Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 651/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_651/2009

Urteil vom 7. Mai 2010
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiber Fessler.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle Basel-Stadt, Lange Gasse 7, 4052 Basel,
Beschwerdeführerin,

gegen

K.________,
vertreten durch Advokat Dr. Matthias Aeberli,
Beschwerdegegner,

Personalvorsorgestiftung A.________.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente,
Arbeitsunfähigkeit, ärztliches Gutachten),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt
vom 8. Juni 2009.

Sachverhalt:

A.
Der 1969 geborene K.________ arbeitete ab 24. August 1988 bei der Firma
C.________. Am 4. Februar 2000 verletzte er sich bei der Arbeit am Rücken. Die
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) hatte für die gesundheitlichen
und erwerblichen Folgen die gesetzlichen Leistungen zu erbringen (Urteil des
Eidg. Versicherungsgerichts U 269/03 vom 16. August 2004). Im Januar 2001
meldete sich K.________ bei der Invalidenversicherung an und beantragte
Umschulung, medizinische Eingliederungsmassnahmen und eine Rente. Nach
Abklärungen sprach ihm die IV-Stelle Basel-Stadt mit Verfügung vom 18. November
2005 für die Zeit vom 1. Februar 2001 bis 31. Dezember 2004 eine ganze
Invalidenrente samt Zusatzrente für die Ehefrau und sechs Kinderrenten zu. Mit
Einspracheentscheid vom 20. Juli 2007 bestätigte sie Höhe und Dauer der Rente.

B.
Die Beschwerde des K.________ hiess das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt
nach Beiladung der Personalvorsorgestiftung A.________ zum Verfahren gestützt
auf das in Auftrag gegebene psychiatrische Gutachten vom 3. Februar 2009, wozu
die Parteien Stellung genommen hatten, mit Entscheid vom 8. Juni 2009 gut. Es
hob den Einspracheentscheid vom 20. Juli 2007 auf und wies die IV-Stelle an,
dem Versicherten ab 1. Januar 2005 weiterhin eine ganze Invalidenrente
auszurichten.

C.
Die IV-Stelle Basel-Stadt führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 8. Juni 2009 sei
aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie beim
Versicherten einen Intelligenztest und anschliessend eine erneute
psychiatrische Begutachtung durchführen lasse und gestützt auf die Ergebnisse
neu entscheide.
Das kantonale Gericht und K.________, welcher um unentgeltliche Rechtspflege
ersucht, beantragen die Abweisung der Beschwerde, während die
Personalvorsorgestiftung A.________ deren Gutheissung beantragt.
Mit Verfügung vom 5. November 2009 ist der Beschwerde aufschiebende Wirkung
erteilt worden.
Erwägungen:

1.
Der vorinstanzliche Entscheid bejaht den Anspruch des Beschwerdegegners auf
eine ganze Rente der Invalidenversicherung (weiterhin) ab 1. Januar 2005. Er
stützt sich in Bezug auf Gesundheitszustand und Arbeitsfähigkeit auf das von
Prof. Dr. med. E.________, Chefarzt Spital X.________, erstellte
Gerichtsgutachten vom 3. Februar 2009. Darin wurden folgende Diagnosen
gestellt: Anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD-10 F45.4), mittelgradige
chronifizierte Depression (ICD-10 F32.1) sowie Verdacht auf
unterdurchschnittliche intellektuelle Begabung an der Grenze zur leichten
Intelligenzminderung (ICD-10 F70.0). Die Arbeitsunfähigkeit wurde auf
mindestens 70 % beziffert. Die Kritik der IV-Stelle an der Expertise hat die
Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Die Beschwerde führende IV-Stelle rügt, das Gutachten vom 3. Februar 2009 sei
nicht lege artis erstellt worden. Insbesondere sei die Verdachtsdiagnose einer
unterdurchschnittlichen intellektuellen Begabung an der Grenze zur leichten
Intelligenzminderung nicht eingehend und professionell abgeklärt worden. Sodann
habe sich die Vorinstanz lediglich mit den von ihr geltend gemachten Mängeln
auseinandergesetzt, jedoch keine eigene kritische Würdigung der Expertise
vorgenommen, was den Untersuchungsgrundsatz verletze und gegen die Regeln der
Beweiswürdigung verstosse.

