Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 934/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_934/2009

Urteil vom 28. April 2010
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Borella, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Seiler,
nebenamtlicher Bundesrichter A. Brunner,
Gerichtsschreiberin Helfenstein Franke.

Verfahrensbeteiligte
Ausgleichskasse des Kantons Zug,
Baarerstrasse 11, 6300 Zug,
Beschwerdeführerin,

gegen

M.________,
vertreten durch B.________,
Betreuungsstelle X.________,
und diese vertreten durch
Rechtsanwalt Jean Baptiste Huber,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Ergänzungsleistung zur AHV/IV,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug
vom 24. September 2009.

Sachverhalt:

A.
Der 1971 geborene M.________ meldete sich am 22. Januar 2008 zum Bezug von
Ergänzungsleistungen (EL) an. Die Ausgleichskasse Zug sprach ihm mit zwei
Verfügungen vom 23. Mai 2008 für die Monate Januar und Februar 2008
Ergänzungsleistungen von Fr. 2'245.- und ab März 2008 von Fr. 965.- zu. In
beiden Berechnungen wurde ein Verzichtsvermögen von Fr. 129'000.-
berücksichtigt. Der angerechnete Betrag ergibt sich aus einer
Freizügigkeitsleistung von Fr. 139'230.-, welche dem Versicherten am 31. August
2006 überwiesen worden und im Zeitpunkt der Anmeldung zum Leistungsbezug nicht
mehr vorhanden war, abzüglich Fr. 10'000.- für den jährlich zu
berücksichtigenden Vermögensverzehr. Die von M.________ gegen die Verfügungen
erhobene Einsprache wies die Ausgleichskasse mit Entscheid vom 22. Dezember
2008 ab und hielt an der Anrechnung des Verzichtsvermögens fest.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher die Berücksichtigung der effektiv
erzielten Einkünfte und des tatsächlich vorhandenen Vermögens beantragt wurde,
hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Zug mit Entscheid vom 24. September
2009 gut und stellte fest, "dass das Vermögen in der Höhe von Fr. 139'000.-
nicht als Einnahmen im Sinne von Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG angerechnet wird".

C.
Die Ausgleichskasse Zug führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten und beantragt, unter Aufhebung des kantonalen Entscheides sei
ihr Einspracheentscheid vom 22. Dezember 2008 zu bestätigen.
M.________ schliesst auf Nichteintreten, eventualiter Abweisung der Beschwerde,
das Verwaltungsgericht des Kantons Zug auf Abweisung. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine Vernehmlassung.

D.
Mit Eingabe vom 18. Dezember 2009 teilt die Beschwerdeführerin mit, M.________
habe sich per 11. Dezember 2009 aus der Schweiz nach dem Ausland abgemeldet,
weshalb die Beistandschaft aufgehoben und die Auszahlung der Invalidenrente ins
Ausland verlangt worden sei.
Erwägungen:

1.
Auf die form- und fristgerechte Beschwerde ist einzutreten. Ein Mangel ist
nicht ersichtlich, weshalb dem Beschwerdegegner, soweit er Nichteintreten
beantragen lässt, nicht gefolgt werden kann, abgesehen davon, dass er seinen
Antrag nicht rechtsgenüglich begründet.

2.
2.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Dabei legt
das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung
von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder wenn sie auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG
beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG). Wie die
Sachverhaltsfeststellung ist auch die vorinstanzliche Ermessensbetätigung im
Verfahren vor Bundesgericht nur beschränkt überprüfbar. Eine
Angemessenheitskontrolle (vgl. BGE 126 V 75 E. 6 S. 81 [zu Art. 132 lit. a OG])
ist dem Gericht verwehrt; es hat nur zu prüfen, ob die Vorinstanz ihr Ermessen
rechtsfehlerhaft ausgeübt, mithin überschritten, unterschritten oder
missbraucht hat (in SVR 2010 IV Nr. 6 S. 13, 8C_644/2008, publizierte E. 6.1
des Urteils BGE 135 V 353).

2.2 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (BGE 134 V 250 E. 1.2 S. 252 mit Hinweisen; 133 III 545 E. 2.2 S. 550;
130 III 136 E. 1.4 S. 140).

