Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 798/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_798/2009

Urteil vom 12. Januar 2010
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiberin Dormann.

Parteien
B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Silvan Meier Rhein,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Graubünden,
Ottostrasse 24, 7000 Chur,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente, Revision),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden
vom 19. Mai 2009.

Sachverhalt:

A.
Der 1967 geborene B.________ bezog seit dem 1. Januar 1999 eine halbe Rente der
Invalidenversicherung. Mit Verfügungen vom 12. April 2006 sprach ihm die
IV-Stelle des Kantons Graubünden im Rahmen eines Rentenrevisionsverfahrens ab
1. Januar 2004 eine Dreiviertelsrente zu mit dem Hinweis, dass die Abklärungen
für den Zeitraum resp. den Rentenanspruch ab 1. Mai 2005 fortgesetzt würden.
Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens hob sie die Rente mit Verfügungen
vom 3./25. November 2008 auf das Ende des der Zustellung folgenden Monats auf.

B.
Die Beschwerde des B.________ wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Graubünden mit Entscheid vom 19. Mai 2009 ab.

C.
B.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, unter Aufhebung des Entscheids vom 19. Mai 2009 und der
Verfügungen vom 3. und 25. November 2008 sei ihm über den 31. Dezember 2008
hinaus weiterhin eine Dreiviertelsrente der Invalidenversicherung auszurichten;
eventualiter sei die Sache zwecks weiterer Abklärung an die Verwaltung
zurückzuweisen.
Die IV-Stelle und das kantonale Gericht schliessen auf Abweisung der
Beschwerde, das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine
Stellungnahme.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
Die Vorinstanz hält die Verfügungen vom 3. und 25. November 2008, mit welchen
die Invalidenrente auf Ende Dezember 2008 aufgehoben wurde, für rechtens. Sie
ist der Auffassung, die im Gutachten des ärztlichen Begutachtungsinstituts
X.________ vom 18. September 2007 ausgewiesene positive Entwicklung des
Gesundheitszustandes des Versicherten stelle klarerweise einen Grund für die
Rentenrevision dar. Demgegenüber stellt der Beschwerdeführer das Vorliegen
eines Revisionsgrundes in Abrede und macht geltend, es werde lediglich der
unveränderte Sachverhalt unterschiedlich beurteilt. Ausserdem bestreitet er den
Beweiswert des Gutachtens des ärztlichen Begutachtungsinstituts X.________.

3.
3.1 Ändert sich der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines
Rentenbezügers erheblich, so wird die Rente von Amtes wegen oder auf Gesuch hin
für die Zukunft entsprechend erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben (Art. 17 Abs.
1 ATSG). Anlass zur Rentenrevision gibt jede wesentliche Änderung in den
tatsächlichen Verhältnissen seit Zusprechung der Rente, die geeignet ist, den
Invaliditätsgrad und damit den Anspruch zu beeinflussen. Insbesondere ist die
Rente bei einer wesentlichen Änderung des Gesundheitszustandes oder der
erwerblichen Auswirkungen des an sich gleich gebliebenen Gesundheitszustandes
revidierbar (BGE 130 V 343 E. 3.5 S. 349 mit Hinweisen). Dagegen stellt die
unterschiedliche Beurteilung der Auswirkungen eines im Wesentlichen unverändert
gebliebenen Gesundheitszustandes auf die Arbeitsfähigkeit keinen Revisionsgrund
im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG dar (Urteil 9C_552/2007 vom 17. Januar 2008 E.
3.1.2 mit Hinweisen).
Liegt eine erhebliche Änderung des Sachverhalts vor, ist der Rentenanspruch in
rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht allseitig, d.h. unter Berücksichtigung
des gesamten für die Leistungsberechtigung ausschlaggebenden
Tatsachenspektrums, zu prüfen (BGE 117 V 198 E. 4b S. 200; SVR 2004 IV Nr. 17
S. 53, I 526/02 E. 2.3; Urteil 9C_744/2008 vom 19. November 2008 E. 3.1.1; vgl.
auch BGE 125 V 413 E. 2d S. 417 f.; AHI 2002 S. 164, I 652/00 E. 2a).

