Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 50/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_50/2009

Urteil vom 10. Juli 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Parteien
B.________, Frankreich, Beschwerdeführer,
vertreten durch Advokat Stephan Müller,
c/o Procap, Schweizerischer Invaliden-Verband,

gegen

IV-Stelle für Versicherte im Ausland,
Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid
des Bundesverwaltungsgerichts
vom 18. November 2008.

Sachverhalt:

A.
Für die wirtschaftlichen Folgen eines Unfalls vom 18. Mai 2002 mit Sturz auf
den Rücken, die linke Schulter und den Hinterkopf sprach die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) dem 1947 geborenen B.________ nebst einer
Integritätsentschädigung ab 1. Dezember 2004 eine Invalidenrente auf der
Grundlage einer Erwerbsunfähigkeit von 17 % zu (Verfügung vom 1. Dezember
2004), woran sie mit Einspracheentscheid vom 28. Juni 2005 festhielt.
Am 22. April 2003 hatte sich B.________ bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug angemeldet. Gestützt auf die von der IV-Stelle Basel-Landschaft
getroffenen Abklärungen, die beigezogenen Akten der SUVA, namentlich den
Bericht des Dr. med. V.________ über die kreisärztliche Abschlussuntersuchung
vom 15. Oktober 2004 sprach die IV-Stelle für Versicherte im Ausland B.________
mit Verfügungen vom 3. März 2005 rückwirkend ab 1. Mai 2003 bis 31. Oktober
2004 bei einem Invaliditätsgrad von 100 % eine ganze und ab 1. November 2004
bei einem Invaliditätsgrad von 51 % eine halbe Invalidenrente zu. Die hiegegen
erhobene Einsprache wies die IV-Stelle am 25. Januar 2006 ab.

B.
Der Versicherte liess Beschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, unter
teilweiser Aufhebung des Einspracheentscheides sei ihm ab 1. November 2004
weiterhin eine ganze Invalidenrente zu gewähren; eventuell sei die Sache zu
ergänzenden Abklärungen und neuer Verfügung an die IV-Stelle zurückzuweisen.
Mit Entscheid vom 18. November 2008 wies das Bundesverwaltungsgericht die
Beschwerde ab.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt B.________
beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Sache zur
Vornahme zusätzlicher Abklärungen und zu neuer Verfügung an die Verwaltung
zurückzuweisen. Ferner ersucht er um die Bewilligung der unentgeltlichen
Rechtspflege. Er legt ein Arztzeugnis des Dr. U.________ vom 12. Dezember 2008
ins Recht.
Die IV-Stelle für Versicherte im Ausland schliesst unter Hinweis auf die
Vernehmlassung der IV-Stelle Basel-Landschaft auf Abweisung der Beschwerde. Das
Bundesverwaltungsgericht äussert sich in ablehnendem Sinne zur Beschwerde,
während das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Stellungnahme
verzichtet.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
Die Vorinstanz hat unter Hinweis auf das Abkommen zwischen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten
(FZA; SR 0.142.112.681) zutreffend festgehalten, dass für die Prüfung des
Invalidenrentenanspruchs des in Frankreich wohnhaften, die französische
Staatsangehörigkeit besitzenden Beschwerdeführers gegen die schweizerische
Invalidenversicherung die schweizerische Rechtsordnung massgebend ist (vgl. BGE
130 V 253 E. 2.4 S. 257). Richtig sind ferner die Darlegungen im angefochtenen
Entscheid zum Beweiswert ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3a
S. 352), über den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG in der
vorliegend anwendbaren, bis 31. Dezember 2007 gültig gewesenen Fassung) sowie
die Bestimmung des Invaliditätsgrades nach der Einkommensvergleichsmethode
(Art. 16 ATSG) und die Bedeutung ärztlicher Auskünfte für die Belange der
Invaliditätsschätzung (BGE 125 V 256 E. 4 S. 261). Darauf wird verwiesen.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung bei der
rückwirkenden Zusprechung einer abgestuften oder befristeten Rente die
Revisionsbestimmungen (Art. 17 Abs. 1 ATSG; Art. 88a Abs. 1 IVV) analog
anwendbar sind, weil noch vor Erlass der ersten Rentenverfügung eine
anspruchsbeeinflussende Änderung eingetreten ist mit der Folge, dass dann
gleichzeitig die Änderung mitberücksichtigt wird (vgl. BGE 109 V 125 E. 4a S.
126; ZAK 1984 S. 133; Urteile 9C_233/2009 vom 6. Mai 2009, 9C_734/2008 vom 24.
November 2008 und I 79/07 vom 17. Januar 2008). Gemäss Art. 88a Abs. 1 IVV ist
bei einer Verbesserung der Erwerbsfähigkeit die anspruchsbeeinflussende
Änderung für die Herabsetzung oder Aufhebung der Leistung von dem Zeitpunkt an
zu berücksichtigen, in dem angenommen werden kann, dass sie voraussichtlich
längere Zeit dauern wird; sie ist in jedem Fall zu berücksichtigen, nachdem sie
ohne wesentliche Unterbrechung drei Monate angedauert hat und voraussichtlich
weiterhin andauern wird.

