Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 899/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

9C_899/2009
{T 0/2}

Urteil vom 26. März 2010
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiber Traub.

Verfahrensbeteiligte
M.________, vertreten durch Rechtsanwalt Kaspar Saner,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozial-versicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 31. August 2009.

Sachverhalt:

A.
Der 1951 geborene M.________ bezog im Zeitraum Oktober 1984 bis Juli 1989
aufgrund der Folgen eines Verkehrsunfalls eine ganze Invalidenrente. Die
Leistung fiel ab August 1989 dahin, weil der Versicherte als
selbständigerwerbender Taxichauffeur ein rentenausschliessendes
Erwerbseinkommen erzielte. Mit Wirkung ab März 1995 richtete die
Invalidenversicherung aufgrund der Folgen multipler Hirninfarkte, eines
subakuten Herzinfarktes sowie einer Angina pectoris (Bericht der Klinik
X.________ vom 22. August 1994) eine halbe Rente aus (Verfügung der IV-Stelle
des Kantons Zürich vom 22. Dezember 1995). Das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich hob mit Entscheid vom 8. September 1999 eine Verfügung der
IV-Stelle vom 21. Februar 1997 auf, mit welcher die Leistung auf Ende März 1997
eingestellt werden sollte, und stellte fest, der Versicherte habe weiterhin
Anspruch auf eine halbe Invalidenrente. Mit Verfügung vom 1. November 2002
erkannte die IV-Stelle den Anspruch auf eine Invalidenrente mit Wirkung ab
September 2001 ab, weil der Versicherte wieder ein leistungsausschliessendes
Einkommen erziele. Nachdem sich M.________ am 17. Oktober 2005 neu zum
Leistungsbezug bei der Invalidenversicherung angemeldet hatte, klärte die
Verwaltung die erwerbliche und medizinische Situation und kam zum Schluss,
mangels einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes bestehe - bei einem
Invaliditätsgrad von 22 Prozent - kein Anspruch auf eine Invalidenrente (durch
Einspracheentscheid vom 16. April 2007 bestätigte Verfügung vom 27. Dezember
2005).

B.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die gegen den
Einspracheentscheid erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 31. August 2009).

C.
M.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Rechtsbegehren, es seien ihm, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids,
Invalidenleistungen (insbesondere Rente) zuzusprechen.

Erwägungen:

1.
1.1 Streitig ist, ob sich im Zeitraum zwischen der leistungseinstellenden
Verfügung vom 1. November 2002 oder - wofür der Beschwerdeführer votiert - den
für den kantonalen Beschwerdeentscheid vom 8. September 1999 massgebenden
Verhältnissen bis Februar 1997 und dem hier strittigen Einspracheentscheid vom
16. April 2007 anspruchsbegründende Tatsachen wesentlich verändert haben.

1.2 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt
seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat
(Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105
Abs. 2 BGG; vgl. BGE 132 V 393 zur auch unter der Herrschaft des BGG gültigen
Abgrenzung von Tat- und Rechtsfragen im Bereich der Invaliditätsbemessung [Art.
16 ATSG]).

1.3 Das kantonale Gericht hat die zur Beurteilung des Leistungsanspruchs
einschlägigen Rechtsgrundlagen (vgl. insbesondere Art. 87 Abs. 4 in Verbindung
mit Abs. 3 IVV und Art. 17 ATSG) und die dazu ergangene Rechtsprechung
(teilweise unter Verweisung auf die angefochtene Verfügung) zutreffend
dargelegt.
Gestützt darauf erwog es, weder der Gesundheitszustand noch dessen erwerbliche
Auswirkungen hätten sich im massgebenden Zeitraum wesentlich verändert. Es sei
davon auszugehen, dass für im Vergleich zum Jahr 2002 geringere Einkünfte aus
dem Taxibetrieb im Jahr 2004 normale erwerbliche Schwankungen oder andere
invaliditätsfremde Gründe verantwortlich seien. Die IV-Stelle habe bei der
Prüfung der Neuanmeldung den Anspruch auf eine Invalidenrente zu Recht
verneint.

2.
Der Beschwerdeführer macht beschwerdeweise geltend, der angefochtene Entscheid
verletze Bundessozialversicherungsrecht, indem revisionsrechtliche Prämissen
unzutreffend angewandt und die Ursachen der negativen erwerblichen Entwicklung
willkürlich festgestellt worden seien.

