Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 707/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_707/2009

Urteil vom 18. Dezember 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiberin Amstutz.

Parteien
I.________,
Beschwerdeführer,

gegen

KPT Krankenkasse AG, Tellstrasse 18, 3014 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Krankenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 3. Juni 2009.

Sachverhalt:

A.
Mit separaten Entscheiden vom 29. August 2008 wies die Krankenkasse KPT AG
(nachfolgend: KPT) die Einsprachen ihres Versicherten I.________ gegen die
Kassenverfügungen vom 2. Oktober 2007 und vom 22. April 2008 betreffend
ausstehende KVG-Prämien ab. Sie stellte fest, dass I.________ der KPT den
Betrag von Fr. 3'609.20 für die Prämien der Monate Januar bis Dezember 2006 (à
je Fr. 278.50, zuzüglich Fr. 20.- Mahnspesen, Fr. 202.25 Zins und Fr. 91.-
Betreibungskosten; abzüglich Zahlung vom 13. September 2006 in der Höhe von Fr.
46.05) und den Betrag von Fr. 1'130.- für die Prämien der Monate August bis
Dezember 2007 (à Fr. 167.35/August und à je Fr. 189.90/September bis Dezember,
zuzüglich Fr. 100.- Mahnspesen, Fr. 79.- Betreibungskosten und Fr. 25.80
Zinsen) schuldet. Zugleich hob sie die Rechtsvorschläge des I.________ gegen
die entsprechenden Zahlungsbefehle der Betreibungen Nr. ... und Nr. ... des
Betreibungsamtes auf.

B.
Gegen die Einspracheentscheide vom 29. August 2008 erhob I.________ beim
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen Beschwerde mit den Anträgen, die
beiden Verfahren zu vereinigen, die angefochtenen Entscheide aufzuheben
(Rechtsbegehren, Ziff. 1) und die Sache an die KPT zur Neubeurteilung "im Sinne
der rechtlich korrekten Berechnungen, des Zinses und der Prämien, sowie die
Gewährung des rechtlichen Gehörs" zurückzuweisen (Rechtsbegehren, Ziff. 2);
zudem sei festzustellen, "dass die Klägerin wiederholt gegen Bundesrecht
verstossen hat, indem sie ggf. anteilsweise Prämiengelder der Grundversicherung
zu Ungunsten des Versicherten zweckentfremdet und für politische bzw.
unverhältnismässig für Marketing u.a. Ziele verwendet hat; demgemäss seien die
Prämien für das Jahr 2006 sowie für die Monate August bis Dezember 2007 neu
festzusetzen (Rechtsbegehren, Ziff. 3), wobei vorgängig "alle Fakten der
Berechnungen" der Kasse zuhanden des Verfahrens zu edieren seien (S. 5 der
Beschwerde ["Editionsbegehren"]). Das Versicherungsgericht gab dem Antrag auf
Verfahrensvereinigung statt und wies die Beschwerde, soweit die beanstandete
Erhebung von Verzugszinsen auf den ausstehenden Prämien betreffend, ab. Im
Übrigen trat es auf die Beschwerde nicht ein (Entscheid vom 3. Juni 2009).

C.
I.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
sinngemässen Rechtsbegehren, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben,
soweit darin auf Nichteintreten erkannt werde, und es sei die Sache
diesbezüglich zur materiellen Behandlung an das kantonale Gericht
zurückzuweisen. Des Weitern beantragt er:
"(...)

2. Eventualiter sei durch das Gericht festzustellen, dass die
Beschwerdegegnerin wiederholt gegen Bundesrecht verstossen hat, in dem sie
anteilsweise Prämiengelder der Grundversicherung zu Ungunsten des Versicherten
zweckentfremdet und damit den Interessenverband der Krankenversicherer, Namens
Santésuisse, finanziert.

3. Eventualiter sei durch das Bundesgericht festzustellen, dass die Beiträge an
die Santésuisse, welche in den OKP-Prämien enthalten sind, durch den
Versicherten nicht geschuldet sind. Dem gemäss seien die Prämien durch den
Versicherten für das Jahr 2006 (...) und die selben für die Monate August bis
Dezember (...) [2007] neu festzusetzen."

