Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 612/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_612/2009

Urteil vom 30. Oktober 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Seiler,
Gerichtsschreiber Schmutz.

Parteien
I.________, vertreten durch
Rechtsanwalt Bernhard Zollinger,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente, Revision),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 26. Mai 2009.

Sachverhalt:

A.
Der 1961 geborene I.________ arbeitete bis 1991 als Gerüstmonteur. Am 10.
Dezember 1991 meldete er sich unter Hinweis auf Kopf- und Gliederschmerzen bei
der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die Ausgleichskasse des
Kantons Zürich, IV-Sekretariat, klärte den medizinischen und erwerblichen
Sachverhalt ab. Mit Beschluss vom 24. Juni 1993 wurde I.________ ab 1. März
1992 eine ganze Invalidenrente (samt Zusatzrenten für Ehegattin und Kinder)
zugesprochen. Dies wurde mit Verfügung vom 28. Oktober 1997 sowie Mitteilung
vom 12. Juni 2001 revisionsweise bestätigt. Im Rahmen einer weiteren
Rentenrevision zog die IV-Stelle des Kantons Zürich einen Bericht des
behandelnden Arztes Dr. med. K.________, Innere Medizin FMH, vom 4. April 2005
bei und holte ein Gutachten des Zentrums X.________ vom 18. April 2007 ein.
Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren setzte sie die ganze Rente bei einem
neu auf 48 % festgelegten Invaliditätsgrad ab 1. Januar 2008 auf eine
Viertelsrente herab (Verfügung vom 14. November 2007).

B.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene
Beschwerde mit Entscheid vom 26. Mai 2009 ab.

C.
I.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten; er
beantragt, es sei ihm unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides
weiterhin eine ganze Rente auszurichten; das kantonale Gericht sei anzuweisen,
die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren; zudem ersucht er um unentgeltliche
Prozessführung und Bewilligung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes im
bundesgerichtlichen Verfahren.

Mit Verfügung vom 14. August 2009 weist das Bundesgericht das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege vor dieser Instanz ab.

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG).
Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem
Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).

2.
Auf den Antrag, die Vorinstanz sei anzuweisen, die unentgeltliche Rechtspflege
auf kantonaler Stufe zu gewähren, ist einzutreten:

2.1 Gemäss Urteil 8C_530/2008 vom 25. September 2008 (publiziert in SVR 2009 UV
Nr. 12 S. 49) bewirkt die Verweigerung der unentgeltlichen Verbeiständung für
das Beschwerdeverfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht durch eine
während des Verfahrens erlassene Zwischenverfügung in der Regel einen nicht
wieder gutzumachenden Nachteil nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG. Um einen solchen
Zwischenentscheid hat es sich bei der dem Beschwerdeführer am 6. Mai 2008 mit
einer Rechtsmittelbelehrung selbstständig eröffneten Verfügung vom 29. April
2008 gehandelt, mit welcher ihm die unentgeltliche Prozessführung und die
unentgeltliche Verbeiständung für das kantonale Beschwerdeverfahren verweigert
worden ist.

2.2 Der Beschwerdeführer unterliess es, diese Zwischenverfügung wie für solche
Fälle vorgesehen innert der gesetzten Frist von 30 Tagen beim Bundesgericht
anzufechten; wenn von der Beschwerdemöglichkeit kein Gebrauch gemacht wird, ist
nach Art. 93 Abs. 3 BGG ein Zwischenentscheid nur dann durch Beschwerde gegen
den Endentscheid anfechtbar, soweit er sich auf dessen Inhalt auswirkt.

2.3 Dies ist hier der Fall: Die Verneinung der unentgeltlichen Prozessführung
wirkt sich auf das Endergebnis aus, indem nun die Kosten ohne Weiteres dem
Beschwerdeführer auferlegt werden, anstatt sie - zumindest vorläufig - vom
Staat tragen zu lassen. Die Beschwerde gegen die Verweigerung der
unentgeltlichen Prozessführung muss daher gemäss Art. 93 Abs. 3 BGG auch im
Anschluss an den vorinstanzlichen Endentscheid noch möglich sein.

2.4 In der Sache weckt die vorinstanzliche Betrachtung, die Beschwerde sei
aussichtslos, insofern Bedenken, als die Verwaltung die Revisionsverfügung mit
der Begründung erlassen hatte, der Gesundheitszustand habe sich stark
verbessert; dies ist von der Vorinstanz mit Recht als unzutreffend qualifiziert
worden, weshalb sie die Beschwerde denn auch mit substituierter Begründung
abgewiesen hat. In Bezug auf die Verweigerung der unentgeltlichen
Prozessführung ist die letztinstanzliche Beschwerde gutzuheissen, da die
vorinstanzliche Beschwerde nicht ohne Weiteres als aussichtslos zu
qualifizieren war. Die übrigen Voraussetzungen wird die Vorinstanz noch zu
prüfen haben.

3.
Streitig bleibt die Rechtmässigkeit der Herabsetzung der seit 1. März 1992
laufenden ganzen Rente ab 1. Januar 2008 auf eine Viertelsrente. Die Vorinstanz
hat die zur Beurteilung dieser Frage einschlägigen rechtlichen Grundlagen
zutreffend dargelegt.

