Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 79/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_79/2009

Urteil vom 10. März 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Parteien
O.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwältin Elda Bugada Aebli,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 15. Oktober 2008.

Sachverhalt:

A.
O.________, geboren 1962, war laut Kündigung vom 24. Oktober 2003 ab 13. Juli
1992 bis 31. Januar 2004 (letzter effektiver Arbeitstag) im Verpackungsbereich
bei der Firma T.________ AG erwerbstätig. Am 5. April 2004 meldete sie sich
unter Hinweis auf Probleme im Schultergürtel, in den Armen und Fingern sowie
auf eine Blutentzündung und Weichteilrheuma bei der Invalidenversicherung zum
Rentenbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Aargau führte erwerbliche Abklärungen
durch. Auf ein entsprechendes Gesuch der O.________ vom 2. August 2004 verfügte
die IV-Stelle am 4. August 2004 die Übernahme der Kosten für orthopädische
Spezialschuhe (wegen ausgeprägter, fibromyalgie-assoziierter Fussschmerzen
beidseits mit zunehmender Gehbehinderung). In der Folge holte sie Berichte ein
beim Hausarzt Dr. med. R.________, Allgemeine Medizin FMH, vom 16. August 2004
und 19. Mai 2005 (denen zahlreiche weitere medizinische Unterlagen beigefügt
waren) und veranlasste medizinische Beurteilungen beim Spital X.________ (Dr.
med. A.________, Assistenzärztin HNO-Klinik, vom 7. September 2005; Frau Dr.
med. S.________ und Prof. Dr. med. C.________, Ambulatorium Medizin, vom 14.
November 2005). Weiter zog sie angiologische Untersuchungsergebnisse (Berichte
des Spitals X.________ vom 5. und 11. Februar 2004 sowie vom 9. Mai 2005;
Befund einer am 30. März 2005 in der Türkei durchgeführten
computertomographischen Angiographie) sowie die Akten der Krankenversicherung
bei. Im Folgenden ersuchte die IV-Stelle die Ärzte am Spital X.________ um
weitere Unterlagen (insbesondere Bericht bezüglich einer Augenuntersuchung vom
14. Oktober 2004; Bericht des Ambulatoriums Medizin vom 24. März 2006) und
veranlasste ein interdisziplinäres versicherungsmedizinisches Gutachten beim
Institut P.________ (Dres. med. M.________ [Facharzt für Rheumatologie/Innere
Medizin], F.________ [Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie] und
I.________ [Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie]) vom 25. Januar 2007
(versicherungspsychiatrisches Teilgutachten vom 11. November 2006;
rheumatologisches Teilgutachten vom 24. Januar 2007).
Mit Vorbescheid vom 7. März 2007 stellte die IV-Stelle nach Stellungnahme ihres
Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD; Dr. med. G.________) die Abweisung des
Rentenbegehrens in Aussicht. Nachdem O.________ hiegegen Einwände hatte erheben
lassen, bat die IV-Stelle den Psychiater Dr. med. F.________ um Beantwortung
von Ergänzungsfragen (Antwortschreiben vom 11. September 2007). Nach einer
internen Stellungnahme des RAD (Dr. med. G.________) vom 12. Oktober 2007
verfügte die IV-Stelle am 7. Dezember 2007 entsprechend dem Vorbescheid.

B.
Im Rahmen des kantonalen Beschwerdeverfahrens legte O.________ eine Beurteilung
des Gutachtens des Instituts P.________ durch das Institut Q.________ (PD Dr.
med. E.________ [FMH für Neurologie] und Dr. med. B.________ [FMH für
Psychiatrie und Psychotherapie]), vom 18. März 2008, ins Recht. Die Beschwerde
der O.________ wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid
vom 15. Oktober 2008 ab.

C.
O.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, es sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und ihr
"die gesetzlichen Leistungen in Form einer Invalidenrente" ab 1. Oktober 2004
zuzusprechen, eventualiter sei die Sache an die Beschwerdegegnerin zur erneuten
Begutachtung und Neufestsetzung des Invaliditätsgrades zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das
Bundesgericht legt seinem Urteil grundsätzlich den Sachverhalt zugrunde, den
die Vorinstanz festgestellt hat. Es kann die Sachverhaltsfeststellung der
Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG), und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang
des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG).

