Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 810/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_810/2009

Urteil vom 30. Oktober 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiber Traub.

Parteien
S.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Claudia Zumtaugwald,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau,
Kyburgerstrasse 15, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 15. Juli 2009.

Sachverhalt:
Die IV-Stelle des Kantons Aargau stellte mit Verfügung vom 7. Januar 2009 fest,
die 1954 geborene S.________ sei aufgrund der Ergebnisse umfassender
medizinischer Abklärungen aus interdisziplinärer Sicht vollständig
arbeitsfähig; eine Leistungspflicht der Invalidenversicherung bestehe daher
nicht. Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wies die dagegen erhobene
Beschwerde ab (Entscheid vom 15. Juli 2009).
S.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache
an die Verwaltung zur Sachverhaltsergänzung, insbesondere zur Einholung eines
Gutachtens des behandelnden Psychologen, zu einer "MR-angiographischen
Darstellung der Hirngefässe" sowie zur Klärung "der Ursache des körperlichen
Befundes des Tinnitus und des Schrillens", und zu neuer Verfügung
zurückzuweisen; dabei sei sie zu verpflichten, die ärztlichen Berichte von
behandelnden Ärzten in ihre Entscheidbegründung miteinzubeziehen.
Mit Verfügung vom 5. Oktober 2009 weist das Bundesgericht das mit der
Beschwerde gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wegen
Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels ab.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem
wegen Verletzung von Bundesrecht im Sinne von Art. 95 lit. a BGG erhoben
werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 132 V 393 zur
auch unter der Herrschaft des BGG gültigen Abgrenzung von Tat- und Rechtsfragen
im Bereich der Invaliditätsbemessung [Art. 16 ATSG]).

2.
Nach der interdisziplinären (internistischen, neurologischen und
psychiatrischen) Administrativexpertise der Medizinischen Begutachtungsstelle
am medizinischen Zentrum X.________ vom 27. Dezember 2007 leidet die
Beschwerdeführerin an einem pulssynchronen, rechtsseitigen Tinnitus (Zustand
nach Hörsturz im April 2004; unauffälliger neurologischer und
hals-nasen-ohrenärztlicher Befund), (verdachtsweise) an einer Psychosomatose
unklarer Genese, weiter an einer rezidivierenden, im Herbst 2007 remittierten
depressiven Störung sowie anamnestisch an einem Status nach viraler Myokarditis
(1969, seither unter Betablockertherapie). Diese Diagnosen schränken die
Arbeitsfähigkeit nach gutachtlicher Einschätzung indessen nicht ein. Der
angefochtene Entscheid, mit welchem der Anspruch auf eine Invalidenrente
abgelehnt wird, beruht auf der Schlussfolgerung, die Beschwerdeführerin sei
gemäss - beweistauglicher - interdisziplinärer Einschätzung vollständig
arbeitsfähig, weshalb sie keinen Anspruch auf eine Invalidenrente habe. Von
weiteren Abklärungen seien keine anspruchsbeeinflussenden Erkenntnisse zu
erwarten.
Die für die Beurteilung des Leistungsanspruchs einschlägigen Rechtsgrundlagen
und die dazu ergangene Rechtsprechung hat die Vorinstanz zutreffend dargelegt.
Darauf wird verwiesen.

3.
Die Feststellungen des kantonalen Gerichts hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit
betreffen Tatfragen, wenn sie auf der Würdigung konkreter Umstände beruhen;
insoweit sind sie lediglich unter eingeschränktem Blickwinkel überprüfbar (oben
E. 1; BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397).

3.1 Nach dem behandelnden Internisten Dr. P.________ ist die Leistungsfähigkeit
der Beschwerdeführerin "seit vielen Jahren" reduziert (Berichte vom 19.
Dezember 2005 und 4. Mai 2007). Das muss den Umständen nach dahingehend
interpretiert werden, es sei eine generell herabgesetzte Belastbarkeit gegeben.
Ein solcher Umstand entspricht als solcher nur dann einem nach Art. 4 Abs. 1
IVG versicherten Faktor, wenn er auf ein krankheitswertiges Geschehen im
Rechtssinne zurückzuführen ist. Diese Anspruchsvoraussetzung ist jedoch nach
vorinstanzlich zu Recht als beweiswertig gewürdigter (BGE 125 V 351 E. 3a S.
352) gutachtlicher Aussage hier nicht gegeben.
So spricht nichts gegen die gutachtliche Schlussfolgerung, die geklagte
Leistungsintoleranz seit der viralen Myokarditis (Herzmuskelentzündung) im
Jahre 1969 sei aus kardiologischer Sicht nicht nachvollziehbar. Im Hinblick auf
die verschiedengestaltige Störung des Gehörssinns vermag die Beschwerdeführerin
aus dem Umstand, dass die Verwaltung die Anregung der Gutachter nicht
aufgegriffen hat, es sei eine "MR-angiographische Darstellung der Hirngefässe"
durchzuführen, nichts für sich abzuleiten, weil damit allenfalls eine
arteriovenöse Fehlbildung aufgedeckt werden könnte (vgl. aber den unauffälligen
Befund bei einer bildgebenden Untersuchung durch den Angiologen Dr. B.________
vom 17. Februar 2005). Eine Klärung der Ursache der geklagten Symptomatik ist
für Behandlungszwecke zweifellos von grosser Bedeutung, kann jedoch die - für
den Leistungsanspruch gegenüber der Invalidenversicherung massgebende -
Abschätzung der funktionellen Folgen des Tinnitus nicht beeinflussen. Im
Übrigen ist nicht ersichtlich, inwiefern dieser Gesundheitsschaden und seine
Folgen weiterer Abklärung bedürften.

