Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 647/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_647/2009

Urteil vom 15. April 2010
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiber Fessler.

Verfahrensbeteiligte
1. H.________,
2. I.________,
3. B.________,
alle drei vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard Stadelmann,
Beschwerdeführer,

gegen

Ausgleichskasse Luzern, Würzenbachstrasse 8, 6006 Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Alters- und Hinterlassenenversicherung (Haftung des Arbeitgebers, Verwirkung,
Verschulden, Schaden),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom
8. Juni 2009.

Sachverhalt:

A.
Die im Mai 1993 gegründete X.________ GmbH bezweckte laut Eintrag im
Handelsregister u.a. den Handel und die Herstellung von Personalcomputern und
Serversystemen. Die Firma war der Ausgleichskasse Luzern angeschlossen. Im
..... 2000 wurde die X.________ GmbH in die X.________ AG umgewandelt. Die
Änderung der Rechtsform wurde am ..... 2000 im Schweizerischen Handelsamtsblatt
publiziert. Am .... August 2003 wurde über die X.________ AG der Konkurs
eröffnet. Am 4. November 2003 führte der Revisor der Ausgleichskasse die
gesetzlich vorgeschriebene Arbeitgeberkontrolle durch. Am .... Februar 2006
wurde die Auflage von Kollokationsplan und Inventar publiziert. Die
Ausgleichskasse kam im Konkurs der X.________ AG zu Verlust. Mit Verfügungen
vom 19. Oktober 2006 forderte sie u.a. von H.________, ehemaliger
Verwaltungsratspräsident, sowie I.________ und B.________, ehemalige Mitglieder
des Verwaltungsrates der konkursiten Firma, Schadenersatz in der Höhe von Fr.
314'881.90 u.a. für entgangene Sozialversicherungsbeiträge nach Bundes- und
kantonalem Recht. Die dagegen erhobenen Einsprachen wies sie mit Entscheiden
vom 21. Juni 2007 ab.

B.
In teilweiser Gutheissung der gemeinsamen Beschwerde von H.________, I.________
und B.________ änderte das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, die Einspracheentscheide vom 21. Juni
2007 dahingehend ab, dass es die Schadenersatzsumme auf Fr. 314'811.90
reduzierte (Entscheid vom 8. Juni 2009).

C.
H.________, I.________ und B.________ lassen gemeinsam Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, der Entscheid vom
8. Juni 2009 sei aufzuheben und zu verfügen, dass sie keinen Schadenersatz zu
leisten haben, sowie für das vorangegangene Verfahren eine Parteientschädigung
zuzusprechen.
Die Ausgleichskasse beantragt die Abweisung der Beschwerde. Kantonales Gericht
und Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung.
Mit Verfügung vom 28. Oktober 2009 ist der Beschwerde aufschiebende Wirkung
zuerkannt worden.

Erwägungen:

1.
Der vorinstanzliche Entscheid verpflichtet die Beschwerdeführer zur Bezahlung
von Schadenersatz nach Art. 52 AHVG (seit 1. Januar 2003: Art. 52 Abs. 1 AHVG)
in der Höhe von Fr. 314'811.90 in solidarischer Haftbarkeit.

2.
Die Beschwerdeführer bringen vor Bundesgericht erstmals vor, seit der Ablehnung
der 11. AHV-Revision in der Volksabstimmung vom 16. Mai 2004 bestehe keine
gesetzliche Grundlage für eine subsidiäre Haftung der Organe von Arbeitgebern.
Dieser Einwand ist schon deshalb nicht stichhaltig, weil sich die streitige
Schadenersatzpflicht in zeitlicher Hinsicht maximal bis zur Konkurseröffnung
vom 6. August 2003 erstrecken kann. In diesem Zeitpunkt hatte sich aber der für
die Rechtsanwendung massgebende, zu Rechtsfolgen führende Sachverhalt längst
verwirklicht (BGE 130 V 445 E. 1.2.1 S. 447 mit Hinweisen; Urteil 9C_833/2009
vom 4. Februar 2010 E. 3.1). Abgesehen davon bedeutete der negative
Volksentscheid einzig, dass die vorgesehenen Änderungen und Neuerungen nicht
Gesetz wurden. Mit Bezug auf die Organhaftung im Rahmen der AHV sollte jedoch
gerade nichts geändert werden. Vielmehr sah die - vom Parlament bereits
verabschiedete - Vorlage vor, die geltende Rechtsprechung zur Organhaftung im
Gesetz zu verankern (vgl. BGE 129 V 11 E. 3.3 S. 13).

