Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 60/2009
Zurück zum Index II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2009
Retour à l'indice II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2009


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_60/2009

Urteil vom 1. April 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiberin Helfenstein Franke.

Parteien
R.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Adelrich Friedli,

gegen

IV-Stelle des Kantons Thurgau, St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom
26. November 2008.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 16. Januar 2004 sprach die IV-Stelle des Kantons Thurgau der
1963 geborenen, seit einem Gleitschirmunfall im Jahr 1998 querschnittgelähmten
R.________ eine halbe Rente gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 58% zu.
Nachdem R.________ anlässlich einer zweiten Rentenrevision von Amtes wegen
angegeben hatte, sie sei seit 1. Oktober 2004 wieder erwerbstätig, verfügte die
IV-Stelle nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens am 4. Juli 2008 gestützt
auf die rückwirkende Neuermittlung des Invaliditätsgrades die rückwirkende
Herabsetzung der bisherigen halben Rente (1. Oktober 2004) auf eine
Viertelsrente und die Aufhebung der Rente (31. Dezember 2005). Am 7. Juli 2008
verfügte das Amt für AHV und IV des Kantons Thurgau, Ausgleichskasse, die
Rückforderung der für die Dauer vom 1. Oktober 2004 bis 30. November 2007
zuviel ausgerichteten Invalidenrenten in der Höhe von insgesamt Fr. 25'677.-.

B.
Die Rückforderungsverfügung hob das Amt für AHV und IV des Kantons Thurgau,
Ausgleichskasse, am 15. September 2008 wieder auf und beantragte in seiner
Vernehmlassung diesbezüglich die Abschreibung wegen Gegenstandslosigkeit,
nachdem R.________ am 21. August 2008 Beschwerde an das Verwaltungsgericht des
Kantons Thurgau gegen beide Verfügungen vom 4. und 7. Juli 2008 erhoben hatte.
Mit Entscheid vom 26. November 2008 wies dieses die Beschwerde ab, soweit es
darauf eintrat.

C.
R.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei
festzustellen, dass die Invalidenrente erst mit Wirkung ab 1. September 2008
aufzuheben sei. Eventualiter sei die Sache zur Prüfung der Frage des
Zeitpunktes der Rentenaufhebung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.
Der vorinstanzliche Entscheid hat, soweit er die Beschwerde als unbegründet
abweist, einzig die rückwirkende Neufestsetzung des Invaliditätsgrades ab
Oktober 2004 zum Gegenstand, hingegen nicht die Rückerstattung der zuviel
bezogenen Rentenbetreffnisse.

2.
2.1 In der Invalidenversicherung fällt eine Rückerstattung bei
invaliditätsbezogenen Anspruchsänderungen nur in Betracht, wenn eine Verletzung
der Meldepflicht gemäss Art. 77 IVV vorliegt, wonach die berechtigte Person
oder ihr gesetzlicher Vertreter sowie Behörden oder Dritte, denen die Leistung
zukommt, jede für den Leistungsanspruch wesentliche Änderung, namentlich eine
solche des Gesundheitszustandes, der Arbeits- oder Erwerbsfähigkeit, der
Hilflosigkeit oder des invaliditätsbedingten Betreuungsaufwandes, des für den
Ansatz der Hilflosenentschädigung massgebenden Aufenthaltsortes, der
persönlichen und gegebenenfalls der wirtschaftlichen Verhältnisse des
Versicherten, unverzüglich der IV-Stelle anzuzeigen haben (vgl. Art. 85 Abs. 2
IVV). Nach Art. 88bis Abs. 2 IVV erfolgt die Herabsetzung oder Aufhebung der
Renten und Hilflosenentschädigungen rückwirkend vom Eintritt der für den
Anspruch erheblichen Änderung, wenn die unrichtige Ausrichtung einer Leistung
darauf zurückzuführen ist, dass der Bezüger der ihm gemäss Artikel 77
zumutbaren Meldepflicht nicht nachgekommen ist (lit. b).

2.2 Die Beschwerdeführerin beanstandet die rückwirkende Neufestlegung des
Invaliditätsgrades durch die Vorinstanz ausdrücklich nicht; hingegen bestreitet
sie, die Meldepflicht verletzt zu haben. Das Rechtsmittel ist nach seinem
tatsächlichen rechtlichen Gehalt, auf den es praxisgemäss ankommt (in BGE 130 V
61 nicht publizierte E. 3 des Urteils I 138/02), einzig darauf ausgerichtet,
der - bei Verletzung der Meldepflicht begründeten - Rückerstattungspflicht zu
entgehen. Damit ist die Beschwerde jedoch unzulässig, weil die Rückerstattung
nicht zum Anfechtungsgegenstand gehört (E. 1), sondern, wie das kantonale
Gericht festgestellt hat, noch bei der Verwaltung hängig ist.

Selbst wenn man auf Grund des Wortlautes des Beschwerdeantrages annehmen
wollte, die Beschwerdeführerin ziele mit der Beschwerde darauf ab, den Beginn
der retrospektiv herabgesetzten Invaliditätsgrade, welche zur Rentenreduktion
und zur Rentenaufhebung geführt hatten, auf den 1. September 2008
hinauszuschieben, wäre darauf mangels sachbezogener Begründung (vgl. Art. 42
Abs. 1 und 2 BGG) nicht einzutreten. Die Beschwerde ist so oder anders
betrachtet unzulässig. Im Rahmen einer materiellen Beurteilung hätte die
Beschwerde mit Blick auf Art. 99 Abs. 1 BGG nur abgewiesen werden können, sind
doch die Ausführungen zur Meldepflicht neu und damit letztinstanzlich nicht zu
hören, sondern vorerst durch die IV-Stelle zu prüfen.

3.
Mit Blick auf den konkreten Verfahrensablauf seien die Vorinstanzen darauf
hingewiesen, dass für eine Rückerstattung unrechtmässig bezogener
Invalidenrenten - bei iv-spezifischen Anspruchselementen zufolge
Meldepflichtverletzung (E. 2.1) - allein die IV-Stelle verfügungszuständig ist
(Art. 57 Abs. 1 lit. g IVG)

4.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten der
unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 1. April 2009

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Helfenstein Franke