Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 45/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_45/2009

Urteil vom 3. April 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiber Fessler.

Parteien
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
Beschwerdeführerin,

gegen

K.________,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Viktor Estermann.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom
2. Dezember 2008.

Sachverhalt:

A.
Die 1955 geborene K.________ meldete sich im März 2004 bei der
Invalidenversicherung an und beantragte eine Rente. Die IV-Stelle Luzern klärte
die gesundheitlichen und erwerblichen Verhältnisse ab. Unter anderem liess sie
die Versicherte durch die Medizinische Abklärungsstelle (MEDAS)
polydisziplinär, insbesondere viszeralchirurgisch und psychiatrisch,
begutachten. Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens verneinte die
IV-Stelle mit Verfügung vom 19. Juli 2007 den Anspruch auf eine Invalidenrente.

B.
Die Beschwerde der K.________ hiess die Sozialversicherungsrechtliche Abteilung
des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern mit Entscheid vom 2. Dezember 2008
in dem Sinne gut, dass es die Verfügung vom 19. Juli 2007 aufhob und die
IV-Stelle verpflichtete, der Versicherten für die Zeit vom 1. November 2003 bis
31. August 2005 eine halbe Rente und ab 1. September 2005 eine ganze Rente
auszurichten.

C.
Die IV-Stelle Luzern führt Beschwerde in öffentlichen-rechtlichen
Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 2. Dezember 2008 sei
aufzuheben.

K.________ lässt die Abweisung der Beschwerde beantragen, soweit darauf
einzutreten ist. Kantonales Gericht und Bundesamt für Sozialversicherungen
verzichten auf eine Vernehmlassung.

Mit Verfügung vom 5. Februar 2009 hat die Instruktionsrichterin im Sinne einer
provisorischen Anordnung der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Erwägungen:

1.
1.1 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
unvollständige Feststellung der rechtserheblichen Tatsachen sowie die
Nichtbeachtung des Untersuchungsgrundsatzes nach Art. 61 lit. c ATSG durch das
kantonale Versicherungsgericht stellen eine solche Verletzung dar (Urteil
9C_802/2008 vom 22. Dezember 2008 E. 1.1 mit Hinweisen). Der Verzicht der
Vorinstanz auf weitere Abklärungen oder Rückweisung der Sache an die IV-Stelle
zu diesem Zwecke in antizipierter Beweiswürdigung (Urteil 9C_561/2007 vom 11.
März 2008 E. 5.2.1) im Besonderen verletzt etwa dann Bundesrecht, wenn der
festgestellte Sachverhalt unauflösbare Widersprüche enthält oder wenn eine
entscheidwesentliche Tatfrage, wie namentlich Gesundheitszustand und
Arbeitsfähigkeit einer versicherten Person, auf unvollständiger Beweisgrundlage
beantwortet wird (Urteil 9C_410/ 2008 vom 8. September 2008 E. 3.3.1 mit
Hinweisen).

1.2 Das Bundesgericht legt seinem Urteil - von hier nicht interessierenden
Ausnahmen abgesehen - den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat. Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen oder
auf Rüge hin (Art. 97 Abs. 1 BGG) berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Die konkrete Beweiswürdigung ist
wie die darauf beruhende Sachverhaltsfeststellung ebenfalls nur unter diesem
eingeschränktem Blickwinkel überprüfbar (Urteile 9C_410/2008 vom 8. September
2008 E. 3.3.1 und 9C_801/2008 vom 6. Januar 2009 E. 2.2).

Die Beweiswürdigung durch das kantonale Gericht verletzt Bundesrecht,
namentlich wenn es den Sinn und die Tragweite eines Beweismittels
offensichtlich falsch eingeschätzt, ohne sachlichen Grund ein wichtiges und für
den Ausgang des Verfahrens entscheidendes Beweismittel nicht beachtet oder aus
den abgenommenen Beweisen unhaltbare Schlüsse gezogen hat (BGE 129 I 8 E. 2.1
S. 9; Urteile 9C_689/2008 vom 25. Februar 2009 E. 3.1 und 9C_1025/2008 vom 19.
Januar 2009 E. 4.1).

