'181.- nicht
der Versicherten, sondern dem Amt ausbezahlt, weshalb sie gar nie über diese
Mittel verfügen und damit auch keine Schulden tilgen konnte. Der Umstand, dass
die Pensionskasse der Beschwerdeführerin im April 2008 offenbar versehentlich
eine Nachzahlung in der Höhe von Fr. 22'799.15 geleistet hat, die sie ihren
eigenen Angaben zufolge zur Begleichung von Schulden verwendet hat, ist nicht
entscheidend. Gegenstand des vorliegenden Prozesses bildet einzig der Erlass
der Rückerstattung von Fr. 14'181.- gemäss Zahlung der Pensionskasse an das Amt
für Zusatzleistungen, mit welcher der Anspruch der Versicherten gegenüber der
Vorsorgeeinrichtung auf Rentennachzahlung mit ihrer Rückerstattungsschuld
gegenüber dem Amt für Zusatzleistungen verrechnet wurde, wofür ihre
schriftliche Ermächtigung vorlag.

4.
Zu prüfen bleibt der Anspruch der Versicherten auf unentgeltliche
Verbeiständung für das Einspracheverfahren.

4.1 Laut Art. 37 Abs. 4 ATSG wird der Gesuch stellenden Person ein
unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt, wo die Verhältnisse es erfordern. An
die Voraussetzung der sachlichen Notwendigkeit einer Verbeiständung im
Verwaltungsverfahren ist ein strengerer Massstab anzulegen als im kantonalen
Gerichtsprozess (Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 812/05 vom
24. Januar 2006). Nach der zu aArt. 4 BV ergangenen, weiterhin anwendbaren
Rechtsprechung (BGE 125 V 32 E. 2 S. 34) sind insbesondere an die Notwendigkeit
der Verbeiständung hohe Anforderungen zu stellen. Eine anwaltliche
Verbeiständung drängt sich nur in Ausnahmefällen auf, wenn schwierige
rechtliche oder tatsächliche Fragen dies notwendig erscheinen lassen und eine
Verbeiständung durch Verbandsvertreter, Fürsorger oder andere Fach- und
Vertrauensleute sozialer Institutionen nicht in Betracht fällt.

4.2 Das Sozialversicherungsgericht hat mit zutreffender Begründung
festgestellt, dass die restriktiven Voraussetzungen, unter denen die
unentgeltliche Verbeiständung im Einspracheverfahren ausnahmsweise zu gewähren
ist, im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind, waren doch nicht derart
schwierige Rechts- oder Tatfragen zu beantworten, die den Beizug eines
Rechtsanwalts erfordert hätten. Gerade in einem Fall wie dem vorliegenden wäre
es für die Beschwerdeführerin naheliegend gewesen, sich an eine
Vertrauensperson einer sozialen Institution zu wenden. Die in der Beschwerde
vorgetragenen Ausführungen vermögen die Notwendigkeit anwaltlicher
Verbeiständung im Verwaltungsverfahren nicht zu begründen.

5.
Die Voraussetzungen für die Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung und
Verbeiständung im bundesgerichtlichen Verfahren (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG) sind
erfüllt, weshalb dem entsprechenden Gesuch stattzugeben ist. Die
Beschwerdeführerin ist indessen auf Art. 64 Abs. 4 BGG hinzuweisen, wonach die
Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn sie später dazu in der
Lage ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1300.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt,
indes vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

4.
Rechtsanwalt Dr. Markus Krapf wird aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von
Fr. 2200.- ausgerichtet.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 17. März 2009
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Widmer