3.
Der Beschwerdegegner bringt vor, die IV-Stelle mache keine Rechtsverletzung im
Sinne von Art. 95 BGG geltend. Es fehle somit an einem zulässigen
Beschwerdegrund, was ohne weiteres zur Abweisung des Rechtsmittels führe. Zudem
lege die Beschwerdeführerin nicht dar, welche konkreten Auswirkungen die
behauptete "Fehldiagnose", d.h. die Nichtbestätigung einer
unterdurchschnittlichen intellektuellen Begabung auf die Einschätzung des
Grades der Arbeitsfähigkeit hätte. Beide Einwände sind nicht stichhaltig.
Die Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes und des Grundsatzes der freien
Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG) stellen eine Verletzung von Bundesrecht
im Sinne von Art. 95 lit. a BGG dar (Urteile 9C_624/2009 vom 7. Oktober 2009 E.
3.1 und I 1014/06 vom 16. März 2007 E. 4).
Die Vorinstanz hat festgestellt, der Gerichtsgutachter leite die Unzumutbarkeit
einer erwerblichen Tätigkeit (von mehr als 30 % eines Normalarbeitspensums) aus
den sehr beschränkten komplexen Ich-Funktionen und der Minderbegabung des
Versicherten ab. Einer Eingliederung in eine neue Tätigkeit stünden nicht in
erster Linie die mangelnden Deutschkenntnisse im Wege, sondern die - verglichen
mit der früher ausgeübten Bauarbeitertätigkeit höheren - intellektuellen
Anforderungen.
Die Verdachtsdiagnose einer unterdurchschnittlichen intellektuellen Begabung an
der Grenze zur leichten Intelligenzminderung stellte somit für die Vorinstanz
einen massgebenden Aspekt bei der Festlegung der Arbeitsfähigkeit dar. Die
IV-Stelle bestreitet diese Diagnose, unter anderem weil sie nicht auf einer
Befundung lege artis beruhe, und bezeichnet den vorinstanzlichen Schluss auf
eine Arbeitsunfähigkeit von mindestens 70 % als unzulässig. Würden die
notwendigen und geeigneten Abklärungen keine Intelligenzminderung zeigen, müsse
die Arbeitsfähigkeit neu festgelegt werden. Die weiteren psychiatrischen
Diagnosen vermöchten jedenfalls das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit von
mindestens 70 % und somit den Anspruch auf eine ganze Rente nicht zu belegen.
Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die IV-Stelle die Auswirkungen einer
allfälligen Nichtbestätigung der Verdachtsdiagnose noch mehr hätte
konkretisieren können, wie der Beschwerdegegner vorbringt.

4.
4.1 Im Sozialversicherungsverfahren gelten der Untersuchungsgrundsatz sowie der
Grundsatz der freien Beweiswürdigung (vgl. Art. 43 Abs. 1 ATSG und Art. 61 lit.
c ATSG). Der rechtserhebliche Sachverhalt ist von Amtes wegen unter Mitwirkung
der Versicherten resp. der Parteien zu ermitteln. In diesem Sinne
rechtserheblich sind alle Tatsachen, von deren Vorliegen es abhängt, ob über
den streitigen Anspruch so oder anders zu entscheiden ist (Fritz Gygi,
Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl. 1983, S. 43 und 273; Urteil 9C_214/2009
vom 11. Mai 2009 E. 3.2). Die Beweise sind ohne Bindung an förmliche
Beweisregeln umfassend und pflichtgemäss zu würdigen. Die kantonalen
Versicherungsgerichte haben somit alle Beweismittel, unabhängig davon, von wem
sie stammen, objektiv zu prüfen und danach zu entscheiden, ob die verfügbaren
Unterlagen eine zuverlässige Beurteilung des streitigen Anspruchs gestatten.
Insbesondere dürfen sie bei einander widersprechenden medizinischen Berichten
den Prozess nicht erledigen, ohne das gesamte Beweismaterial zu würdigen und
die Gründe anzugeben, weshalb sie auf die eine und nicht auf die andere
medizinische These abstellen (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352; Urteile 9C_1061/2009
vom 11. März 2010 E. 4.2 und 9C_744/2009 vom 15. Dezember 2009 E. 4.2). Dabei
kommt einem ärztlichen Bericht Beweiswert zu, wenn er für die streitigen
Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die
geklagten Beschwerden berücksichtigt und in Kenntnis der Vorakten (Anamnese)
abgegeben worden ist, wenn die Beschreibung der medizinischen Situation und
Zusammenhänge einleuchtet und die Schlussfolgerungen des Arztes begründet sind
(BGE 125 V 351 E. 3a S. 352).