3.2 Was die Frage nach einer depressiven Störung und allenfalls weiteren
psychischen Leiden anbelangt, rügt die Beschwerdeführerin an sich zu Recht,
dass die Gutachter des medizinischen Zentrums X.________ zunächst wohl
beabsichtigten, beim behandelnden Psychologen Dr. W.________ eine Fremdanamnese
einzuholen, hingegen auf weiteres Nachfragen verzichteten, nachdem dieser nicht
zurückgerufen habe. Darin kann indessen kein entscheidender Mangel des
Gutachtens erblickt werden: Einerseits bedarf es nicht, wie geltend gemacht,
einer besseren Einordnung des Stellenwerts des medizinischen Geschehens
(Tinnitus in Verbindung mit depressiver Störung). Anderseits wären im Hinblick
auf die Feststellung des aktuellen Zustandes, wofür Berichte therapierender
Fachleute in Ergänzung zu den (punktuellen) Beobachtungen der Sachverständigen
wichtige Anhaltspunkte liefern können (vgl. Urteil 9C_24/2008 vom 27. Mai 2008
E. 2.3.2), von einer Einschätzung durch Dr. W.________ keine zusätzlichen
Erkenntnisse zu erwarten, dauerte die Behandlung durch ihn nach den Angaben der
Beschwerdeführerin doch nur bis Dezember 2006. Schliesslich geht aus den Akten
nichts hervor, was die gutachtlich (auch aufgrund von Äusserungen der
Versicherten selber) festgestellte Rückbildung des rezidivierenden depressiven
Geschehens in Frage stellen würde.

3.3 Nach dem Gesagten weist die vorinstanzliche Würdigung des medizinischen
Dossiers keine augenfälligen Mängel auf, welche eine offensichtliche
Unrichtigkeit oder eine Unvollständigkeit der diesbezüglichen Feststellungen
begründen könnten. Dementsprechend erscheint die auf antizipierter
Beweiswürdigung (BGE 124 V 90 E. 4b S. 94) beruhende Schlussfolgerung des
kantonalen Gerichts, weitere medizinische Erhebungen seien nicht notwendig,
nicht bundesrechtswidrig (vgl. Art. 61 lit. c ATSG).

4.
4.1 Insgesamt ist die vorinstanzliche Schlussfolgerung nicht zu beanstanden,
die Beschwerdeführerin sei in ihrer Arbeitsfähigkeit - soweit
invalidenversicherungsrechtlich von Belang (oben E. 3.1) - nicht eingeschränkt.

4.2 Die Versicherte reicht im letztinstanzlichen Verfahren das ärztliche
Zeugnis des Allgemeinmediziners Dr. G.________ vom 22. September 2009 ein, was
nach Art. 99 Abs. 1 BGG an sich unzulässig ist. Dieser schliesst sich den
Einschätzungen seines Praxisvorgängers Dr. P.________ an und berichtet, die
seit Jahren schon deutlich reduzierte Leistungsfähigkeit nehme "durch die
momentane Krankheitssituation und die Lebensumstände" weiter ab. Der Bericht
bezieht sich mindestens teilweise auf einen Zeitraum nach Abschluss des
Verwaltungsverfahrens (Verfügung vom 7. Januar 2009). Ein ärztlicher Bericht,
der nicht mehr den zeitlich massgebenden Sachverhalt betrifft, sondern eine
nachträgliche Entwicklung des Gesundheitszustandes anzeigt, kann im Rahmen
dieses Verfahrens nicht berücksichtigt werden. Eine Verschlimmerung des
Gesundheitszustands nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens bildete allenfalls
Gegenstand eines neuen Verfahrens.

5.
Die Beschwerde hatte keine Aussicht auf Erfolg, weshalb sie im vereinfachten
Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG ohne Durchführung des
Schriftenwechsels, mit summarischer Begründung und unter Verweis auf den
vorinstanzlichen Entscheid erledigt wird (Art. 102 Abs. 1 und Art. 109 Abs. 3
BGG).

6.
Dem Verfahrensausgang entsprechend werden die Gerichtskosten der
Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 30. Oktober 2009
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Traub