Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 66/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_66/2009

Urteil vom 19. August 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Borella, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiber Nussbaumer.

Parteien
Z.________,
vertreten durch Advokat Lukas Denger,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 8.
Dezember 2008.

Sachverhalt:

A.
Z.________ (geboren 1952) bildete sich nach Abschluss der Lehre als
Tiefbauzeichner zum Ingenieur HTL und zum eidg. diplomierten Baumeister weiter.
Seit 1987 ist er Geschäftsführer der eigenen Firma X.________ AG mit Sitz in
Y._________. Am 3. April 1996 meldete er sich wegen rechtsseitigen
Kniebeschwerden bei der IV zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Bern gewährte
ihm mit Verfügung vom 7. Juli 2000 eine vom 5. Mai 2000 bis 5. September 2001
dauernde Umschulung zum Immobilien-Schätzer mit eidg. Fachausweis. Er besuchte
die Schule A.________ und absolvierte ein Praktikum bei der
Liegenschaftsverwaltung der Stadt C.________. Die Berufsprüfung bestand er in
der Folge nicht. Mit Verfügung vom 3. Oktober 2002 sprach ihm die IV-Stelle für
die Zeit vom 1. April 1995 bis 31. Oktober 2001 eine halbe Invalidenrente zu.
In der Folge tätigte die IV-Stelle aufgrund zweier Entscheide des
Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 23. Juni 2003 und vom 3. Mai 2006
weitere Abklärungen. Insbesondere holte sie ein Gutachten des Instituts
B.________ vom 26. September 2007 ein. Darauf hin sprach sie dem Versicherten
mit Verfügung vom 10. Juni 2008 bei einem Invaliditätsgrad von 50 % ab 1. April
1995 bis 30. September 2001 (Beendigung der Umschulungsmassnahme) eine halbe
Invalidenrente zu. Für die Zeit ab 1. Oktober 2001 verneinte sie einen
Rentenanspruch.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
mit Entscheid vom 8. Dezember 2008 ab.

C.
Z.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die IV-Stelle
zu verpflichten, ihm auch für die Zeit nach dem 30. September 2001 weiterhin
eine halbe Invalidenrente und ab 1. Januar 2004 eine Dreiviertelsrente
auszurichten, zuzüglich Verzugszins.
Die IV-Stelle Bern schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Kantonales Gericht
und Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 134 V 250 E.
1.2 S. 252 mit Hinweisen; 133 III 545 E. 2.2 S. 550; 130 III 136 E. 1.4 S.
140). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen
Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur
die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).

1.2 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann deren
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Eine unvollständige
Sachverhaltsfeststellung stellt eine vom Bundesgericht ebenfalls zu
korrigierende Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 lit. a BGG dar (SEILER/VON
WERDT/GÜNGERICH, Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, Bern 2007 N 24 zu Art.
97).

2.
Streitig ist, ob nach Beendigung der Umschulung zum Immobilien-Schätzer im
September 2001 für die Folgezeit ab 1. Oktober 2001 weiterhin ein
rentenbegründender Invaliditätsgrad vorliegt.