Geht es im Besonderen um den Gesundheitszustand und die Arbeitsfähigkeit einer
versicherten Person, ist auf die Rechtsprechung hinzuweisen, wonach einem
ärztlichen Bericht Beweiswert zukommt, wenn er für die streitigen Belange
umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten
Beschwerden berücksichtigt und in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben
worden ist, wenn die Beschreibung der medizinischen Situation und Zusammenhänge
einleuchtet und die Schlussfolgerungen des Arztes begründet sind (BGE 125 V 351
E. 3a S. 352; Urteil 9C_55/2008 vom 26. Mai 2008 E. 4.2).

2.
2.1 Invalidität ist die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde,
ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit (Art. 8 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit
Art. 1 Abs. 1 IVG). Die Invalidität kann Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit
oder Unfall sein (Art. 4 Abs. 1 IVG). Krankheit ist jede Beeinträchtigung der
körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit, die nicht Folge eines
Unfalles ist und die eine medizinische Untersuchung oder Behandlung erfordert
oder eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (Art. 3 Abs. 1 ATSG in Verbindung
mit Art. 1 Abs. 1 IVG).

Ist ein Versicherter zu mindestens 40 % invalid, so hat er Anspruch auf eine
nach dem Grad der Invalidität abgestufte Rente (Art. 28 Abs. 2 IVG).

2.2 Grundlage für die Bemessung der Invalidität bildet die trotz
gesundheitlicher Beeinträchtigung noch bestehende Arbeitsfähigkeit im
versicherten Tätigkeitsbereich. Die Annahme eines psychischen
Gesundheitsschadens im Sinne von Art. 4 Abs. 1 IVG sowie Art. 3 Abs. 1 und Art.
6 ATSG im Besonderen setzt grundsätzlich eine lege artis auf die Vorgaben eines
anerkannten Klassifikationssystems abgestützte psychiatrische Diagnose voraus
(vgl. BGE 130 V 396). Eine solche Diagnose ist eine rechtlich notwendige, aber
nicht hinreichende Bedingung für einen invalidisierenden Gesundheitsschaden
(BGE 132 V 65 E. 3.4 S. 69). Entscheidend ist, ob und inwiefern, allenfalls bei
geeigneter therapeutischer Behandlung, von der versicherten Person trotz des
Leidens willensmässig erwartet werden kann zu arbeiten (BGE 127 V 294 E. 5a S.
299). Diese Frage beurteilt sich nach einem weitgehend objektivierten Massstab
(BGE 127 V 294 E. 4b/cc S. 297 f. in fine) Dies gilt insbesondere auch bei
anhaltenden somatoformen Schmerzstörungen im Sinne von ICD-10 F45.4 (BGE 130 V
352 E. 2.2.3 und 2.2.4 S. 353 ff.; vgl. zur objektivierenden Betrachtungsweise
auch RENATO MARELLI, Nicht können oder nicht wollen?, in SZS 2007 S. 326 ff.).
Umstände, welche bei Vorliegen dieses Krankheitsbildes die Verwertung der
verbliebenen Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt als unzumutbar erscheinen
lassen, sind die erhebliche Schwere, Intensität, Ausprägung und Dauer des
psychischen Leidens, chronische körperliche Begleiterkrankungen mit
mehrjährigem Krankheitsverlauf bei unveränderter oder progredienter Symptomatik
ohne längerfristige Remission, sozialer Rückzug, ein verfestigter,
therapeutisch nicht mehr angehbarer innerseelischer Verlauf einer an sich
missglückten, psychisch aber entlastenden Konfliktbewältigung, unbefriedigende
Ergebnisse von konsequent durchgeführten Behandlungen (auch mit
unterschiedlichem therapeutischem Ansatz) und gescheiterte
Rehabilitationsmassnahmen bei vorhandener Motivation und Eigenanstrengung der
versicherten Person (vgl. BGE 132 V 65 E. 4.2.2 S. 71; 130 V 352 E 2.2.3 S. 353
ff.; Urteil 9C_578/2007 vom 13. Februar 2008 E. 2.2).

