Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 8/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_8/2009

Urteil vom 30. März 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Seiler,
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.

Parteien
F.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Hans Stünzi,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 13. November 2008.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 28. August 2008 verneinte die IV-Stelle des Kantons Zürich
einen Anspruch des F.________ (geb. 1959) auf eine Invalidenrente
(Invaliditätsgrad: 21 %).

B.
Auf die vom Versicherten mit dem Antrag auf Feststellung eines
Invaliditätsgrades von 34 % erhobene Beschwerde trat das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 13. November
2008 nicht ein.

C.
F.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und das Rechtsbegehren stellen, es sei der angefochtene Entscheid aufzuheben
und ein Invaliditätsgrad von 34 % festzustellen. Eventualiter sei die Sache an
das kantonale Gericht zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zu Recht mit der Begründung
fehlenden Rechtsschutzinteresses (vgl. Art. 59 ATSG) nicht auf die Beschwerde
vom 29. September 2008 eingetreten ist. Da die Vorinstanz sich in ihrem
Nichteintretensentscheid auch nicht im Rahmen einer Eventualbegründung zur Höhe
des Invaliditätsgrades geäussert hat, kann einzig die prozessuale Frage des
vorinstanzlichen (Nicht-)Eintretens Gegenstand des bundesgerichtlichen
Verfahrens sein. Auf den materiellrechtlichen Antrag, es sei festzustellen,
dass ein Invaliditätsgrad von 34 % bestehe, ist deshalb nicht einzutreten.

2.
2.1 Der Begriff des schutzwürdigen Interesses für das kantonale
Beschwerdeverfahren (Art. 59 ATSG) ist materiellrechtlich gleich auszulegen wie
derjenige nach Art. 103 lit. a des bis 31. Dezember 2006 in Kraft gewesenen
Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 16. Dezember
1943 (OG) für das bundesrechtliche Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren (BGE
130 V 388 E. 2.2 S. 390 f., 560 E. 3.2 S. 563, je mit Hinweisen), an welcher
Definition sich auch unter der Herrschaft des am 1. Januar 2007 in Kraft
getretenen Bundesgerichtsgesetzes (BGG) nichts geändert hat, so dass im Rahmen
von Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG die Rechtsprechung zu Art. 103 lit. a OG
weitergeführt wird (BGE 134 II 120 E. 2.1 S. 122, 133 II 400 E. 2.2 S. 404 f.;
SVR 2008 UV Nr. 20 S. 74, 8C_146/2008 E. 1.2).

2.2 Als schutzwürdig im Sinne von Art. 103 lit. a OG gilt jedes praktische oder
rechtliche Interesse, welches eine von der Verfügung betroffene Person an deren
Änderung oder Aufhebung geltend machen kann. Das schutzwürdige Interesse
besteht im praktischen Nutzen einer Gutheissung der Beschwerde oder - anders
ausgedrückt - im Umstand, einen Nachteil wirtschaftlicher, ideeller,
materieller oder anderweitiger Natur zu vermeiden, welchen der angefochtene
Entscheid mit sich bringen würde (BGE 131 V 362 E. 2.1 S. 365 f. mit
Hinweisen).

Nach der Rechtsprechung zu Art. 103 lit. a OG wird das Rechtsschutzinteresse
verneint, wenn sich die Beschwerde nur gegen die Begründung der angefochtenen
Verfügung richtet, ohne dass eine Änderung des Dispositivs verlangt wird. Bei
einer Verfügung über Versicherungsleistungen bildet grundsätzlich einzig die
Leistung Gegenstand des Dispositivs. Die Beantwortung der Frage, welcher
Invaliditätsgrad der Rentenzusprechung zugrunde gelegt wurde, dient
demgegenüber in der Regel lediglich der Begründung der Leistungsverfügung. Sie
könnte nur dann zum Dispositiv gehören, wenn und insoweit sie Gegenstand einer
Feststellungsverfügung ist. Da in jedem Fall nur das Dispositiv anfechtbar ist,
muss bei Anfechtung der Motive einer Leistungsverfügung im Einzelfall geprüft
werden, ob damit nicht sinngemäss die Abänderung des Dispositivs beantragt
wird. Sodann ist zu untersuchen, ob die beschwerdeführende Person allenfalls
ein schutzwürdiges Interesse an der sofortigen Feststellung hinsichtlich des
angefochtenen Verfügungsbestandteils hat (SVR 2007 IV Nr. 3 S. 8, I 808/05 E.
1.3 mit Hinweis).

3.
3.1 Der Beschwerdeführer macht ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung
eines höheren Invaliditätsgrades als 21 % geltend mit der Begründung, dass die
Vorsorgeeinrichtung, bei welcher er im Rahmen der zweiten Säule gegen
Invalidität versichert sei, die BVG-Sammelstiftung der Rentenanstalt Zürich,
Vorsorgewerk der X.________AG, auf den von der Invalidenversicherung
ermittelten Invaliditätsgrad abstelle und auch bei einem zwischen 25 und 39 %
liegenden Invaliditätsgrad eine Teilinvalidenrente ausrichte.