4.2 Die Vorinstanz hat erwogen, das Gerichtsgutachten vom 3. Februar 2008 sei
umfassend, sorgfältig und in seinen Schlussfolgerungen plausibel. Der Experte
nehme zu den abweichenden psychiatrischen Beurteilungen der Vorgutachter Dr.
med. W.________ und Dr. med. G.________ eingehend Stellung und erkläre die
Differenzen in überzeugender Weise. Die Einwände der IV-Stelle seien nicht
geeignet, die Zuverlässigkeit des Gerichtsgutachtens in Zweifel zu ziehen. In
der Folge hat sich die Vorinstanz lediglich mit der Kritik der Verwaltung an
der Expertise auseinandergesetzt.
Mit der IV-Stelle ist eine Verletzung des Grundsatzes der freien
Beweiswürdigung und auch der Begründungspflicht (Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG;
Urteil 1B_292/2009 vom 28. Oktober 2009 E. 2.2) durch das kantonale Gericht zu
bejahen. Dieses hätte wenigstens die wesentlichen Gründe anzuführen gehabt,
weshalb auf das Gerichtsgutachten abzustellen sei und insbesondere nicht auf
die Administrativgutachten des Dr. med. G.________ vom 30. Mai 2005 und 29.
Juni 2007 (E. 4.1). Dieser Mangel ist indessen für den Ausgang des Verfahrens
nicht von Bedeutung, da das Bundesgericht an den in Verletzung des Grundsatzes
der freien Beweiswürdigung festgestellten Sachverhalt der Vorinstanz nicht
gebunden ist.

4.3 Prof. Dr. med. E.________ stellte die Verdachtsdiagnose einer
unterdurchschnittlich intellektuellen Begabung an der Grenze zur leichten
Intelligenzminderung gestützt auf eine kursorische Intelligenzprüfung und das
Verhalten des Exploranden während der Untersuchung. Die IV-Stelle bringt
sinngemäss vor, aufgrund der Bedeutung, welche der Gerichtsgutachter dieser
Diagnose für die Arbeitsfähigkeit beimesse, hätte eine formale
Intelligenzprüfung (den testpsychologischen Standards entsprechend, kultur- und
bildungsneutral) einschliesslich eines Symptomvalidierungstests durchgeführt
werden müssen. Demgegenüber war gemäss Beschwerdegegner der Experte aufgrund
der umfangreichen Vorakten, seines persönlichen Eindrucks, der anlässlich der
beiden Untersuchungen gewonnenen Testergebnisse sowie auch aufgrund der
Aussagen einer Mitarbeiterin des Personalbüros der ehemaligen Arbeitgeberin
bestens in der Lage gewesen, sich zu diesem Punkt zu äussern. Auf die
unterschiedlichen Auffassungen der Parteien betreffend die Notwendigkeit einer
eingehenderen Abklärung der Intelligenz des Versicherten braucht nicht näher
eingegangen zu werden.

5.
Prof. Dr. med. E.________ stellte die Diagnosen einer anhaltenden somatoformen
Schmerzstörung (ICD-10 F45.4), einer mittelgradigen chronifizierten Depression
(ICD-10 F32.1) sowie Verdacht auf unterdurchschnittliche intellektuelle
Begabung an der Grenze zur leichten Intelligenzminderung (ICD-10 F70.0). Die
Arbeitsunfähigkeit aus psychiatrischer Sicht bezifferte er auf mindestens 70 %.