3.
Die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung
haben durch das am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Bundesgesetz vom 6.
Oktober 2006 über die Schaffung von Erlassen zur Neugestaltung des
Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (AS 2007
5779) eine umfassende Neuregelung erfahren. Die Vorinstanz hat diese ab 1.
Januar 2008 geltenden Bestimmungen (ELG; SR 831.30; AS 2007 6055) und
Grundsätze über Berechnung und Höhe der jährlichen Ergänzungsleistungen (Art. 9
Abs. 1 ELG), insbesondere die Regeln betreffend anerkannte Ausgaben (Art. 9
Abs. 2 Satz 1 und Art. 10 Abs. 1 lit. b ELG) und anrechenbare Einnahmen (Art.
11 Abs. 1 ELG) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt betreffend Art. 11 Abs. 1
lit. g ELG, wonach Einkünfte und Vermögenswerte, auf die verzichtet worden ist,
als Einnahmen angerechnet werden (vgl. den gleich lautenden, bis Ende 2007
gültig gewesenen Art. 3c Abs. 1 lit. g ELG). Richtig wiedergegeben hat das
kantonale Gericht auch die Rechtsprechung, wonach eine Verzichtshandlung
vorliegt, wenn der Anspruchsberechtigte ohne rechtliche Verpflichtung oder ohne
adäquate Gegenleistung auf Einkünfte oder Vermögen verzichtet hat. Ist ein
einmal bestehendes Vermögen nicht mehr vorhanden, so trägt der
Leistungsansprecher die Beweislast dafür, dass es in Erfüllung einer
rechtlichen Verpflichtung oder gegen adäquate Gegenleistung hingegeben worden
ist, wobei der Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit gilt (BGE 131 V
329; 121 V 204; nicht publ. E. 3e des Urteils BGE 128 V 39; SVR 2009 EL Nr. 3
S. 8 E. 7.1 mit Hinweis, P 68/06, 2007 EL Nr. 6 S. 12 E. 3.1, P 55/05; AHI 1995
S. 164 E. 2b f., P 49/94; Urteile P 38/06 vom 11. Oktober 2007, E. 3.3.1, und P
30/06 vom 5. Februar 2007, E. 3.2, letzteres zitiert in SZS 2007 S. 474).
Darauf wird verwiesen.

4.
Es steht fest und ist unbestritten, dass der Versicherte zwischen dem 31.
August 2006 und Sommer 2007 die ihm ausbezahlte Freizügigkeitsleistung von rund
Fr. 139'000.- verbraucht hat. Wie die Vorinstanz zutreffend festgestellt hat,
wurden gemäss einer vom 2. August 2007 datierenden Aufstellung, welche der
Beschwerdegegner im Rahmen seines Scheidungsverfahrens zur Erlangung der
unentgeltlichen Rechtspflege erstellt hatte, Fr. 21'000.- für Geschenke, Fr.
40'000.- für die Bezahlung von Rechnungen, Fr. 60'000.- für Spielschulden,
Privatschulden, Glücksspiele und Parties sowie Fr. 18'000.- für den
Lebensunterhalt und Ferien ausgegeben. Belege für diese Ausgaben konnten gemäss
Schreiben der Beiständin vom 27. November 2008 nicht vorgelegt werden.
Streitig und zu prüfen ist, ob bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen der
Vermögensverlust auf Grund dieser Ausgaben als Verzichtsvermögen anzurechnen
ist. Die Vorinstanz qualifizierte jedenfalls den durch die Geschenke und beim
Glücksspiel erlittenen Vermögensverlust als Vermögensverzicht, liess letztlich
aber offen, ob beim gesamten Betrag von Fr. 139'000.- von einem
Vermögensverzicht auszugehen sei oder nur von einem Teil davon, weil die
Kapitalleistung von Fr. 139'000.- nicht als Einnahme im Sinne von Art. 11 Abs.
1 lit. g ELG anzurechnen sei, nachdem der Beschwerdegegner im massgebenden
Zeitraum urteilsunfähig gewesen sei. Demgegenüber verneint die
Beschwerdeführerin eine Urteilsunfähigkeit im Zeitpunkt der
Vermögensdispositionen und rügt eine Verletzung der Begründungspflicht durch
die Vorinstanz.