Bei anhaltenden somatoformen Schmerzstörungen im Besonderen ist zu beachten,
dass diese wesentlich durch psychosoziale Probleme und/oder emotionale
Konflikte verursacht werden (vgl. BGE 130 V 396 E. 6.1 S. 400). Dabei ist zu
differenzieren: Soweit psychosoziale und soziokulturelle Faktoren selbständig
und insofern direkte Ursache der Einschränkung der Arbeitsfähigkeit sind, liegt
keine Krankheit im Sinne der Invalidenversicherung vor. Wenn und soweit solche
Umstände zu einer eigentlichen Beeinträchtigung der psychischen Integrität
führen, indem sie einen verselbständigten Gesundheitsschaden aufrechterhalten
oder den Wirkungsgrad seiner - unabhängig von den invaliditätsfremden Elementen
bestehenden - Folgen verschlimmern, können sie sich mittelbar
invaliditätsbegründend auswirken (Urteil 9C_578/2007 vom 13. Februar 2008 E.
2.2 und I 514/06 vom 25. Mai 2007 E. 2.2.2.2 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 127 V
294 E. 5a S. 299 und SVR 2008 IV Nr. 62, 9C_830/2007 E. 4.2).

3.
Ob eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung vorliegt und bejahendenfalls, ob
eine psychische Komorbidität oder weitere Umstände und in welcher Intensität
gegeben sind, die eine Schmerzbewältigung mit zumutbarer Willensanstrengung
behindern, betreffen den rechtserheblichen Sachverhalt. Diesbezügliche
Feststellungen der Vorinstanz prüft das Bundesgericht somit lediglich unter
eingeschränktem Blickwinkel (E. 1.2). Dagegen überprüft es frei, ob Art und
Ausmass der festgestellten psychischen Komorbidität sowie Intensität und
Konstanz einzelner oder mehrerer weiterer Kriterien ausreichen, um den
invalidisierenden Charakter der somatoformen Schmerzstörung zu bejahen (SVR
2008 IV Nr. 23, I 683/06 E. 2.2; vgl. auch BGE 132 V 393 E. 3.2 in fine S.
399).

4.
Das kantonale Gericht hat festgestellt, gemäss dem Gutachten der MEDAS vom 15.
Januar 2007 und dem ergänzenden Bericht der Abklärungsstelle vom 20. Juni 2007
leide die Versicherte an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung
(fibromyalgieformes Ganzkörper-Schmerzsyndrom und linksseitiges funktionelles
Halbseiten-Syndrom). Daneben bestünden chronische Unterbauchschmerzen, welche
aus somatischer Sicht durchaus erklärbar seien. Wegen der Abdominalbefunde
(Status nach mehreren operativen Eingriffen mit Öffnung der Bauchdecke und
Entzündung der Gebärmutteradnexe) sei für den viszeralchirurgischen Experten
der MEDAS klar gewesen, dass die Versicherte in der Arbeitsfähigkeit hochgradig
eingeschränkt sei, wie im Bericht vom 20. Juni 2007 festgehalten werde. Somit
liege eine langjährige chronische physische Begleiterkrankung vor, welche in
der Zwischenzeit eine gewisse Schwere und Intensität erreicht habe. Sodann
bestehe eine relevante psychische Begleiterkrankung in Form einer
rezidivierenden Depression, welche im Zeitpunkt der Begutachtung zwar
weitgehend remittiert gewesen sei. Die Störung sei jedoch schmerzabhängig. Da
die Therapiemöglichkeiten für die Unterbauchschmerzen ausgeschöpft seien,
bestehe eine hohe Rückfallgefahr. Das Auftreten einer weiteren Depression sei
daher imminent. Der psychiatrische Gutachter der MEDAS habe wenig Hoffnung auf
eine erfolgreiche Therapie geäussert, insbesondere wegen der eingeschränkten
Coping-Möglichkeiten der Explorandin. Damit seien Therapien für die Depression
kaum durchführbar. Die Beurteilung im MEDAS-Gutachten, wonach die Versicherte
weder über physische noch über genügend psychische Ressourcen verfüge, die es
ihr erlauben würden, mit ihren Schmerzen umzugehen und trotz Schmerzen einer
Arbeit nachzugehen, leuchte somit durchaus ein.

