Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 714/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_714/2009

Urteil vom 6. Mai 2010
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Seiler,
Gerichtsschreiber Scartazzini.

Verfahrensbeteiligte
R.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Ausfeld,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 31. Mai 2009.

Sachverhalt:

A.
Der 1963 geborene R.________ arbeitete seit Februar 1991 als Filialleiter in
der Firma A.________ AG. Wegen Rückenschmerzen meldete er sich am 14. Januar
1999 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des
Kantons Zürich anerkannte ab September 2001 den Anspruch auf Umschulung, welche
der Versicherte am 6. Mai 2002 jedoch abbrach. Nach Abklärung der Verhältnisse
hinsichtlich eines Rentenanspruchs lehnte die IV-Stelle das Leistungsbegehren
bei einem Invaliditätsgrad von 36 % mit Verfügung vom 5. Oktober 2005 und
Einspracheentscheid vom 3. Januar 2006 ab.

B.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene
Beschwerde mit Entscheid vom 31. Mai 2009 ab. Dabei stützte sich die Vorinstanz
insbesondere auf ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten vom 21. Oktober
2008 des medizinischen Zentrums X.________.

C.
R.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheids und Rückweisung der Sache an
die IV-Stelle zwecks neuer psychiatrischer Beurteilung. Zudem ersucht er um
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde, während das Bundesamt für
Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes
wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2
BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG). Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist
aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen, ob der
angefochtene Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell-
und beweisrechtlichen Grundlagen (u.a.) Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a
BGG), einschliesslich einer allfälligen rechtsfehlerhaften
Tatsachenfeststellung (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer Anspruch auf eine
Invalidenrente hat. Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Bestimmungen und von
der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, namentlich diejenigen über die
Begriffe der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) und der Invalidität (Art. 8 Abs.
1 ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG), über die Bemessung des
Invaliditätsgrades und den Umfang des Rentenanspruchs sowie zum Beweiswert und
zur Beweiswürdigung ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3a S.
352 mit Hinweis), richtig dargelegt. Hierauf wird verwiesen.

3.
3.1 Das kantonale Gericht ist - wobei es die hievor (E. 1) aufgeführte
gesetzliche Kognitionsregelung zu beachten gilt - nach einlässlicher,
pflichtgemässer Würdigung der medizinischen Unterlagen (angefochtener
Entscheid, S. 8-11 E. 4), insbesondere des Gutachtens des medizinischen
Zentrums X.________ vom 21. Oktober 2008 sowie weiterer Gutachten und Berichte
zum Schluss gelangt, dass dem Versicherten die Ausübung einer körperlich
leichten, wechselbelastenden Tätigkeit vollzeitig zumutbar ist und dass von
psychiatrischer Seite, in welcher Hinsicht eine somatoforme Schmerzstörung und
eine allenfalls leichte depressive Symptomatik im Sinne einer Anpassungsstörung
diagnostiziert wurde, keine zusätzliche Einschränkung der Arbeitsfähigkeit
besteht (angefochtener Entscheid, S. 12 E. 5.2 und S. 14 E. 5.3). Dass sich die
Vorinstanz, was die Interpretation der medizinischen Befunde mit Blick auf die
für die Invaliditätsbemessung entscheidende funktionelle Leistungsfähigkeit
anbelangt, bei ihrer Beweiswürdigung vorwiegend auf das durch sie veranlasste
Gutachten des medizinischen Zentrums X.________ vom 21. Oktober 2008 gestützt
hat, verletzt grundsätzlich kein Bundesrecht (vgl. BGE 125 V 351 E. 3b/aa S.
352 f.).