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Dabei legt das
Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann eine - für den Ausgang des
Verfahrens entscheidende (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) - Sachverhaltsfeststellung
von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder wenn sie auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG
beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
2.1 Soweit das Nichteintreten des kantonalen Gerichts auf die
Feststellungsbegehren gemäss Ziff. 3 Satz 1 der vorinstanzlichen
Beschwerdeanträge und auf die damit zusammenhängenden Editionsbegehren
beanstandet wird, ist die Beschwerde unbegründet.
2.1.1 Die Vorinstanz hat die gerügte Verwendung von Prämiengeldern der
obligatorischen Krankenpflegeversicherung (vgl. Art. 13 Abs. 2 lit. a zweiter
Teilsatz (KVG) - nach den Behauptungen des Beschwerdeführers namentlich für
politische Abstimmungskämpfe - zu Recht als aufsichtsrechtliche Frage
ausserhalb ihres Zuständigkeitsbereichs qualifiziert; nicht entscheidend ist
hier, ob sich die dem Bundesrat respektive - delegationsweise - dem Bundesamt
für Gesundheit obliegende staatliche Aufsicht (Art. 76 ATSG; Art. 21 Abs. 1 KVG
und Art. 24 ff. KVV) gemäss Gesetz allein auf die Krankenversicherer erstreckt
oder auch deren Branchenverband santésuisse erfasst, soweit dieser faktisch
öffentlich-rechtliche Aufgaben im Rahmen der sozialen Krankenversicherung
wahrnimmt (vgl. in diese Richtung PROF. DR. IUR. RENÉ RHINOW/PROF. DR. IUR.
REGULA KÄGI-DIENER, Gutachten vom 7. November 2006 betreffend Aufsicht über die
santésuisse, erstattet zuhanden der Consano - Vereinigung für eine faire und
soziale Medizin, S. 17 ff.); abrufbar auf: www.consano.ch; vgl. auch
Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement EJPD, Bundesamt für Justiz,
Gutachten/Avis de droit vom 21. Juni 2007, "Surveillance sur les organisations
faîtières dans l'assurance-maladie, VPB 2007, S. 352 ff., insbesondere S. 363
ff., 372 f.); so oder anders untersteht die umstrittene Frage dem
Aufsichtsrecht, welches Versicherten, nach deren Auffassung gewisse Tatschen im
öffentlichen Interesse ein Einschreiten der Aufsichtsbehörde erfordern, die
Möglichkeit der Aufsichtsbeschwerde im Sinne von Art. 71 VwVG offenhält (vgl.
auch BGE 135 V 39 E. 7.3 [in fine] S. 47). Dementsprechend ist mangels
Sachzuständigkeit auch letztinstanzlich nicht auf die Beschwerde einzutreten,
soweit darin die im kantonalen Verfahren gestellten Feststellungs- und
Editionsbegehren als Eventualanträge erneuert werden.
2.1.2 Auch bei grundsätzlich gegebener Sachzuständigkeit wäre der umstrittene
Nichteintretensentscheid als bundesrechtlich korrekt zu beurteilen:
Feststellungsverfügungen (vgl. Art. 5 Abs. 1 lit. b VwVG) können nur
Feststellungen über individuelle Rechte und Pflichten, d.h. konkrete
Rechtsfolgen beinhalten; eine abstrakte Rechtslage, wie sie sich aus einem
Rechtssatz für eine Vielzahl von Personen und Tatbeständen ergibt, ist nicht
feststellungsfähig, ebenso wenig sind es reine Tatsachenfeststellungen (vgl.
BGE 130 V 388 E. 2.5 S. 392; Urteile 2A.178/2004 vom 30. November 2004 E. 2.2
und 1A.188/2006 vom 8. Februar 2007 E. 3; s. auch FRITZ GYGI,
Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 144; ULRICH ZIMMERLI/
WALTER KÄLIN/ REGINA KIENER, Grundlagen des öffentlichen Verfahrensrechts, Bern
2004, S. 38 f.). Das Feststellungsbegehren gemäss Ziff. 3 Satz 1 der
vorinstanzlichen Beschwerdeanträge ist daher, zumal es genau genommen eine
abstrakte Feststellung über die Auslegung des KVG und dessen angeblich falsche
Anwendung gegenüber sämtlichen Versicherten der Beschwerdegegnerin zum
Gegenstand hat, unzulässig.

