Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 800/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_800/2009

Urteil vom 19. Oktober 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Seiler,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Parteien
P.________, vertreten durch Fürsprecher
Dr. René Müller,
Beschwerdeführer,

gegen

Verwaltungsgericht des Kantons Aargau,
Obere Vorstadt 40, 5000 Aarau,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Unentgeltliche Rechtspflege,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom
13. August 2009.

In Erwägung,
dass das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 13. August
2009 das Gesuch des 1960 geborenen P.________ um Bewilligung der
unentgeltlichen Rechtspflege im Beschwerdeverfahren betreffend den
Einspracheentscheid der IV-Stelle Aargau vom 13. Juni 2006 mangels
Bedürftigkeit abwies, mit welchem ihm in Bestätigung einer Verfügung vom 12.
April 2006 statt der bisherigen ganzen eine halbe Invalidenrente ab 1. Juni
2006 zugesprochen worden war,
dass P.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
lässt mit den Anträgen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei ihm
für das kantonale Verfahren und den letztinstanzlichen Prozess die
unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren,
dass er überdies um die Erteilung der aufschiebenden Wirkung ersucht,
dass das Versicherungsgericht auf eine Vernehmlassung verzichtet,
dass der Instruktionsrichter der Beschwerde mit Verfügung vom 6. Oktober 2009
die aufschiebende Wirkung zuerkannt hat,
dass es sich beim Zwischenentscheid über die Verweigerung der unentgeltlichen
Prozessführung im kantonalen Beschwerdeverfahren um einen selbstständig
anfechtbaren Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG handelt,
der einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (SVR 2009 UV Nr.
12 S. 49, 8C_530/2008),
dass nach Art. 29 Abs. 3 BV und Art. 61 lit. f ATSG sowie der hiezu ergangenen
Rechtsprechung Anspruch auf unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung
besteht, wenn die Partei bedürftig, das Rechtsmittel nicht als aussichtslos zu
bezeichnen und die anwaltliche Vertretung geboten ist,
dass sich die prozessuale Bedürftigkeit nach der gesamten wirtschaftlichen
Situation des Rechtsuchenden im Zeitpunkt der Entscheidung über das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege beurteilt (BGE 108 V 265 E. 4 S. 269; RKUV 2000 Nr.
KV 119 S. 154; Urteil 9C_13/2009 vom 6. Oktober 2009),
dass die Vorinstanz den Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege mangels
Bedürftigkeit verneint hat, indem sie davon ausgegangen ist, der
Beschwerdeführer und seine Ehefrau verfügten über gemeinsame Einkünfte von
insgesamt Fr. 6676.-, wogegen auf der Ausgabenseite ein Betrag von lediglich
Fr. 5650.- zu berücksichtigen sei mit der Folge, dass mit dem
Einnahmenüberschuss von über Fr. 1000.- im Monat die Gerichts- und
Anwaltskosten innert nützlicher Frist beglichen werden könnten,
dass der Beschwerdeführer vorbringt, zusammen mit seiner Ehefrau über Einkünfte
von insgesamt Fr. 4990.- im Monat zu verfügen, weshalb er nicht im Stande sei,
die Gerichts- und Anwaltskosten zu begleichen,
dass die vom kantonalen Gericht verwendeten Zahlen aus den Jahren 2005 und 2006
stammen,
dass die Vorinstanz entgegen der von ihr gewählten Vorgehensweise nicht auf die
im Jahr 2006 eingeholten Unterlagen abstellen durfte, um mehr als drei Jahre
später den Entscheid über die unentgeltliche Rechtspflege zu treffen, konnte
sich doch die wirtschaftliche Situation des Beschwerdeführers und seiner
Familie zwischenzeitlich erheblich verändert haben,
dass das Versicherungsgericht den Sachverhalt insoweit unvollständig
festgestellt hat, weshalb das Bundesgericht nicht daran gebunden ist,
dass die Vorinstanz bei einer derartigen Verfahrensverzögerung, wie sie hier
vorliegt, den Beschwerdeführer zunächst hätte auffordern müssen, ein neues
Bedürftigkeitszeugnis einzureichen, nachdem die Einkommensverhältnisse des
Versicherten nicht ansatzweise geklärt sind, indem durch die mit der Beschwerde
aufgelegte, unter dem Gesichtswinkel des Art. 99 Abs. 1 BGG zulässige
Abrechnung des Krankenversicherers nur der Taggeldbezug der Ehefrau im August
2009 in der Höhe von Fr. 2850.- bestätigt, aber unklar ist, ob die
Arbeitsunfähigkeit weiterhin andauert, während die Höhe der aktuellen
Invalidenrente und die in der Beschwerde angegebene Summe von Fr. 700.- im
Monat nicht belegt sind,
dass auch die übrigen, von der Vorinstanz als Einnahmen aufgeführten
Einkommensbestandteile (Krankengeld, Arbeitslosenentschädigung, andere [Sozial]
Versicherungsleistungen) weder in ihrem Bestand noch betraglich ausgewiesen
sind,
dass das Bundesgericht mangels hinreichender Grundlagen über die Frage der
Bedürftigkeit nicht entscheiden kann,
dass die Sache daher an das kantonale Gericht, welches die Frage nach der
Aussichtslosigkeit der Beschwerde ausdrücklich offen gelassen hat,
zurückzuweisen ist, damit es aktuelle Unterlagen zu den Einkommens- und
Vermögensverhältnissen des Beschwerdeführers einhole und hernach über das
Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege neu entscheide,
dass gestützt auf Art. 66 Abs. 4 BGG keine Gerichtskosten zu erheben sind,
dass der Kanton Aargau dem Beschwerdeführer dem Verfahrensausgang entsprechend
eine Parteientschädigung zu bezahlen hat, womit das Gesuch um unentgeltliche
Verbeiständung im letztinstanzlichen Verfahren gegenstandslos wird,

erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der angefochtene Entscheid
vom 13. August 2009 aufgehoben wird. Die Sache wird an das Versicherungsgericht
des Kantons Aargau zurückgewiesen, damit es, nach erfolgter Aktenergänzung im
Sinne der Erwägungen, über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege neu
entscheide.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Der Kanton Aargau hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren
mit Fr. 2000.- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 19. Oktober 2009

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Widmer