3.2 Der Beschwerdeführer macht allerdings geltend, auf das Gutachten des
medizinischen Zentrums X.________ könne nicht abgestellt werden. Wenn gemäss
Beschluss der Vorinstanz vom 24. November 2007 ausdrücklich die Einholung einer
Fremdanamnese beim behandelnden Psychiater gefordert worden sei, habe dies auch
tatsächlich zu erfolgen, nachdem der frühere Bericht des Dr. med. S.________
dem Gutachter vorenthalten wurde.
3.2.1 Eine unabhängig vom Gutachten vom 21. Oktober 2008 vorhandene
Gesundheitsschädigung wurde weder in somatischer noch in psychiatrischer
Hinsicht ausgewiesen und durch Dr. med. S.________ in einem früheren
gutachtlichen Bericht vom 18. Februar 2006 auch nicht überzeugend dargelegt.
Aufgrund der vorinstanzlich vorhandenen Akten wurde ferner entschieden, dass
eine Arbeitsunfähigkeit mit relevant invalidisierender Wirkung, welche von der
grundsätzlich - und auch in diesem Fall wegen offensichtlich fehlender
Erfüllung der Morbiditätskriterien - nicht invalidisierenden (BGE 130 V 352)
Schmerz- und anderweitigen syndromalen Fehlentwicklung zu unterscheiden ist,
nicht gegeben war.
3.2.2 Es trifft allerdings zu, dass das kantonale Gericht anlässlich der
eingeholten Begutachtung des medizinischen Zentrums X.________ eine
"vollständige Anamnese unter Einbezug von fremdanamnestischen Auskünften,
insbesondere des behandelnden Psychiaters Dr. med. S.________" angeordnet
hatte, mit gleichzeitig verlangter Bezugnahme auf die lite pendente
eingereichten Berichte. Den Parteien wurde in diesem Zusammenhang zunächst
Gelegenheit eingeräumt, sich zu den in Aussicht genommenen Gutachtern zu
äussern und Ergänzungen sowie Änderungen der Fragestellung zu beantragen. Der
Versicherte benutzte diese ihm korrekt zugestandenen Verfahrensrechte nicht
etwa, um Fragen zuhanden der Begutachter zu stellen, sondern liess statt dessen
innert verlängerter Frist kommentarlos weitere Berichte der Klinik Y.________
und der Dres. med. S.________, N.________ und G.________ vom 5. und 31.
Dezember 2007 sowie vom 10. und 26. Januar 2008 einreichen. Obwohl der
Gutachtensauftrag an das medizinische Zentrum X.________ vom 8. April 2008 den
Vermerkt "Beilage: gesamte Akten" enthielt, wurden diese Berichte dem
medizinischen Zentrum X.________ nicht zur Verfügung gestellt, worauf der
Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme zur Begutachtung beanstandete, den
Experten des medizinischen Zentrums X.________ hätten die von ihm am 28. Januar
2008 eingereichten Berichte nicht zur Verfügung gestanden. Die Vorinstanz
sprach diesem Einwand Erheblichkeit ab mit der Begründung, das medizinische
Zentrum X.________ wäre auch in Kenntnis dieser Berichte
rheumatologisch-somatisch und psychiatrisch nicht zu anderen Erkenntnissen
gelangt.
3.2.3 Die Vorinstanz hat die am 28. Januar 2008 eingereichte Stellungnahme von
Dr. med. S.________ vom 31. Dezember 2007 und die anderen damit eingereichten
Berichte zwar gewürdigt. Dem medizinischen Zentrum X.________ konnte auch nicht
vorgeworfen werden, es habe die gestellte Frage nicht beantwortet. In der Tat
wurde im Gutachtensauftrag festgehalten, es sei eine vollständige Anamnese zu
erheben unter Einbezug von fremdanamnestischen Auskünften, insbesondere des
behandelnden Psychiaters Dr. med. S.________, was das medizinische Zentrum
X.________ in Kenntnis eines ihm vorliegenden Berichts dieses Arztes vom 18.
Februar 2006 auch tat. Der Vorwurf des Beschwerdeführers kann somit nur darin
bestehen, dass die Vorinstanz unvollständigerweise die am 28. Januar 2008
eingereichte Stellungnahme von Dr. med. S.________ vom 31. Dezember 2007 und
die anderen gleichzeitig eingereichten Berichte dem medizinischen Zentrum
X.________ nicht vorgelegt hat. Damit liegt aber eine unvollständige
Sachverhaltsermittlung gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG vor, welche den Grundsatz des
rechtlichen Gehörs und somit Bundesrecht verletzt. Die Vorinstanz wird daher
angewiesen, dem medizinischen Zentrum X.________ nachträglich die streitigen
Berichte einzureichen, damit dieses zu bestimmen hat, ob in Berücksichtigung
derselben das Gutachten anders ausgefallen wäre.

4.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdegegnerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und dem Beschwerdeführer eine
Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG). Das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege ist gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts
des Kantons Zürich vom 31. Mai 2009 wird aufgehoben und es wird die Sache an
die Vorinstanz zurückgewiesen zur Ergänzung des Sachverhalts im Sinne der
Erwägungen und zur neuen Entscheidung.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 6. Mai 2010
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Scartazzini