3.2 Nach der Rechtsprechung sind die Vorsorgeeinrichtungen im Bereich der
gesetzlichen Mindestvorsorge an die Feststellungen der IV-Organe gebunden. Dies
gilt, soweit die invalidenversicherungsrechtliche Betrachtungsweise auf Grund
der gesamthaften Prüfung der Akten nicht als offensichtlich unhaltbar
erscheint. Des Weitern entfällt eine Bindungswirkung, wenn die
Vorsorgeeinrichtung nicht ins invalidenversicherungsrechtliche Verfahren
einbezogen wird. Denn den Versicherern nach BVG steht in diesem Verfahren ein
selbstständiges Beschwerderecht zu. Deshalb ist die IV-Stelle verpflichtet,
eine Rentenverfügung allen in Betracht fallenden Vorsorgeeinrichtungen von
Amtes wegen zu eröffnen. Unterbleibt ein solches Einbeziehen der
Vorsorgeeinrichtung, ist die invalidenversicherungsrechtliche Festsetzung des
Invaliditätsgrades berufsvorsorgerechtlich nicht verbindlich. Hält sich die
Vorsorgeeinrichtung demgegenüber im Rahmen des Verfügten, kommt ohne
Weiterungen die vom Gesetzgeber gewollte, in den Art. 23 ff. BVG zum Ausdruck
gebrachte Verbindlichkeitswirkung des Entscheids der Invalidenversicherung zum
Zuge. Stellt die Vorsorgeeinrichtung auf die invalidenversicherungsrechtliche
Betrachtungsweise ab, muss sich die versicherte Person dies entgegenhalten
lassen, soweit diese für die Festlegung des Anspruchs auf eine Rente
entscheidend war, und zwar ungeachtet dessen, ob die Vorsorgeeinrichtung im
invalidenversicherungsrechtlichen Verfahren beteiligt war oder nicht; auch hier
bleibt die offensichtliche Unhaltbarkeit der Invaliditätsbemessung durch die
IV-Stelle vorbehalten (SVR 2007 IV Nr. 3 S. 8, I 808/05 E. 3 mit Hinweisen).

Da sich die Verbindlichkeitswirkung nur in Bezug auf Feststellungen und
Beurteilungen der IV-Organe entfalten kann, die im IV-rechtlichen Verfahren für
die Festlegung des Anspruches auf eine Invalidenrente entscheidend waren (vgl.
Urteil B 63/04 vom 28. Dezember 2004 E. 3.1 und B 79/99 vom 26. Januar 2001 E.
6 [betreffend Eintritt der Arbeitsunfähigkeit]; vgl. auch Hürzeler,
Invaliditätsproblematiken in der beruflichen Vorsorge, 2006, S. 232 Rz. 546),
besteht namentlich keine Bindungswirkung an einen von der IV-Stelle ermittelten
Invaliditätsgrad, welcher die gesetzliche Mindestgrenze von 40 % (Art. 28 Abs.
1 und 2 IVG) nicht erreicht, weil in diesem unterhalb der
Erheblichkeitsschwelle liegenden Bereich für die Organe der
Invalidenversicherung keine Veranlassung besteht, eine genaue Bestimmung des
Invaliditätsgrades vorzunehmen (Urteil B 62/00 vom 19. Juli 2001 E. 3a; vgl.
auch Hürzeler, a.a.O., S. 207 Rz. 491 f.).

3.3 Wie der Beschwerdeführer zutreffend geltend macht, stellt Art. 5 Abs. 1 des
Reglements für das Vorsorgewerk der X.________ AG in der ersten Variante auf
den Invaliditätsbegriff der Invalidenversicherung ab und lässt sich aus Art. 5
Abs. 2 des Reglements, wonach bei "teilweiser Invalidität von weniger als einem
Viertel" kein Anspruch auf Leistungen besteht, schliessen, dass bereits bei
tieferen Invaliditätsgraden als der in Art. 24 Abs. 1 lit. d BVG (in Anlehnung
an Art. 28 Abs. 2 IVG) vorgesehenen Erheblichkeitsschwelle von 40 %
reglementarische Invalidenrenten ausgerichtet werden. Nach dem Gesagten (E.
3.2) und entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung ist die
Vorsorgeeinrichtung indessen nicht an den Entscheid der IV-Stelle gebunden,
weil diese in der Verfügung vom 28. August 2008 mit 21 % einen unterhalb des
gesetzlichen Mindestmasses von Art. 28 Abs. 2 IVG liegenden Invaliditätsgrad
ermittelt hat. Entfaltet die Rentenverfügung mithin für die berufliche Vorsorge
keine Bindungswirkung, ist ein schutzwürdiges Interesse des Versicherten an der
Anfechtung derselben und an der Feststellung eines höheren Invaliditätsgrades
auch im Hinblick auf die Zusprechung einer Rente der beruflichen Vorsorge zu
verneinen, weshalb die Vorinstanz auf die Beschwerde zu Recht nicht eingetreten
ist.

4.
Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 30. März 2009

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Keel Baumann