2.1 Das kantonale Gericht hat in Würdigung des medizinischen Dossiers,
insbesondere gestützt auf das Gutachten des Instituts B.________ vom 26.
September 2007 in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass beim
Beschwerdeführer für körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere
Tätigkeiten keine Arbeits- und Leistungseinschränkung besteht. Mit einer
zumutbaren Arbeits- und Leistungsfähigkeit von 85 % in der Tätigkeit als
Immobilien-Schätzer werde den Therapien und Massagen sowie dem Bedarf an
regelmässigen Pausen, um Lockerungsübungen durchzuführen, hinreichend Rechnung
getragen. Für die Invaliditätsbemessung stellte das kantonale Gericht auf die
allgemeine Methode des Einkommensvergleichs ab. Der Versicherte sei mit Blick
auf seine gesundheitlichen Einschränkungen und dem über mehrere Jahre hinweg
andauernden schlechten wirtschaftlichen Erfolg der Firma X.________ AG im
Bereich seiner selbständigen Erwerbstätigkeit ungenügend eingegliedert, weshalb
die ausserordentliche Bemessungsmethode nicht zum Ziel führe. Bei der Bemessung
der Invalidität ging das kantonale Gericht davon aus, der Beschwerdeführer wäre
bei guter Gesundheit Geschäftsführer der Firma X.________ AG und würde damit
als diplomierter Baumeister einen kleineren Betrieb leiten, weshalb das
entsprechende Einkommen anhand der Gewerbestatistik zu ermitteln sei. Gestützt
auf die Gewerbestatistik 2004/2005 sei von einem Einkommen im Jahre 2004 von
Fr. 105'700.- (Tabelle 1: Hoch- und Tiefbau; Betriebsertrag von Fr. 1 Million
bis 2,99 Millionen; 11 Beschäftigte) auszugehen. Hinsichtlich des
Invalideneinkommens sei allein auf das als Immobilien-Schätzer im medizinisch
zumutbaren Teilpensum mögliche Einkommen abzustellen. Unter Berücksichtigung
der hohen beruflichen Qualifikationen des Beschwerdeführers
(Tiefbauzeichner-Lehre, Ingenieur HTL Richtung Tiefbau, dipl. Baumeister im
Strassenbau, ausgebildeter Immobilien-Schätzer ohne Abschluss) sowie seiner
breiten und langjährigen Berufserfahrung insbesondere als Geschäftsführer der
Firma X.________ AG sei aufgrund der schweizerischen Lohnstrukturerhebung des
Bundesamtes für Statistik (LSE) für das Jahr 2004 von der Tabelle TA1, privater
Sektor, Anforderungsniveau 1+2, Ziff. 70,71 (Immobilien; Vermietung beweglicher
Sachen) von einem Jahreseinkommen von Fr. 101'643.75 für ein 100%iges Pensum
auszugehen. Unter Berücksichtigung der invaliditätsbedingten Leistungseinbusse
von 15 % resultiere ein jährliches Invalideneinkommen von Fr. 86'397.20. Daraus
folge ein Invaliditätsgrad von gerundet 18 %. Selbst wenn zugunsten des
Beschwerdeführers auf die branchenüblichen Jahressaläre für Immobilienbewerter
gemäss dem eingereichten Schreiben vom 22. Januar 2008 abgestellt und von einem
Jahreseinkommen von Fr. 80'000.- resp. bei Berücksichtigung der
Leistungeinbusse von 15 % von einem Invalideneinkommen von Fr. 68'000.-
ausgegangen werde, bleibe der Invaliditätsgrad mit gerundet 36 % immer noch
unterhalb der Grenze von 40 %.
2.2
2.2.1 Die tatsächlichen Feststellungen des kantonalen Gerichts zur zumutbaren
Arbeitsfähigkeit sind weder mangelhaft im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG, noch
liegt eine unhaltbare, vom Bundesgericht nach Art. 105 Abs. 2 BGG zu
korrigierende Beweiswürdigung vor. Im Gutachten des Instituts B.________ vom
26. September 2007 kommen die begutachtenden Ärzte zum Schluss, der
Beschwerdeführer sei seit über 10 Jahren für die ursprünglich ausgeübte schwere
Tätigkeit auf dem Bau zu 100 % arbeitsunfähig. Für die derzeit ausgeübte
Tätigkeit, welche er nach einer durch die IV unterstützten beruflichen
Umstellung ausübe, bestehe keine Arbeits- und Leistungseinschränkung. Aus
medizinischer Sicht sei daher dem Versicherten das von der IV berechnete
Arbeitspensum von 85 % sicher zumutbar. Aus medizinischer Sicht müsse nicht mit
einer raschen Veränderung der derzeit vorhandenen Befunde gerechnet werden, so
dass die Arbeitsfähigkeit, falls nicht ein neues Leiden auftrete, über längere
Zeit im bestehenden Ausmass erhalten bleiben sollte. Das Abstellen auf diese
Beurteilung und die daraus vom kantonalen Gericht gezogenen Schlussfolgerungen
lassen sich nicht beanstanden. Entgegen den Einwendungen in der Beschwerde wird
einer Einbusse von 15 % in einer leidensangepassten Tätigkeit oder im Beruf als
Immobilien-Schätzer in willkürfreier Weise den Therapien und dem stündlich
notwendigen Bewegungsprogramm von durchschnittlich 10 Minuten für Muskulatur
und Gelenke genügend Rechnung getragen. Auch der Einwand, das Gutachten gehe
davon aus, der Beschwerdeführer müsse sich nur während 20 bis 30 % der