5.1 Ob eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung nach ICD-10 F45.4 einen
invalidisierenden Gesundheitsschaden im Sinne von Art. 4 Abs. 1 IVG sowie Art.
3 Abs. 1 und Art. 6 ATSG darstellt, beurteilt sich danach, ob und inwiefern,
allenfalls bei geeigneter therapeutischer Behandlung, bei objektiver
Betrachtungsweise von der versicherten Person trotz des Leidens willensmässig
erwartet werden kann zu arbeiten (BGE 127 V 294 E. 4b/cc in fine und E. 5a S.
297 ff.). Umstände, welche bei Vorliegen dieses Krankheitsbildes die Verwertung
der verbliebenen Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt als unzumutbar erscheinen
lassen können, sind die erhebliche Schwere, Intensität, Ausprägung und Dauer
des psychischen Leidens, chronische körperliche Begleiterkrankungen mit
mehrjährigem Krankheitsverlauf bei unveränderter oder progredienter Symptomatik
ohne längerfristige Remission, sozialer Rückzug, ein verfestigter,
therapeutisch nicht mehr angehbarer innerseelischer Verlauf einer an sich
missglückten, psychisch aber entlastenden Konfliktbewältigung (primärer
Krankheitsgewinn), unbefriedigende Ergebnisse von konsequent durchgeführten
Behandlungen (auch mit unterschiedlichem therapeutischem Ansatz) und
gescheiterte Rehabilitationsmassnahmen bei vorhandener Motivation und
Eigenanstrengung der versicherten Person (BGE 132 V 65 E. 4.2.2 S. 71; 130 V
352 E 2.2.3 S. 353 ff.; Urteil 9C_1061/2009 vom 11. März 2010 E. 5.4.3.1.1).

Feststellungen der Vorinstanz zum Vorliegen einer anhaltenden somatoformen
Schmerzstörung und bejahendenfalls, ob eine psychische Komorbidität oder
weitere Umstände gegeben sind, welche die Schmerzbewältigung behindern,
betreffen den Sachverhalt und sind daher lediglich unter eingeschränktem
Blickwinkel überprüfbar (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Dagegen ist frei prüfbare
Rechtsfrage, ob eine festgestellte psychische Komorbidität hinreichend
erheblich ist und ob einzelne oder mehrere der festgestellten weiteren
Kriterien in genügender Intensität und Konstanz vorliegen, um gesamthaft den
Schluss auf eine im Hinblick auf eine erwerbliche Tätigkeit nicht mit
zumutbarer Willensanstrengung überwindbare Schmerzstörung zu gestatten (SVR
2008 IV Nr. 23, I 683/06 E. 2.2; vgl. auch BGE 132 V 393 E. 3.2 in fine S. 399;
Urteil 9C_161/2009 vom 18. September 2009 E. 3). Die Prüfung schliesst die
Beurteilung der Frage ein, inwiefern die ärztliche Einschätzung der psychisch
bedingten Arbeitsunfähigkeit invaliditätsfremde Gesichtspunkte (insbesondere
psychosoziale und soziokulturelle Belastungsfaktoren; vgl. zu deren Bedeutung
für die Frage des invalidisierenden Charakters einer somatoformen
Schmerzstörung Urteil 9C_161/2009 vom 18. September 2009 E. 2.2 in fine mit
Hinweisen) mitberücksichtigt (BGE 130 V 352 E. 2.2.5 S. 355 f.; Urteil 9C_511/
2009 vom 30. November 2009 E. 4.3.1).

