Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 435/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_435/2009

Urteil vom 14. August 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Parteien
V.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Evalotta Samuelsson,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle Schwyz,
Rubiswilstrasse 8, 6438 Ibach,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom
26. März 2009.

Sachverhalt:

A.
Der 1962 geborene V.________ war in verschiedenen Berufen erwerbstätig, bevor
die Invalidenversicherung von 1991 bis 1993 die wegen chronischer
Niereninsuffizienz erforderliche Umschulung zum Holzbearbeiter in der
Schreinerei der Eingliederungsstätte X.________ übernahm. Nach erfolgreicher
Nierentransplantation im Oktober 1995 nahm V.________ eine selbstständige
Erwerbstätigkeit als Schuhmacher auf.

Mit Verfügung vom 23. Oktober 2006 lehnte die IV-Stelle Schwyz das mit
Anmeldung vom 27. Januar 2006 gestellte Gesuch um Zusprechung einer
Invalidenrente (wegen Fersenentzündung am linken Fuss) ab, weil die
Erwerbseinbusse bei Ausübung einer leidensangepassten Tätigkeit lediglich 15 %
betrage. Dieser Verwaltungsakt blieb unangefochten.

Am 7. Dezember 2007 meldete sich V.________ erneut bei der
Invalidenversicherung zum Rentenbezug an wegen Gichtproblemen. Gestützt auf das
Gutachten der Dres. med. W.________, Rheumatologie und Physikalische Medizin,
und G.________, Physikalische Medizin vom 8. Juli 2008 sowie die Evaluation der
funktionellen Leistungsfähigkeit durch die Ergonomie H.________ (Bericht vom 9.
Juli 2008), lehnte die IV-Stelle das Rentengesuch nach durchgeführtem
Vorbescheidverfahren aufgrund eines Invaliditätsgrades von 15 % wiederum ab
(Verfügung vom 3. Oktober 2008).

B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde, mit welcher V.________ beantragen liess,
die Verwaltungsverfügung sei aufzuheben und die Sache sei an die IV-Stelle
zurückzuweisen, damit sie ihm das rechtliche Gehör gewähre und hernach über den
Invalidenrentenanspruch neu verfüge, wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Schwyz ab (Entscheid vom 26. März 2009).

C.
V.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und
der angefochtenen Verfügung sei die Sache zu weiteren Abklärungen und neuer
Verfügung über das Rentengesuch an die IV-Stelle zurückzuweisen.
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Neue Tatsachen und
Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der
Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zu Recht zum Schluss gelangt ist,
die medizinischen Grundlagen seien ausreichend, um den Invalidenrentenanspruch
zu beurteilen, oder ob weitere Abklärungen erforderlich sind und die Sache zu
diesem Zweck an die Verwaltung zurückzuweisen ist, wie der Beschwerdeführer
geltend macht.

3.
3.1 Das kantonale Gericht stellte in einlässlicher Würdigung der Arztberichte,
insbesondere gestützt auf das Gutachten der Dres. med. G.________ und
W.________ vom 8. Juli 2008 sowie die dazugehörige Evaluation der funktionellen
Leistungsfähigkeit durch den Ergonometrie-Therapeuten H.________ und die
Untersuchung durch Dr. med. R.________, Kreisarzt der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA), vom 17. Juli 2008 fest, der Beschwerdeführer
sei - wie bereits bei Erlass der ersten Rentenablehnungsverfügung vom 23.
Oktober 2006 - weiterhin in der Lage, eine leidensangepasste Erwerbstätigkeit
zu 100 % zu verrichten. Die Vorinstanz führte des Weiteren aus, es sei nicht
notwendig, eine interdisziplinäre Begutachtung anzuordnen, weil die
rheumatologische Untersuchung schlüssig sei, die Gelenksleiden bekannt seien
und Tätigkeiten mit erheblicher Belastung der Hand- und Kniegelenke von keiner
Seite in Betracht gezogen würden.