Arbeitszeit vor Ort auf Baustellen und Immobilien aufhalten, während 70 bis 80
% aus Büroarbeiten bestehe, ist unbehelflich. Im Gutachten des Instituts
B.________ wird für körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere
Tätigkeiten, wie sie der Beschwerdeführer mit seiner Beratungstätigkeit ausübe,
keine Einschränkung der Arbeits- und Leistungsfähigkeit bescheinigt. Der
Beschwerdeführer benötige zwar regelmässige Pausen, um Lockerungsübungen
durchzuführen, bei freier Zeiteinteilung als selbstständig Erwerbender
entstünden dadurch aber keine Leistungseinbussen.
2.2.2 Bei der Ermittlung des Invaliditätsgrades beanstandet der
Beschwerdeführer zunächst die Anwendung der allgemeinen Methode des
Einkommensvergleichs. Die Invalidität sei aufgrund der ausserordentlichen
Methode des Betätigungsvergleichs zu ermitteln. Abgesehen davon, dass das
kantonale Gericht im unangefochten in Rechtskraft erwachsenen
Rückweisungsentscheid vom 3. Mai 2006 die IV-Stelle verbindlich anwies, das
Valideneinkommen aufgrund der Gewerbestatistik zu ermitteln, verletzte das
kantonale Gericht mit der Anwendung der allgemeinen Methode des
Einkommensvergleichs kein Bundesrecht. Nach dem Gutachten des Instituts
B.________ vom 26. September 2007 ist der Beschwerdeführer für die ursprünglich
ausgeübte schwere Tätigkeit auf dem Bau zu 100 % arbeitsunfähig. Angesichts der
noch verbleibenden beruflichen Aktivitätsperiode und der von der IV
übernommenen Umschulung ist für die Invaliditätsbemessung nicht mehr von der
Tätigkeit als Geschäftsführer der eigenen Firma auszugehen, sondern vom
Beschwerdeführer im Rahmen der Pflicht zur Selbsteingliederung die Aufgabe der
angestammten Tätigkeit und die hauptberufliche Ausübung der leidensangepassten
erwerblichen Beschäftigung als Immobilienschätzer zuzumuten (vgl. auch Urteil
9C_111/2009 vom 21. Juli 2009, E. 2.2.2).
Das Valideneinkommen hat das kantonale Gericht gestützt auf die
Gewerbestatistik ermittelt, unter der Annahme, der Beschwerdeführer würde bei
guter Gesundheit als diplomierter Baumeister einen kleineren Betrieb leiten.
Stellt man mit dem Beschwerdeführer auf die LSE ab, so ergibt sich kein höheres
hypothetisches Einkommen. Gemäss der vom Beschwerdeführer erwähnten Tabelle
TA1_b_s, Männer, Anforderungsniveau 1, betrug der monatliche Bruttolohn im
Baugewerbe im Jahre 2004 Fr. 7'619.-. Die seinerzeit als Geschäftsführer der
eigenen Firma in den Jahren vor Eintritt des Gesundheitsschadens verabgabten
Erwerbseinkommen und die Jahresabschlüsse der Firma verbieten den Schluss, das
kantonale Gericht habe mit der Festsetzung des Valideneinkommens auf Fr.
105'700.- Bundesrecht verletzt. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers
geht es sodann nicht an, bereits dem Validenlohn den entsprechenden LSE-Wert im
Bereich Immobilienwesen (Ziff. 70, 71) von monatlich Fr. 10'771 zugrunde zu
legen.
Auch die Ermittlung des Invalideneinkommens ist nicht bundesrechtswidrig.
Aufgrund der verschiedenen beruflichen Abschlüsse, der langjährigen beruflichen
Erfahrung, und der absolvierten Ausbildung als Immobilien-Schätzer lässt sich
der Schluss des kantonalen Gerichts, der Beschwerdeführer sei in der Lage, ein
rentenausschliessendes Erwerbseinkommen von mindestens Fr. 68'000.- erzielen,
nicht beanstanden, zumal in diesem Punkt der allgemeine ausgeglichene
Arbeitsmarkt massgebend ist. Daran ändert auch nichts, dass der
Beschwerdeführer die Ausbildung zum Immobilien-Schätzer nicht mit einem Diplom
abgeschlossen hat. Gemäss Schlussbericht der Abteilung berufliche Eingliederung
der Beschwerdegegnerin vom 27. September 2001 hat der Beschwerdeführer auch
ohne eidgenössischen Ausweis das theoretische Wissen, um als Immobilienschätzer
tätig zu sein. Es habe sich erst um die zweite eidgenössische Prüfung
gehandelt. Von den zur Zeit etwa 5000 tätigen Immobilienschätzer verfügten die
wenigsten über ein entsprechendes Diplom. Schliesslich ist auch die Kritik am
fehlenden Abzug vom Tabellenlohn unbegründet. Da mit der Leistungseinbusse von
15 % bereits den gesundheitlichen Beeinträchtigungen und den damit verbundenen
Therapien und Pausen Rechnung getragen ist, ist ein Abzug vom Tabellenlohn
nicht gerechtfertigt (Urteile I 708/06 vom 23. November 2006 und U 454/05 vom
6. September 2006).
2.2.3 Der vorinstanzliche Entscheid ist damit sowohl in tatsächlicher als auch
rechtlicher Hinsicht rechtmässig.

3.
Die Gerichtskosten werden dem Beschwerdeführer als unterliegender Partei
auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Das Bundesgericht erkennt:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 19. August 2009

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber:

Borella Nussbaumer