5.2 Der Gerichtsgutachter beantwortete die Frage, welche Arbeiten dem
Exploranden aus psychiatrischer Sicht zumutbar seien, anhand der in E. 5.1
erwähnten Kriterien, wobei er ausdrücklich auf BGE 131 V 49 E. 1.2 S. 50
verwies. Er erachtete zwar die komorbide Depression nicht als ausschlaggebend
für das Zustandekommen der auf 70 % bezifferten Arbeitsunfähigkeit. Ebenfalls
fehle es beim Exploranden nicht an der Motivation, das Leiden zu überwinden.
Lust und Antrieb zu arbeiten wären vorhanden. Jedoch seien eine Reihe von
Zusatzkriterien soweit erfüllt, dass ausnahmsweise die Voraussetzung für eine
zumutbare Willensanstrengung zur Schmerzüberwindung zu verneinen sei. Es
bestehe ein verfestigter innerseelischer Konflikt mit schweren Verlusten (der
Berufstätigkeit, der Rolle als Ehemann und Vater), welche nicht mehr rückgängig
zu machen seien. Dem Exploranden fehle aufgrund seiner bescheidenen
intellektuellen Begabung die Möglichkeit der Einsicht in diese Zusammenhänge
und deren therapeutische Bearbeitung. Die therapeutischen Massnahmen seien
ausgeschöpft. Der Explorand habe mehrere stationäre Behandlungsversuche
mitgemacht und sich dabei im Rahmen seiner intellektuell beschränkten
Möglichkeiten kooperativ gezeigt. Er begebe sich regelmässig in psychiatrische
und psychotherapeutische Behandlung und nehme Medikamente ein. Erschwerend
komme dazu, dass nicht unerhebliche somatische Korrelate vorhanden seien,
welche die Beschwerden teilweise erklärten und die Wiederaufnahme der
bisherigen schweren körperlichen Arbeit als Handlanger im Fassadenbau
verunmöglichten. Die geringe intellektuelle Begabung und konsekutiv das
ungenügende Beherrschen der deutschen Sprache verhinderten die Aufnahme einer
leichteren Tätigkeit in der freien Wirtschaft, wo heute minimale intellektuelle
Anforderungen auch an Hilfskräfte gestellt würden. Zudem liege mit der
Minderbegabung ein erschwerender Begleitumstand vor, welcher zwar per se nicht
voll arbeitsunfähig mache, aber als Komorbidität eine ebenso entscheidende
Rolle spiele wie zum Beispiel eine schwere Depression.