3.
Die Beschwerdeführer machen wie schon im vorinstanzlichen Verfahren geltend,
der Schadenersatzanspruch sei verjährt. Der Verwaltungsrat und die für die
Buchhaltung zuständige Person hätte die Ausgleichskasse direkt laufend über den
finanziellen Zustand der Gesellschaft orientiert. Diese habe somit im Zeitpunkt
der Konkurseröffnung gewusst, dass ihre Forderung ungedeckt bleibe. Sie habe
daher spätestens bei Erlass der Nachzahlungsverfügung vom 13. November 2003
gestützt auf die Arbeitgeberkontrolle vom 4. November 2003 Kenntnis vom Schaden
gehabt.

3.1 Der Schadenersatzanspruch verjährt zwei Jahre, nachdem die zuständige
Ausgleichskasse vom Schaden Kenntnis erhalten hat, jedenfalls fünf Jahre nach
Eintritt des Schadens (Art. 52 Abs. 3 Satz 1 AHVG). Nach der Rechtsprechung
besteht im Falle eines Konkurses in der Regel erst mit der Auflage von
Kollokationsplan und Inventar ausreichende Schadenskenntnis (Urteil 9C_704/2007
vom 17. März 2008 E. 5.1, nicht publiziert in BGE 134 I 179, aber in SVR 2008
FL Nr. 1 S. 1; BGE 129 V 193 E. 2.3 S. 195). Ausnahmsweise kann u.a. die im
Konkurs von Gesetzes wegen durchzuführende Arbeitgeberkontrolle (vgl. Art. 162
Abs. 1 AHVV in der bis 31. Dezember 2007 gültig gewesenen Fassung in Verbindung
mit Art. 68 Abs. 4 AHVG) eine Schadenskenntnis begründen und die relative
einjährige Verjährungsfrist nach Art. 52 Abs. 3 AHVG in Gang setzen.
Ausschlaggebend ist, dass nach den konkreten Umständen vom Verwertungsverfahren
offensichtlich keine (weitere) Befriedigung erwartet werden kann (vgl. BGE 126
V 443 E. 4c S. 449; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H 211/04 vom 17.
März 2005 E. 4.2.2 mit Hinweisen).

3.2 Die Vorinstanz hat eine Schadenskenntnis vor Auflage des Kollokationsplans
verneint. Das Liquidationsergebnis habe bei Anordnung des summarischen
Verfahrens noch keineswegs definitiv festgestanden. Es habe für einen Teil der
Aktiven (Waren, Geräte, Einrichtungen) ein Kaufsangebot zum Preis von Fr.
200'000.- vorgelegen. Ein anderer Teil der vorhandenen Aktiven sollte gemäss
Darstellung in der Beschwerde freihändig veräussert werden. Die
Beschwerdeführer legen nicht dar, inwiefern diese Feststellungen offensichtlich
unrichtig sein sollen. Der daraus gezogene Schluss, die Ausgleichskasse habe im
Zeitpunkt der Publikation des summarischen Konkurses am .... 2003 noch nicht
hinreichende Kenntnis vom Schaden gehabt, verletzt kein Bundesrecht. Im Übrigen
vermochte auch die angebliche Äusserung eines verantwortlichen Organs der
konkursiten Firma gegenüber der Ausgleichskasse, dass allfällige offene
Beitragsforderungen keine Aussicht auf Befriedigung hätten, keine vorzeitige
Schadenskenntnis zu begründen (vgl. Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H
328/03 vom 21. September 2004).

4.
Der Ausgleichskasse ist als Folge der Missachtung der Vorschriften betreffend
die Pflicht zur Abrechnung und Bezahlung der paritätischen Beiträge (Art. 14
Abs. 1 AHVG und Art. 34 ff. AHVV) durch die konkursite Firma ein Schaden
entstanden. Das ist unbestritten. Dieses Verhalten ist den verantwortlichen
Organen grundsätzlich als qualifiziertes Verschulden zuzurechnen (BGE 121 V 243
E. 4b S. 244), was die volle Schadenersatzpflicht nach sich zieht (Urteil
9C_152/2009 vom 18. November 2009 E. 5.2), sofern der Schaden in einem
adäquaten Kausalzusammenhang damit steht und keine Rechtfertigungs- und
Exkulpationsgründe gegeben sind (BGE 119 V 401 E. 4a S. 406; 108 V 199 E. 1 S.
201).