2.
Die für die Beurteilung der Streitsache massgebenden materiell- und
beweisrechtlichen Grundlagen, einschliesslich der Rechtsprechung zur Bedeutung
ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 125 V 256 E. 4 S. 261), zu deren
Beweiswert (BGE 125 V 351 E. 3 S. 352 ff.; vgl. auch BGE 132 V 393 E. 4.1 S.
400) und zur Würdigung eines Privatgutachtens (AHI 2001 S. 115 E. 3c) werden im
vorinstanzlichen Entscheid zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.
3.1 Die Vorinstanz erwog, gestützt auf das Gutachten des Instituts P.________
vom 25. Januar 2007, welchem voller Beweiswert zukomme, sei der Versicherten
mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine angepasste Tätigkeit ganztags
zumutbar. Weder die hievon abweichenden Einschätzungen des Hausarztes Dr. med.
R.________ und der Ärzte am Spital X.________ noch die Beurteilung des
Instituts Q.________ vermöchten die Einschätzung der Gutachter des Instituts
P.________ derart zu erschüttern, als davon abzuweichen wäre.

3.2 Die Beschwerdeführerin rügt, der angefochtene Entscheid verletze die
Grundsätze der freien Beweiswürdigung und des rechtlichen Gehörs, soweit darin
dem von der Beschwerdegegnerin veranlassten polydisziplinären Gutachten
gegenüber der von ihr selbst ins Recht gelegten Beurteilung des Instituts
Q.________ a priori (beweisrechtlicher) Vorzug eingeräumt und die fachliche
Kritik der Gutachter des Instituts Q.________ in unzulässiger Weise und mit
sachlich unkorrekter Begründung verworfen werde.

4.
4.1 Entgegen den Vorbringen in der Beschwerde verstiess die Vorinstanz nicht
gegen Bundesrecht, indem sie dem Gutachten des Instituts P.________ vollen
Beweiswert zumass. Nach den korrekten Erwägungen im angefochtenen Entscheid
genügt die Expertise des Instituts P.________ in allen Teilen den in der
Rechtsprechung entwickelten Anforderungen (E. 2 hievor). Insbesondere beruht
sie auf dem Einbezug der umfangreichen Vorakten - welche auf nicht weniger als
13 Seiten zusammengefasst werden - und berücksichtigt namentlich auch die
Gefässerkrankung (Takayasu Arteriitis) und die Schmerzproblematik. Soweit in
der Beschwerde die Glaubwürdigkeit des Dr. med. I.________ in Zweifel gezogen
wird, sind die diesbezüglichen Vorbringen bereits deshalb nicht geeignet, die
Beweiskraft des Gutachtens vom 25. Januar 2007 zu schmälern, weil die darin
enthaltenen Einschätzungen auf den Beurteilungen der Dres. med. M.________ und
F.________ beruhen und sich Dr. med. I.________ mit seiner Unterschrift
lediglich der Meinung und der Schlussfolgerung dieser Ärzte anschloss.