4.1 Die Festsetzung der anrechenbaren Einnahmen, wozu auch die Festsetzung des
Verzichtsvermögens gehört, stellt - soweit sie auf der Würdigung konkreter
Umstände beruht - eine Tatfrage dar, welche lediglich unter eingeschränktem
Blickwinkel überprüfbar ist (vgl. E. 2.1 hievor). Ebenfalls Sachverhaltsfragen
sind Feststellungen über innere oder psychische Tatsachen - wie beispielsweise
was jemand wollte, wusste, beabsichtigte, in Kauf nahm, womit er rechnete, in
welcher Absicht und aus welchen Beweggründen er handelte oder hypothetisch
gehandelt hätte oder ob er volle Einsicht in sein Handeln hatte (BGE 130 IV 58
E. 8.5 S. 62; nicht publ. E. 3.1 f. des Urteils BGE 133 V 640; Urteil 8C_55/
2008 vom 5. März 2008, E. 3 mit Hinweis; Ulrich Meyer, in: Niggli/Uebersax/
Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, Basel 2008 Art.
105 N. 34b). Rechtsfrage ist hingegen der Schluss aus einem bestimmten
Geisteszustand (Tatfrage) auf das Vorhandensein oder Fehlen der
Urteilsfähigkeit, soweit dies vom Begriff der Urteilsfähigkeit selbst abhängt
bzw. von der allgemeinen Lebenserfahrung oder vom hohen Grad der
Wahrscheinlichkeit, der für den Ausschluss dieser Fähigkeit erforderlich ist
(BGE 124 III 5 E. 4 Ingress S. 13, 111 V 58 E. 3c S. 62; Urteile 5P.39/2004 vom
6. Oktober 2004, E. 4.3, und K 125/98 vom 3. Mai 1999, E. 3c; Ulrich Meyer,
a.a.O., Art. 105 N. 35d).

4.2 Nach der Rechtsprechung ist der Tatbestand des Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG
erfüllt, wenn der Anspruchsberechtigte ohne rechtliche Verpflichtung und ohne
adäquate Gegenleistung auf Einkünfte oder Vermögen verzichtet hat (BGE 131 V
329 E. 4.2 S. 332 mit weiteren Hinweisen zum inhaltlich gleich lautenden, bis
zum 31. Dezember 2007 in Kraft gestandenen Art. 3c Abs. 1 lit. g ELG). Die
beiden Voraussetzungen sind nicht kumulativ, sondern alternativ zu verstehen
(BGE 131 V 329 E. 4.3 f. S. 333 f.).
4.2.1 Die Feststellung des kantonalen Gerichts, der Beschwerdegegner habe auf
Vermögen verzichtet, ist schon deshalb nicht zu beanstanden, weil sich bereits
aus der Art der erbrachten Geldleistungen - Schenkungen, Bezahlung von
Spielschulden sowie Glücksspiele - ergibt, dass mindestens eine, wenn nicht
beide der vorgenannten Voraussetzungen zur Annahme einer Verzichtshandlung
gegeben sind.
4.2.2 Hinsichtlich der vom Beschwerdegegner nach seinen Angaben im Weitern
getätigten Ausgaben für Reisen, Ausgang und Bezahlung von Rechnungen stellt
sich die Frage, ob ein für die Berechnung der Ergänzungsleistungen
massgeblicher Vermögensverzicht gegeben ist oder ob die Vermögensverminderung
Folge eines gehobenen Lebensstandards ist, welcher nicht Anlass zu einer
Anrechnung eines hypothetischen Vermögens geben darf (BGE 121 V 204 E. 4b S.
206; 115 V 352 E. 5d S. 355 mit weiteren Hinweisen); diese Frage stellt sich
vor allem in Fällen, wenn - wie vorliegend - der Ansprecher von
Ergänzungsleistungen unvermittelt zu einem grösseren Geldbetrag gekommen ist.
Von der Art der vorgenannten Leistungen her könnten diese allenfalls mit einem
gehobenen Lebensstandard in Zusammenhang gebracht werden. Weil der
Beschwerdegegner diese Aufwendungen aber nicht zu belegen vermag, lässt sich
nicht prüfen, ob ihm dafür adäquate Gegenleistungen zuflossen. Im Bereich der
Ergänzungsleistungen gilt die Besonderheit, dass das Fehlen von anrechenbarem
Einkommen oder Vermögen den Anspruch auf Leistungen zu begründen vermag. Dieses
ist somit eine anspruchsbegründende Tatsache, weshalb die Beweislast beim
Leistungsansprecher liegt (vgl. vorne E. 3). Da der Beschwerdegegner diesen
Beweis nicht zu erbringen vermag, kann er sich grundsätzlich nicht auf den
gegebenen Vermögensstand berufen, vielmehr muss er sich das verschwundene
Vermögen und den darauf entfallenden Ertrag anrechnen lassen (BGE 121 V 206 E.
4b). Voraussetzung für eine solche Anrechnung ist allerdings, dass sich der
Vermögensverzicht als rechtlich massgeblich erweist, was nachfolgend zu prüfen
ist.