2.2 In Ziff. 3 Satz 2 des vorinstanzlichen Rechtsbegehrens hat der
Beschwerdeführer ausdrücklich auch die Neufestsetzung der verfügten
Prämienbeiträge für das Jahr 2006 und die Monate August bis Dezember 2007
beantragt.
2.2.1 In der - bei der Auslegung des Rechtsbegehrens nach Treu und Glauben
mitzuberücksichtigenden (SVR 2004 IV Nr. 25 S. 95 E. 3.2.1, I 138/02, mit
Hinweisen; vgl. auch Urteil 9C_251/2009 vom 15. Mai 2009 E. 3.1) -
Beschwerdebegründung vom 3. Oktober 2008 hat sich der Beschwerdeführer nur zur
Verwendung der Prämiengelder durch die Beschwerdegegnerin, nicht aber zur
konkreten Höhe der betriebenen Prämienforderungen geäussert. Erst in der Replik
vom 5. Januar 2009 hat er - sinngemäss - seine Auffassung erkennen lassen,
wonach die jährliche Prämienschuld um insgesamt Fr. 2.90 zu kürzen sei; es
handelt sich dabei um den (Mitglieder-)Beitrag, den sämtliche der santésuisse
angeschlossenen Krankenversicherer gemäss Statuten des Branchenverbands pro
Jahr und versicherter Person an diesen zu entrichten haben (vgl. santésuisse,
Geschäftsbericht 2006, S. 35 und Geschäftsbericht 2007, S. 33), und der
kassenseitig als Ausgabeposten im Rahmen der "Verwaltungskosten" (vgl. Art. 22
KVG, Art. 84 KVV) zu Buche schlägt.
2.2.2 In den vorinstanzlichen Eingaben hat der Beschwerdeführer keinerlei
Anhaltspunkte dafür geliefert, dass der erwähnte Mitgliederbeitrag von Fr. 2.90
(rund 25 Rappen pro Monat) ihm im Rahmen der hier umstrittenen
individuell-konkreten Prämienforderungen der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung (ganz oder anteilsmässig) persönlich in Rechnung
gestellt respektive im Falle der ordnungsgemässen Zahlung derselben exakt von
diesem abgezweigt worden wäre. Daher ist fraglich, ob überhaupt von einer -
grundsätzlich möglichen (BGE 131 V 66; deutsche Übersetzung in: Pra 2006 Nr. 73
S. 515 ff.) - Anfechtung des individuell-konkret angewandten Prämientarifs die
Rede sein kann. Selbst wenn aber Letzteres im Grundsatz zu bejahen wäre, hielte
das vorinstanzliche Nichteintreten vor Bundesrecht stand: Bei Anfechtung einer
im Einzelfall in Anwendung eines Prämientarifs der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung ergangenen Verfügung beschränkt sich der zulässige
richterliche Prüfungsgegenstand gemäss BGE 131 V 66 zum einen auf die Frage, ob
eine Person in die richtige Prämienregion und in die passende Altersgruppe
eingeteilt worden ist und die Franchise sowie der Prämienrabatt dem vom
Bundesrat gestützt auf Art. 61 Abs. 5 KVG genehmigten Prämientarif entsprechend
im Einzelfall richtig angewandt worden sind, und zum andern auf die Kontrolle,
ob das Ausgabenumlageverfahren (Art. 60 Abs. 1 KVG) und der Grundsatz der
selbsttragenden Finanzierung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung
(Art. 60 Abs. 2 und 3 KVG) eingehalten worden sind (BGE 131 V 66 E. 5.2.2 und
5.3 S. 74 ff.). In BGE 135 V 39 hat das Bundesgericht präzisiert, dass dem
Richter/der Richterin keine weitergehende Überprüfungsbefugnis zusteht als
diejenige der für die Genehmigung der Prämien zuständigen Behörden. Das Gericht
kann namentlich nicht auf Kritiken allgemeiner Natur eintreten, welche ein
Versicherter gegen seine Versicherungsprämien oder das System der sozialen
Krankenversicherung richtet. Es obliegt dem Versicherten zu erläutern,
inwiefern die umstrittene Tarifklausel Bundesrecht verletzt, d.h. gegen die
gesetzliche Regelung über die Finanzierung und die Festsetzung der
Prämienbeträge erstellt wurde (BGE 135 V 39 E. 4.3 und E. 7.3; deutsche
Übersetzung in: Pra 2009 Nr. 128, S. 867 ff.). Hierzu äussern sich die
vorinstanzlichen Eingaben nicht. Im Übrigen setzt richterliches Einschreiten in
jedem Fall voraus, dass eine schwere Regelwidrigkeit - mit Bezug auf
Verwaltungskosten: ein offensichtlicher Missbrauch - gegeben ist und die
Beseitigung des Mangels im konkreten Fall zu einer erheblichen Prämienkorrektur
geführt hätte (siehe im Einzelnen: BGE 135 V 39, insbesondere E. 6.3 und 7.3).
Letzteres aber fiel im hier zu beurteilenden Fall von vornherein ausser
Betracht; auch aus diesem Grund hatte sich das kantonale Gericht mit dem Antrag
auf Neufestsetzung der umstrittenen Prämien nicht zu befassen. Zu einer
Nachfristansetzung nach Art. 61 lit. b ATSG war es nicht gehalten, nachdem die
Beschwerde vom 3. Oktober 2008 die grundsätzlichen Formerfordernisse erfüllte
und die fragliche Belastung der Prämienforderung mit Fr. 2.90 pro Jahr und
Versicherter erst in der Replik vom 5. Januar 2009 (drei Monate nach Ablauf der
Beschwerdefrist) angesprochen wurde, ohne als solche als bundesrechtswidrig
gerügt worden zu sein.

2.3 Materiellrechtlich (einzig) beurteilt hat die Vorinstanz die Rüge des
Beschwerdeführers, auf den betriebenen Prämienforderungen seien
rechtsfehlerhaft Verzugszinsen (Art. 26 Abs. 1 ATSG) erhoben worden. Mangels
diesbezüglicher Parteivorbringen (Art. 107 Abs. 1 BGG) und ins Auge springender
Sachverhalts- oder Rechtsfehler (Art. 105 Abs. 2 und Art. 95 BGG) besteht kein
Anlass, letztinstanzlich darauf zurückzukommen.

3.
Die Gerichtskosten (Art. 65 BGG) gehen ausgangsgemäss zu Lasten des
Beschwerdeführers (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 18. Dezember 2009
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Amstutz