Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 490/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_490/2009

Urteil vom 26. August 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Parteien
A.________, vertreten durch Rechtsanwältin Christina Ferritto-Keller,
Beschwerdeführer,

gegen

Fonds de Pensions Nestlé, Avenue Nestlé 55, Postfach 353, 1800 Vevey,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 26. März 2009.

Sachverhalt:

A.
A.________, geboren 1953, war vom 18. Februar 1991 bis 30. April 1999 bei der
zur Nestlé Suisse SA gehörenden Firma X.________ als Verkaufschauffeur tätig
und beim Fonds de Pensions Nestlé, Vevey, berufsvorsorgeversichert. Bereits am
18. September 1998 meldete er sich unter Hinweis auf eine Diskushernie sowie
Beschwerden im linken Bein und "Nerven" bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug (Berufsberatung, Umschulung auf eine neue Tätigkeit,
Wiedereinschulung in die bisherige Tätigkeit, Arbeitsvermittlung) an. Die Stadt
Y.________, von der A.________ ab 1. Juni 2001 Sozialhilfe bezog, ersuchte den
Fonds de Pensions Nestlé mit Schreiben vom 16. Februar 2005 um "Prüfung und
Erbringung der reglementarischen Leistungen", weil die zur Invalidität führende
Arbeitsunfähigkeit während des Anstellungsverhältnisses bei der Nestlé SA
eingetreten sei. Mit Verfügung vom 13. April 2006 sprach die IV-Stelle des
Kantons Zürich A.________ eine ganze Invalidenrente zu bei einem
Invaliditätsgrad von 67 % ab 1. September 1998 sowie Zusatzrenten für die
damalige Ehefrau und vier seiner sechs Kinder (geboren in den Jahren 1981,
1983, 1986 und 1995).

Der Fond de Pensions Nestlé teilte A.________ am 19. Februar 2007 mit, als
Folge der IV-Verfügung vom 13. April 2006 stehe ihm unter Berücksichtigung der
Verjährungsfrist von fünf Jahren ab 1. April 2001 eine Invalidenpension zu
nebst Kinderrenten für die Tochter I.________ (geboren am 30. Juni 1983) vom 1.
April bis 30. Juni 2001, für die Tochter P.________ (geboren am 20. September
1986) vom 1. April 2001 bis 30. September 2004 sowie für den Sohn A.________
(geboren 8. Juni 1995). Zugleich ersuchte die Vorsorgeeinrichtung um Zustellung
entsprechender Studienbescheinigungen, sofern sich die Töchter über das 18.
Altersjahr hinaus in Ausbildung befunden haben sollten. A.________ liess mit
Schreiben vom 20. März 2007 geltend machen, der Fonds de Pensions Nestlé berufe
sich zu Unrecht auf die Verjährung der Leistungen für die Zeit vor dem 1. April
2001. Weiter reichte er diverse Bescheinigungen ein betreffend die Ausbildung
seiner Töchter Z.________ (geboren 1973), S.________ (geboren 1981), P.________
und I.________. Die Vorsorgeeinrichtung hielt in der Folge an ihrer Haltung
fest.

B.
A.________ liess beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich Klage gegen
den Fond de Pensions Nestlé erheben und die Zusprechung einer Invalidenrente
entsprechend einem Invaliditätsgrad von 100 % ab 1. Januar 1999 nebst Zins
beantragen sowie von Kinderrenten für die Töchter I.________, P.________,
S.________ und Z.________ "gemäss den anwendbaren, reglementarischen
Bestimmungen", nebst Zins, ebenfalls seit 1. Januar 1999. Das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die Klage mit Entscheid vom
26. März 2009 teilweise gut und verpflichtete die Vorsorgeeinrichtung -
zusätzlich zur ganzen obligatorischen und überobligatorischen Invalidenpension
ab 1. April 2001 - zur Bezahlung von Kinderrenten, für die Tochter I.________
vom 1. April 2001 bis 31. Oktober 2007 und für die Tochter P.________ sowie den
Sohn A.________ vom 1. April 2001 bis auf Weiteres, wobei für die bis 16.
November 2007 fällig gewordenen Rentenbetreffnisse Verzugszinse von 5 % und für
übrigen Leistungen ab dem jeweiligen Fälligkeitsdatum zuzusprechen seien. Im
Übrigen wies es die Klage und gleichzeitig auch das Gesuch des A.________ um
unentgeltliche Rechtsverbeiständung wegen Aussichtslosigkeit und fehlender
Notwendigkeit ab.

C.
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides die Zusprechung eine
Invalidenrente entsprechend einem Invaliditätsgrad von 100 % ab 1. Januar 1999
"gemäss den anwendbaren, reglementarischen Bestimmungen", zuzüglich Zins von 5
% seit Klageeinleitung, sowie die Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung
für das vorinstanzliche Verfahren beantragen. Gleichzeitig ersucht er um
unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung für das Verfahren vor dem
Bundesgericht.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Gemäss Art. 42
Abs. 1 und 2 BGG hat die Beschwerde die Begehren und deren Begründung zu
enthalten, d.h. es ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der
angefochtene Entscheid Recht verletzt. Andernfalls wird darauf nicht
eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Die Feststellung des Sachverhaltes
durch die Vorinstanz kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig
ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn
die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG).

