Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 749/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_749/2009

Urteil vom 12. November 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Kernen,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Parteien
M.________,
vertreten durch FORTUNA Rechtsschutz-
Versicherungs-Gesellschaft AG,
Beschwerdeführer,

gegen

Stadt A.________,
AHV/IV Zusatzleistungen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Ergänzungsleistung zur AHV/IV,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 22. Juli 2009.

Sachverhalt:

A.
Der 1959 geborene M.________ bezieht seit 1. August 2005 eine Dreiviertelsrente
der Invalidenversicherung samt Zusatzrenten für die 1989 und 1997 geborenen
Kinder. Er lebt getrennt von seiner Ehefrau, unter deren Obhut die Kinder
während der Dauer des Getrennntlebens gemäss eheschutzrichterlicher Verfügung
gestellt wurden. Am 22. August 2006 reichte M.________ ein Gesuch um
Zusatzleistungen zur Invalidenrente ein, welches die Durchführungsstelle für
Zusatzleistungen zur AHV/IV der Stadt A.________ am 11. September 2006
ablehnte, weil die Gegenüberstellung der anrechenbaren Einkünfte und der
Aufwendungen keinen Ausgabenüberschuss ergebe, sodass kein
Zusatzleistungsanspruch bestehe. Nach einer auf Einsprache hin vorgenommenen
Neuberechnung resultierte gemäss Entscheid vom 16. Januar 2007 weiterhin kein
Leistungsanspruch. Die hiegegen erhobene Einsprache wies der Bezirksrat
B.________ am 30. Mai 2007 ab.

B.
M.________ liess Beschwerde führen mit den Anträgen, unter Aufhebung des
angefochtenen Entscheides seien ihm Zusatzleistungen zur AHV/IV zuzusprechen;
eventuell sei die Sache zur Durchführung zusätzlicher Abklärungen und zu neuer
Entscheidung an die Verwaltung zurückzuweisen. Mit Entscheid vom 22. Juli 2009
wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde ab.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt M.________
beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides seien ihm
Ergänzungsleistungen zur Invalidenrente zuzusprechen.
Die Durchführungsstelle für Zusatzleistungen zur AHV/IV der Stadt A.________
und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über den Anspruch auf Ergänzungsleistungen
(Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2a lit. a ELG in der vorliegend
anwendbaren, bis Ende 2007 gültig gewesenen Fassung) sowie über die anerkannten
Ausgaben (Art. 3b Abs. 1 lit. a und b in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 ELG; Art.
3b Absatz 3 lit. b ELG), die anrechenbaren Einnahmen (Art. 3c Abs. 1 ELG) und
die Anrechnung hypothetischer Erwerbseinkünfte (Art. 3a Abs. 7 lit. c ELG in
Verbindung mit Art. 14a Abs. 1 und 2 ELV) richtig wiedergegeben. Zutreffend
sind auch die Darlegungen zur Anrechnung von Vermögen oder Einkommen, auf
welches die Anspruch stellende Person verzichtet hat (Art. 3c lit. g ELG).
Darauf wird verwiesen.

2.
2.1 Zu prüfen ist zunächst, ob dem Beschwerdeführer im Sinne von Art. 14a Abs.
2 lit. c ELV (in Verbindung mit Art. 3b Abs. 1 lit. a ELG) ein hypothetisches
Erwerbseinkommen anzurechnen ist. Nach dieser Bestimmung sind Invaliden unter
60 Jahren bei einem Invaliditätsgrad von 60 bis unter 70 % als Erwerbseinkommen
mindestens zwei Drittel des Höchstbetrages für den Lebensbedarf nach Art. 3b
Abs. 1 lit. a ELG anzurechnen.

2.2 Wie das Sozialversicherungsgericht zu Recht dargelegt hat, kann
grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass es der teilinvaliden versicherten
Person vermutungsweise möglich und zumutbar ist, im Rahmen ihres von den
Organen der Invalidenversicherung festgestellten verbliebenen
Leistungsvermögens den in Art. 14a Abs. 2 lit. c ELV festgelegten Grenzbetrag
zu erzielen. Dabei handelt es sich um eine gesetzliche Vermutung, die durch den
Beweis des Gegenteils umgestossen werden kann, indem Umstände geltend gemacht
werden können, welche bei der Invaliditätsbemessung ohne Bedeutung waren, die
Verwertung der theoretischen Restarbeitsfähigkeit aber verunmöglichen (BGE 117
V 153 E. 2c S. 156). Dazu gehören sämtliche objektiven und subjektiven
Besonderheiten wie Alter, Gesundheitszustand, Sprachkenntnisse, Ausbildung,
bisherige Tätigkeit, konkrete Arbeitsmarktlage sowie eine allfällige Dauer der
Abwesenheit vom Berufsleben (BGE 117 V 287 E. 3a S. 290; AHI 2001 S. 133 E. 1b,
P 18/99).