5.
5.1 Für die Annahme einer Verzichtshandlung im Sinne von Art. 11 Abs. 1 lit. g
ELG ist nicht erforderlich, dass beim Verzicht der Gedanke an
Ergänzungsleistungen tatsächlich eine Rolle gespielt hat (BGE 131 V 329 E. 4.4
S. 335). Es ist also nicht wesentlich, dass sich der Versicherte über die
sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen seines Tuns im Klaren war. Eine
Verzichtshandlung setzt aber schon begrifflich - Verzicht - voraus, dass die
Vermögensverminderung mit Wissen und Wollen des Versicherten geschehen ist.
Dabei ist nur, aber immerhin erforderlich, dass der Versicherte hinsichtlich
der Vermögensverminderung an sich urteilsfähig war, nicht aber, dass er von der
möglichen ergänzungsleistungsrechtlichen Qualifikation als Verzichtshandlung
wusste und eine solche in Kauf nahm.

5.2 Der vorliegende Fall liegt insofern besonders, als die Vermögenshingabe
nicht in Form eines einzigen oder einiger weniger Rechtsgeschäfte erfolgt ist,
bei welchen jeweils geprüft werden könnte, ob sich der Beschwerdegegner bei
deren Abschluss im Zustand der Urteilsfähigkeit befand. Die Vermögenshingabe
erfolgte vielmehr durch eine Vielzahl von Akten, welche im Einzelnen nicht mehr
nachvollziehbar sind. Nach den Feststellungen des kantonalen Gerichts liess
sich der Beschwerdegegner zwischen August 2006 und Ende 2007 fast täglich von
seinem Konto bei der Bank Y.________ Barbeträge zwischen Fr. 50.- und Fr.
5'000.- auszahlen. Auch der Auszug über das Sparkonto zeigt zum Beispiel im
Monat Januar 2007 fast tägliche, manchmal sogar mehrfach tägliche
Bancomatbezüge mit Beträgen von Fr. 500.- bis Fr. 3'000.-, häufig Fr. 2'000.-.
Bei diesen Geldbezügen und den offenbar unmittelbar anschliessend erfolgten
Geldhingaben ist nicht anzunehmen, dass der Beschwerdegegner sich jeweils neu
Gedanken über sein verschwenderisches Tun machte. Die Vermögenshingabe erfolgte
also nicht in einzelnen Akten, hinter denen jeweils ein neuer Willensentschluss
stand. Vielmehr ist ein einheitlicher Willensentschluss anzunehmen, der die
gesamte, relativ kurze Phase der regel-, aber übermässigen Vermögenshingabe
umfasste. In Anlehnung an die im Strafrecht bekannte Rechtsfigur der
natürlichen Handlungseinheit sind die verschiedenen Akte der Geld- und
Vermögenshingabe als Handlungseinheit zu verstehen und zu behandeln.
Strafrechtlich wird eine solche Handlungseinheit angenommen, wenn das gesamte,
auf einem einheitlichen Willensakt beruhende Tätigwerden des Täters kraft eines
engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhanges der Einzelakte bei natürlicher
Betrachtungsweise objektiv noch als ein einheitliches, zusammenhängendes
Geschehen erscheint, indem in diesen Fällen durch mehrere Einzelhandlungen ein
einheitlicher Deliktserfolg herbeigeführt wird (Jürg-Beat Ackermann, in: Niggli
/Wiprächtiger [Hrsg,], Basler Kommentar, Strafrecht I, Basel 2007, Art. 49 N.
17 mit Verweis auf das Urteil des Bundesgerichts 6S.531/2000 vom 27. Dezember
2000, E. 2; BGE 118 V 91 E. 4A S. 93). Ist aber in diesem Sinn von einer
Handlungseinheit auszugehen, ist auch die Frage der Urteilsfähigkeit
einheitlich zu beantworten.