2.
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Grundlagen und die Rechtsprechung
zum Beginn des Anspruchs auf eine Invalidenrente der obligatorischen
Berufsvorsorgeversicherung (Art. 26 Abs. 1 BVG in Verbindung mit Art. 29 Abs. 1
lit. b IVG) und zur Verjährung der Leistungsansprüche in der obligatorischen
und überobligatorischen Berufsvorsorgeversicherung (Art. 41 Abs. 1 BVG in der
bis 31. Dezember 2004 gültig gewesenen Fassung; Art. 41 Abs. 1 und 2 sowie Art.
49 Abs. 2 Ziff. 6 BVG in der seit 1. Januar 2005 geltenden Fassung) zutreffend
dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.
3.1 Die Vorinstanz erwog, der damalige Rechtsvertreter des Beschwerdeführers
habe sich im Frühjahr 1999 nicht an die Beschwerdegegnerin gewandt, sondern an
einen Mitarbeiter der ehemaligen Arbeitgeberin, welcher zur Abgabe einer
Schuldanerkennung für die Beschwerdegegnerin nicht bevollmächtigt gewesen sei.
Weil die Auskunft vom April 1999 demzufolge bereits aus diesem Grund, aber auch
ausgehend von der gewählten Formulierung der Beschwerdegegnerin, nicht als
(verjährungsunterbrechende) Schuldanerkennung der Beschwerdegegnerin aufgefasst
werden könne und der Beschwerdeführer keine verjährungsunterbrechenden
Handlungen unternommen habe, seien die periodischen Leistungen grundsätzlich
bis fünf Jahre vor der Klageeinleitung am 16. November 2007 verjährt, wobei
davon Vormerk zu nehmen sei, dass die Beschwerdegegnerin eine Leistungspflicht
bereits ab 1. April 2001 anerkenne.

3.2 Der Beschwerdeführer wendet ein, im Schreiben seines damaligen
Rechtsvertreters vom 23. April 1999 werde ausdrücklich festgehalten, dass die
Beschwerdegegnerin im Falle der Zusprechung von Unfall- oder
Invalidenrentenleistungen auch nachträglich ihre Leistungspflicht anerkennen
bzw. Leistungen erbringen würde. Die Vorinstanz habe dieses Schreiben zu
Unrecht als Schuldanerkennung angesehen (eine solche wäre mangels Forderung zum
damaligen Zeitpunkt gar nicht möglich gewesen). Vielmehr sei die Auskunft der
Beschwerdegegnerin als "Offerte zur Verlängerung der Verjährungsfrist" zu
sehen, welche er über seinen Rechtsanwalt angenommen habe. Nach dem klaren
Wortlaut des Schreibens vom 23. April 2009 (recte: 1999) habe eine mündliche
Verjährungsverzichtserklärung bestanden.

4.
4.1 Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer seit 1. September 1997 in
seiner Arbeitsfähigkeit erheblich eingeschränkt ist (Verfügung der IV-Stelle
des Kantons Zürich vom 13. April 2006). Die Invalidenrente der beruflichen
Vorsorge wurde - nach Ablauf der Wartezeit gemäss Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG (in
Verbindung mit Art. 26 Abs. 1 BVG) - somit am 1. September 1998 fällig (BGE 132
V 159 E. 4.4.2 S. 164; SVR 2007 BVG Nr. 22 E. 3.2; vgl. auch Urteile B 91/02
vom 24. April 2003, E. 3.1 [mit Zusammenfassung in SZS 2004 S. 454], und B 9/99
vom 4. August 2000, E. 3c [mit Zusammenfassung in SZS 2003 S. 48]); damit
begann auch die Verjährungsfrist zu laufen (vgl. Urteil B 44 + 45/06 vom 26.
Februar 2007 E. 6.2).

4.2 Soweit der Beschwerdeführer argumentiert, die Beschwerdegegnerin habe ihm
durch den von seinem damaligen Rechtsvertreter kontaktierten Mitarbeiter der
Nestlé Suisse SA die Verlängerung der Verjährungsfrist "offeriert", hat die
Vorinstanz letztinstanzlich verbindlich festgestellt, dass der angefragte
Mitarbeiter der Personalabteilung der Nestlé Suisse SA nicht ermächtigt gewesen
war, einen Verjährungsverzicht zu Lasten der Beschwerdegegnerin abzugeben. Im
Übrigen würde selbst eine entsprechende Vollmacht nichts daran ändern, dass die
erteilte Auskunft, wonach ein rückwirkender Anspruch auf Rentenleistungen der
Pensionskasse bestünde, wenn die IV einen Rentenanspruch anerkenne und
diesfalls "die ganze Angelegenheit neu aufgerollt werden" müsste, nicht als
Verjährungsverzicht bzw. "Offerte zur Verlängerung der Verjährungsfrist"
interpretiert werden könnte, zumal der angefragte (Personaldienst-) Mitarbeiter
lediglich die in Art. 23 lit. a und Art. 26 BVG verankerte gesetzliche Regelung
bestätigte. Die Beschwerdegegnerin, welcher der damalige Rechtsvertreter des
Beschwerdeführers den Brief vom 23. April 1999 in Kopie zugestellt hatte, sah
sich demzufolge nicht veranlasst, darauf zu reagieren. Die Verjährung der
einzelnen Rentenbetreffnisse wurde somit nach der zutreffenden Erwägung im
angefochtenen Entscheid erst mit Anhebung der Klage im vorinstanzlichen
Verfahren am 16. November 2007 unterbrochen, so dass der vorinstanzliche
Entscheid nicht zu beanstanden ist, soweit darin die von der Beschwerdegegnerin
ab 1. April 2001 anerkannte Leistungspflicht geschützt wird.

