Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 540/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_540/2009

Urteil vom 17. September 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Seiler,
Gerichtsschreiber Fessler.

Parteien
1. A.________,
2. B.________,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Christos Antoniadis,
Beschwerdeführer,

gegen

Stadt Zürich Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV,
Beschwerdegegner,

Bezirksrat Zürich.

Gegenstand
Ergänzungsleistung zur AHV/IV,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 30. April 2009.

Sachverhalt:

A.
Der 1941 geborene A.________ bezog ab 1. Dezember 1997 Zusatzleistungen zur
Altersrente der AHV (bundesrechtliche Ergänzungsleistung, Beihilfe und
Gemeindezuschuss nach kantonalem Recht). Bei der Berechnung wurde jeweils auch
die im Eigentum seiner 1931 geborenen Ehefrau B.________ stehende Liegenschaft
in X.________ (Tunesien) mitberücksichtigt. Mit Verfügung vom 1. November 2006
setzte das Amt für Zusatzleistungen zur AHV/ IV der Stadt Zürich (AZL) den
Anspruch ab diesem Monat neu fest. Dabei rechnete es den Wert der Liegenschaft
in Tunesien wie bisher mit Fr. 75'000.- an. Die dagegen gerichtete Einsprache
wies die Amtsstelle mit Entscheid vom 30. März 2007 ab, was der Bezirksrat
Zürich mit Beschluss vom 8. November 2007 bestätigte.

B.
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde der Eheleute A.________ und B.________
hob das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich Beschluss und
Einspracheentscheid auf und wies die Sache mit der Feststellung, dass die
Liegenschaft in Tunesien mit einem Vermögenswert von Fr. 62'000.- zu
berücksichtigen sei, an das AZL zurück, damit es über den Anspruch auf
Zusatzleistungen ab 1. November 2006 im Sinne der Erwägungen neu verfüge
(Entscheid vom 30. April 2009).

C.
A.________ und B.________ lassen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung von
Dispositiv-Ziffer 1 des Entscheids vom 30. April 2009 sei der (Netto-)Wert der
Liegenschaft in Tunesien auf Fr. 26'605.08 anzusetzen und ihnen
Ergänzungsleistungen, Beihilfen und Gemeindezuschüsse auf der Basis der
entsprechend neu zu berechnenden anrechenbaren Einnahmen zu entrichten;
eventualiter sei die Sache zu weiteren Abklärungen an das AZL zurückzuweisen.
Die kantonale Amtsstelle und der Bezirksrat Zürich beantragen die Abweisung der
Beschwerde. Kantonales Gericht und Bundesamt für Sozialversicherungen
verzichten auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Streitgegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens bildete die Bewertung der im
Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden, in der tunesischen Stadt X.________
gelegenen Liegenschaft mit Wohnhaus nach Art. 17 Abs. 4 ELV. Gemäss dieser
Bestimmung sind Grundstücke, die dem Bezüger oder einer Person, die in der
EL-Berechnung eingeschlossen ist, nicht zu eigenen Wohnzwecken dienen, zum
Verkehrswert einzusetzen. Die Vorinstanz hat den Wert der fraglichen
Liegenschaft abweichend von kantonaler Amtsstelle und Bezirksrat auf Fr.
62'000.- festgesetzt, was in der Beschwerde als offensichtlich unrichtig und
willkürlich gerügt wird. Die weiteren Positionen in der Berechnung der Höhe der
Ergänzungsleistung sowie der kantonalrechtlichen Beihilfe und Gemeindezuschuss
ab 1. November 2006 sind unbestritten. Der vorinstanzliche Entscheid ist somit
ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG, woran die Rückweisung der Sache zur
Neuberechnung der Leistungen nichts ändert (vgl. BGE 134 II 124 E. 1.3 S. 127
und SVR 2008 IV Nr. 39, 9C_684/2007 E. 1.1; vgl. auch BGE 125 V 413 E. 2c S.
416).