5.3 Urteilsfähig im Sinne des Gesetzes ist ein jeder, dem nicht wegen seines
Kindesalters oder infolge von Geisteskrankheit, Geistesschwäche, Trunkenheit
oder ähnlichen Zuständen die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln (Art.
16 ZGB). Der Begriff der Urteilsfähigkeit enthält zwei Elemente: einerseits
eine intellektuelle Komponente, nämlich die Fähigkeit, Sinn, Zweckmässigkeit
und Wirkungen einer bestimmten Handlung zu erkennen, andrerseits ein Willens-
bzw. Charakterelement, nämlich die Fähigkeit, gemäss der vernünftigen
Erkenntnis nach seinem freien Willen zu handeln und allfälliger fremder
Willensbeeinflussung in normaler Weise Widerstand zu leisten. Die
Urteilsfähigkeit ist aber auch relativ zu verstehen; sie ist nicht abstrakt
festzustellen, sondern in Bezug auf eine bestimmte Handlung je nach deren
Schwierigkeit und Tragweite zu beurteilen. Es ist daher denkbar, dass eine
Person trotz allgemeiner Beeinträchtigung der Urteilsfähigkeit zwar gewisse
Alltagsgeschäfte noch zu besorgen vermag und diesbezüglich urteilsfähig ist,
während ihr für anspruchsvollere Geschäfte die Urteilsfähigkeit abzusprechen
ist (BGE 124 III 5 E. 1a S. 7 f.; vgl. auch BGE 122 I 6 E. 7b/aa S. 19 f.,
Urteil 9C_166/2009). Die Urteilsfähigkeit ist die Regel und wird nach der
Lebenserfahrung vermutet, solange keine Anzeichen dafür bestehen, dass die
betroffene Person auf Grund ihrer allgemeinen Verfassung - etwa bei bestimmten
Geisteskrankheiten oder Altersschwäche - im Normalfall und mit grosser
Wahrscheinlichkeit als urteilsunfähig gelten muss (BGE 129 I 173 E. 3.1 S. 178;
127 V 237 E. 2c S. 240, 124 III 5 E. 1b S. 8).

5.4 Das kantonale Gericht verneinte gestützt auf den Bericht der ambulanten
psychiatrischen Dienste Z.________ vom 18. November 2008 die Urteilsfähigkeit
des Versicherten hinsichtlich der im Zeitraum zwischen August 2006 und August
2007 getätigten Vermögenshingabe. Die Beschwerdeführerin stellt sich
demgegenüber auf den Standpunkt, der vorgenannte Bericht sei nicht geeignet,
die Vermutung der Urteilsfähigkeit umzustossen, weil er zu wenig eindeutig sei
und insbesondere offenlasse, ob durchgehend eine Beeinträchtigung der
Urteilsfähigkeit bestanden habe. Zudem gebe es Indizien, die gegen eine
Urteilsunfähigkeit im fraglichen Zeitraum sprechen würden. So habe der
Versicherte eine Scheidungskonvention unterschrieben, einen Mietvertrag
unterzeichnet und sei im Jahre 2009 ins Ausland gereist. Bei der
Vermögensverminderung falle auf, dass er nur vorhandenes Vermögen ausgegeben
und sich nie in bedeutendem Ausmass verschuldet habe. Schliesslich habe die
Vormundschaftsbehörde von einer Entmündigung abgesehen und lediglich eine
Beistandschaft angeordnet.

5.5 Im Zusammenhang mit der Frage der Urteilsunfähigkeit rügt die
Beschwerdeführerin vorab eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, indem sie
geltend macht, der Entscheid des kantonalen Gerichts sei ungenügend begründet.
Die ungünstige Wirkung der angenommenen psychischen Erkrankung auf die
Urteilsfähigkeit sei nicht spezifiziert und das Fazit, weshalb der Betrag von
Fr. 139'000.- nicht als "Einnahme im Sinne von Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG"
anzurechnen sei, sei deshalb nicht nachvollziehbar und nicht begründet. Der
Beschwerdeführerin ist insofern zuzustimmen, als die Begründung des
vorinstanzlichen Entscheides in diesem Punkt tatsächlich verkürzt und teilweise
ungenau erscheint, weil die einzelnen Subsumptionsschritte nicht ausgeführt
werden. Die Begründung ist aber aus dem Zusammenhang heraus verständlich und
wurde von der Beschwerdeführerin denn auch richtig verstanden: Das kantonale
Gericht ging von einer fehlenden Urteilsfähigkeit hinsichtlich der Vielzahl von
Geldbezügen und -hingaben im fraglichen Zeitraum aus. Weil es zu Recht (vgl.
oben E. 5.1) - aber ohne ausdrückliche Begründung - das Vorliegen der
Urteilsfähigkeit für eine Verzichtshandlung voraussetzte, verneinte es
letztlich die Anwendbarkeit von Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG. Dieses Ergebnis
brachte die Vorinstanz mit der vorerwähnten, verkürzten Formulierung zum
Ausdruck. Da die Begründung indes aus dem Gesamtzusammenhang heraus
verständlich ist, liegt keine Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV vor.