5.
5.1 Die Vorinstanz wies das Begehren des Versicherten um Gewährung der
unentgeltlichen Verbeiständung mit der Begründung ab, die Beschwerdegegnerin
habe ihre grundsätzliche Leistungspflicht ab 1. April 2001 anerkannt. Was die
Verjährung der Leistungen vor diesem Zeitpunkt anbelange, behaupte der
Beschwerdeführer weder verjährungsunterbrechende Handlungen noch "eine
ernsthafte Schuldanerkennung und gültiger Verzicht auf die Verjährungseinrede"
durch die Beschwerdegegnerin. Die entsprechenden Begehren seien somit
aussichtslos. Hinsichtlich der Kinderrenten habe die Beschwerdegegnerin bei
Nachweis einer Ausbildung von Anfang an ihre grundsätzliche Leistungspflicht
anerkannt. Dass dem Beschwerdeführer dieser erst im Klageverfahren gelungen
sei, habe einzig er selber zu vertreten. Für das Beibringen der notwendigen
Bescheinigungen sei eine rechtskundige Vertretung kaum erforderlich und eine
Klage auf Zusprechung von Kinderrenten offensichtlich nicht notwendig gewesen.
Eine solche grenze an Mutwilligkeit, weshalb sich weder die Zusprechung einer
Parteientschädigung (soweit der Beschwerdeführer formell geringfügig obsiege)
noch die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtsvertretung rechtfertige.

5.2 Nach den zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid hat jede
Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, Anspruch auf
unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos
erscheint und, soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, auf
unentgeltlichen Rechtsbeistand (Art. 29 Abs. 3 BV; vgl. auch BGE 130 I 180 E.
2.2 S. 182, 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135, je mit Hinweisen; Urteil 8C_710/2007 vom
10. März 2008, E. 2.1). Welche Umstände bei der Beurteilung der
Prozessaussichten in Betracht fallen und ob sie für oder gegen eine
hinreichende Erfolgsaussicht sprechen, ist Rechtsfrage. Tatfrage ist, ob und
wieweit einzelne Tatumstände erstellt sind (BGE 124 I 304 E. 2c S. 307).

5.3 Nach dem Gesagten (E. 4.2 hievor) hat die Vorinstanz das Schreiben vom 23.
April 1999 zu Recht nicht als Verjährungsverzicht qualifiziert. Wenn der vom
damaligen Rechtsvertreter angefragte Personaldienstmitarbeiter der Nestlé
Suisse SA sich am 23. April 1999 darauf beschränkte, die gesetzliche Regelung
zum Leistungsanspruch auf Invalidenleistungen in der beruflichen Vorsorge zu
bestätigen, durften diese Auskünfte jedenfalls von einem Anwalt nicht
dahingehend verstanden werden, dass die Beschwerdegegnerin damit einen
Verjährungsverzicht abgegeben hätte. Soweit das kantonale Gericht den Anspruch
auf unentgeltliche Verbeiständung im vorinstanzlichen Verfahren wegen
Aussichtslosigkeit verneint hat, hält dies somit vor Bundesrecht stand.
Hinsichtlich der zusätzlich anbegehrten Kinderrenten war nach den zutreffenden
Erwägungen im angefochtenen Entscheid keine anwaltliche Verbeiständung
erforderlich, zumal die Beschwerdegegnerin ihre Leistungspflicht bei
entsprechendem Beleg der Ausbildungen ausdrücklich anerkannt hatte.

6.
Auch die letztinstanzliche Beschwerde hatte von vornherein keine Aussicht auf
Erfolg, weshalb die Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen
Prozessführung und Verbeiständung nicht gegeben sind.

7.
Das Verfahren ist grundsätzlich kostenpflichtig. Angesichts der speziellen
Umstände des Einzelfalls wird ausnahmsweise auf die Erhebung von Gerichtskosten
verzichtet (Art. 66 Abs. 1 BGG; vgl. Urteil 8C_253/2007 vom 23. Januar 2008, E.
4).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung vor
Bundesgericht wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 26. August 2009
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Bollinger Hammerle