Ob die Beschwerdeführer als verantwortliche Organe ihres in Konkurs gefallenen
Arbeitgebers ihren Sorgfaltspflichten in Bezug auf die Bezahlung der
Sozialversicherungsbeiträge hinreichend nachgekommen sind, ist in Würdigung der
gesamten Umstände zu beurteilen (Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts und H
211/04 vom 17. März 2005 E. 6.1 und H 263/02 vom 6. Februar 2003 E. 4.3).

4.1 Die Vorinstanz hat die Akten sowie die Vorbringen in den Rechtsschriften
der Parteien einer einlässlichen Würdigung unterzogen. Aufgrund des
Beweisergebnisses hat sie ein grobfahrlässiges, für den Eintritt des Schadens
adäquat kausales Verhalten der ins Recht gefassten ehemaligen Verwaltungsräte
der konkursiten Firma bejaht und das Vorliegen von Rechtfertigungs- und
Exkulpationsgründen insbesondere im Sinne der Nichtbezahlung von Beiträgen zur
Rettung eines Unternehmens, welches sich in einer schwierigen finanziellen Lage
befindet (BGE 108 V 184 E. 2 S. 187 ff.; ZAK 1992 S. 246, H 97/90, E. 4b),
verneint.

4.2 Was in der Beschwerde dagegen vorgebracht wird, stellt weitgehend eine
lediglich andere Gewichtung der Umstände dar, ohne dass dargelegt wird,
inwiefern die Vorinstanz Beweiswürdigungsregeln verletzt, die Beweise
willkürlich gewürdigt oder die Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter
die einschlägigen Rechtsnormen nicht korrekt vorgenommen hat, insbesondere
dabei von einem unrichtigen Verständnis der Rechtsbegriffe ausgegangen ist
(Urteil 8C_9/2009 vom 10. November 2009 E. 1).
Die Beschwerdeführer haben nicht nur während einer kurzen Dauer oder eines
vorübergehenden Liquiditätsengpasses die Beiträge nicht bezahlt, was allenfalls
zur Verneinung einer Grobfahrlässigkeit führen könnte (BGE 124 V 253, 121 V
243), sondern während mehreren Jahren beträchtliche Beitragsausstände
akkumulieren lassen.
4.2.1 Insbesondere bestreiten die Beschwerdeführer nicht, dass es möglich
gewesen wäre, das überwiegend für die Rückführung von Beitragsausständen
bestimmte Darlehen von Fr. 365'000.-, welches die Hausbank entgegen anders
lautender Vereinbarung zur Senkung der Kreditlimite von Fr. 2,5 Mio. auf Fr.
2,3 Mio. verwendet habe, direkt der Ausgleichskasse überweisen zu lassen, wie
die Vorinstanz festgestellt hat. In Anbetracht der Tatsache, dass sich die
Firma durch Globalzession aller Forderungen und Ansprüche in totale
Abhängigkeit von der Bank begeben musste, wäre eine schriftliche Vereinbarung
zwingend erforderlich gewesen. Eine solche wurde offenbar nicht abgeschlossen.
Mit Bezug auf die dringend notwendige Neuausrichtung der Geschäftstätigkeit in
den Telefoniebereich und der hiezu benötigten finanziellen Mittel sodann musste
den Verantwortlichen der Firma bekannt und bewusst sein, dass die kreditgebende
Bank mit ihrem finanziellen Engagement in erster Linie ihre eigenen Interessen
verfolgte (vgl. Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H 294/93 vom 7. Juli
1994 E. 4b/aa). Ihre Einschätzung brauchte auch nicht mit derjenigen der
Kreditnehmerin übereinzustimmen, was einen zusätzlichen Unsicherheitsfaktor
darstellte. Nicht zur Diskussion steht, ob allenfalls die Hausbank als
faktisches Organ (vgl. zu diesem Begriff BGE 132 III 523 E. 4.5 S. 528; 114 V
213; Urteil 9C_535/2008 vom 3. Dezember 2008 E. 2) zu gelten hat, was etwa dann