3.2 Die Vorinstanz hat gestützt auf das Gutachten des ärztlichen
Begutachtungsinstituts X.________, welches sie diesbezüglich in freier
Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG) und Übereinstimmung mit der
Rechtsprechung (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352) als schlüssig, zuverlässig und
einleuchtend erachtet hat, festgestellt, einige der früher diagnostizierten
Leiden - insbesondere die Depressionen und psychischen Stimmungsschwankungen -
seien inzwischen verschwunden. Diese Feststellung ist nicht offensichtlich
unrichtig und daher für das Bundesgericht verbindlich (E. 1): Aus dem Gutachten
der Klinik Y.________ vom 22. April 2004, welches der Rentenverfügung vom 12.
April 2006 zugrunde lag, geht u.a. eine ängstliche, Belastung übermässig
vermeidende Schmerzbewältigung und eine "Entwicklung depressiver Symptome mit
sozialem Rückzug, einer ausgeprägten Grübelneigung, einer gedrückten
Stimmungslage sowie Suizidgedanken" hervor, welche eine "psychiatrische
Behandlung mit einer medikamentösen antidepressiven Therapie sowie begleitenden
psychotherapeutischen Gesprächen" erforderte. Es wurden eine Anpassungsstörung
mit längerer depressiver Reaktion (ICD-10: F43.21) sowie akzentuierte
Persönlichkeitszüge mit perfektionistischen und narzisstischen Zügen (ICD-10:
Z73.1) diagnostiziert und die Weiterführung der psychiatrischen/
psychotherapeutischen Behandlung empfohlen. Diese psychischen Faktoren waren -
nebst einem chronifizierten Panvertebralsyndrom ohne lumboradikuläre Reiz- oder
Ausfallsymptomatik bei leichtgradiger Wirbelsäulenfehlform und -haltung sowie
muskulärer Dysbalance - offensichtlich wesentlich für die Beurteilung der
Arbeitsfähigkeit, welche die Ärzte damals für leichte bis maximal mittelschwere
Tätigkeiten auf 50 % veranschlagt hatten. Demgegenüber ist aus dem Gutachten
des ärztlichen Begutachtungsinstituts X.________ ersichtlich, dass der
Versicherte nunmehr weder unter Schlaf-, Antriebs- oder
Konzentrationsstörungen, einem sozialen Rückzug oder depressiven Verstimmungen
leidet, noch in psychiatrischer Behandlung steht. Mit Bezug auf die psychischen
Beschwerden wurde einzig eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD-10:
F45.4) diagnostiziert und die Indikation einer medizinischen Behandlung
ausdrücklich verneint. Unter diesen Umständen hat das kantonale Gericht zu
Recht eine relevante Verbesserung des Gesundheitszustandes angenommen.
Daran ändert nichts, dass die Vorinstanz keinen ausführlichen Vergleich der
medizinischen Sachverhalte (für den jeweiligen Zeitpunkt vgl. BGE 133 V 108)
vorgenommen hat; der Schluss auf einen verbesserten Gesundheitszustand beruht
auf einer zulässigen impliziten Gegenüberstellung der aus den massgeblichen
Grundlagen (Gutachten der Klinik Y.________ vom 22. April 2004 und Gutachten
des ärztlichen Begutachtungsinstituts X.________ vom 18. September 2007)
ersichtlichen Tatsachen und entspricht auch der Auffassung des Regionalen
Ärztlichen Dienstes (vgl. Art. 59 Abs. 2bis IVG und Art. 49 Abs. 1 IVV). Weiter
schadet nicht, dass im Gutachten des ärztlichen Begutachtungsinstituts
X.________ der Sachverhalt - in psychiatrischer Hinsicht - mit demjenigen
verglichen wurde, welcher sich anlässlich der im Oktober 1999 erfolgten
Begutachtung durch die MEDAS bot (vgl. Gutachten vom 18. November 1999): Die
damals erhobenen Befunde und Einschätzungen, welche Grundlage für die Annahme
einer um 32,5 % reduzierten Arbeitsfähigkeit und folglich die erstmalige
Bejahung des Rentenanspruchs bildeten (vgl. Verfügung vom 9. März 2000),
stimmen weitgehend mit jenen der Klinik Y.________ überein. Schliesslich
spricht die sachlich begründete, kritische Auseinandersetzung des Rheumatologen
mit früheren ärztlichen Einschätzungen - wie auch die Kritik an der darauf
beruhenden Rentenerhöhung - nicht für mangelnde Objektivität des
Sachverständigen, sondern im Gegenteil für die Qualität des Gutachtens des
ärztlichen Begutachtungsinstituts X.________ (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352). Dass
daraus der Schluss auf einen aus rheumatologischer Sicht seit Jahren
unveränderten Gesundheitszustand zu ziehen ist, berührt indessen nicht die
festgestellte Verbesserung in Bezug auf die psychischen Beschwerden, welche
Anlass für eine umfassende Überprüfung der Leistungsberechtigung gibt.

3.3 Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz zu Recht die Verfügung vom 3. November
2008 - welche gestützt auf die Einschätzung der Gutachter des ärztlichen
Begutachtungsinstituts X.________ (uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit für
jegliche leichten bis auch regelmässig mittelschweren, wechselbelastenden
Tätigkeiten) einen rentenausschliessenden (Art. 28 IVG) Invaliditätsgrad von 24
% ausweist - sowie jene vom 25. November 2008 bestätigt. Die Beschwerde ist
unbegründet.

4.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden,
der Ausgleichskasse Schweizerischer Transportunternehmungen und dem Bundesamt
für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 12. Januar 2010
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Dormann