Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 505/2009
Zurück zum Index II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2009
Retour à l'indice II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2009


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_505/2009

Urteil vom 22. Juli 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiber Fessler.

Parteien
B.________,
vertreten durch Advokatin Dr. Helena Hess,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle Basel-Landschaft,
Hauptstrasse 109, 4102 Binningen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid
des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 25. März 2009.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 31. August 2004 verneinte die IV-Stelle Basel-Landschaft den
Anspruch des 1965 geborenen B.________ auf eine Rente der
Invalidenversicherung. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 22. Dezember
2004 fest, was das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung
Sozialversicherungsrecht, mit Entscheid vom 13. Juli 2005 bestätigte. Mit
Urteil vom 15. März 2006 hob das Eidg. Versicherungsgericht Gerichtsentscheid
und Einspracheentscheid auf und wies die Sache an die IV-Stelle zurück, damit
sie nach ergänzenden Abklärungen im Sinne der Erwägungen über den
Rentenanspruch neu verfüge (Verfahren I 689/05). In der Folge liess die
IV-Stelle den Versicherten durch die Rheumatologische Klinik des Spitals
Y.________ sowie das Ärztliche Zentrum X.________ untersuchen und begutachten.
Mit Verfügung vom 30. Juli 2008 verneinte sie bei einem ermittelten
Invaliditätsgrad von 37 % erneut den Anspruch auf eine Rente.

B.
Die Beschwerde des B.________ wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Sozialversicherungsrecht, mit Entscheid vom 25. März 2009 ab.

C.
B.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 25. März 2009 sei aufzuheben und ihm
eine Invalidenrente zuzusprechen und nachzuzahlen, eventualiter die Sache an
das kantonale Gericht oder die IV-Stelle zwecks weiterer medizinischer
Abklärungen und neuer Verfügung zurückzuweisen, unter Gewährung der
unentgeltlichen Prozessführung.

Erwägungen:

1.
1.1 Gemäss Art. 42 BGG sind die Rechtsschriften in einer Amtssprache abzufassen
und haben die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die
Unterschrift zu enthalten (Abs. 1). In der Begründung ist in gedrängter Form
darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Abs. 2 Satz
1).
Art. 42 Abs. 2 BGG verlangt, dass sich die Beschwerde führende Person
wenigstens kurz mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids
auseinandersetzt. Dies ist nicht der Fall, wenn vor Bundesgericht dieselbe
Beschwerdebegründung eingereicht wird wie schon im kantonalen Verfahren (BGE
134 II 244 E. 2.1-2.3 S. 245 ff.; Ur-teil 9C_204/2009 vom 6. Mai 2009 E. 3.1).

1.2 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
unvollständige Feststellung der rechtserheblichen Tatsachen sowie die
Nichtbeachtung des Untersuchungsgrundsatzes nach Art. 43 Abs. 1 ATSG und Art.
61 lit. c ATSG durch den Versicherungsträger oder das kantonale
Versicherungsgericht stellen eine solche Verletzung dar (Urteil 9C_802/2008 vom
22. Dezember 2008 E. 1.1 mit Hinweisen). Der Verzicht auf weitere Abklärungen
oder im Beschwerdefall auf Rückweisung der Sache an die Verwaltung zu diesem
Zwecke (antizipierte Beweiswürdigung; Urteil 9C_561/2007 vom 11. März 2008 E.
5.2.1) verletzt etwa dann Bundesrecht, wenn der festgestellte Sachverhalt
unauflösbare Widersprüche enthält oder wenn eine entscheidwesentliche Tatfrage,
wie namentlich Gesundheitszustand und Arbeitsfähigkeit einer versicherten
Person, auf unvollständiger Beweisgrundlage beantwortet wird (Urteile 9C_276/
2009 vom 24. Juni 2009 E. 3 und 9C_410/2008 vom 8. September 2008 E. 3.3.1 mit
Hinweisen).