Gestützt auf die Angaben zur Arbeitsfähigkeit im MEDAS-Gutachten, im Bericht
des Hausarztes Dr. med. W.________ vom 3. Mai 2004 sowie im Gutachten der
psychiatrischen Klinik X.________ vom 5. September 2005 setzte die Vorinstanz
den Rentenbeginn fest (Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG, in der bis 31. Dezember 2007
gültig gewesenen Fassung, und Art. 29 Abs. 2 IVG) und ermittelte durch
Einkommensvergleich (Art. 16 ATSG in Verbindung mit Art. 28a Abs. 1 IVG) den
Umfang des Rentenanspruchs (ein Zweitel vom 1. November 2003 bis 31. August
2005, ein Eintel ab 1. September 2005; Art. 28 Abs. 2 IVG und Art. 88a Abs. 2
IVV).

5.
Die Beschwerde führende IV-Stelle rügt, die Vorinstanz habe die gesetzlichen
Bestimmungen auf den umfassend und vollständig abgeklärten Sachverhalt
unrichtig angewendet und damit Bundesrecht verletzt. Es werde eine
Arbeitsunfähigkeit von 100 % anerkannt, obschon die versicherungsrechtlichen
Kriterien dafür nicht gegeben seien. Die geklagten Unterbauchschmerzen seien
nicht durch korrelierende, fachärztlich schlüssig feststellbare Befunde
hinreichend erklärbar. Die Schmerzen seien denn auch keiner spezifischen
Organläsion zuzuordnen, wie auch die Vorinstanz festgestellt habe. Dass sie vom
viszeralchirurgischen Gutachter der MEDAS als nachvollziehbar bezeichnet worden
seien, genüge nicht. Sodann habe der psychiatrische Experte der
Abklärungsstelle keine Komorbidität festgestellt. Die im Gutachten der
psychiatrischen Klinik X.________ vom 5. September 2005 diagnostizierte
Depression (mittelgradige Episode) sei zwischenzeitlich remittiert. In
Anwendung der Förster-Kriterien habe der psychiatrische Facharzt der MEDAS die
Schmerzstörung für überwindbar betrachtet bei einer dadurch bedingten Reduktion
der Leistungsfähigkeit von 20 %.

6.
6.1 Im viszeralchirurgischen MEDAS-Teilgutachten vom 17. November 2006 wurde
aufgrund der Bauchschmerzen, welche bereits beim Heben kleinerer Lasten sowie
bei Druck auf das Abdomen durch Möbelstücke und beim Bücken aufträten, der
Müdigkeit sowie der vom Ehemann berichteten Aufmerksamkeitsdefizite eine
Arbeitsfähigkeit ausser Haus verneint. Es wurde eine intensivierte
Schmerztherapie und psychologische Begleitung empfohlen. Im psychiatrischen
Teilgutachten vom 6. November 2006 wurden (mit Auswirkung auf die
Arbeitsfähigkeit) eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD-10 F45.4) und
psychologische Faktoren oder Verhaltensfaktoren bei andernorts klassifizierten
Erkrankungen (ICD-10 F54) sowie (ohne Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit) eine
rezidivierende Depression, gegenwärtig weitgehend remittiert (ICD-10 F33.4),
diagnostiziert. Es wurde festgehalten, auf Grund der Akten sei davon
auszugehen, dass die Bauchbeschwerden zu einem wesentlichen Teil auf
körperliche Veränderungen (Operationen) zurückzuführen seien. Für diese
Beschwerden sei daher die Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung nicht
zulässig. Vielmehr sei die Diagnose von psychologischen Faktoren oder
Verhaltensfaktoren bei andernorts klassifizierten Erkrankungen zu stellen.
Diese hätten vor allem den Verlauf beeinflusst im Sinne einer psychischen
Überlagerung. Die neu aufgetretene Schmerzausweitung auf den Rücken und
schliesslich auf fast den ganzen Körper entspreche hingegen einer somatoformen
Schmerzstörung. Die Arbeitsfähigkeit aus psychiatrischer Sicht wurde auf rund
80 % in der bisherigen und einer den Schmerzen angepassten Tätigkeit sowie im
Haushalt festgelegt. Als Begründung wurde ausgeführt, wenn die Erwägungen in
BGE 130 V 352 zu Grunde gelegt würden, vermöchte die somatoforme Schmerzstörung
in diesem Fall eine gewisse Einschränkung der Arbeitsfähigkeit aus
psychiatrischer Sicht zu bewirken. Es finde sich ein mehrjähriger
Krankheitsverlauf, ein leichter sozialer Rückzug und unbefriedigende ambulante
Behandlungsergebnisse. Es lasse sich zwar kein verfestigter, therapeutisch kaum
mehr angehbarer innerseelischer Verlauf einer an sich missglückten, aber
entlastenden Konfliktbewältigung herausarbeiten; es lägen aber ausgeprägte
Belastungen (Zerstörung von Haus und Dorf sowie Tod von Angehörigen im Krieg im
Kosovo, Ehemann seit zehn Jahren invalid, Unterstützung durch das Sozialamt
nach Sistierung der Rente, Kündigung der langjährigen Arbeitsstelle) vor. Die
Behandlungsoptionen seien aber noch nicht ausgeschöpft worden. Insbesondere
fehle der Versuch einer psychiatrisch-psychotherapeutischen und einer
stationären Behandlung.