3.
3.1 Die Vorinstanz stellte hinsichtlich des Arbeitsunfähigkeitsgrades auf den
Austrittsbericht der Rehaklinik X.________ vom 27. Juli 2004 sowie den Bericht
über die Abschlussuntersuchung durch SUVA-Kreisarzt Dr. med. V.________ vom 15.
Oktober 2004 ab und legte einlässlich dar, weshalb die Atteste des Hausarztes
Dr. med. U.________ nicht massgebend seien. Gestützt auf die medizinischen
Unterlagen der SUVA gelangte das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss, die
IV-Stelle habe mit Verfügungen vom 3. März 2005, bestätigt mit
Einspracheentscheid vom 25. Januar 2006, zu Recht eine abgestufte
Invalidenrente (ganze Rente vom 1. Mai 2003 bis 31. Oktober 2004; halbe Rente
ab 1. November 2004) zugesprochen.

3.2 Der Beschwerdeführer wendet ein, die Vorinstanz habe verkannt, dass die
Rentenreduktion per 1. November 2004 revisionsweise erfolgt sei. In diesem
Zusammenhang sei Art. 87 Abs. 3 IVV zu Unrecht ausser Acht gelassen worden.
Ferner hätte geprüft werden müssen, ob das von Dr. U.________ bestätigte
Vorliegen einer Depression zumindest glaubhaft gemacht worden sei. Weil die
Vorinstanz die revisionsrechtlichen Bestimmungen nicht korrekt angewendet habe,
sei die Sache zu weiteren Abklärungen zurückzuweisen.

3.3 Art. 87 Abs. 3 IVV, dessen Nichtanwendung der Beschwerdeführer der
Vorinstanz vorwirft, hält fest, dass für die Prüfung eines Revisionsgesuches
eine anspruchserhebliche Änderung des Invaliditätsgrades glaubhaft zu machen
ist. Diese Bestimmung ist im vorliegenden Fall, in welchem es um die
rückwirkende Gewährung einer abgestuften Rente geht, in der Tat nicht analog
anwendbar. Das Bundesverwaltungsgericht hat weiter auch nicht übersehen, dass
die IV-Stelle dem Versicherten eine abgestufte Rente zugesprochen hat. Die
Herabsetzung der ganzen auf eine halbe Rente gemäss Verfügungen vom 3. März
2005 und Einspracheentscheid vom 25. Januar 2006 mit Wirkung ab 1. November
2004 beruhte auf einer von der Rehaklinik X.________ (Austrittsbericht vom 27.
Juli 2004) und vom Kreisarzt der SUVA am 15. Oktober 2004 festgestellten
Verbesserung des Gesundheitszustandes. Indem die Vorinstanz die Abstufung der
Rente bestätigt hat, hat sie die vorliegend analog anwendbaren
Revisionsbestimmungen (E. 2 in fine) nicht verletzt. Nachdem die Verbesserung
des Gesundheitszustandes bereits im Austrittsbericht der Rehaklinik X.________
vom 27. Juli 2004 in der Stellungnahme zur Arbeitsunfähigkeit zum Ausdruck
gekommen ist, indem eine leidensangepasste Tätigkeit von 2 x 3 Stunden im Tag
als zumutbar erachtet wurde, hat die Vorinstanz mit der Herabsetzung der
Invalidenrente auf den 1. November 2004 namentlich auch die Frist von drei
Monaten nach Art. 88 a Abs. 1 IVV beachtet.
Was schliesslich die behauptete Depression betrifft, hat die ausführliche
psychosomatische Abklärung in der Rehaklinik X.________ gemäss Bericht vom 6.
Juli 2004 keine psychische Störung von Krankheitswert ergeben. Die Feststellung
im angefochtenen Entscheid, wonach aufgrund dieser Angaben sowie entgegen den
Attesten des Hausarztes Dr. U.________ keine Depression ausgewiesen sei, ist
weder offensichtlich unrichtig noch beruht sie auf einer Verletzung von
Bundesrecht, weshalb darauf abzustellen ist.
Aus dem letztinstanzlich eingereichten Zeugnis des Dr. U.________ vom 12.
Dezember 2008 kann der Beschwerdeführer schon deshalb nichts zu seinen Gunsten
ableiten, weil es sich nicht auf den Sachverhalt bezieht, wie er sich bis zu
dem für die richterliche Beurteilung massgebenden Zeitpunkt des Erlasses des
Einspracheentscheides (25. Januar 2006) entwickelt hat (BGE 116 V 246 E. 1a S.
248).

4.
Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege, einschliesslich der unentgeltlichen
Verbeiständung, ist stattzugeben, da die Bedürftigkeit ausgewiesen ist, die
Beschwerde nicht als aussichtslos bezeichnet werden kann und die anwaltliche
Vertretung geboten war (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG), zumal Procap,
Schweizerischer Invaliden-Verband, in dessen Dienst der Rechtsvertreter des
Beschwerdeführers steht, die Voraussetzungen für die unentgeltliche
Rechtsvertretung erfüllt (BGE 135 I E. 7.4.1 S. 4). Der Beschwerdeführer wird
indessen darauf hingewiesen, dass er der Gerichtskasse Ersatz zu leisten hat,
wenn er später dazu in der Lage ist (Art. 64 Abs. 4 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

4.
Advokat Stephan Müller wird als unentgeltlicher Anwalt des Beschwerdeführers
bestellt und es wird ihm aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr.
2500.- ausgerichtet.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bundesverwaltungsgericht, der
Schweizerischen Ausgleichskasse und dem Bundesamt für Sozialversicherungen
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 10. Juli 2009
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Widmer