Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 680/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_680/2009

Urteil vom 23. Oktober 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Parteien
1. M.________,
2. R.________,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Viktor Estermann,
Beschwerdeführer,

gegen

PKG Pensionskasse für Gewerbe,
Handel und Industrie,
vertreten durch Rechtsanwalt Raetus Cattelan,
Beschwerdegegnerin,

B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Sigerist.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern
vom 15. Juni 2009.

Sachverhalt:

A.
Die PKG Pensionskasse (im Folgenden: PKG), zahlte als Rechtsnachfolgerin der
Providentia, Schweizerische Lebensversicherungs-Gesellschaft, bei welcher der
im August 2004 verstorbene Z.________ berufsvorsorgeversichert gewesen war, das
Todesfallkapital des Z.________ an B.________ aus, die mit dem Verstorbenen
seit dem Jahre 1989 im Konkubinat gelebt hatte. Die PKG berief sich dabei auf
Art. 7.5 lit. c ihres Vorsorgereglements (in der Fassung vom 1. Januar 2002),
wonach das Todesfallkapital dem Lebenspartner ausbezahlt wird, "mit dem die
versicherte Person unter gegenseitig vereinbarter Unterstützungspflicht
nachweislich in den letzten fünf Jahren bis zu ihrem Tode ununterbrochen eine
Lebensgemeinschaft geführt hat". Eine in der Folge von den Söhnen des
Z.________, M.________ und R.________, erhobene Klage gegen die PKG hiess das
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern nach Beiladung der B.________ zum
Verfahren am 28. Februar 2008 gut und verpflichtete die PKG, das
Todesfallkapital an M.________ und R.________ auszuzahlen. Nachdem sowohl
B.________ als auch die PKG je Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten erhoben hatten, vereinigte das Bundesgericht die Verfahren und
hiess die Beschwerden mit Urteil 9C_267/2008 und 9C_318/2008 vom 10. Dezember
2008 in dem Sinne gut, als es den angefochtenen Entscheid aufhob und die Sache
an die Vorinstanz zurückwies, damit sie weitere Abklärungen tätige zur Klärung
der Frage, ob zwischen Z.________ und B.________ eine Bereitschaft zur
gegenseitigen Unterstützung im Bedarfsfall bestanden habe, sich hiezu
sachverhaltlich äussere und über die Begünstigung der B.________ erneut
entscheide.

B.
Das Verwaltungsgericht zog die Steuerakten betreffend Z.________ und B.________
der Jahre 1999-2004 bei, gab den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme und
wies die Klage des M.________ und des R.________ mit Entscheid vom 15. Juni
2009 ab.

C.
M.________ und R.________ führen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten und beantragen die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und
die Gutheissung ihrer Klage, eventualiter die Rückweisung der Sache zur
Neubeurteilung an die Vorinstanz.

Erwägungen:

1.
Streitig und zu prüfen ist, ob die - antizipierte - vorinstanzliche
Beweiswürdigung Bundesrecht verletzt.

1.1 Die konkrete Beweiswürdigung ist Tatfrage. Sie ist somit für das
Bundesgericht nur dann nicht verbindlich, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann. Als
Rechtsfrage frei überprüfbar sind hingegen Verletzungen des Grundsatzes der
freien Beweiswürdigung (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352) sowie des
Untersuchungsgrundsatzes (Art. 61 lit. c ATSG).

1.2 Im Sozialversicherungsrecht hat der Richter seinen Entscheid, sofern das
Gesetz nicht etwas Abweichendes vorsieht, nach dem Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit zu fällen. Die blosse Möglichkeit eines bestimmten
Sachverhalts genügt den Beweisanforderungen nicht. Der Richter hat vielmehr
jener Sachverhaltsdarstellung zu folgen, die er von allen möglichen
Geschehensabläufen als die wahrscheinlichste würdigt (BGE 129 V 150 E. 2.1 S.
153 mit Hinweisen).

1.3 Der Beweis dafür, dass sich Konkubinatspartner die Treue halten und sich
Beistand leisten wie Eheleute, ist schwierig zu erbringen. Aus diesem Grund hat
das Bundesgericht eine Tatsachenvermutung in dem Sinne aufgestellt, dass bei
einem Konkubinat, welches fünf Jahre gedauert hat, grundsätzlich davon
auszugehen ist, es handle sich um eine Schicksalsgemeinschaft ähnlich einer
Ehe. Diejenige Prozesspartei, welche Rechte aus einem Konkubinat ableiten will,
hat somit nur die Vermutungsbasis zu beweisen, d.h. zu beweisen, dass ein
Konkubinat vorliegt und dass dieses (mindestens) fünf Jahre gedauert hat.
Gelingt ihr dies, greift die erwähnte Vermutungsfolge. Es ist alsdann Sache der
Gegenpartei zu beweisen, das Konkubinat sei nicht so eng und stabil gewesen,
dass die Konkubinatspartner voneinander Beistand und Unterstützung ähnlich wie
in einer Ehe erwarten konnten (BGE 109 II 188 E. 2 S. 190 f.; 114 II 295 E. 1b
S. 298; vgl. Urteil 5C.70/2003 vom 2. Juni 2003 in: FamPra.ch 2003 S. 905).

