Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 496/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_496/2009

Urteil vom 10. Juli 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiber Schmutz.

Parteien
I.________, vertreten durch Rechtsanwalt Tim Walker,
Beschwerdeführerin,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Appenzell Ausserrhoden, Kasernenstrasse 4, 9102
Herisau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Ergänzungsleistung zur AHV/IV,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts von Appenzell
Ausserrhoden vom 14. Januar 2009.

Sachverhalt:

A.
Die 1952 geborene I.________ bezog seit April 2002 eine halbe Rente der
Invalidenversicherung und dazu Ergänzungsleistungen von zuletzt ab 1. Februar
2005 monatlich Fr. 1'245.- (Verfügungen vom 4. Mai 2005). Am ... 2005 starb ihr
Ehemann. Gemäss Leistungsabrechnung der Winterthur Columna vom 19. August 2005
war I.________ ein Todesfallkapital von Fr. 47'860.- und anstelle einer
Witwenrente ein Pensionskapital von Fr. 208'806.- zu überweisen. Mit Verfügung
vom 2. Dezember 2005 setzte die Ausgleichskasse des Kantons Appenzell
Ausserrhoden unter Berücksichtigung dieses Vermögenszugangs die monatlichen
Ergänzungsleistungen rückwirkend ab 1. Juli 2005 auf Fr. 257.- herab. Mit
Verfügung vom 6. Dezember 2005 forderte sie von der Versicherten die in den
Monaten Juli bis und mit November 2005 zu viel bezahlten Ergänzungsleistungen
zurück. Schliesslich erhöhte die Ausgleichskasse die monatlichen
Ergänzungsleistungen mit Verfügung vom 29. Dezember 2005 per 1. Januar 2006 auf
Fr. 269.-. Die gegen die drei Verfügungen erhobenen Einsprachen wies die
Ausgleichskasse nach diversen Fristerstreckungen zur Eingabe neuer Belege mit
Entscheid vom 21. April 2008 ab.

B.
Die gegen den Einspracheentscheid eingereichte Beschwerde wies das
Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden mit Entscheid vom 14. Januar 2009
ab; es auferlegte der Beschwerdeführerin wegen mutwilliger Prozessführung eine
Entscheidgebühr von Fr. 600.-.

C.
Wiederum vertreten durch Rechtsanwalt Tim Walker lässt I.________ Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen; sie beantragt Aufhebung des
kantonalen Entscheides, des Einspracheentscheides und der Verfügungen; die
Ergänzungsleistungen seien gemäss den gesetzlichen Bestimmungen zu erhöhen;
eventualiter sei die Angelegenheit zu weiteren Sachverhaltsabklärungen an die
Vorinstanz oder die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen; die aufschiebende
Wirkung der Beschwerde sei anzuordnen, festzustellen und wiederherzustellen;
bereits während der Dauer des vorliegenden Beschwerdeverfahrens seien höhere
Ergänzungsleistungen gemäss den gesetzlichen Bestimmungen festzulegen und
auszuzahlen; nach Zustellung allfälliger Stellungnahmen der übrigen
Verfahrensbeteiligten sei ein zweiter Schriftenwechsel durchzuführen; die
Beschwerdeführerin sei mit Dolmetscher/in zu befragen; ferner wird die
unentgeltliche Rechtspflege beantragt.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt
seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat
(Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen
nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf
einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht, einschliesslich einer
allfälligen rechtsfehlerhaften Tatsachenfeststellung, wozu auch die
unvollständige Tatsachenermittlung zählt (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
Der Katalog der letztinstanzlich gestellten Rechtsbegehren entspricht den
bereits vorinstanzlich erhobenen Anträgen. Wie dort sind auch hier einzelne
Begehren nicht begründet, und kann schon nur deshalb nicht darauf eingetreten
werden.

3.
Die Begründung der Beschwerde begnügt sich weitgehend mit der wörtlichen
Wiedergabe des schon vorinstanzlich Vorgebrachten (hier wie dort: Ziff. III.
1-9). Die Beschwerdeführerin beschränkt sich so auf eine rein appellatorische
Kritik des vorinstanzlichen Entscheides, worauf nicht einzugehen ist. Es sei
lediglich darauf hingewiesen, dass nach Gesetz (Art. 25 Abs. 1 ATSG) und
Rechtsprechung die Pflicht zur Rückerstattung unrechtmässig bezogener
Ergänzungsleistungen (bspw.) im Falle einer Nachzahlung von Renten unabhängig
von einer allfälligen Meldepflichtverletzung der Leistungsempfängerin besteht;
es geht einzig darum, die gesetzliche Ordnung nach Entdecken einer neuen
Tatsache wieder herzustellen (BGE 122 V 134 E. 2d und e S. 138 f., 115 V 308 E.
4a/aa S. 313). Dass das Todesfall- und Pensionskapital gemäss Abrechnung der
Winterthur Columna vom 19. August 2005 offensichtlich einen zur (rückwirkenden)
Neuberechnung der laufenden Ergänzungsleistungen führenden Revisionsgrund
darstellt, kann ernstlich nicht bestritten werden. Der Beschwerdeführerin ist
es, durchaus unter Berücksichtigung ihrer Belege, in keinem Zeitpunkt des
Verfahrens - im Rahmen der ihr obliegenden zumutbaren Mitwirkungspflicht -
gelungen, im massgebenden Beurteilungszeitraum bis zum 21. April 2008 einen
Vermögensverzehr nachzuweisen.