der Fall wäre, wenn sie im Rahmen eigentlicher Unternehmensverwaltung den
verantwortlichen (formellen) Organen vorbehaltene Entscheidungen im Einzelfall
traf (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H 131/93 vom 17. Februar 1994 E.
2b). Schliesslich vermöchte die Beurteilung der Überlebensfähigkeit der Firma
durch eine spezialisierte Treuhandfirma die Beschwerdeführer nur zu entlasten,
wenn in diesen sogenannten Audits der Bezahlung der hohen Beitragsausstände
innert nützlicher Frist prioritäre Bedeutung beigemessen worden wäre, was
jedoch nicht geltend gemacht wird.
Ebenfalls hat die Vorinstanz zu Recht das Einschiessen privater Mittel für sich
allein nicht als schuldausschliessend betrachtet (Urteil des Eidg.
Versicherungsgerichts H 30/06 vom 19. Juli 2006 E. 5.3.2). Dies gilt auch,
soweit die Gelder gezielt für die Begleichung ausstehender Beiträge verwendet
werden. Dadurch wird im Schadensfalle das Haftungssubstrat verringert, was ein
Verschulden in Bezug auf die verbleibenden Ausstände aber nicht ausschliesst.
4.2.2 Mit Bezug auf die Haftbarkeit von Beschwerdeführer 3 im Besonderen trifft
zwar zu, dass im Rahmen von Art. 52 AHVG keine Pflicht der Organe eines
Arbeitgebers besteht, sich bei der Ausgleichskasse nach allfälligen
Beitragsausständen zu erkundigen (Urteile 9C_152/2009 vom 18. November 2009 E.
6.4 und 9C_817/2008 vom 15. Januar 2009 E. 3.4 mit Hinweisen). Anderseits
ändert dies nichts an der Pflicht zu überwachen und zu kontrollieren, dass die
Sozialversicherungsbeiträge rechtzeitig und vollständig bezahlt werden. Dieser
Obliegenheit war der Beschwerdeführer 3 bei seinem Eintritt in den
Verwaltungsrat am 18. Mai 2001 denn auch nachgekommen, indem er sich über
sämtliche Aktivitäten der Gesellschaft habe informieren lassen und dabei
festgestellt habe, dass gegenüber der Ausgleichskasse noch offene
Beitragsforderungen bestanden. Soweit in diesem Zusammenhang wiederum
vorgebracht wird, die Überprüfung der Ausstände sei verunmöglicht gewesen, weil
die Ausgleichskasse zwei Buchhaltungen für dieselbe Gesellschaft geführt habe,
wird appellatorische Kritik am vorinstanzlichen Entscheid geübt. Die Vorinstanz
hat Bezug nehmend auf die Ausführungen der Ausgleichskasse in der Replik
festgestellt, die Beitragsforderung sei regelmässig der aktuell richtigen
juristischen Person zugestellt und die Buchhaltung korrekt auf die jeweilige
juristische Person bezogen geführt worden. Abgesehen davon wird in der
Beschwerde richtig darauf hingewiesen, dass die Umwandlung der X.________ GmbH
in die X.________ AG im .... 2000 lediglich eine Änderung der Rechtsform
darstellte und die Rechtsverhältnisse davon nicht berührt wurden (Art. 53
FusG). Beitragsausstände der GmbH im Zeitpunkt der Umwandlung wurden somit ohne
weiteres zu solchen der AG. Bestanden damals diesbezüglich Unklarheiten, hätten
die verantwortlichen Organe bei der Ausgleichskasse nachfragen müssen. Wenn die
AG die Forderungen der Beschwerdegegnerin nicht bilanziert hat, so haben das
die Beschwerdeführer selber zu vertreten. Dass der die Ausstände der X.________
GmbH für 2001 betreffende Kontoauszug der X.________ AG erst 2002 zugestellt
worden war, stellt somit keinen Grund für eine Herabsetzung der
Schadenersatzforderung analog Art. 44 Abs. 1 OR dar.