4.2 Die vorinstanzliche Beweiswürdigung ist auch deshalb nicht zu beanstanden,
weil sich das kantonale Gericht umfassend und sorgfältig mit den medizinischen
Unterlagen auseinandersetzte, zu den einschlägigen ärztlichen Einschätzungen
Stellung bezog und nachvollziehbar begründete, weshalb die Versicherte trotz
ihrer Beschwerden (insbesondere: panvertebrales Schmerzsyndrom und
fibromyalgisch-polyarthralgisches Beschwerdebild) in einer angepassten
Tätigkeit uneingeschränkt arbeitsfähig ist. Die tatsächlichen Feststellungen,
wonach eine invalidenversicherungsrechtlich erhebliche psychiatrische
Komorbidität fehlt und - im hier massgeblichen Zeitraum - die Takayasu
Arteriitis - weil medizinisch adäquat behandelt und unter Kontrolle - die
Arbeitsfähigkeit nicht beeinflusste, sind für das Bundesgericht somit bindend
(E. 1 hievor). Im letzten Punkt (bezüglich der Takayasu Arteriitis) schloss
sich der Gutachter Dr. med. M.________ des Instituts P.________ im Übrigen den
Gefässspezialisten am Spital X.________ an, welche aufgrund der bei
angiologischen Nachkontrollen vom März 2004 und Mai 2005 konstatierten
erfreulichen Gefässverhältnisse die Schmerzsituation nicht auf verbleibende
Strombahnhindernisse zurückführten. Dass sich der von den Ärzten am Spital
X.________ mit Bericht vom 16. Juli 2007 nicht ganz ausgeschlossene
entzündliche Ursprung der Beschwerden in der Folge erhärtet hätte, lässt sich
den Akten nicht entnehmen. Die von Hausarzt Dr. med. R.________ diagnostizierte
chronische Depression findet, zumindest bis zum Verfügungszeitpunkt (7.
Dezember 2007), in den übrigen Akten keine Stütze. Selbst die Ärzte am Spital
X.________, welche ansonsten - insoweit übereinstimmend mit dem Hausarzt -
aufgrund des chronischen therapierefraktären Schmerzsyndroms und der Takayasu
Arteriitis von einem die Arbeitsfähigkeit massiv beeinträchtigenden
Gesundheitsschaden ausgingen (hiezu etwa Bericht vom 14. November 2005),
führten in ihren zahlreichen Beurteilungen lediglich eine depressive
Stimmungslage an. Dass Dr. med. R.________ sich mit der Versicherten in ihrer
türkischen Muttersprache verständigen konnte, macht die Versicherte nicht
geltend. Ihr Vorbringen, es sei wegen ihrer mangelnder
Verständigungsmöglichkeit auf Deutsch hinsichtlich der psychiatrischen Diagnose
auf die hausärztliche Einschätzung abzustellen, ist daher nicht stichhaltig,
umso weniger als die psychiatrische Untersuchung durch Dr. med. F.________ vom
19. Juli 2006 in ständigem Beisein und "Satz-für-Satz Übersetzung" durch eine
türkische Dolmetscherin erfolgte. Schliesslich bestätigt die Einschätzung der
Mediziner an der Rehaklinik Y.________ vom 31. März 2004 (wo sich die
Beschwerdeführerin im Frühjahr 2004 stationär aufgehalten hatte), wonach ab 16.
April 2004 wiederum eine vollständige Arbeitsfähigkeit bestehe, dass die
Beurteilungen des Dr. med. R.________, welcher seit 25. Oktober 2003 eine
gänzliche Arbeitsunfähigkeit "auch für irgendeine imaginäre 'leichte,
wechselbelastete Tätigkeit mit vielen Pausen'" attestierte (vgl. Bericht vom
19. Mai 2005), zu pessimistisch ausgefallen sind.
In Anbetracht der sorgfältigen Beweiswürdigung im angefochtenen Entscheid, in
deren Rahmen auch im Einzelnen dargelegt wird, weshalb die Kritik der Gutachter
des Instituts Q.________ die Beweistauglichkeit der Einschätzungen der
Expertise des Instituts P.________ nicht entscheidend zu erschüttern vermögen,
ist der Einwand, das kantonale Gericht habe dem Gutachten des Instituts
P.________ "a priori" den beweisrechtlichen Vorzug gegeben, somit unbegründet
und eine - in der Beschwerde nicht näher begründete - Gehörsverletzung nicht
ersichtlich. Auf die in allen Teilen zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz,
welche im Übrigen zu Recht von weiteren Abklärungen abgesehen hat (antizipierte
Beweiswürdigung), kann verwiesen werden.

5.
Auf der Grundlage der vorinstanzlich festgelegten Arbeitsfähigkeit ist auch der
vom kantonalen Gericht vorgenommene Einkommensvergleich nicht zu beanstanden.
Selbst ein maximaler Leidensabzug von 25 % würde keinen rentenbegründenden
Invaliditätsgrad ergeben.

6.
Die Gerichtskosten werden der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei
auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 10. März 2009
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Bollinger Hammerle