Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 494/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_494/2009

Urteil vom 14. August 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Parteien
S.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Kathrin Hässig,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 23. März 2009.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 7. März 2007 lehnte die IV-Stelle des Kantons Zürich das
Gesuch der 1949 geborenen S.________, die am 15. Februar 2003 einen
Auffahrunfall erlitten hatte, um Zusprechung einer Invalidenrente nach
durchgeführtem Vorbescheidverfahren gestützt auf den von ihr ermittelten
Invaliditätsgrad von 34 % ab.

B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde, mit welcher S.________ die Zusprechung
einer halben Invalidenrente beantragt hatte, wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 23. März 2009
ab.

C.
S.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei
ihr ab 1. Februar 2004 eine Viertelsrente der Invalidenversicherung zu
gewähren.
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
2.1 Die Vorinstanz ging mit der Verwaltung davon aus, dass die
Beschwerdeführerin ohne Gesundheitsschaden entsprechend den
Erwerbsverhältnissen vor dem Unfall vom 15. Februar 2003 zu 60 % als
selbstständige Coiffeuse und zu 40 % als Sekretärin tätig wäre, was von der
Versicherten nicht in Zweifel gezogen wird. Weiter führte das kantonale Gericht
für beide Tätigkeiten einen separaten Einkommensvergleich durch. Für die Arbeit
als Angestellte der Kirchgemeinde resultierte eine Erwerbseinbusse von 50 %;
für die selbstständige Tätigkeit als Coiffeuse ergab sich gestützt auf die
Bilanzen der Jahre 1999 bis 2002 ein durchschnittlicher Reingewinn von Fr.
24'889.-. Der Festsetzung des Invalideneinkommens legte die Vorinstanz
ebenfalls einen Durchschnittswert zugrunde, wobei sie die von der Versicherten
in den Jahren 2003 bis 2005 erzielten Einkommen als massgeblich erachtete. An
den Einkommen der Jahre 2003 (Arbeitsunfähigkeit nach dem Unfall) und 2005
(Position "Unterhalt und Reparaturen") nahm sie sodann Korrekturen vor, worauf
sich das durchschnittliche Invalideneinkommen auf Fr. 18'376.- im Jahr belief.
Gesamthaft ergab sich nach dieser Berechnung bei einem Valideneinkommen von Fr.
53'260.- (Fr. 28'371.- + Fr. 24'889.-) und einem Invalideneinkommen von Fr.
32'561.- (Fr. 14'185.- + Fr. 18'376.-) ein Invaliditätsgrad von 38,9 %.

2.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, die hypothetischen Einkommen müssten
auf zeitidentischer Grundlage ermittelt werden, wobei die Verhältnisse im
Zeitpunkt des allfälligen Rentenbeginns massgebend seien. Dementsprechend sei
der als Valideneinkommen herangezogene durchschnittliche Reingewinn aus den
Jahren 1999 bis 2002 der Nominallohnentwicklung bis 2004 (Rentenbeginn)
anzupassen. Demnach betrage das Valideneinkommen als Coiffeuse Fr. 25'583.-
statt Fr. 24'889.- und gesamthaft Fr. 53'954.-. Verglichen mit dem
Invalideneinkommen von Fr. 32'561.- gemäss angefochtenem Entscheid ergebe sich
ein Invaliditätsgrad von 39,64 % (aufgerundet 40 %), welcher einen Anspruch auf
eine Viertelsrente begründe.

