Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 625/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_625/2009

Urteil vom 3. Februar 2010
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.

Parteien
B.________,
vertreten durch Beratungsstelle für Ausländer,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau,
Kyburgerstrasse 15, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 3. Juni 2009.

Sachverhalt:

A.
Der 1954 geborene B.________ bezieht wegen der Folgen eines am 7. Dezember 1999
erlittenen Arbeitsunfalles seit 1. Februar 2002 aufgrund eines
Invaliditätsgrades von 13 % eine Rente der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA).
Im September 2001 meldete sich B.________ bei der Invalidenversicherung unter
anderem zum Bezug einer Rente an. Die IV-Stelle des Kantons Aargau lehnte sein
Begehren mit Verfügung vom 5. August 2004 ab (bestätigt mit Einspracheentscheid
vom 7. Januar 2005 und letztinstanzlich mit Urteil I 43/06 des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts vom 21. Juni 2006). Auf eine im August 2006 vom
Versicherten unter Hinweis auf einen Bericht des Hausarztes Dr. med.
R.________, Allgemeine Medizin FMH, vom 18. August 2006 eingereichte
Neuanmeldung trat die Verwaltung nicht ein mit der Begründung, eine Veränderung
des Gesundheitszustandes sei nicht glaubhaft gemacht (Verfügung vom 8. Januar
2008).

B.
B.________ liess hiegegen Beschwerde erheben mit dem Rechtsbegehren, es sei die
Verfügung aufzuheben und die IV-Stelle zu verpflichten, auf das neue
Leistungsbegehren einzutreten und über den Rentenanspruch neu zu verfügen; des
Weitern stellte er ein Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen
Prozessführung. Mit Entscheid vom 3. Juni 2009 wies das Versicherungsgericht
des Kantons Aargau die Beschwerde ab; ebenso verneinte es einen Anspruch auf
Befreiung von den Gerichtskosten (Beschluss vom 28. Mai 2008).

C.
B.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und das im kantonalen Verfahren gestellte Rechtsbegehren erneuern. Gleichzeitig
ersucht er um Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung.

D.
Mit Verfügung vom 15. Dezember 2009 hat das Bundesgericht das mit der
Beschwerde gestellte Gesuch um Befreiung von den Gerichtskosten wegen
Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels abgewiesen und einen Kostenvorschuss von
Fr. 500.- erhoben, welcher innert der gesetzten Frist bezahlt worden ist.
Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung
der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig
ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105
Abs. 2 BGG). Diese gesetzliche Kognitionsbeschränkung in tatsächlicher Hinsicht
gilt namentlich für die Einschätzung der gesundheitlichen und leistungsmässigen
Verhältnisse (Art. 6 ATSG), wie sie sich im revisions- oder
neuanmeldungsrechtlich massgeblichen Vergleichszeitraum (BGE 133 V 108)
entwickelt haben (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 692/06 vom 19.
Dezember 2006 E. 3.1).

2.
Auf die Neuanmeldung eines Leistungsanspruchs wird nur eingetreten, wenn im
Gesuch glaubhaft gemacht wird, dass sich die Verhältnisse anspruchserheblich
geändert haben (Art. 87 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 3 IVV). Zeitlicher
Ausgangspunkt für die Beurteilung einer anspruchserheblichen Änderung des
Invaliditätsgrades ist die letzte rechtskräftige Verfügung, welche auf einer
materiellen Prüfung des Rentenanspruchs mit rechtskonformer
Sachverhaltsabklärung, Beweiswürdigung und Durchführung eines
Einkommensvergleichs beruht (BGE 133 V 108 E. 5 S. 110 f.).