2.1 Der seit März 1995 laufende Anspruch auf eine halbe Invalidenrente wurde
mit kantonalem Gerichtsentscheid vom 8. September 1999 unter anderem mit der
Begründung bestätigt, der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers habe sich
seit der ursprünglichen Verfügung vom 22. Dezember 1995 nicht verändert. Mit
rechtskräftiger Verfügung vom 1. November 2002 stellte die IV-Stelle die
Leistung ein, weil der Versicherte als selbständigerwerbender Taxiunternehmer
im Jahr 2000 ein Jahreseinkommen erzielt habe, das über dem Valideneinkommen,
also dem aus den Verhältnissen vor Eintritt des massgebenden
Gesundheitsschadens abgeleiteten Einkommen, liege; die gesundheitliche
Situation spielte dabei keine Rolle.
Das Bundesgericht hielt in BGE 130 V 71 E. 3.2.3 S. 77 fest, bei einer
Neuanmeldung müsse sich die versicherte Person das (rechtskräftige) Ergebnis
der letzten Prüfung des Rentenanspruchs entgegenhalten lassen, wenn diese eine
rechtskonforme Sachverhaltsabklärung, Beweiswürdigung und Durchführung eines
Einkommensvergleichs (bei Anhaltspunkten für eine Änderung in den erwerblichen
Auswirkungen des Gesundheitszustands) umfasste. Unerheblich ist, ob es sich bei
der Vergleichsgrösse (wie im zitierten Präjudiz) um die Verweigerung einer
beantragten Rente oder (wie hier) um die Aberkennung eines bislang bestehenden
Anspruchs handelte. Vergleichsbasis zur Entscheidung der Frage, ob bis zum
Abschluss des aktuellen Verwaltungsverfahrens eine anspruchserhebliche
Veränderung des Sachverhalts eingetreten sei, ist grundsätzlich die letztmalige
materielle Prüfung des Rentenanspruchs (vgl. auch BGE 133 V 108). Diese
Beurteilung muss aber auch denjenigen anspruchserheblichen Aspekt umfasst
haben, auf dessen (behauptete) Veränderung sich die Neuanmeldung stützt.
Vorliegend war dies hinsichtlich der medizinischen Situation nicht der Fall. Da
für die leistungseinstellende Verfügung vom 1. November 2002 allein erwerbliche
Gesichtspunkte wegleitend gewesen waren, macht der Beschwerdeführer an sich zu
Recht geltend, dass die Vorinstanz zur Klärung der Frage nach einer
anspruchserheblichen gesundheitlich bedingten Änderung des Invaliditätsgrades
im Sinne von Art. 87 Abs. 3 IVV den Gesundheitszustand im Zeitpunkt des
Abschlusses des Verwaltungsverfahrens (Einspracheentscheid vom 16. April 2007)
mit den Verhältnissen, wie sie dem Beschwerdeentscheid vom 8. September 1999
zugrunde lagen, hätte vergleichen müssen.

2.2 Dies ist im Ergebnis indessen nicht ausschlaggebend. Angesichts der rein
erwerblich bedingten rentenausschliessenden Senkung des Invaliditätsgrades im
September 2001 müsste sich - vorbehältlich einer wiederum verstärkten
erwerblichen Auswirkung des Gesundheitsschadens (unten E. 2.3) - der
Gesundheitsschaden gegenüber den Verhältnissen, wie sie der vorangehenden
Bestätigung des Anspruchs auf eine halbe Invalidenrente über März 1997 hinaus
(kantonaler Beschwerdeentscheid vom 8. September 1999) zugrunde gelegen hatten,
verschlimmert haben, damit der Rentenanspruch wieder aufleben könnte. Aus dem
neurologischen Gutachten der Klinik X.________ vom 18. September 2006 geht
indessen hervor, dass - im Anschluss an eine vollständige Arbeitsunfähigkeit
während der Rekonvaleszenz nach den Schlaganfällen - seit November 1994
(höchstens) eine Einschränkung um 50 Prozent wegen rezidivierender
Drehschwindelattacken gegeben ist. Von diesem Wert ging auch das kantonale
Gericht in seinem Entscheid vom 8. September 1999 aus. Der Hausarzt Dr.
A.________ attestierte am 8. Juli 2002 eine fortdauernde Arbeitsunfähigkeit im
Umfang von 50 Prozent aufgrund der koronaren Herzkrankheit. Am 1. November 2005
schätzte er die Arbeitsunfähigkeit als "gegenüber 2002 unverändert" ein. Eine
Verschlechterung des Gesundheitsschadens ist damit nicht ausgewiesen, wie das
kantonale Gericht im angefochtenen Entscheid nicht offensichtlich unrichtig
(vgl. oben E. 1.2) festgehalten hat. Mit der Vorinstanz kann somit offen
gelassen werden, ob aufgrund der Feststellungen im erwähnten neurologischen
Gutachten im Herbst 2006 gar von einer vollständigen Arbeitsfähigkeit im Beruf
des Taxifahrers auszugehen war.

2.3 Die Vorinstanz hat nach Würdigung der Akten angenommen, zur Erklärung einer
insbesondere für das Jahr 2004 geltend gemachten Ertragseinbusse schieden
gesundheitliche Gründe aus, da sich diese seit der Rentenaufhebung nicht
wesentlich verschlechtert hätten. Es fehlten auch Anhaltspunkte dafür, dass
sich die erwerblichen Auswirkungen des gleich gebliebenen Gesundheitsschadens
erheblich verändert hätten. Es stelle sich gar die Frage, ob aufgrund der neuen
Betriebsstruktur - bei der Abklärung vor Ort im Jahr 1995 habe der
Beschwerdeführer noch über zwei Taxis, 2006 bereits über drei Taxis verfügt,
wobei er von den für ihn fahrenden Chauffeuren jeweils die Hälfte des
Fahrertrags erhalte - längerfristig und unter Ausserachtlassung kurzfristiger
Schwankungen der Geschäftserträge eine Verbesserung der erwerblichen
Auswirkungen des Gesundheitsschadens zu erwarten sei. Die Feststellung
tatsächlicher Natur, der Rückgang des Unternehmenserfolgs sei auf erwerbliche
Faktoren zurückzuführen, die auch ohne Gesundheitsschaden zum Tragen kämen,
also nicht als veränderte erwerbliche Auswirkungen des Gesundheitsschadens
qualifiziert werden können, ist ebenfalls nicht offensichtlich unrichtig.

2.4 Die Vorinstanz hat mithin zu Recht geschlossen, bis zum Einspracheentscheid
vom 16. April 2007 sei keine rentenbegründende Veränderung des medizinischen
oder erwerblichen Sachverhalts eingetreten.

3.
Dem Verfahrensausgang entsprechend werden die Gerichtskosten dem
Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Diese Verfügung wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 26. März 2010

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Traub