2.
2.1 Das kantonale Gericht erwog in Würdigung der beigezogenen Steuerakten,
sowohl der verstorbene Z.________ als auch B.________ seien wirtschaftlich
unabhängig gewesen und hätten für ihren Lebensunterhalt selbst aufkommen
können. Ob eine gegenseitig vereinbarte Unterstützungspflicht bestanden habe,
könne nur hypothetisch entschieden werden, wobei aufgrund der unbestrittenen
Konkubinatsdauer von rund 15 Jahren die Bereitschaft zur gegenseitigen
Unterstützung im Bedarfsfall ohne weiteres unterstellt werden könne. Alles
andere müsse als "lebensfremd" bezeichnet werden. Auf weitere Beweismassnahmen
sei, auch angesichts der unterschriftlich bestätigten Angaben von B.________,
wonach eine eheähnliche Gemeinschaft gelebt worden sei und die
Konkubinatspartner für den Unterhalt der gemeinsam bewohnten Liegenschaft
zusammen aufgekommen seien, in antizipierter Beweiswürdigung zu verzichten.

2.2 Die Beschwerdeführer rügen, eine gegenseitige Unterstützungspflicht ergebe
sich nicht aus den Umständen. Die von der Vorinstanz unterstellte Hypothese
reiche nicht aus, um einen Sachverhalt als bewiesen anzusehen, zumal aus den
edierten Steuerunterlagen hervorgehe, dass Z.________ und B.________
wirtschaftlich voneinander unabhängig gewesen seien. Auch ein länger als fünf
Jahre bestandenes Konkubinat genüge nicht als Nachweis einer gegenseitig
vereinbarten Unterstützungspflicht im Bedarfsfall; für eine solche müsse
vielmehr der volle Beweis erbracht werden, was der Beschwerdegegnerin und der
im vorinstanzlichen Verfahren beigeladenen B.________ nicht gelungen sei. Der
angefochtene Entscheid verletze insofern Bundesrecht (Art. 8 ZGB, Art. 73 Abs.
2 BVG sowie Art. 95 BGG und Art. 9 BV). Dies gelte umso mehr, als die damaligen
Konkubinatspartner beispielsweise gemeinsame Konten eingerichtet hätten, wenn
sie für ihre Lebenshaltungskosten gemeinsam hätten aufkommen wollen, was
nachweislich nicht zugetroffen habe.

3.
Es ist unbestritten, dass B.________ und der verstorbene Z.________ seit dem
Jahre 1989 und bis zum Tode des Z.________ im August 2004 zusammen gelebt
hatten. Es ist nicht willkürlich, wenn die Vorinstanz daraus gefolgert hat, es
liege ein Konkubinat vor. Damit kommt die Tatsachenvermutung zum Tragen, wonach
sie sich Beistand leisteten wie Eheleute (E. 1.3 hievor). Die Beschwerdeführer
bringen keine Gründe vor und zeigen keine Sachumstände auf, die es als
überzeugend (nachvollziehbar) erscheinen lassen, dass Z.________ und B.________
trotz der langen Dauer ihres Konkubinates keine Absicht - im Sinne einer
konkludenten Vereinbarung - gehegt hatten, sich im Bedarfsfall gegenseitig zu
unterstützen, oder die an dieser Tatsachenvermutung erhebliche Zweifel
erwecken. Die blosse Behauptung in der Beschwerde, die sich aus den
beigezogenen Steuerakten ergebende, theoretisch möglich gewesene
wirtschaftliche Unabhängigkeit sei von den Parteien auch gelebt worden, was das
Fehlen gemeinsamer Bankkonti zeige, und den daraus gezogenen Schluss der
Beschwerdeführer, es habe den Konkubinatspartnern an der Bereitschaft zur
gegenseitigen Unterstützung gefehlt, hat die Vorinstanz in
bundesrechtskonformer Beweiswürdigung nicht als erbrachten Gegenbeweis
anerkannt. Auch soweit das kantonale Gericht den Umstand, dass B.________
sowohl ein höheres Einkommen als auch ein grösseres Vermögen versteuerte als
Z.________, nicht als Indiz für eine fehlende gegenseitige
Unterstützungsbereitschaft würdigte, ist dies nicht zu beanstanden.
Schliesslich ist es weder unhaltbar noch verstösst es gegen den
Untersuchungsgrundsatz (Art. 73 Abs. 2 BVG), dass das kantonale Gericht die
unterschriftlich bestätigten Ausführungen der B.________, wonach sie und
Z.________ sich im Rahmen der von ihnen langjährig gelebten eheähnlichen
Gemeinschaft sowohl den Unterhalt der gemeinsam bewohnten Liegenschaft als auch
die Haushaltskosten und Neuanschaffungen geteilt hätten, ohne eine schriftliche
Vereinbarung getroffen oder entsprechende Quittungen ausgestellt zu haben, in
ihrer Beweiswürdigung berücksichtigt und über den Beizug der Steuerakten hinaus
auf beweisrechtliche Weiterungen verzichtet hat.

4.
Die Gerichtskosten werden den Beschwerdeführern als unterliegender Partei
auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden den Beschwerdeführern auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 23. Oktober 2009
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Bollinger Hammerle