2.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
unvollständige Feststellung der rechtserheblichen Tatsachen sowie die
Nichtbeachtung des Untersuchungsgrundsatzes nach Art. 43 Abs. 1 ATSG und Art.
61 lit. c ATSG durch den Versicherungsträger oder das kantonale
Versicherungsgericht stellen eine solche Verletzung dar (Urteil 9C_802/2008 vom
22. Dezember 2008 E. 1.1 mit Hinweisen). Der Verzicht auf weitere Abklärungen
oder im Beschwerdefall auf Rückweisung der Sache an die Verwaltung zu diesem
Zwecke (antizipierte Beweiswürdigung) verletzt etwa dann Bundesrecht, wenn der
festgestellte Sachverhalt unauflösbare Widersprüche enthält oder wenn eine
entscheidwesentliche Tatfrage auf unvollständiger Beweisgrundlage beantwortet
wird (Urteile 9C_276/2009 vom 24. Juni 2009 E. 3 und 9C_410/2008 vom 8.
September 2008 E. 3.3.1 mit Hinweisen). Im Übrigen ist die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz - von hier nicht interessierenden
Ausnahmen abgesehen - für das Bundesgericht verbindlich, wenn sie nicht
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Die konkrete Beweiswürdigung ist
wie die darauf beruhende Sachverhaltsfeststellung ebenfalls nur unter diesem
eingeschränkten Blickwinkel überprüfbar (Urteil 9C_505/2009 vom 22. Juli 2009
E. 1.2 mit Hinweisen).

3.
Nach verbindlicher Feststellung der Vorinstanz hatte die Beschwerdeführerin die
Liegenschaft in Tunesien 1994 für Fr. 53'500.- erworben. Sodann tätigte sie
Investitionen für den Innenausbau des Wohnhauses in der Höhe von Fr. 8500.-. Da
nach der tunesischen Gesetzgebung ein allfälliger Verkaufserlös lediglich in
der Höhe des in Schweizer Franken bezahlten Kaufpreises wieder in Devisen
ausgeführt werden kann, bildet die Summe von Fr. 62'000.- den maximal möglichen
anrechenbaren Verkehrswert nach Art. 17 Abs. 4 ELV (Urteil des Eidg.
Versicherungsgerichts P 82/02 vom 26. Mai 2003 E. 2.2). Dies ist unbestritten.
Die Beschwerdeführer tragen die Beweislast dafür, dass der Verkehrswert der
Liegenschaft (in Schweizer Franken) weniger als Fr. 62'000.- beträgt, wie sie
geltend machen (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts P 29/02 vom 10. Dezember
2002 E. 1 und 2.2).

4.
Die Vorinstanz ist bei der Ermittlung des Verkehrswertes der Liegenschaft der
Beschwerdeführerin in Tunesien von der Bewertung des AZL im Einspracheentscheid
vom 30. März 2007 ausgegangen, welche nach Abzug der Grundpfandschulden von Fr.
5000.- den Betrag von Fr. 75'000.- ergeben hatte. Diese Einschätzung wiederum
stützt sich auf die 1999 vorgenommene Berechnung. Damals wurde der Verkehrswert
der Liegenschaft aus der Summe von Gebäudewert und Landwert bestimmt. Der Wert
des zweistöckigen Gebäudes setzte sich zusammen aus den reinen Materialkosten
(Fr. 20'000.-) samt einem Zuschlag für den guten Ausbau (Fr. 10'000.-), je pro
Stockwerk, sowie den zusätzlich getätigten Investitionen in der Höhe von Fr.
8500.-. Der Landwert errechnete sich nach der Formel 'Anzahl m2 x m2-Preis',
was Fr. 14'400.- (240 m2 x Fr. 60.-/m2) ergab. Die von den Beschwerdeführern
veranlasste Verkehrswertschätzung, welche ein vom Amtsgericht X.________
beauftragter einheimischer Architekt vornahm und umgerechnet Fr. 31'605.- ergab
(«Begutachtungsbericht» vom 26. Dezember 2006), genügt nach Auffassung der
Vorinstanz den Anforderungen an eine Expertise nicht, weshalb darauf nicht
abgestellt werden könne.

5.
5.1 Die Beschwerdeführer machen wie schon vor Vorinstanz geltend, die Bewertung
der Liegenschaft in Tunesien (Gebäudewert: Fr. 68'500.-, Landwert: Fr.
14'400.-) beruhe auf falschen Grundlagen. Die Schätzung von 1999 beziehe sich
auf die Nachbarliegenschaft. Die Fläche dieses Grundstückes betrage 240 m2.
Demgegenüber messe das Grundstück der Beschwerdeführerin lediglich 125 m2.
Aufgrund der Grundrisspläne zu den Schätzungen von 1999 und 2006 betreffen die
beiden Schätzungen in der Tat unterschiedliche Grundstücke. Weder die
Vorinstanz noch das AZL und der Bezirksrat bestreiten, dass der bei der
Berechnung der Zusatzleistungen zur Altersrente der AHV eingesetzte
Liegenschaftswert offensichtlich nicht das in Frage stehende Grundstück
betrifft.

