Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 742/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_742/2009

Urteil vom 25. Februar 2010
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Parteien
B.________,
vertreten durch Advokat André M. Brunner,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
vom 2. Juli 2009.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 2. Juli 2003 lehnte die IV-Stelle Bern das Gesuch der 1963
geborenen B.________ um Zusprechung einer Invalidenrente gestützt auf einen
Invaliditätsgrad von 35 % ab. Sie ging davon aus, dass die Versicherte ohne
Invalidität zu 60 % erwerbstätig wäre und zu 40 % im Haushalt arbeiten würde.
Diese Verfügung blieb unangefochten. Am 4. Dezember 2006 meldete sich
B.________ unter Hinweis auf eine erhebliche Verschlechterung des
Gesundheitszustandes erneut bei der Invalidenversicherung zum Rentenbezug an.
Die IV-Stelle holte einen Bericht des Regionalen Ärztlichen Dienstes vom 26.
Februar 2007 ein und führte eine Abklärung im Haushalt durch (Bericht vom 16.
Juli 2007). B.________ reichte ein neurologisches Gutachten des medizinischen
Begutachtungsinstituts X.________ vom 8. April 2008 ein. Die IV-Stelle
ermittelte bei Anteilen von 60 % Erwerbstätigkeit und 40 % Haushaltsarbeiten
einen Invaliditätsgrad von 25 %. Dementsprechend lehnte sie den Anspruch auf
eine Invalidenrente mit Verfügung vom 16. September 2008 wiederum ab.

B.
In teilweiser Gutheissung der von B.________ hiegegen eingereichten Beschwerde
hob das Verwaltungsgericht des Kantons Bern die angefochtene Verfügung vom 16.
September 2008 auf und sprach der Versicherten rückwirkend ab 1. Dezember 2005
gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 43 % eine Viertelsrente der
Invalidenversicherung zu. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab, soweit es
darauf eintrat (Entscheid vom 2. Juli 2009).

C.
B.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und der
Verwaltungsverfügung sei ihr rückwirkend ab 1. Dezember 2005 mindestens eine
halbe Invalidenrente zuzusprechen.
Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine
Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Die auf einer Würdigung
konkreter Umstände gestützte Feststellung des hypothetischen Umfanges einer
Erwerbstätigkeit ist eine Tatfrage, welche für das Bundesgericht verbindlich
ist, ausser wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung beruht (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs 1 und 2 BGG). Eine
Rechtsfrage liegt hingegen vor, wenn die Vorinstanz ihre Folgerungen
ausschliesslich auf die allgemeine Lebenserfahrung stützt (BGE 133 V 504 E. 3.2
S. 507).

2.
Die Vorinstanz hat die massgeblichen Bestimmungen und Grundsätze über die
Invaliditätsbemessung nach der gemischten Methode sowie die bei der Prüfung
einer Neuanmeldung zu vergleichenden Sachverhalte richtig wiedergegeben. Darauf
wird verwiesen.

3.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin anstelle der
Viertelsrente ab 1. Dezember 2005 mindestens eine halbe Invalidenrente
beanspruchen kann, weil im Zeitraum zwischen 2. Juli 2003 (erste rechtskräftige
Ablehnungsverfügung) und 16. September 2008 (Ablehnung des Rentenanspruchs nach
der Neuanmeldung) eine erhebliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen
eingetreten ist, welche eine Rentenerhöhung in diesem Ausmass zu rechtfertigen
vermöchte.

3.1 Die Vorinstanz gelangte zum Schluss, dass die Beschwerdeführerin seit Mai
2005 ohne Gesundheitsschaden im Umfang von 80 % erwerbstätig wäre und auf die
Arbeit im Haushalt 20 % eines vollen Pensums entfallen würden. Unter Annahme
einer Arbeitsunfähigkeit von 50 % ermittelte sie aufgrund eines
Einkommensvergleichs im erwerblichen Bereich eine Einschränkung von gewichtet
36,7 % (45,9 % x 80 %); bei der Besorgung des Haushaltes ergebe sich gemäss
Abklärungsbericht eine Behinderung von gewichtet 6,6 % (33 % x 20 %).
Gesamthaft betrage der Invaliditätsgrad somit 43 %, weshalb der Anspruch auf
eine Viertelsrente ausgewiesen sei.