5.6 Die sinngemässe Feststellung des kantonalen Gerichts, der Beschwerdegegner
habe keine Einsicht in sein Handeln gehabt und hätte ohne die diagnostizierte
schizoaffektive Störung kein derartiges verschwenderisches Verhalten an den Tag
gelegt, ist tatsächlicher Natur und deshalb für das Bundesgericht bindend.
Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, diese Feststellungen seien
offensichtlich unrichtig, kann ihr nicht gefolgt werden. Die Tatsache, dass der
Beschwerdegegner am ... 2007 eine Scheidungskonvention unterzeichnete und die
Scheidung im gleichen Jahr ausgesprochen werden konnte, lässt allenfalls
Rückschlüsse auf das Vorhandensein seiner intellektuellen Fähigkeiten zu, sagt
aber wenig über die hier vor allem interessierende Fähigkeit aus, entsprechend
vernünftiger Erkenntnis nach freiem Willen zu handeln (vgl. auch unten E.
5.7.2). Ähnlich ist die Feststellung zu würdigen, dass der Beschwerdegegner
zwar innert kürzester Frist sein doch beträchtliches Vermögen verbrauchte, sich
danach aber offensichtlich nicht mehr weiter verschuldete. Zum Bild seiner
psychischen Erkrankung gehören unter anderem sorglose Heiterkeit, Grössenideen
und massloser Optimismus. Zu solchen Zuständen mag es passen, vorhandenes Geld
verschwenderisch auszugeben. Das Ausgeben von nicht vorhandenem Geld gestaltet
sich dagegen wesentlich schwieriger und kann unangenehme Folgen zeitigen, was
die Freude an solchem Tun beeinträchtigen kann. Dies dürfte dem
Beschwerdegegner angesichts seiner wohl vorhandenen intellektuellen Fähigkeiten
bewusst gewesen sein. Der Hinweis auf die Errichtung einer Beistandschaft
anstelle einer Vormundschaft vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Wie das
kantonale Gericht in seiner Vernehmlassung darlegte, entspricht es der Praxis
der zuständigen Vormundschaftsbehörde, wie übrigens auch derjenigen anderer
Vormundschaftbehörden, in Fällen, in denen kein Vermögen mehr vorhanden ist,
anstelle der Vormundschaft die mildere Massnahme der Beistandschaft anzuordnen,
weitgehend unabhängig vom Vorhandensein der Urteilsfähigkeit. Schliesslich
stellen auch die Reise und die zwischenzeitlich erfolgte Abmeldung nach dem
Ausland keine stichhaltigen Indizien für die Bejahung der Urteilsfähigkeit
hinsichtlich der ganz anders gelagerten Problematik des Umgangs mit eigenem
Vermögen dar. Auch unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin
dargelegten Umstände erweist sich somit die Annahme des kantonalen Gerichts,
der Beschwerdegegner sei urteilsunfähig gewesen, nicht als offensichtlich
unrichtig.
5.7
5.7.1 Rechtsfrage und vom Bundesgericht frei überprüfbar ist, ob das kantonale
Gericht von einem richtigen Begriff der Urteilsfähigkeit ausgegangen ist. Die
Vermutung der Urteilsfähigkeit kann durch den Beweis, dass eine
Geisteskrankheit mit Auswirkungen auf die Urteilsfähigkeit vorliegt, aufgehoben
werden. Im Bericht der ambulanten psychiatrischen Dienste Z.________ wird eine
schizoaffektive Erkrankung (ICD-10; F25) diagnostiziert, welche im Zeitraum
zwischen August 2006 und August 2007 zur zweimaligen Hospitalisation in der
Psychiatrischen Klinik Q.________ führte. Es wird die Vermutung geäussert, dass
das verschwenderische Verhalten des Beschwerdegegners durch seine Erkrankung
"getriggert" wurde, "er nicht so gehandelt hätte, wenn er nicht an einer
schizoaffektiven Störung leiden würde". Indem das kantonale Gericht auf Grund
dieser ärztlichen Befunde und Einschätzungen das Vorliegen einer massgeblichen
Urteilsunfähigkeit bejahte, hat es den Begriff der Urteilsfähigkeit richtig
angewandt; es ist insbesondere auch zulässig, gestützt auf die genannten
ärztlichen Aussagen, welche zwar eher zurückhaltend formuliert sind, das
Vorliegen der Urteilsfähigkeit mit dem Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit zu verneinen.
5.7.2 Das kantonale Gericht hat zudem richtig erkannt, dass der Begriff der
Urteilsfähigkeit insofern zu relativieren ist, als diese für einen konkreten
Rechtsakt zu beurteilen ist. Die Anforderungen an Vernunft, Bewusstsein und
Entschlossenheit sind unterschiedlich je nach Schwierigkeit und Tragweite der
Handlung (Margrith Bigler-Eggenberger, in: Honsell/Vogt/Geiser [Hrsg.], Basler
Kommentar ZGB, 3. Aufl., 2006, Art. 16 ZGB N. 35). Der Verzehr der gesamten
Freizügigkeitsleistung und der damit einhergehende weitgehende Verlust der
Absicherung gegen die finanziellen Folgen von Invalidität und Alter sind von
grosser Tragweite. Unter diesen Umständen rechtfertigt es sich, bei der
Beurteilung von derartigen Verzichtshandlungen einen strengen Massstab an das
Vorliegen der Urteilsfähigkeit anzulegen. Es ist deshalb auch unter dem
Gesichtspunkt der Rechtskontrolle nicht zu beanstanden, dass die
Urteilsfähigkeit vom kantonalen Gericht hinsichtlich der Verzichtshandlung
verneint wurde, obwohl der Beschwerdegegner in der gleiche Zeitperiode
anscheinend gültige Rechtsgeschäfte abgeschlossen hat.
5.7.3 Rechtsfrage ist im Weitern, ob das kantonale Gericht das Vorliegen der
Urteilsunfähigkeit ohne Untersuchung der einzelnen Akte der Geldhingabe bejahen
durfte. Die Beschwerdeführerin rügt in diesem Zusammenhang, es hätte
insbesondere geprüft werden müssen, ob der Beschwerdegegner in einzelnen Fällen
während eines sogenannten "lucidum intervallum" gehandelt habe, also zu einer
Zeit und in einem Zustand, in dem die Urteilsfähigkeit nicht akut eingeschränkt
gewesen sei. Wenn das kantonale Gericht in diesem Zusammenhang auf
Beweisschwierigkeiten verweist und deshalb die Urteilsfähigkeit pauschal
verneinen will, ist der Beschwerdeführerin mit ihrem dagegen gerichteten
Verweis auf die Beweislast (vgl. auch oben E. 3.1) entgegenzuhalten, dass die
Urteilsfähigkeit gesamtheitlich zu betrachten ist. Dem kantonalen Gericht ist
also insofern beizupflichten, als es die Frage der Urteilsfähigkeit mit Blick
auf die gesamte Vermögenshingabe einheitlich beantwortete und verneinte.