Im Weitern trifft nicht zu, dass die Firma bereits bei Eintritt von
Beschwerdeführer 3 in den Verwaltungsrat im Mai 2001 nicht mehr in der Lage
war, die aufgelaufenen Beitragsschulden zu bezahlen, weshalb dessen Verhalten
nicht kausal für den Schaden sein könne, wie geltend gemacht wird. Es bestanden
zwar grosse finanzielle Schwierigkeiten, jedoch konnte im Oktober 2002 ein
Darlehen in der Höhe von Fr. 365'000.- erhältlich gemacht werden, welches
überwiegend zur Begleichung der Beitragsausstände bestimmt war. Dass diese
Summe schliesslich anders verwendet wurde, vermag auch ihn nicht zu entlasten
(vorne E. 4.2.1). Sodann erstreckt sich die Haftung von Beschwerdeführer 3 auch
auf die bei seinem Eintritt in den Verwaltungsrat bereits bestandenen
Beitragsschulden für das ganze Jahr 2001 (BGE 119 V 401 E. 4c S. 407; ZAK 1992
S. 246, H 97/90 E. 5). Inwiefern dies dem Grundsatz der differenzierten
Solidarität (individuelle Beurteilung des Verschuldens; BGE 108 V 199 E. 3a S.
202; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H 273/03 vom 4. Oktober 2004 E.
3.2.2) widerspricht und dadurch die Ausgleichskasse den Schaden für jeden
Verwaltungsrat willkürlich festlegen kann, wie in der Beschwerde gerügt wird,
ist nicht ersichtlich.
Mit Bezug auf die Schadenersatzpflicht im Grundsatz ist die Beschwerde somit
unbegründet.

5.
Die Beschwerdeführer bestreiten die Höhe des Schadens.

5.1 Die Kosten der Arbeitgeberkontrolle vom 3. November 2003 von Fr. 348.-
stellten nicht Schaden im Sinne von Art. 52 Abs. 1 AHVG dar. Dieser Einwand ist
begründet. Gemäss Art. 170 Abs. 2 AHVV gelten die Kosten für die
Kassenrevisionen und Arbeitgeberkontrollen als Verwaltungskosten der
Ausgleichskassen. Dies gilt auch im Falle eines Konkurses, ohne dass es darauf
ankäme, ob offene Beitragforderungen bestehen, welche allenfalls zu einer
Schadenersatzforderung führen (Marco Reichmuth, Die Haftung des Arbeitgebers
und seiner Organe nach Art. 52 AHVG, 2008, N. 412). Die in Art. 170 Abs. 3 AHVV
geregelten Tatbestände, welche die ausnahmsweise Auferlegung eines Teils der
Kosten der Arbeitgeberkontrolle auf den Arbeitgeber rechtfertigten könnten
(vgl. Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts H 331/01 vom 5. September 2002 E.
3 und H 300/00 vom 4. September 2001 E. 5b), sind nach Lage der Akten nicht
gegeben.