2.3 Die Vorinstanz hat ein hypothetisches Erwerbseinkommen in der Höhe von
jährlich Fr. 7'173.- angerechnet. Im Jahr 2006 belief sich der Höchstbetrag für
den allgemeinen Lebensunterhalt bei Alleinstehenden pro Jahr auf Fr. 16'290.-
(Art. 3b Abs. 1 lit. a Ziff. 1 in der Fassung gemäss Art. 1 der V 05 vom 24.
September 2004). Zwei Drittel hievon entsprechen einem Betrag von Fr. 10'860.-.
In diesem Punkt beruht der angefochtene Entscheid auf einer Verletzung von
Bundesrecht und ist im Rahmen der Rechtsanwendung von Amtes wegen (Art. 106
Abs. 1 BGG) zu korrigieren, sofern der Beschwerdeführer nicht nachweist, dass
er ausser Stande ist, Einkünfte in dieser Höhe zu verdienen (E. 2.4 hienach).
Der Umstand, dass Art. 107 Abs. 1 BGG, wonach das Bundesgericht nicht über die
Begehren der Parteien hinausgehen darf, eine reformatio in peius ausschliesst
(SVR 2009 UV Nr. 17 S. 67, 8C_330/2008 E. 4.5), steht einer Berichtigung des
vorinstanzlichen Entscheides in diesem Punkt nicht entgegen. Denn der
Beschwerdeführer beantragt die Zusprechung von Ergänzungsleistungen, was
Verwaltung und Vorinstanz abgelehnt haben. Bei der Korrektur der Berechnung
geht es um die Berichtigung eines Begründungselementes, die nicht zu einer
Verschlechterung der Rechtsposition des Versicherten, sondern zu einer
Bestätigung des den EL-Anspruch verneinenden angefochtenen Entscheides führt.
Die gesetzliche Bindung bezieht sich auf die Beschwerdebegehren und ihre
Beurteilung durch das bundesgerichtliche Urteilsdispositiv im Vergleich zum
vorinstanzlichen Entscheiddispositiv, nicht darauf, wie Bundesgericht und
kantonales Gericht mit einzelnen Begründungselementen verfahren. Keiner
Korrektur zu Lasten der Beschwerdeführenden ist der angefochtene Entscheid
jedoch zugänglich, wenn der Rechtsuchende letztinstanzlich im Ergebnis weniger
erhielte, als die Vorinstanz ihm - wenngleich aus unrichtigem Grunde -
zuerkannte (so Urteil 9C_202/2009 vom 19. Oktober 2009 E. 5.1 und 5.2,
ebenfalls einen Ergänzungsleistungsfall aus dem Kanton Zürich betreffend).

2.4 Der Beschwerdeführer vermag den Beweis dafür, dass er das ihm anzurechnende
hypothetische Einkommen von Fr. 10'860.- im Jahr nicht erzielen kann, nicht zu
erbringen.
Der Versicherte war in dem für die richterliche Beurteilung massgebenden
Zeitpunkt des Einspracheentscheides des Bezirksrates (30. Mai 2007) 48 Jahre
alt, sodass das Alter kein Hindernis darstellt, eine teilzeitliche
Erwerbstätigkeit von etwa 10 Stunden in der Woche zu verrichten. Nachdem der
Beschwerdeführer seit über 20 Jahren in der Schweiz lebt, können sodann auch
keine Sprachprobleme, die einer Arbeitsaufnahme entgegenstünden, mit Erfolg
geltend gemacht werden, während den gesundheitlichen Einschränkungen durch die
Festsetzung eines anrechenbaren hypothetischen Erwerbseinkommens von lediglich
Fr. 10'860.- im Jahr hinreichend Rechnung getragen wird. Schliesslich lässt
sich die gesetzliche Vermutung, dass der Beschwerdeführer den erwähnten
Jahreslohn verdienen könnte, auch nicht durch den Umstand, dass er seit Anfang
2004 keine Erwerbstätigkeit mehr ausgeübt hat, umstossen. Dass ein
Wiedereinstieg ins Arbeitsleben unter diesen Umständen erschwert ist, mag
zutreffen; der Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung im Umfang von etwa 10
Wochenstunden steht ein solcher Arbeitsunterbruch jedoch nicht entgegen.

3.
Das Sozialversicherungsgericht hat dem Beschwerdeführer einen hypothetischen
Ertrag von Fr. 1'800.- im Jahr, resultierend aus der (möglichen) Vermietung
einer in Bosnien gelegenen Liegenschaft als Einkommen angerechnet; der
Versicherte wendet sich gegen eine solche Anrechnung, weil die Eigentums- und
Nutzungsverhältnisse unklar seien und die Lage des Grundstücks in einer
abgelegenen, entvölkerten Gegend einer Vermietung des Hauses für Wohn- oder
Ferienzwecke entgegenstünde.
Ob im vorliegenden Fall aufgrund eines Einkommensverzichts nach Art. 3c Abs. 1
lit. g ELG ein Mietzins anzurechnen ist, was grundsätzlich in Betracht fallen
würde (SVR 2009 EL Nr. 6 S. 21, 8C_68/2008), kann dahingestellt bleiben. Denn
die anrechenbaren jährlichen Einkünfte im Betrag von Fr. 32'268.-
(hypothetisches Erwerbseinkommen: Fr. 10'860.-; Invalidenrente: Fr. 14'688.-;
Rente aus der beruflichen Vorsorge: Fr. 6'360.-; Prämienverbilligung: Fr.
360.-) übersteigen auch ohne die seitens des Sozialversicherungsgerichts in die
Berechnung einbezogenen hypothetischen Mietzinseinnahmen von monatlich Fr.
150.- die anrechenbaren Ausgaben in der Höhe von Fr. 30'294.-. Der
Beschwerdeführer hat folglich keinen Anspruch auf Ergänzungsleistungen, wie die
Vorinstanz im Ergebnis zu Recht erkannt hat.

4.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem unterliegenden
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 12. November 2009
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Widmer