Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 816/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_816/2009

Urteil vom 11. Februar 2010
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Parteien
M.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Ergänzungsleistung zur AHV/IV,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn
vom 21. August 2009.

Sachverhalt:

A.
M.________, geboren 1955, meldete sich am 21. Oktober 2008 bei der
Ausgleichskasse des Kantons Solothurn zum Bezug von Ergänzungsleistungen an.
Mit Verfügung vom 28. November 2008 sprach ihr die Ausgleichskasse ab 1.
Oktober 2008 monatliche Ergänzungsleistungen in Höhe von Fr. 902.- zu, wobei
sie auf der Ausgabenseite einen Bruttomietwert von Fr. 13'200.- anrechnete und
beim Vermögen nicht selbst bewohntes Grundeigentum im Wert von Fr. 92'824.-
berücksichtigte. Die hiegegen erhobene Einsprache der M.________, mit welcher
sie geltend machte, zum einen sei die Berechnung zu Unrecht ohne
Berücksichtigung ihrer 1985 geborenen Tochter erfolgt, zum anderen besitze sie
seit dem Jahre 2002 kein Grundeigentum mehr, hiess die Ausgleichskasse mit
Einspracheentscheid vom 16. Januar 2009 teilweise gut und berechnete die
Ergänzungsleistung ab 1. Oktober 2008 bis 31. Dezember 2008 ohne die zunächst
berücksichtigte Liegenschaft in Portugal, jedoch auch weiterhin ohne
Berücksichtigung der Tochter, da auf diese Weise eine höhere Ergänzungsleistung
resultiere (Fr. 1'537.- gegenüber Fr. 918.-).
Gleichentags verfügte die Ausgleichskasse die Zusprechung von monatlichen
Ergänzungsleistungen ab 1. Januar 2009 in Höhe von Fr. 1'827.-. Auch hiegegen
erhob M.________ Einsprache.

B.
Mit Beschwerde an das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn beanstandete
M.________ sowohl die Berechnung der Ergänzungsleistungen ab 1. Oktober bis 31.
Dezember 2008 als auch jene ab 1. Januar 2009. Sie machte insbesondere geltend,
die Bruttomiete sei fälschlicherweise nur für eine Person angerechnet worden,
obwohl sie mit der Tochter zusammen wohne; nicht korrekt seien auch die
berücksichtigten Pauschalen für Neben- und Heizkosten sowie die Anrechnung
eines Nettoeinkommens in Höhe von Fr. 462.- bzw. 2/3 davon (Fr. 308.-). Das
kantonale Gericht wies die Beschwerde mit Entscheid vom 21. August 2009 ab.

C.
M.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und rügt
sinngemäss, Vorinstanz und Ausgleichskasse hätten in Verletzung von Bundesrecht
auf der Ausgabenseite lediglich den Bruttomietzins für eine Person angerechnet,
auf der Einnahmenseite hingegen die Kinderrente der Tochter berücksichtigt.
Schliesslich habe sie sich bereits im Jahre 2005 zum Bezug von
Ergänzungsleistungen angemeldet, weshalb ihr diese schon ab März 2005
zuzusprechen seien.
Vorinstanz und Ausgleichskasse schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das
Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung
von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig
ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105
Abs. 2 BGG) und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Dies ist aufgrund der Vorbringen
in der Beschwerde zu prüfen (in SVR 2008 AlV Nr. 12 S. 35 publ. E. 1.2 und 2.2
des Urteils BGE 133 V 640).

2.
2.1 Anfechtbar ist prinzipiell nur, was Gegenstand einer Verfügung, oder bei
Durchführung des Einspracheverfahrens, des Einspracheentscheides, bildet (vgl.
BGE 125 V 413 E. 1a S. 414). Aus prozessökonomischen Gründen zulässig ist die
Ausdehnung des letztinstanzlichen Beschwerdeverfahrens auf eine ausserhalb des
Anfechtungsgegenstandes liegende spruchreife Frage, wenn diese mit dem
bisherigen Streitgegenstand derart eng zusammenhängt, dass von einer
Tatbestandsgesamtheit gesprochen werden kann. Die Verwaltung muss sich
mindestens in Form einer Prozesserklärung zu dieser Streitfrage geäussert haben
(BGE 122 V 34 E. 2a S. 36 mit Hinweisen).