Im Unterschied zum psychiatrischen Teilgutachten vom 6. November 2006 wurde im
Gutachten vom 15. Januar 2007 neben der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung
auch die rezidivierende Depression unter den Diagnosen mit wesentlicher
Einschränkung der Arbeitsfähigkeit aufgeführt. Die Arbeitsfähigkeit wurde auf 0
% in jeder erwerblichen Tätigkeit und auf 50 % im Aufgabenbereich Haushalt
festgelegt. Dazu wurde ausgeführt, diese Einschätzung beruhe auf einer
ganzheitlichen Beurteilung der Gesamtsituation anhand der Kriterien von
Winckler und Foerster. Es bestünden eine chronische körperliche
Begleiterkrankung (Bauchschmerzen) des Syndroms anhaltende somatoforme
Schmerzstörung sowie eine psychiatrische Komorbidität ([unter einem
Antidepressivum in guter Remission stehende] Depression). Ebenfalls bestehe
eine für anhaltende somatoforme Schmerzstörungen charakteristische
psychosoziale und soziokulturelle Belastungssituation. Die Versicherte sei in
ihren Ressourcen, arbeitstätig zu sein, in vielfacher Weise eingeschränkt. Im
ergänzenden Bericht vom 20. Juni 2007 wurde eine Diskrepanz zwischen der
psychiatrischen Einschätzung und der Gesamteinschätzung der Arbeitsfähigkeit
verneint. Zur Begründung wurde ausgeführt, für die Diagnose einer anhaltenden
somatoformen Schmerzstörung sei überhaupt keine psychiatrische Diagnose
notwendig. Sodann halte der psychiatrische Gutachter zwar fest, dass die
Depression abgeklungen resp. in Remission sei. Er betone jedoch, die
Krankengeschichte zeige, dass die Depression erst nach langjährigen Schmerzen
eingetreten und somit psychoreaktiver Natur sei. Da es für die Schmerzen keine
Therapieoptionen gebe, bestehe die Gefahr des Rückfalls. Der psychiatrische
Gutachter schlage dementsprechend die Fortsetzung der antidepressiven Therapie
sowie eine Psychotherapie vor. Bei der Explorandin sei somit zumindest eine
Tendenz zur depressiven Verarbeitung vorhanden, wobei die Gefahr laut dem
psychiatrischen Gutachter hoch sei. Gleichzeitig töne er aber die enormen
Schwierigkeiten an, da die Versicherte über keine Introspektionsfähigkeit
verfüge und die Behandlung durch eine albanisch sprechende Psychiaterin, welche
Erfahrung mit Schmerzpatienten habe, durchgeführt werden müsste. Alle diese
Einwände zeigten, dass kaum Hoffnung auf eine erfolgreiche Therapie der
Depression bestehe.