5.8 Das abschliessende Argument der Beschwerdeführerin, mit welchem die
Nichtigkeit und daraus abgeleitet die Möglichkeit der Rückabwicklung aller vom
Beschwerdegegner abgeschlossenen Geschäfte postuliert wird, ist offensichtlich
unrealistisch. Die Rückforderung von Geldleistungen, die für eine Vielzahl von
längstens verbrauchten Konsumgütern oder genossenen Dienstleistungen erbracht
worden sind, ist nicht durchsetzbar, zumal der Beschwerdegegner eben auch nicht
über entsprechende Belege verfügt. Noch weniger sind bezahlte Spielschulden,
deren Höhe regelmässig nicht belegbar ist, rückforderbar. Die von der
Beschwerdeführerin verlangte Anrechnung dieser theoretischen, offensichtlich
nicht durchsetzbaren Rückforderungen würde den Schutzzweck der Regelung über
die Handlungs- und Urteilsfähigkeit vereiteln. Einer solchen Betrachtungsweise
kann deshalb nicht gefolgt werden. Der vorinstanzliche Entscheid ist somit
nicht zu beanstanden und die Beschwerde abzuweisen.

6.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und dem Beschwerdegegner eine
Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug,
Sozialversicherungsrechtliche Kammer, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 28. April 2010
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin:

Borella Helfenstein Franke