2.2 Die zu beurteilende Beschwerde richtet sich gegen den Entscheid des
Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn vom 21. August 2009, mit welchem
das Gericht eine Beschwerde gegen einen Einspracheentscheid der Ausgleichskasse
des Kantons Solothurn vom 16. Januar 2009 betreffend monatliche
Ergänzungsleistungen vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2008 abwies. Der
Einspracheentscheid erging aufgrund der Einsprache der Versicherten vom 22.
Dezember 2008 gegen die Verfügung der Ausgleichskasse vom 28. November 2008
über monatliche Ergänzungsleistungen ab 1. Oktober 2008. Gleichzeitig mit dem
Einspracheentscheid erliess die Ausgleichskasse eine Verfügung betreffend die
Ergänzungsleistungen ab 1. Januar 2009. Am 20. Februar 2009 reichte die
Versicherte eine weitere, als Einsprache bezeichnete Eingabe zuhanden der
Ausgleichskasse ein und erhob Einwände gegen die Festsetzung der
Ergänzungsleistungen für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2008.
Gleichentags erhob sie Beschwerde beim kantonalen Versicherungsgericht gegen
den Einspracheentscheid vom 16. Januar 2009. Mit Eingaben vom 23. Februar 2009
reichte die Versicherte sowohl der Ausgleichskasse als auch dem kantonalen
Gericht eine von ihr aufgestellte EL-Berechnung ein betreffend die Zeit vom 1.
Oktober bis 31. Dezember 2008 sowie ab 1. Januar 2009.
Obwohl bezüglich des EL-Anspruches ab 1. Januar 2009 kein Einspracheentscheid
ergangen ist, erwog die Vorinstanz in nicht zu beanstandender Weise, dass
Streitgegenstand zwar nur die Verfügung vom 28. November 2008 bilde, nicht aber
die den Anspruch ab 1. Januar 2009 betreffende Verfügung vom 16. Januar 2009,
dass diese aber einzig auf einer Anpassung an neue Verhältnisse beruhe, weshalb
die Erwägungen "sinngemäss" auch für den Anspruch ab 1. Januar 2009 gelten.
Darauf hat sich entsprechend die Beurteilung durch das Bundesgericht zu
beziehen.

3.
Die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung
haben durch das am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Bundesgesetz vom 6.
Oktober 2006 über die Schaffung von Erlassen zur Neugestaltung des
Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (AS 2007
5779) eine umfassende Neuregelung erfahren. Die Vorinstanz hat die ab 1. Januar
2008 geltenden Bestimmungen und Grundsätze über Berechnung und Höhe der
jährlichen Ergänzungsleistungen (Art. 9 Abs. 1 ELG), insbesondere die Regeln
betreffend anerkannte Ausgaben (Art. 9 Abs. 2 Satz 1 und Art. 10 Abs. 1 lit. b
ELG) und anrechenbare Einnahmen (Art. 11 Abs. 1 ELG), zutreffend dargelegt.
Darauf wird verwiesen. Korrekt ist auch, dass aufgrund einer Vergleichsrechnung
festzustellen ist, ob ein Kind, das zu einer Rente berechtigt, in die
Ergänzungsleistungsberechnung einzubeziehen ist (Art. 9 Abs. 4 ELG; BGE 130 V
263 E. 3.3 S. 266).

4.
4.1 Die Vorinstanz stellte fest, dass die Beschwerdeführerin Mieterin der von
ihr bewohnten Wohnung ist. Sie erwog, aus diesem Grund bestehe lediglich für
die geltend gemachten Heizkosten Anspruch auf die halbe Pauschale bzw. auf
einen Abzug von Fr. 840.-. Was den Mietzins betreffe, habe die
Vergleichsrechnung der Ausgleichskasse ergeben, dass die Ergänzungsleistung
höher ausfalle, wenn die Tochter nicht einbezogen werde. Die übrigen im
Berechnungsblatt zur Verfügung vom 16. Januar 2009 deklarierten Vermögens-,
Einnahme- und Ausgabeposten hätten keinen Widerspruch erfahren. Praxisgemäss
bestehe kein Anlass, die unbestritten gebliebenen Berechnungspositionen in die
Prüfung mit einzubeziehen. Das Vorgehen der Ausgleichskasse sei nicht zu
beanstanden.

4.2 Die Beschwerdeführerin rügt, die Ausgleichskasse habe zu Unrecht lediglich
den Bruttomietzins für eine Person berücksichtigt (Fr. 13'000.- + Fr. 840.- =
Fr. 13'840.-), obwohl sie mit ihrer Tochter zusammen lebe und demzufolge der
Bruttomietzins für zwei Personen (Fr. 15'840.-) bzw. die effektiven
Bruttomietzinse (Fr. 17'640.- inklusive Nebenkosten) anzurechnen seien. Sodann
hätten ihre Einnahmen im Jahre 2008 Fr. 12'865.30 und im Jahre 2009 Fr.
13'070.76 betragen. Die Ausgleichskasse sei von höheren Einnahmen ausgegangen,
weil sie unzulässigerweise auch die Kinderrenten der Tochter (Kinderrente zur
Invalidenrente der Mutter: Fr. 3'576.-; Kinderrente der Pensionskasse: Fr.
888.-) angerechnet habe. Schliesslich seien ihr mit Blick auf die bereits im
Jahre 2005 erstmals erfolgte Anmeldung zum Bezug von Ergänzungsleistungen die
fehlenden Beträge bereits ab März 2005 bis September 2008 zuzusprechen.