6.2 Die vorstehenden ärztlichen Aussagen lassen nicht willkürfrei den Schluss
auf eine zur somatoformen Schmerzstörung hinzutretende eigenständige psychische
Begleiterkrankung zu. Im Zeitpunkt der Begutachtung bestand
unbestrittenermassen keine krankheitswertige Depression. Entgegen der
Auffassung der Verfasser des Gutachtens vom 15. Januar 2007 ist
(invalidenversicherungs-)rechtlich eine fachärztlich gestellte Diagnose eines
von der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung losgelösten psychischen Leidens
unabdingbar, jedenfalls wenn eine erhebliche psychosoziale und soziokulturelle
Belastungssituation besteht (BGE 127 V 294 E. 5a S. 299), was hier
unbestrittenermassen zutrifft. Sodann kann nicht von der Erfolglosigkeit einer
psychotherapeutischen Behandlung ausgegangen werden. Gegen diese prognostische
Beurteilung spricht vorab, dass die im Gutachten der psychiatrischen Klinik
X.________ vom 5. September 2005 diagnostizierte rezidivierende depressive
Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode mit somatischen Symptomen,
erfolgreich mit Antidepressiva behandelt werden konnte. Der psychiatrische
Gutachter der MEDAS seinerseits bezeichnete den bisherigen Verlauf und, wenn
keine neuen Belastungen auftreten, auch die Prognose als günstig. Im Übrigen
wird nirgends gesagt, es gebe keine geeignete Fachperson, welche eine
Psychotherapie lege artis vornehmen könnte. Unter diesen Umständen ist die
vorinstanzliche Feststellung, Therapien zur Behandlung der Depression seien
kaum durchführbar, das Ergebnis unhaltbarer Beweiswürdigung und somit nicht
verbindlich. Selbst wenn der rezidivierenden Depression aufgrund der immer
bestehenden latenten Rückfallgefahr die Qualität einer psychischen
Begleiterkrankung zuerkannt werden wollte, könnte ihr keine ausschlaggebende
Bedeutung für die Frage des invalidisierenden Charakters der somatoformen
Schmerzstörung beigemessen werden.

7.
Nicht offensichtlich unrichtig ist hingegen die vorinstanzliche Feststellung,
bei den Bauchschmerzen handle es sich um eine körperliche Erkrankung. Daran
ändert nichts, dass die Schmerzen nicht einer spezifischen Organläsion
zugeordnet werden konnten. Dies schliesst eine körperliche Ursache der
Beschwerden nicht aus, wie der konsiliarisch beigezogene Viszeralchirurge Dr.
med. B.________ in seinem Bericht vom 17. November 2006 schlüssig und
nachvollziehbar darlegte. Von einer lediglich auf den subjektiven Angaben der
Versicherten beruhenden Beurteilung kann nicht gesprochen werden. Die Schmerzen
waren auch nach Ablenkung der Patientin wiederholt reproduzierbar, was gemäss
Dr. med. B.________ deren Echtheit bestätigte. Mit der Begründung, dass bereits
beim Heben kleinerer Lasten sowie bei Druck auf das Abdomen durch Möbelstücke
und beim Bücken Schmerzen aufträten, schloss der viszeralchirurgische Gutachter
eine ausserhäusliche Arbeitsfähigkeit aus. Diese Einschätzung wurde im
ergänzenden Bericht der Gutachtensstelle vom 20. Juni 2007 bestätigt, wonach
die Arbeitsfähigkeit wegen der Bauchschmerzen hochgradig eingeschränkt sei.
Nach dieser Beurteilung bestand somit eine chronische Begleiterkrankung, welche
für sich alleine genommen auch ohne psychiatrische Komorbidität eine erwerblich
verwertbare Arbeitsfähigkeit ausschloss. Darauf ist abzustellen. Die
vorinstanzliche Annahme einer Arbeitsunfähigkeit von 100 % seit 24. Juni 2005
ist daher im Ergebnis nicht offensichtlich unrichtig. Rentenbeginn und Umfang
des Rentenanspruchs (E. 4 in fine) sind unbestritten. Die Beschwerde ist somit
unbegründet.

8.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die IV-Stelle die Gerichtskosten zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). und der Beschwerdegegnerin eine
Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG). Deren Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege ist somit gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der IV-Stelle Luzern auferlegt.

3.
Die IV-Stelle Luzern hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 3. April 2009

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Fessler