4.
Neu wird vorgebracht, trotz Antrag auf Befragung der Leistungsbezügerin habe
die Vorinstanz die Beschwerde ohne eine solche durchzuführen abgewiesen (und
dies nicht einmal begründet); damit habe sie Art. 29 Abs. 1 und 2 BV und Art. 6
Ziff. 1 EMRK verletzt; alleine schon deswegen sei der Entscheid aufzuheben.
Diese Rüge zielt ins Leere: Die Vorinstanz hat ja dem Rechtsvertreter mit
Einschreiben vom 16. September 2008 ausdrücklich mitgeteilt, ohne seinen
Gegenbericht innert 10 Tagen werde davon ausgegangen, dass auf eine mündliche
(und öffentliche) Verhandlung verzichtet werde; für diesen Fall stehe es ihm
frei, innert 20 Tagen schriftlich Stellung zu nehmen.

Der Rechtsvertreter entschied sich für die zweite Variante und replizierte mit
Schreiben vom 7. Oktober 2008 schriftlich "innert mit Schreiben vom 16.
September 2008 gesetzter Frist". Zur Frage einer mündlichen Verhandlung
äusserte er sich nicht. Mit Recht teilte darum die Vorinstanz mit Schreiben vom
10. Oktober 2008 der Beschwerdegegnerin (mit Kopie an den Rechtsvertreter der
Beschwerdeführerin) mit, die Beschwerdeführerin habe stillschweigend auf eine
mündliche und öffentliche Verhandlung verzichtet. In diesem Zusammenhang
nachträglich den Vorwurf der Grund- und Menschenrechtsverletzung zu erheben,
geht fehl.

5.
Zu den in den Ziff. 10 und 11 der Beschwerde behaupteten Mängeln der
Aktenführung und der Beweiserhebung bleibt nur festzustellen, dass sie nach wie
vor - wenn überhaupt - nur ungenügend substanziiert sind; da in diesem
Zusammenhang die Verletzung von Verfassungsrecht vorgebracht wird, ist auf Art.
106 Abs. 2 BGG hinzuweisen, der in solchen Fällen eine qualifizierte
Begründungspflicht vorschreibt: Das Bundesgericht prüft die Verletzung von
Grundrechten nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht
und begründet worden ist, was hier nicht zutrifft.

6.
Was die Auferlegung einer Entscheidgebühr wegen mutwilliger Prozessführung und
die in diesem Zusammenhang gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs betrifft,
bleibt anzufügen, dass sich im materiellen Rechtsstreit der Anspruch auf
rechtliches Gehör primär auf Sachverhaltsfragen und nur ausnahmsweise auf deren
rechtliche Würdigung bezieht. Die Rechtsfragen sind vom kantonalen Gericht von
Amtes wegen (Art. 110 BGG) zu prüfen und die Parteien haben damit ohne Weiteres
zu rechnen (zu Weiterem vgl. BGE 133 III 139 [Urteil 4P.168/2006 vom 19.
Februar 2007] nicht publ. E. 7.1; 130 III 35 E. 5 S. 38; je mit Hinweisen).
Hier ging es aber nicht einmal um das Recht zur Wahrnehmung von
Verfahrensrechten im Rechtsstreit, sondern um eine rein formelle
Verfahrensrechtsfrage, deren Regelung alleine in der Kompetenz der Vorinstanz
liegt, wie etwa auch der Entscheid, ob eine Beschwerde gutzuheissen oder
abzuweisen ist. Bei den weiteren Vorbringen der Beschwerdeführerin gegen die
Auferlegung der Entscheidgebühr handelt es sich um solche, die die
vorinstanzliche Begründung dafür eher zu stützen als zu schwächen vermögen.

7.
Die Beschwerde hatte keine Aussicht auf Erfolg, weshalb sie im vereinfachten
Verfahren nach Art. 109 BGG, soweit zulässig, als offensichtlich unbegründet
(Abs. 2 lit. a), ohne Durchführung des Schriftenwechsels, mit summarischer
Begründung und unter Verweis auf den vorinstanzlichen Entscheid erledigt wird.

8.
Mit dem Urteil wird der Antrag auf Erteilung der aufschiebenden Wirkung
gegenstandslos.

9.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die unterliegende Beschwerdeführerin
kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
ist abzuweisen, da die Beschwerde aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG).

10.
Rechtsanwalt Walker wird auf die Regelung in Art. 66 Abs. 3 BGG aufmerksam
gemacht und zudem darauf hingewiesen, dass mutwillige Prozessführung vor
Bundesgericht mit Ordnungsbusse geahndet werden kann (Art. 33 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht von Appenzell
Ausserrhoden und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 10. Juli 2009
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Schmutz