5.
5.1 Nicht eingetreten werden kann auf die Beschwerde, soweit damit beantragt
wird, es seien Ergänzungsleistungen bereits ab März 2005 zuzusprechen, weil
sowohl die Verfügung vom 28. November 2008 als auch der Einspracheentscheid vom
16. Januar 2009 nur die Anspruchsberechtigung ab 1. Oktober 2008 zum Gegenstand
haben.
5.2
5.2.1 Das kantonale Gericht hat das Vorgehen der Beschwerdegegnerin, welche
durch Vergleichsrechnung prüfte, ob die rentenberechtigte Tochter der
Beschwerdeführerin in die EL-Berechnung einzubeziehen ist (E. 3 hievor) und
dabei zum Schluss gelangte, dass ohne die Tochter eine höhere monatliche
Ergänzungsleistung resultiert, zu Recht geschützt. Der Beschwerdeführerin kann
nicht gefolgt werden, soweit sie auf der Ausgabenseite bei der
Prämienverbilligung der Krankenkasse (Fr. 3'398.- im Jahr 2008) und beim
Lebensbedarf (Fr. 18'140.- für 2008) nur die ihre Person betreffenden Beträge
anführt, bei den Wohnkosten indes - da die Tochter mit ihr zusammen wohne -,
einen Betrag von Fr. 17'640.- berücksichtigt haben will. Der in Art. 9 Abs. 4
ELG vorgesehene Verzicht auf den Einbezug der auf die Kinder einer
Leistungsbezügerin entfallenden Einnahmen und Ausgaben ist eine Ausnahme zu der
in Abs. 2 derselben Bestimmung statuierten Zusammenrechnung, mit welcher
verhindert werden soll, dass der Einbezug von Kindern in die
Leistungsberechnung zu einer Schlechterstellung der berechtigten Person führt.
Nicht zulässig ist hingegen, dass in der Vergleichsrechnung nur bei einzelnen
Positionen die Kinder einbezogen werden, weil damit eine weitere, vom Gesetz
nicht vorgesehene Sonderregelung geschaffen würde (vgl. BGE 130 V 263 E. 5.2 S.
267).
5.2.2 Was die Rüge betrifft, die Beschwerdegegnerin habe in Verletzung von
Bundesrecht die Kinderrenten der Tochter als Einnahmen angerechnet, geht aus
den Akten hervor, dass die Beschwerdeführerin im Jahre 2008 Rentenleistungen
der Invalidenversicherung in Höhe von Fr. 8'940.- bezog und zur Rente der
Mutter eine Kinderrente von Fr. 3'576.- ausgerichtet wurde. Entgegen den
Vorbringen in der Beschwerde hat die Beschwerdegegnerin zu Recht lediglich die
Rente der Beschwerdeführerin (Fr. 8'940.-) als Einkommen angerechnet.
Hinsichtlich der Rente der Pensionskasse berücksichtigte die Beschwerdegegnerin
Fr. 4'813.- als Einkommen. Die Beschwerdeführerin hat diesen Betrag sowohl in
ihrer Einsprache als auch in der vorinstanzlichen Beschwerdeergänzung anerkannt
und sogar explizit bestätigt, dass die ihr zustehende Rente der Pensionskasse
sich auf jährlich Fr. 4'813.- belaufe (während der Tochter eine Kinderrente von
Fr. 12'792.- für 2008 bzw. Fr. 13'200.- für 2009 zustehe). Abgesehen davon,
dass der Einwand, die berücksichtigte Rente der Pensionskasse beinhalte auch
die Kinderrente der Tochter von monatlich Fr. 888.-, in keiner Weise belegt
wird, sich insbesondere auch nicht aus der Rentenbescheinigung der
Personalvorsorge X._________ vom 31. Dezember 2008 ergibt und rechnerisch gar
nicht möglich ist, handelte es sich dabei um ein neues Vorbringen, das
letztinstanzlich nicht mehr gehört werden könnte (Art. 99 Abs. 1 BGG). Die
Vorbringen der Beschwerdeführerin vermögen somit keine Bundesrechtswidrigkeit
des angefochtenen Entscheides darzutun; dieser ist in allen Teilen zu
bestätigen.

6.
Auf die Erhebung von Gerichtskosten wird verzichtet (Art. 66 Abs. 1 Satz 2
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 11. Februar 2010
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Bollinger Hammerle