5.3 Der Administrativgutachter Dr. med. G.________ hatte in seinen Expertisen
vom 30. Mai 2005 und 29. Juni 2007 ebenfalls eine anhaltende somatoforme
Schmerzstörung diagnostiziert. Er verneinte ebenso wie der Gerichtsgutachter
eine psychische Komorbidität von erheblicher Schwere, Ausprägung und Dauer, im
Unterschied zu diesem aber auch einen primären Krankheitsgewinn. Sodann
stellten nach Auffassung des Dr. med. G.________ die Beziehungskonflikte
innerhalb der Familie, d.h. zu den Töchtern und zur Ehefrau, keinen Umstand
dar, welcher gegen die Zumutbarkeit einer erwerblichen Tätigkeit trotz der
subjektiv empfundenen Schmerzen sprach, während Prof. Dr. med. E.________ darin
eine verselbständigte Ursache für die gestörte Krankheitsverarbeitung
erblickte. Schliesslich zeigte der Explorand bei der Untersuchung vom 21. Juni
2007 - im Unterschied zur Abklärung 2005 - kein demonstratives
Schmerzverhalten. Er sass ruhig auf seinem Stuhl, war freundlich und
kooperativ. Demgegenüber verhielt er sich während der Untersuchung durch den
Gerichtsgutachter widersprüchlich, teilweise theatralisch übertreibend, trotzig
gekränkt, wiederum auch hilflos anklammernd, teilweise unkooperativ, wie aus
der Wiedergabe des Untersuchungsverlaufs (Gutachten S. 8 ff.) geschlossen
werden muss.
5.4
5.4.1 Prof. Dr. med. E.________ und Dr. med. G.________ stimmen somit darin
überein, dass keine psychiatrische Komorbidität gegeben ist, welche die
Arbeitsfähigkeit wesentlich einschränkte. Anderseits finden sich in den
Administrativgutachten vom 29. Juni 2007 und vom 30. Mai 2005 keine
Anhaltspunkte für eine unterdurchschnittliche intellektuelle Begabung wie im
Gerichtsgutachten vom 3. Mai 2009 als Verdachtsdiagnose gestellt. Dr. med.
G.________ hielt fest, dass Auffassung und Gedächtnis nicht beeinträchtigt
seien. Jedenfalls erachtete der Administrativgutachter die intellektuellen
Fähigkeiten nicht als entscheidend für die Frage der Arbeitsfähigkeit aus
psychiatrischer Sicht. Demgegenüber ist nach Auffassung des Gerichtsgutachters
die Minderbegabung wie eine komorbide schwere Depression zu betrachten. Er
führte die bescheidene intellektuelle Begabung resp. intellektuelle
Überforderung zudem als ein Grund dafür an, dass die Beziehungskonflikte zu den
Töchtern und zur Ehefrau Krankheitswert haben, der innerseelische Konflikt sich
verfestigt hat und nicht mehr rückgängig zu machen ist, weil dem Explorand die
Möglichkeit der Einsicht in diese Zusammenhänge und deren therapeutische
Bearbeitung fehle. Ebenfalls sei es auf die unterdurchschnittliche
intellektuelle Begabung zurückzuführen, dass und soweit der ausbleibende Erfolg
therapeutischer Massnahmen auf einem unkooperativen Verhalten beruhe.
5.4.2 Prof. Dr. med. E.________ bemängelte an Dr. med. G.________, er habe die
geringe intellektuelle Begabung des Exploranden nicht erfasst, obschon diese
das Verhalten in der Untersuchung sowie die Konflikt- und Krankheitsbewältigung
stark beeinträchtige. Mit dieser Aussage setzt der Gerichtsgutachter jedoch
einen unauflösbaren Widerspruch. An gleicher Stelle hielt er fest, der
Explorand habe bei der Untersuchung durch den Administrativgutachter ein
angepassteres und kein begehrliches, theatralisches Verhalten gezeigt. Dies
kann aber nur heissen, dass das Verhalten in der Untersuchungssituation nicht
zwingend von der intellektuellen Minderbegabung abhängt und daraus keine
sicheren Schlüsse in irgendeinem Sinne gezogen werden können. Wenn Prof. Dr.
med. E.________ weiter argumentiert, der Explorand sei zur Zeit der Abklärung
durch Dr. med. G.________ berentet gewesen, weshalb das Motiv für ein
begehrliches, theatralisches Verhalten gefehlt habe, übersieht er, dass mit
Verfügung vom 18. November 2005 die ganze Rente (samt Zusatzrente für die
Ehefrau und sechs Kinderrenten) mit Wirkung auf den 1. Januar 2005 aufgehoben
worden war. Der Versicherte bezog somit im Zeitpunkt der (zweiten) Untersuchung
durch den Administrativgutachter vom 21. Juni 2007 lediglich eine
Invalidenrente der Unfallversicherung aufgrund einer Erwerbsunfähigkeit von 11
%. Sodann trifft die Kritik von Prof. Dr. med. E.________, Dr. med. G.________
habe sich nicht bemüht, nach möglichen für die Prognose wichtigen
psychosozialen Konflikten zu fahnden, nicht zu. Aus den Auszügen aus den
Vorakten und der Anamnese im Administrativgutachten vom 29. Juni 2007 werden
dieselben finanziellen und familiären Verhältnisse, Beziehungen und Konflikte
sichtbar und in der Beurteilung erwähnt und gewürdigt wie im Gerichtsgutachten
vom 3. Februar 2009. Die beiden Experten haben diesen Umständen lediglich eine
andere Bedeutung für die Frage des invalidisierenden Charakters beigemessen,
wobei diesbezüglich hauptsächlich die von Prof. Dr. med. E.________
festgestellte unterdurchschnittliche intellektuelle Begabung den Unterschied
auszumachen scheint.
5.4.3 Im Weitern fällt auf, dass Gerichtsgutachter und Administrativgutachter
die gespannte bzw. verloren gegangene Beziehung zu den Töchtern und der Ehefrau
erwähnen. Dagegen findet sich kein Wort zur Beziehung des Exploranden zu seinem
Sohn. Dies erstaunt umso mehr, als es nach Angaben des Versicherten Tradition
und für das Ansehen der Familie wichtig war, einen männlichen Nachkommen zu
haben. Der Umstand, einen Sohn zu haben, könnte daher in dieser Sichtweise
motivierender Anlass bilden, Ressourcen freizulegen und den Willen
aufzubringen, trotz des Leidens erwerbstätig zu sein, die Rolle als Ernährer
und Familienoberhaupt zu übernehmen und sich die Achtung und den Respekt
insbesondere des Sohnes und der Familie zu sichern. Sodann wurde lediglich vom
Administrativgutachter bei der Beurteilung der Befunde der Umstand
berücksichtigt, dass sich die Beziehung des Versicherten zu seinen im
Heimatland lebenden Verwandten entspannt hatte und diese nunmehr akzeptierten,
dass er sie wegen seiner Krankheit nicht mehr wie bis anhin unterstützen
konnte. Dr. med. G.________ erwähnte auch, dass der Explorand mit seiner Mutter
und den Geschwistern regelmässig Kontakt habe und einmal im Jahr die im Ausland
lebende Familie und Verwandtschaft besuchen würde. Auch diese Umstände sprechen
für die Überwindbarkeit der Schmerzstörung im Hinblick auf eine erwerbliche
Tätigkeit und damit für die vom Gerichtsgutachter abweichende Beurteilung des
Administrativgutachters.
5.4.4 Schliesslich ist zu beachten, dass aufgrund der Akten ausser
degenerativen Veränderungen kein organisches Substrat gefunden werden konnte,
welches die im Vordergrund stehenden Rückenbeschwerden zu erklären vermochte.
Der behandelnde Rheumatologe Dr. med. L.________ hatte bereits in seinem
Bericht vom 28. März 2001 eine ausgeprägte Diskrepanz zwischen objektivierenden
klinischen Befunden und den vom Versicherten angegebenen subjektiven
Beschwerden erwähnt. Im Bericht über die kreisärztliche Untersuchung vom 11.
Januar 2005 im Rahmen des von der SUVA geführten unfallversicherungsrechtlichen
Abklärungsverfahrens wurde festgehalten, bildgebend habe eine eindeutige
radikuläre Symptomatik nicht nachgewiesen werden können. Aufgrund der
objektivierbaren, eher spärlichen Befunde an der LWS seien aus somatischer
Sicht leidensangepasste Tätigkeiten (körperlich leicht, wechselbelastend, ohne
Arbeiten in Zwangshaltung oder Hantieren mit zu schweren Gewichten) ganztags
zumutbar. Gemäss Dr. med. G.________ konnten die vom Exploranden geklagten
Beschwerden somatisch nicht objektiviert werden. Ob den degenerativen
Veränderungen allein die Qualität einer die invalidenversicherungsrechtlich
notwendige Intensität und Konstanz aufweisenden chronischen körperlichen
Begleiterkrankung (mit mehrjährigem Krankheitsverlauf bei unveränderter oder
progredienter Symptomatik ohne längerfristige Remission) eignet, ist fraglich.