Im Übrigen ist die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz - von hier nicht
interessierenden Ausnahmen abgesehen - für das Bundesgericht verbindlich, wenn
sie nicht offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne
von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Die konkrete Beweiswürdigung
ist wie die darauf beruhende Sachverhaltsfeststellung ebenfalls nur unter
diesem eingeschränkten Blickwinkel überprüfbar (Urteile 9C_276/2009 vom 24.
Juni 2009 E. 3 und 9C_410/2008 vom 8. September 2008 E. 3.3.1).

2.
Die Vorinstanz hat gestützt auf die Gutachten des Spitals Y.________ vom 25.
September/5. Oktober 2006 und des Ärztlichen Zentrums X.________ vom 24. April
2008 festgestellt, der Versicherte sei in leichten wechselbelastenden
Tätigkeiten zu 80 % arbeitsfähig. Aus somatischer Sicht bestehe keine
Einschränkung, aus psychiatrischer Sicht eine solche von 20 %.

3.
In der Beschwerde wird gerügt, die vorinstanzliche Annahme einer
Arbeitsfähigkeit von 80 % in leichten wechselbelastenden Tätigkeiten beruhe auf
einem unvollständig abgeklärten Sachverhalt. Es fehle eine umfassende
neurologische Untersuchung mit einer Funktionsmyelographie, wie vom Eidg.
Versicherungsgericht im Urteil vom 15. März 2006 angeordnet resp. empfohlen.
Ebenfalls hätte die von Dr. med. K.________ im Herbst 2008 diagnostizierte
Sarkoidose näher abgeklärt werden müssen. Dieses Leiden sei chronisch, habe
somit bereits im Zeitpunkt der Begutachtung des Ärztlichen Zentrums X.________
im April 2008 bestanden haben müssen, sei damals indessen nicht einmal gefunden
worden. Im Weitern sei die Einschätzung des Psychiaters des Ärztlichen Zentrums
X.________ einer um 20 % eingeschränkten Arbeitsfähigkeit nicht schlüssig. Sie
widerspreche auch der Beurteilung des behandelnden Psychiaters. Schliesslich
sei der Einfluss der diagnostizierten somatoformen Schmerzstörung auf die
Arbeitsfähigkeit nicht genügend abgeklärt worden.