5.2 Die Schätzung gemäss «Begutachtungsbericht» vom 26. Dezember 2006 ergab
einen Sachwert der Liegenschaft, bestehend aus dem Wert der «Konstruktion» und
der «Erde-Parzelle», von Fr. 31'605.08. Die bei den Akten liegende deutsche
Übersetzung des Berichts ist zwar unvollständig. Immerhin ist sie insofern
beweiskräftig, als sie die Bewertung durch das AZL ernstlich in Frage stellt
und Anlass zu weiteren Abklärungen gibt. Vorab setzt sich auch diese Schätzung
aus einem Gebäudewert und einem Landwert zusammen. Sodann wurde die Schätzung
von einem einheimischen Gebäudefachmann im Auftrag eines Gerichts gemacht. Es
bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme einer Gefälligkeitsschätzung. Es
trifft zwar zu, dass die Angaben betreffend den Wert der «Konstruktion» und der
«Erde-Parzelle» - jedenfalls im übersetzten Dokument - nicht näher begründet
wurden. Dies gilt indessen auch für die Berechnung des AZL, wie in der
Beschwerde zu Recht geltend gemacht wird. Ebenfalls steht fest, dass X.________
ein touristisch gut erschlossenes Gebiet am Meer ist und das Haus drei
Schlafzimmer, zwei Badezimmer und einen grossen Ess-Wohnraum aufweist. Daraus
allein kann indessen nicht ohne weiteres auf einen guten, auch touristischen
Ansprüchen genügenden Ausbaustandard geschlossen werden, wie das die Vorinstanz
tut, zumal das Haus der Beschwerdeführerin im Unterschied zum angebauten Haus
auf der Nachbarliegenschaft keine grosse Terrasse hat. Schliesslich könnte die
Schätzung von 1999 nur bei Berücksichtigung der seitherigen Entwicklung auf dem
Immobilienmarkt sowie des Verhältnisses zwischen dem Tunesischen Dinar und dem
Schweizer Franken als Grundlage für die Ermittlung des Verkehrswertes der
Liegenschaft der Beschwerdeführerin dienen. In diesem Zusammenhang wird in der
Beschwerde darauf hingewiesen, dass gemäss dem privat eingeholten «Rapport
d'Expertise» vom 16. September 1999 und dem «Begutachtungsbericht» vom 26.
Dezember 2006 das Grundstück eine Wertsteigerung von rund 30 % erfahren hat.

5.3 Bei dieser Sachlage kann der nach Art. 17 Abs. 4 ELV relevante Verkehrswert
der Liegenschaft der Beschwerdeführerin nur durch Vergleich mit ähnlichen
Objekten hinreichend genau geschätzt werden. Massgebende Kriterien sind neben
der Grösse des Grundstücks und der Anzahl Zimmer die Lage (verkehrsmässige
Erschliessung, Distanz zum Meer) und die Wohnqualität (ruhiges oder lärmiges,
vornehmes oder ärmliches Quartier). Von Bedeutung ist aber auch, ob ein Objekt
für Touristen ist oder aber von Einheimischen bewohnt wird und einen
entsprechend tieferen Ausbaustandard aufweist, was gemäss Beschwerde auf die zu
schätzende Liegenschaft zutrifft. Ob Verkaufsangebote im Internet eine
zuverlässige Grundlage bilden, ist fraglich. Ist eine Schätzung im dargelegten
Sinne nicht mit vernünftigem Aufwand zu bekommen, ist auf diejenige im
«Begutachtungsbericht» vom 26. Dezember 2006 abzustellen. Die kantonale
Amtsstelle wird die notwendigen Abklärungen vorzunehmen haben und danach die
bundes- und kantonalrechtlichen Zusatzleistungen ab 1. November 2006 neu
festsetzen.

6.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdegegner die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und den Beschwerdeführern eine
Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts
des Kantons Zürich vom 30. April 2009 sowie der Beschluss des Bezirksrates
Zürich vom 8. November 2007 und der Einspracheentscheid des Amtes für
Zusatzleistungen zur AHV/IV der Stadt Zürich vom 30. März 2007 werden
aufgehoben. Die Sache wird an die Amtsstelle zurückgewiesen, damit sie nach
Abklärungen im Sinne der Erwägungen die Ergänzungsleistung, Beihilfe und
Gemeindezuschuss ab 1. November 2006 neu festsetze.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.

3.
Der Beschwerdegegner hat die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 17. September 2009
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Fessler