3.2 Die Beschwerdeführerin geht in Übereinstimmung mit dem kantonalen Gericht
ebenfalls von einer Einschränkung der Arbeitsfähigkeit von 50 % aus. Sie macht
jedoch geltend, sie wäre ohne Invalidität nicht bloss zu 80 %, sondern in einem
vollen Pensum erwerbstätig. Nach der Pensionierung ihres 1938 geborenen
Ehemannes Ende April 2005 wäre sie aus finanziellen Gründen gezwungen gewesen,
ganztags zu arbeiten, um den Einkommensausfall wenigstens teilweise
wettzumachen.

4.
4.1 Im Rahmen der gemischten Methode der Invaliditätsbemessung ist
entscheidend, in welchem Ausmass die versicherte Person hypothetisch, das
heisst ohne Gesundheitsschaden, aber bei sonst gleichen Verhältnissen,
erwerbstätig wäre (BGE 133 V 504 E. 3.3. S. 507 mit Hinweisen).

4.2 Das Verwaltungsgericht hat aufgrund eines Vergleichs der beiden
Haushaltsabklärungsberichte eine wesentliche Änderung in der finanziellen
Situation der Versicherten festgestellt, für den Fall, dass keine Invalidität
vorläge, indessen lediglich eine Steigerung des Arbeitspensums von 60 % auf 80
% einer Vollzeitbeschäftigung als wahrscheinlich erachtet. Die Annahme einer
Vollzeitstelle hielt es nicht für hinreichend erstellt, weil eine solche
Absicht der Versicherten einzig aus dem Abklärungsbericht Haushalt vom 16. Juli
2007 ersichtlich sei.

4.3 Die Beschwerdeführerin bringt nichts vor, was diese Auffassung und die vom
Verwaltungsgericht festgestellten und als massgebend erachteten Einkünfte ihres
Ehegatten als offensichtlich unrichtig oder auf einer Verletzung von
Bundesrecht basierend erscheinen lassen könnte (vgl. E. 1 hievor). Nach den
Feststellungen der Vorinstanz erzielte der Ehemann zuletzt (bis Ende April
2005) Fr. 9'000.- im Monat, nach der Pensionierung noch Fr. 7'315.-. Das kann
nicht als derart geringes Einkommen betrachtet werden, dass eine Erhöhung des
Beschäftigungsgrades auf 100 % als zwingend erschiene. Es ist daher von einer
Teilzeittätigkeit der Versicherten im Gesundheitsfall von 80 % auszugehen. Die
letztinstanzlich neu eingereichten Belege, worunter insbesondere die
Lohnabrechnung der G.________ AG für den Monat April 2005, bei welcher der
Ehemann der Versicherten bis zur Pensionierung angestellt war, sind aufgrund
von Art. 99 Abs. 1 BGG nicht in die Beurteilung einzubeziehen. Das Thema der
Erwerbstätigkeit war bereits im vorinstanzlichen Verfahren einer der
Hauptpunkte, und die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin hätte Möglichkeit
und Anlass gehabt, die vor Bundesgericht eingereichten Unterlagen bereits im
kantonalen Verfahren aufzulegen. Es kann damit nicht gesagt werden, dass erst
der Entscheid der Vorinstanz Anlass dazu gegeben hat, die neuen Beweismittel
einzureichen, was indessen nach Art. 99 Abs. 1 BGG für die Zulässigkeit von
Noven vorausgesetzt ist.
Die Invaliditätsbemessung anhand der gemischten Methode mit Anteilen von 80 %
Erwerbstätigkeit und 20 % Haushaltsarbeit ergibt nach den Berechnungen des
kantonalen Gerichts (E. 3.1 hievor) einen Invaliditätsgrad von gesamthaft 43 %,
was den Anspruch auf eine Viertelsrente der Invalidenversicherung begründet.
Die geltend gemachte Erhöhung des leidensbedingten Abzuges vom
Invalideneinkommen ist im letztinstanzlichen Verfahren nicht zu prüfen, da von
einer rechtsfehlerhaften Ermessensausübung des kantonalen Gerichts nicht die
Rede sein kann (vgl. BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399).

5.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse der
Migros-Betriebe und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich
mitgeteilt.

Luzern, 25. Februar 2010
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Widmer