4.
4.1 Das Eidg. Versicherungsgericht hatte in E. 3.2 des Urteils vom 15. März
2006 eine genauere Abklärung der möglichen Ursachen der geklagten
Rückenschmerzen aus neurologischer Sicht als erforderlich bezeichnet und in
diesem Zusammenhang eine Funktionsmyelographie empfohlen. Die IV-Stelle
veranlasste in der Folge keine spezielle neurologische Untersuchung. Dies
stellt entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers keine Missachtung des
Abklärungsauftrages gemäss Urteil vom 15. März 2006 dar und verletzt auch nicht
den Untersuchungsgrundsatz. Nach für das Bundesgericht verbindlicher und im
Übrigen unbestrittener Feststellung der Vorinstanz schlossen die Ärzte des
Spitals Y.________ und des Ärztlichen Zentrums X.________ aufgrund des klinisch
und radiologisch unauffälligen neurologischen Status eine Wurzelkompression und
eine Spinalkanalstenose aus, eine Funktionsmyelographie erachteten sie nicht
als indiziert. Für die im Bericht des Spitals Y.________ vom 11./30. September
2002 noch geäusserte Verdachtsdiagnose einer Claudicatio spinalis und die als
möglich bezeichnete Wurzelreizung bei Belastung, welche dem Eidg.
Versicherungsgericht in erster Linie abklärungsbedürftig schienen, bestand
keine - nicht auch von den rheumatologischen und orthopädischen Fachärzten
aufgrund der Akten und im Rahmen der klinischen Untersuchung feststellbare -
entsprechende klare neurologische Symptomatik (typischerweise vorübergehende
Schmerzen, Lähmungen, Sensibilitätsstörungen, Krämpfe in den Beinen; vgl.
Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Aufl. 2007, S. 351 sowie ALFRED M.
DEBRUNNER, Orthopädie. Orthopädische Chirurgie, 4. Aufl. 2002, S. 889). Die
klinisch-orthopädische Untersuchung im Sitzen, Stehen, Gehen und Liegen im
Rahmen der Begutachtung des Ärztlichen Zentrums X.________ ergab auf
neurologischer Ebene keine Hinweise für das Vorliegen einer Pathologie im
Bereich des peripheren Nervensystems, was eine spinale Kompressionsproblematik
oder die Läsion eines grösseren peripheren Nerves weitestgehend ausschliessen
liess (Gutachten vom 24. April 2008). Mit der Beurteilung der Ärzte des Spitals
Y.________ und des Ärztlichen Zentrums X.________ im Einklang steht, dass nach
unbestrittener Feststellung der Vorinstanz der behandelnde Neurologe Dr. med.
K.________ in seinen Berichten vom 14. und 15. September 2007 keine
neurologische Ursache der Rückenbeschwerden bezeichnete (und eine solche auch
differentialdiagnostisch nicht in Betracht zog, wie ergänzend anzufügen ist),
namentlich eine Wurzelkompression verneinte und auch keine spezielle
Untersuchung wie namentlich eine Funktionsmyelographie empfahl. Unter diesen
Umständen durften IV-Stelle und kantonales Gericht in pflichtgemässer
antizipierter Beweiswürdigung auf eine Abklärung durch einen Neurologen
verzichten und gestützt auf die vorhandenen medizinischen Akten eine
neurologische Ursache der geklagten Rückenschmerzen verneinen. Die
Argumentation in der Beschwerde übersieht, dass eine (halbinvasive)
diagnostische Massnahme stets eine medizinische Indikation voraussetzt, worin
der Grund liegt, dass das Eidg. Versicherungsgericht im Urteil vom 15. März
2006 eine Funktionsmyelographie empfohlen, aber nicht verbindlich angeordnet
hat.

4.2 Die Vorbringen betreffend Sarkoidose, Arbeitsfähigkeit aus psychiatrischer
Sicht und somatoforme Schmerzstörung (E. 3) stimmen praktisch wortwörtlich mit
denjenigen in der vorinstanzlichen Beschwerde und der nachträglichen Eingabe
vom 18. März 2009 überein. Es wird nicht geltend gemacht, das kantonale Gericht
sei - in Verletzung von Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG (Urteil 1B_61/2008 vom 3.
April 2008 E. 2.2) - auf wesentliche Argumente in diesen Rechtsschriften nicht
eingegangen. Insoweit genügt die Beschwerde den (minimalen) Anforderungen an
die Begründung gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG nicht (E. 1.1) und es ist darauf nicht
näher einzugehen.

5.
Die vorinstanzliche Invaliditätsbemessung durch Einkommensvergleich (Art. 16
ATSG in Verbindung mit Art. 28a Abs. 1 IVG) ist nicht weiter angefochten. Es
besteht kein Anlass zu einer näheren Prüfung (vgl. BGE 125 V 413 E. 1b und 2c
S. 415 ff.; 110 V 48 E. 4a S. 53). Der vorinstanzliche Entscheid verletzt
Bundesrecht nicht.

6.
Der Beschwerdeführer hat als unterliegende Partei grundsätzlich die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seinem Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege kann jedoch entsprochen werden (Art. 64 BGG; BGE 125 V 201 E. 4a
S. 202). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG hingewiesen,
wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn sie
später dazu in der Lage ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
einstweilen auf die Gerichtskasse genommen.

3.
Advokatin Dr. Helena Hess, Muttenz, wird als unentgeltliche Rechtsvertreterin
des Beschwerdeführers für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2000.- aus
der Gerichtskasse entschädigt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung
Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 22. Juli 2009

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Fessler