5.2 Die Berechnung des Schadens für 2003 sei unrichtig. Im beitragspflichtigen
Einkommen von Fr. 496'150.90 gemäss "AHV-Lohnabrechnung 01.01-06.08.2003" seien
Insolvenzentschädigungen in der Höhe von Fr. 139'319.60 (recte: Fr. 139'310.60;
die Differenz rührt daher, dass in der Beschwerde beim Arbeitnehmer A.________
Fr. 15'921.- statt Fr. 15'912 gemäss Aufstellung der Ausgleichskasse vom 29.
August 2003 über die von der Arbeitslosenversicherung ausgerichteten
Leistungen) enthalten. Diese Summe sei ausser Acht zu lassen. Der massgebende
Lohn insgesamt reduziere sich somit auf Fr. 356'831.30 (recte: Fr. 356'840.30),
was zu tieferen Beiträgen führe.
5.2.1 Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin handelt es sich bei diesen
Vorbringen nicht um ein unzulässiges Novum (Art. 99 Abs. 1 BGG), da sie sich
auf die vorhandenen Akten stützen und nur die rechtliche Würdigung betreffen,
was auch vor Bundesgericht zulässig ist.
5.2.2 Von der Insolvenzentschädigung müssen die gesetzlichen
Sozialversicherungsbeiträge bezahlt werden. Die Kasse hat die vorgeschriebenen
Beiträge mit den zuständigen Organen abzurechnen und den Arbeitnehmern die von
ihnen geschuldeten Beitragsanteile abzuziehen (Art. 52 Abs. 2 AVIG). Mit der
Ausrichtung der Entschädigung gehen die Lohnansprüche des Versicherten im
Ausmasse der bezahlten Entschädigung und der von der Kasse entrichteten
Sozialversicherungsbeiträge samt dem gesetzlichen Konkursprivileg auf die Kasse
über (Art. 154 Abs. 1 Satz 1 AVIG; Reichmuth, a.a.O., N. 435).
Die Insolvenzentschädigung wird gemäss Art. 51 AVIG für Lohnforderungen
ausbezahlt, die dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Konkurses über seinen
Arbeitgeber zustehen. Betrifft die Entschädigung Löhne, die vom Arbeitgeber
gegenüber der Ausgleichskasse bereits bescheinigt und damit in der
Schadenersatzforderung berücksichtigt wurden, sind die von der
Arbeitslosenkasse überwiesenen Beiträge davon in Abzug zu bringen. Die
Ausgleichskasse hat dafür besorgt zu sein, dass die Beiträge für die gleichen
Löhne nicht doppelt erhoben werden (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H
394/01 vom 19. November 2003 E. 5.2).
5.2.3 Die Ausgleichskasse ging bei der vorinstanzlich bestätigten Berechnung
des Schadens von beitragspflichtigen Einkommen von Fr. 496'150.- für 2003 aus,
umfassend die Löhne bis Konkurseröffnung. Gemäss Akten wurden im Zusammenhang
mit dem Konkurs der Firma im Zeitraum April bis August 2003 zugunsten von 13
Personen Insolvenzentschädigung in der Höhe von Fr. 197'889.90 ausgerichtet.
Darauf waren paritätische Beiträge von Fr. 25'534.10 geschuldet, welche Summe
die Arbeitslosenkasse des Kantons Luzern am 1. Oktober 2003 der Ausgleichskasse
überwies. Von diesen 13 Personen fallen drei ausser Betracht, nämlich
N.________ und F.________, welche in der "AHV-Lohnabrechnung 01.01-06.08.2003"
nicht aufgeführt sind, sowie O.________, bei welchem der bis 30. April 2003
bezogene Lohn angegeben ist. Bei den übrigen Personen werden sowohl der von der
Firma bezahlte "AHV-Lohn", als auch der von der Arbeitslosenkasse ausgerichtete
"ALV-Lohn" aufgeführt. Die auf die hier interessierenden Personen entfallende
Insolvenzentschädigung belief sich auf insgesamt Fr. 139'310.60. Der für die
Berechnung des Schadens massgebende Lohn für 2003 beträgt somit lediglich Fr.
356'840.-. Die auf Fr. 139'310.60 entfallenden Beiträge einschliesslich
Verwaltungskosten sind daher von der Schadenersatzsumme von Fr. 314'811.90
resp. Fr. 314'463.90 (vorne E. 1 und 5.1) in Abzug zu bringen. Nicht abzuziehen
sind die Beiträge an die kantonale Familienausgleichskasse. Es ergibt sich ein
Betrag von Fr. 17'492.45 (Fr. 14'070.30 [AHV/ IV/EO-Beitrag] + Fr. 281.40
[Verwaltungskosten] + Fr. 3'140.75 [ALV-Beitrag]).
5.2.4 Im Übrigen werden letztinstanzlich keine substantiierten Rügen gegen die
vorinstanzliche Schadensberechnung vorgebracht. Diese ist damit, soweit
Tatfrage, für das Bundesgericht verbindlich festgestellt (Art. 105 Abs. 1 BGG).
In rechtlicher Hinsicht ist es entgegen der Darstellung in der Beschwerde
korrekt, dass die Beschwerdegegnerin auch die von der X.________ GmbH
resultierenden Ausstände erfasste, welche in die X.________ AG umgewandelt
wurde (Art. 53 FusG; s. vorne E. 4.2.2).

Die Schadenshöhe beträgt somit Fr. 296'971.45 (Fr. 314'811.90 - [Fr. 348.- +
Fr. 17'492.45]).

6.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens haben die Parteien die Gerichtskosten nach
Massgabe ihres Unterliegens zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die
Beschwerdeführer haben im Umfang ihres Obsiegens Anspruch auf eine
Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird Dispositiv Ziff. 1 des Entscheids
des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 8. Juni 2009 dahingehend
abgeändert, dass die Schadenersatzsumme auf Fr. 296'971.45 festgesetzt wird.

2.
Von den Gerichtskosten von Fr. 8'000.- werden Fr. 800.- der Ausgleichskasse
Luzern und Fr. 7'200.- den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit
auferlegt.

3.
Die Ausgleichskasse Luzern hat die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 500.- zu entschädigen.

4.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern hat die Parteientschädigung für das
vorangegangene Verfahren neu festzusetzen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 15. April 2010

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Fessler