5.5 Das Gerichtsgutachten vom 3. Februar 2008, auf welches die Vorinstanz
abgestellt hat, ist somit in seiner kritischen Auseinandersetzung mit den
Administrativgutachten vom 29. Juni 2007 und 30. Mai 2005 in wesentlichen
Punkten nicht überzeugend. Die vom Gerichtsgutachter (auch) aus psychiatrischer
Sicht als wesentlich erachtete Intelligenzaspekt wiederum wurde vom
Administrativgutachter nicht einmal erwähnt, geschweige denn im psychiatrischen
Kontext als bedeutsam erachtet oder zumindest erörtert. Unter diesen Umständen
und da den Administrativgutachten der Beweiswert nicht abgesprochen werden
kann, kann einzig ein von der Vorinstanz einzuholendes Obergutachten, welches
sich allenfalls auf eine einlässliche formale Intelligenzprüfung stützt,
Klärung in Bezug auf die Frage der Arbeitsfähigkeit aus psychiatrischer Sicht
bringen, was erst die abschliessende Beurteilung des Anspruchs des
Beschwerdegegners auf eine Rente der Invalidenversicherung ab 1. Januar 2005
erlaubt.

6.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten grundsätzlich
dem Beschwerdegegner aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seinem Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege kann jedoch entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 BGG;
BGE 125 V 201 E. 4a S. 202). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4
BGG hingewiesen, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu
leisten hat, wenn sie später dazu in der Lage ist.
Die obsiegenden Beschwerdeführerin und Beigeladene haben keinen Anspruch auf
Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts
Basel-Stadt vom 8. Juni 2009 wird aufgehoben. Die Sache wird an die Vorinstanz
zurückgewiesen, damit sie im Sinne der Erwägungen ein Obergutachten einhole und
danach über den Anspruch des Beschwerdegegners auf eine Rente der
Invalidenversicherung ab 1. Januar 2005 neu entscheide.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt,
einstweilen indes auf die Gerichtskasse genommen.

3.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird Advokat Dr. Matthias
Aeberlifür das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.- aus der
Gerichtskasse entschädigt.

4.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Personalvorsorgestiftung A.________, der
Ausgleichskasse des Schweizerischen Baumeisterverbandes, dem
Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 7. Mai 2010
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Fessler