3.1 Das kantonale Gericht hat richtig erwogen, dass die revisionsweise
Anpassung der Invalidenrente nach Art. 17 ATSG Tatsachenänderungen (des
Gesundheitszustandes, der Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit usw.) im
massgeblichen Vergleichszeitraum (BGE 133 V 108) voraussetzt. Laut Vorinstanz
lässt sich aus den medizinischen Akten keine Verbesserung des
Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers ableiten, da für die hier
massgebenden Vergleichszeiträume im Wesentlichen übereinstimmende Diagnosen
vorliegen und Einverständnis darüber herrscht, dass in der angestammten
Tätigkeit als Gerüstmonteur volle Arbeitsunfähigkeit besteht. Diese
unbestrittenen Feststellungen sind für das Bundesgericht verbindlich (E. 1).

3.2 Die Vorinstanz kam indes zum Schluss, dass die auf Art. 17 ATSG gestützte
Revisionsverfügung mit der substituierten Begründung zu schützen ist, dass nach
Art. 53 Abs. 2 ATSG der Versicherungsträger formell rechtskräftige Verfügungen
in Wiedererwägung ziehen kann (BGE 125 V 368), wenn diese zweifellos unrichtig
sind und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. Sie hat in
tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bejaht, dass die streitige Herabsetzung
der ab 1. März 1992 zugesprochenen ganzen Rente auf eine Viertelsrente mit
dieser Begründung bestätigt werden könne, auch wenn die Voraussetzungen für
eine Rentenrevision mangels Verbesserung des Gesundheitszustandes nicht gegeben
seien. Denn sie ist zum Schluss gekommen, die ursprüngliche Rentenzusprache auf
der Basis eines Invaliditätsgrades von 100 % sei offensichtlich unrichtig: Die
fragliche Einschätzung der Arbeitsfähigkeit habe sich einzig auf die
angestammte Arbeit bezogen und nicht auf eine leidensangepasste
Verweisungstätigkeit, wie sie für die Bestimmung des Invaliditätsgrades
massgebend wäre; die verbliebene Arbeitsfähigkeit sei nicht abgeklärt worden
und man habe es auch unterlassen, den gesetzlich vorgesehenen
Einkommensvergleich vorzunehmen; die Zusprechung der ganzen Rente sei damit
nicht nur in offensichtlicher Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes durch
mangelhafte Sachverhaltsabklärung, sondern auch in unrichtiger Anwendung der
für die konkrete Invaliditätsbemessung einschlägigen Rechtsregeln erfolgt. Da
die Berichtigung des Anspruchs angesichts des geldwerten Charakters der
Leistung von erheblicher Bedeutung sei, sei die Beschwerdegegnerin befugt
gewesen, unter dem Blickwinkel der Wiedererwägung darauf zurückzukommen.

3.3 Diese Argumentation ist korrekt. Die dazu gemachten Vorbringen des
Beschwerdeführers zielen an der Sache vorbei oder sind für den Ausgang des
Verfahrens nicht relevant. Es betrifft dies insbesondere die Ausführungen zur
Berichterstattung der Verwaltung, zu den an die Diagnosestellung zu richtenden
Anforderungen und zur behaupteten Unzumutbarkeit (für den Beschwerdeführer und
auch für die Gesellschaft) einer teilweisen Wiedereingliederung des im
Zeitpunkt der Rentenherabsetzung erst 46-jährigen Beschwerdeführers. Soweit der
Beschwerdeführer die Verletzung seines Rechts auf Achtung des Privat- und
Familienlebens (Art. 8 Ziff. 1 EMRK) rügt, ist darauf infolge offensichtlich
ungenügender Begründung (Art. 106 Abs. 2 BGG) nicht einzutreten.

4.
Der Beschwerdeführer beantragt Gewährung eines leidensbedingten Abzugs von 25 %
anstelle des ihm zugestandenen Ansatzes von 15 %. Gerügt werden kann die Höhe
des Abzuges indes nur im Hinblick auf Ermessensüberschreitung oder -missbrauch
als Formen rechtsfehlerhafter Ermessensbetätigung, was hier zweifellos nicht
der Fall ist.

5.
Die Beschwerde hatte in der Hauptsache keine Aussicht auf Erfolg. Hingegen
erreicht der Beschwerdeführer eine Aufhebung der vorinstanzlichen Verweigerung
der unentgeltlichen Rechtspflege. Entsprechend sind die Partei- und
Verfahrenskosten zu verlegen (Art. 66, Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Dispositiv-Ziffer 2 des Entscheides
des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 26. Mai 2009 wird
aufgehoben.

2.
Die Sache wird zur allfälligen Neuverlegung der Partei- und Verfahrenskosten im
Sinne von E. 2.4 an das Sozialversicherungsgericht zurückgewiesen.

3.
Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

4.
Von den Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer Fr. 350.- und
der Beschwerdegegnerin Fr. 150.- auferlegt.

5.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1000.- zu entschädigen.

6.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 30. Oktober 2009
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Schmutz