3.2 Der Beschwerdeführer rügt, dass er lediglich von zwei Rheumatologen und
Ärzten für Physikalische Medizin abgeklärt worden sei. Aufgrund seiner Unfall-
und Krankengeschichte hätte jedoch ein interdisziplinäres Gutachten mit
Medizinern der Fachrichtungen Orthopädie (STT-Arthrose an der Hand; Folgen der
Kreuzbandrupturen) sowie Innere Medizin (Nierenleiden, Arthritis) durchgeführt
werden müssen.

Ferner behauptet der Versicherte, die Vorinstanz habe den Kreisarzt
willkürlicherweise zitiert, indem sie festhielt, dieser habe einen
unveränderten Status betreffend Kniebeschwerden erhoben; in Tat und Wahrheit
habe der Kreisarzt nur festgehalten, der klinische Befund lasse keine
wesentliche Progredienz vermuten.

Schliesslich legt der Beschwerdeführer einen Austritts- und Operationsbericht
des Spitals E.________ vom 24. Dezember 2008 über eine Kniearthroskopie rechts
sowie einen Bericht des Handchirurgen Dr. med. M.________ vom 26. Februar 2009
ins Recht; daraus ergäben sich Diagnosen, welche vom Gutachter Dr. W.________
nicht erhoben worden seien. Erst seit der Stellungnahme des Dr. med. M.________
sei ersichtlich, dass die Arbeitsunfähigkeit 50 % bis 60 % betrage.

4.
4.1 Nachdem ein erstes Rentengesuch mit rechtskräftiger Verfügung vom 23.
Oktober 2006 abgelehnt wurde, könnte der Beschwerdeführer eine Invalidenrente
nur beanspruchen, wenn in seiner gesundheitlichen Situation bis 3. Oktober 2008
eine rentenerhebliche Verschlechterung eingetreten wäre. Der Beschwerdeführer
macht dem Sinne nach geltend, bei Erlass der zweiten Ablehnungsverfügung vom 3.
Oktober 2008 entgegen der Auffassung von Verwaltung und Vorinstanz zu
mindestens 40 % erwerbsunfähig gewesen zu sein, hält aber dafür, dass einzig
eine interdisziplinäre Begutachtung Aufschluss über die genaueren Diagnosen und
das Ausmass der Arbeitsunfähigkeit geben könne, was alsdann die Bestimmung des
Invaliditätsgrades erlaube.

4.2 Die aufgrund von medizinischen Untersuchungen gerichtlich festgestellte
Arbeitsunfähigkeit ist eine Entscheidung über eine Tatfrage (vgl. BGE 132 V 393
E. 3.2 S. 397). Dies gilt ebenso, wenn die Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit
zusätzlich auf einer Evaluation der arbeitsbezogenen funktionellen
Leistungsfähigkeit mittels ergonomischer Tests beruht, wie dies vorliegend der
Fall ist. Stichhaltige Argumente dafür, dass die Feststellung der Vorinstanz,
wonach der Versicherte in einer leidensangepassten, leichteren Tätigkeit im
Oktober 2008 weiterhin voll arbeitsfähig gewesen ist, offensichtlich unrichtig
ist oder auf einer Bundesrechtsverletzung beruht, werden in der Beschwerde
nicht vorgebracht. Die Ausführung des Versicherten erschöpfen sich in weiten
Teilen in einer im Rahmen der vorliegend geltenden Überprüfungsbefugnisse
unzulässigen appellatorischen Kritik an der Beweiswürdigung der Vorinstanz.