3.
Der Versicherten ist beizupflichten, dass die beiden hypothetischen Einkommen
auf zeitidentischer Grundlage zu erheben sind (BGE 129 V 222 E. 4.1 S. 223 mit
Hinweis). Ebenso trifft zu, dass eine Anpassung des Valideneinkommens an die
Nominallohnentwicklung rechtsprechungsgemäss nicht nur in Fällen erfolgt, in
welchen vom hypothetischen Einkommen eines einzelnen Jahres ausgegangen wird
(BGE 129 V 222 E. 4.3.1 S. 224), sondern auch dann, wenn das hypothetische
Einkommen ohne Invalidität - wie im vorliegenden Fall - nach Massgabe eines
Durchschnittslohnes ermittelt wird (Urteil des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts I 316/04 vom 23. Dezember 2004). Zu beachten gilt es
indessen, dass die Vorinstanz als Invalideneinkommen zu Unrecht die von der
Beschwerdeführerin als Coiffeuse erzielten Reingewinne aus den Jahren 2003 bis
2005 berücksichtigt hat. Massgebend für den Einkommensvergleich ist vielmehr
der Zeitpunkt des (potenziellen) Rentenbeginns (BGE 129 V 222 E. 4.2 S. 223).
Eine allfällige Rente würde indessen im vorliegenden Fall im Februar 2004, ein
Jahr nach dem Unfall (Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG in der vorliegend anwendbaren,
bis 31. Dezember 2007 gültig gewesenen Fassung) zu laufen beginnen, weshalb nur
die Reingewinne der Jahre 2003 und 2004 zur Berechnung des Invalideneinkommens
herangezogen werden dürfen. Das kantonale Gericht hat das ausgewiesene
Einkommen des Jahres 2003 von Fr. 16'120.- auf Fr. 19'344.- erhöht mit der
Begründung, dass die Beschwerdeführerin gemäss Abklärungsbericht für
Selbstständigerwerbende vom 7. Dezember 2005 vom 15. Februar bis 4. März 2003
sowie vom 17. Juli bis 14. August 2003 während knapp sieben Wochen voll
arbeitsunfähig gewesen sei. Der entsprechende Erwerbsausfall müsse aufgerechnet
werden. Die Vorinstanz hat den Sachverhalt in diesem Punkt aktenwidrig und
damit offensichtlich unrichtig festgestellt, weshalb das Bundesgericht nicht
daran gebunden ist: Wie die Beschwerdeführerin zu Recht einwendet, hat sie bis
zum Unfall vom 15. Februar 2003 während ebenfalls sechs Wochen voll gearbeitet,
was das Sozialversicherungsgericht übersehen hat. Der Arbeitsausfall in den
erwähnten Perioden nach dem Unfall wurde durch die auf voller Arbeitsfähigkeit
beruhende Tätigkeit vor Eintritt der Invalidität vom 1. Januar bis Mitte
Februar 2003 kompensiert. Es ist daher für 2003 auf den Geschäftsabschluss
abzustellen, der einen Reingewinn von Fr. 16'120.- ausweist. Der als
Invalideneinkommen zu berücksichtigende durchschnittliche Reingewinn der Jahre
2003 und 2004 beläuft sich demgemäss auf Fr. 17'998.- (Fr. 16'120.- + Fr.
19'877.- [Reingewinn 2004] : 2). Unter Einbezug des Einkommens, das die
Versicherte als Angestellte der Kirchgemeinde erzielt (Fr. 14'185.-),
resultiert ein Invalideneinkommen von Fr. 32'183.-. Verglichen mit dem
hypothetischen Valideneinkommen von Fr. 53'260.- ergibt sich eine
Erwerbseinbusse von Fr. 21'077.-, entsprechend einem Invaliditätsgrad von 39,57
% (aufgerundet 40 %). Die Beschwerdeführerin hat somit antragsgemäss Anspruch
auf eine Viertelsrente. Der Rentenbeginn ist mit Blick auf das Unfalldatum (15.
Februar 2003) und die seither andauernde teilweise Arbeitsunfähigkeit auf den
1. Februar 2004 festzusetzen (Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG in der vorliegend
anwendbaren, bis 31. Dezember 2007 gültig gewesenen Fassung).

4.
Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden
IV-Stelle aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese hat der Beschwerdeführerin
überdies eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts
des Kantons Zürich vom 23. März 2009 und die Verfügung der IV-Stelle des
Kantons Zürich vom 7. März 2007 werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass
die Beschwerdeführerin ab 1. Februar 2004 Anspruch auf eine Viertelsrente der
Invalidenversicherung hat.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.

4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
zurückgewiesen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 14. August 2009
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Widmer