3.
3.1 Die Vorinstanz nahm als Ausgangspunkt für die Beurteilung einer relevanten
Sachverhaltsänderung im Rahmen der Neuanmeldung die Situation, wie sie sich bei
Erlass der rentenablehnenden Verfügung vom 5. August 2004 darstellte. Damals
konnte der Versicherte wegen der zur Hauptsache auf den Sturz vom 7. Dezember
1999 zurückzuführenden somatischen Beschwerden (Schmerzsyndrom am Knie rechts,
lumbospondylogenes Syndrom) - die von ihm bereits zum damaligen Zeitpunkt
geltend gemachte psychische Erkrankung in Form einer anhaltenden somatoformen
Schmerzstörung oder Schmerzverarbeitungsstörung wurde nicht diagnostiziert -
seine bisherige, körperlich schwere Tätigkeit als Isoleur nicht mehr ausüben;
doch war ihm jedenfalls ab Beginn des Jahres 2002 eine leidensangepasste Arbeit
(leicht, wechselbelastend, kein Tragen von Gewichten über 14 kg) noch
vollumfänglich zumutbar. Nach einem Vergleich mit den sich aus den Berichten
des Dr. med. R.________ vom 18. August 2006 und 20. Juni 2008, des Dr. med.
H.________, Spezialarzt FMH für Chirurgie, spez. für Wirbelsäulenleiden, vom 7.
Oktober 2006, der Rehaklinik X.________ vom 18. Oktober 2007 und der
psychiatrischen Dienste Y.________ vom 19. Juni 2008 ergebenden
gesundheitlichen Verhältnissen gelangte die Vorinstanz zum Ergebnis, eine
Verschlechterung des Gesundheitszustandes sei nicht glaubhaft gemacht, weshalb
die IV-Stelle auf das Revisionsgesuch zu Recht nicht eingetreten sei.

3.2 Die Vorinstanz hat damit eine neuanmeldungsrechtlich relevante
Sachverhaltsfeststellung getroffen, die nach der gesamten Aktenlage weder
offensichtlich unrichtig ist noch auf einer Rechtsverletzung beruht, sodass sie
für das Bundesgericht verbindlich ist (oben E. 1). Was der Beschwerdeführer
dagegen vorbringt, ist unbehelflich oder nicht stichhaltig.
Aus der von einer Intensivierung und Ausdehnung der Schmerzen sowie einer
Depression berichtenden Stellungnahme des Hausarztes Dr. med. R.________ vom
18. August 2006 (vgl. auch Bericht vom 20. Juni 2008) vermag der
Beschwerdeführer schon deshalb nichts zu seinen Gunsten abzuleiten, weil sich
der Arzt auf die subjektiven Angaben des Versicherten stützte und keine
entsprechenden objektiven Befunde erheben konnte. Keine Hinweise für eine
Verschlechterung des Gesundheitszustandes lassen sich auch dem Bericht des Dr.
med. H.________ vom 7. Oktober 2006 entnehmen, in welchem auf die Diskrepanz
zwischen objektivierbaren Befunden und subjektiven Beschwerden sowie eine
Aggravation hingewiesen wurde. Soweit darin auch die Rede von einer
somatoformen Schmerzstörung ist, kann darauf schon deshalb nicht abgestellt
werden, da diese Diagnose nicht von einem Facharzt oder einer Fachärztin für
Psychiatrie stammt (BGE 132 V 65 E. 4.3 S. 72; 130 V 396 E. 5.3.2 S. 399, 352
E. 2.2.2 S. 353 [mit Hinweisen]). Zwar berichteten auch die Ärzte der
psychiatrischen Dienste Y.________ am 19. Juni 2008 von einer somatoformen
Schmerzstörung, doch wiesen sie gleichzeitig darauf hin, dass diese nicht
invalidisierenden Charakter habe, stellten sie doch beim Versicherten lediglich
eine leichte depressive Episode fest, womit es an einer für die Erfüllung
dieses Kriteriums erforderlichen fachärztlich schlüssig ausgewiesenen
(selbstständigen, vom psychogenen Schmerzsyndrom losgelösten) Komorbidität von
erheblicher Schwere, Ausprägung und Dauer fehlt (vgl. dazu BGE 130 V 352 E.
3.3.1 S. 358 und SVR 2008 IV Nr. 1 S. 1, I 176/06 E. 5.2; so auch bereits
Urteil I 43/06 vom 21. Juni 2006 E. 2.2.1 mit Hinweisen). Entgegen der in der
Beschwerde vertretenen Auffassung lässt auch die Bescheinigung einer
vollständigen Arbeitsunfähigkeit im Austrittsbericht der Rehaklinik X.________
vom 18. Oktober 2007 nicht auf eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes
schliessen, weil darin von einer seit acht Jahren (durchgehend) bestehenden
vollständigen Arbeitsunfähigkeit die Rede ist, die Ärzte mithin entweder auf
die angestammte Tätigkeit als Isoleur Bezug nahmen oder lediglich eine -
neuanmeldungs- und revisionsrechtlich irrelevante - unterschiedliche
Einschätzung des im Wesentlich gleich gebliebenen Gesundheitsschadens abgaben.

4.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 3. Februar 2010
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Keel Baumann