4.3 Die Rüge, für die Abklärung des Gesundheitszustandes und der Entwicklung
des Arbeitsunfähigkeitsgrades zwischen Oktober 2006 und Oktober 2008 wäre eine
interdisziplinäre Expertise erforderlich gewesen, ist nach Lage der Akten
unbegründet. Interdisziplinäres Vorgehen ist keine absolute Anforderung,
sondern dort geboten, wo die verschiedenartigen Leiden für sich und in ihrem
Zusammenwirken invalidisierend wirken können. Beim Beschwerdeführer steht die
rheumatologische Problematik im Vordergrund. Die übrigen Leiden sind für die
Arbeitsfähigkeit in einer zumutbaren Verweisungstätigkeit (Art. 6 ATSG) nicht
von ausschlaggebender Bedeutung. Auch liegt nichts vor, was die fachliche
Befähigung der Dres. med. G.________ und W.________ in Zweifel zu ziehen
geeignet wäre. Wie aus dem Administrativgutachten der Dres. med. G.________ und
W.________ vom 8. Juli 2008 hervorgeht, haben die Ärzte sich nicht nur mit der
rheumatologischen Seite des Krankheitsbildes befasst, sondern auch chirurgische
und internistische Diagnosen berücksichtigt. Zum Miteinbezug von Diagnosen
anderer Spezialärzte in ihre Beurteilung waren die Rheumatologen befähigt,
zumal sie sich auf zahlreiche Berichte anderer Fachärzte stützen konnten, die
in der Anamnese des Gutachtens aufgelistet sind. Was sodann klar für das
Gutachten spricht und allfällige Zweifel an dessen Beweistauglichkeit
beseitigt, ist der Umstand, dass die für den Rentenanspruch massgebende
Stellungnahme zur Arbeitsunfähigkeit wesentlich auf die auf verschiedenen Tests
beruhende Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit durch die Ergonomie
H.________ abstellt und damit nicht nur medizinisch- theoretisch abgestützt
ist.
Der Vorinstanz kann entgegen den Vorbringen in der Beschwerde auch insoweit
keine Bundesrechtswidrigkeit vorgeworfen werden, als sie aus dem Bericht des
SUVA-Kreisarztes Dr. med. R.________ über die Untersuchung vom 17. Juli 2008
nicht auf eine Verschlechterung der gesundheitlichen Situation mit Auswirkungen
auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit geschlossen hat. Dass die SUVA ferner
nach dem Eingriff am linken Knie vom 24. Dezember 2008 nochmals zur Kausalität
eines Unfalls aus dem Jahr 1987 für die Kniebeschwerden Stellung nimmt, ist
hinsichtlich der vorliegend interessierenden Leistungen der
Invalidenversicherung unerheblich, und wenn die Anstalt zusätzliche Abklärungen
als erforderlich erachtet hat, betrifft dies nicht den vorliegend massgeblichen
Zeitraum bis Verfügungserlass am 3. Oktober 2008.

4.4 Der letztinstanzlich eingereichte Bericht des Handchirurgen Dr. med.
M.________ vom 26. Februar 2009 befasst sich mit der Unfallkausalität der
Handbeschwerden, die für die Invalidenversicherung unerheblich ist. Die Angaben
des Arztes über die Einschränkung der Leistungsfähigkeit (40 bis 50 % infolge
eines Unfalls vom 6. Dezember 2005) sind nicht begründet und beziehen sich im
Übrigen ausdrücklich auf die bisherige und damit nicht eine leidensangepasste
Tätigkeit. Schliesslich ist auch der Austritts-/Operationsbericht des Spitals
E.________ (vom 24. Dezember 2008) nicht geeignet, zusätzliche medizinische
Abklärungen als unentbehrlich erscheinen zu lassen. Denn der Eingriff
(Kniearthroskopie rechts) wurde im Dezember 2008 vorgenommen, und der
Operationserfolg ist nicht bekannt. Rückschlüsse auf den Zeitpunkt des
Verfügungserlasses sind demzufolge nicht möglich.

Ob die beiden letztinstanzlich eingereichten Arztberichte im Lichte von Art. 99
Abs. 1 BGG (vgl. E. 1 hievor) als zulässig zu erachten wären, kann mangels
deren Relevanz für den vorliegenden Prozess daher offenbleiben.

Dass seit Anfang Oktober 2008 zufolge einer Verschlimmerung des
gesundheitlichen Zustandes eine rentenrelevante Zunahme der Arbeits- und
Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, müsste vom Beschwerdeführer im Rahmen einer
neuen Anmeldung bei der Invalidenversicherung glaubhaft gemacht werden (Art. 87
Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 3 IVV).

5.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem unterliegenden
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 14. August 2009

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Widmer