Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 441/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_441/2009

Urteil vom 14. September 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Parteien
T.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dominik Frey,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom
8. April 2009.

In Erwägung,
dass die IV-Stelle des Kantons Aargau der 1955 geborenen T.________ mit
Verfügung vom 2. März 2005 ab 1. August 2001 eine bis 30. November 2001
befristete ganze Invalidenrente zusprach, woran sie mit Einspracheentscheid vom
12. Juni 2006 festhielt,
dass das Versicherungsgericht des Kantons Aargau auf die hiegegen am 15. August
2006 eingereichte Beschwerde mit Entscheid vom 15. August 2007 zufolge
Fristversäumnisses nicht eintrat,
dass T.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
liess mit dem Antrag, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die
Sache zu materieller Entscheidung an das kantonale Versicherungsgericht
zurückzuweisen,
dass das Bundesgericht die Beschwerde mit Urteil vom 18. März 2008 (9C_761/
2007) abwies,
dass T.________ am 8. April 2008 beim Versicherungsgericht des Kantons Aargau
ein Fristwiederherstellungsgesuch einreichen liess mit dem Rechtsbegehren, die
Frist zur Beschwerdeerhebung gegen den Einspracheentscheid der IV-Stelle vom
12. Juni 2006 sei wiederherzustellen und es sei auf die Beschwerde einzutreten,
dass das Versicherungsgericht das Wiederherstellungsgesuch mit Entscheid vom 8.
April 2009 abwies (Dispositiv-Ziffer 1) und T.________ wegen mutwilligen
Verhaltens Verfahrenskosten auferlegte (Dispositiv-Ziffer 2),
dass T.________ mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
beantragen lässt, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die
Frist zur Einreichung der Beschwerde gegen den Einspracheentscheid der
IV-Stelle vom 12. Juni 2006 wiederherzustellen und es sei auf die Beschwerde
vom 15. August 2006/8. April 2008 einzutreten,
dass die IV-Stelle - unter Verweis auf die vorinstanzliche Begründung - das
Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung verzichten,
dass nach Art. 41 ATSG eine versäumte Frist wieder hergestellt wird, wenn die
gesuchstellende Person oder ihre Vertretung unverschuldeterweise abgehalten
worden ist, binnen Frist zu handeln, sofern sie unter Angabe des Grundes innert
30 Tagen nach Wegfall des Hindernisses darum ersucht und die versäumte
Rechtshandlung nachholt,
dass die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat, dass die Beschwerdeführerin
bzw. ihr Rechtsvertreter sich in einem verschuldeten Irrtum über die Geltung
der Gerichtsferien befunden haben, weshalb eine Fristwiederherstellung schon
aus diesem Grund ausser Betracht fällt,
dass die Beschwerdeführerin nicht darzulegen vermag, dass das
Versicherungsgericht Art. 41 ATSG verletzt habe, sondern sich zur Hauptsache
darauf beschränkt, die Argumente, die ihrer Ansicht nach für die
Rechtzeitigkeit der seinerzeitigen Beschwerde sprechen, und mit welchen sich
das Bundesgericht bereits im Urteil 9C_761/2007 vom 18. März 2008 befasst hat,
zu wiederholen,
dass von einem unverschuldeten Hindernis, die Beschwerde innert Frist
einzureichen, insbesondere auch deshalb nicht gesprochen werden kann, weil der
Einspracheentscheid der IV-Stelle vom 12. Juni 2006 eine korrekte
Rechtsmittelbelehrung enthielt, auf welche sich die Beschwerdeführerin
verlassen konnte, wie kantonales Gericht und Bundesgericht bereits mehrmals
dargelegt haben,
dass der Beschwerde im Hauptpunkt schon aus diesen Gründen keine Folge gegeben
werden kann, weshalb offen bleiben kann, ob das Wiederherstellungsgesuch
rechtzeitig erfolgte oder ob es nicht vielmehr binnen 30 Tagen hätte
eingereicht werden müssen, nachdem der kantonale Nichteintretensentscheid
zufolge Fristversäumnisses vom 15. August 2007 ergangen war, hatte die
Versicherte doch bereits damals Kenntnis davon, dass ihre Rechtsauffassung
nicht zutreffen dürfte,
dass ebenfalls dahingestellt bleiben kann, ob die Beschwerdeführerin als
weiteres Erfordernis der Wiederherstellung die versäumte Rechtshandlung innert
der Frist von 30 Tagen gemäss Art. 41 ATSG nachgeholt hat, enthält doch der
angefochtene Entscheid keine Feststellungen tatsächlicher Natur zu diesem
Punkt, während die Beschwerdeführerin zwar behauptet, die Beschwerde gegen den
Einspracheentscheid vom 12. Juni 2006 mit dem Gesuch um Fristwiederherstellung
nochmals eingereicht zu haben, eine entsprechende Rechtsschrift sich indessen
nicht in den Akten befindet,
dass die Vorinstanz der Beschwerdeführerin sodann gestützt auf Art. 61 lit. a
ATSG infolge mutwilligen Verhaltens Verfahrenskosten in der Höhe von Fr. 500.-
auferlegt hat mit der Begründung, dass sie aufgrund des Urteils des
Bundesgerichts 9C_761/2007 vom 18. März 2008 die Aussichtslosigkeit des
Wiederherstellungsgesuchs ohne weiteres hätte erkennen können,
dass die Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung Mutwilligkeit im
Sinne von Art. 61 lit. a ATSG anzunehmen ist, nicht gegeben sind, darf doch die
Erhebung einer aussichtslosen Beschwerde einer leichtsinnigen oder mutwilligen
Beschwerdeführung nicht gleichgesetzt werden und war die Aussichtslosigkeit des
Wiederherstellungsgesuchs für die Beschwerdeführerin entgegen der Auffassung
der Vorinstanz jedenfalls nicht ohne weiteres erkennbar (BGE 128 V 333 E. 1b S.
324), zumal im Urteil des Bundesgerichts 9C_761/2007 vom 18. März 2008 nicht
die Wiederherstellung einer versäumten Beschwerdefrist zur Diskussion stand,
dass der Beschwerde deshalb im Kostenpunkt stattzugeben ist,
dass in Anwendung von Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG von der Auferlegung von
Gerichtskosten abzusehen ist,
dass die teilweise obsiegende Beschwerdeführerin hingegen Anspruch auf eine
reduzierte Parteientschädigung hat, welche die IV-Stelle, die als Gegenpartei
das Kostenrisiko trägt, zu bezahlen hat (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG),

erkennt das Bundesgericht:

1.
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird Dispositiv-Ziffer 2 des
Entscheids des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 8. April 2009
aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die IV-Stelle des Kantons Aargau hat die Beschwerdeführerin für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1000.- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 14. September 2009

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Widmer