Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 403/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_403/2009

Urteil vom 10. November 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiber Schmutz.

Parteien
IV-Stelle des Kantons Aargau,
Kyburgerstrasse 15, 5000 Aarau,
Beschwerdeführerin,

gegen

J.________,
handelnd durch ihren Vater,
und dieser vertreten durch Procap, Schweizerischer Invaliden-Verband,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 3. März 2009.

Sachverhalt:

A.
Die am 10. Juli 2006 geborene J.________ ist mit den Geburtsgebrechen Nr. 313
(angeborene Herz- und Gefässmissbildungen), Nr. 462 (angeborene Störungen der
hypothalamohypophysären Funktion, u.a. Prader-Willi-Syndrom) und Nr. 497
(schwere respiratorische Adaptationsstörungen) zur Welt gekommen. Mit Gesuch
vom 2. August 2006 meldete sie ihr Vater zum Bezug von Leistungen der
Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle des Kantons Aarau zog Berichte des
Kinderspitals X.________ (vom 13. Oktober 2006) und der Kinderklinik des
Spitals Y.________ (vom 5. September sowie 21. und 29. November 2006) bei. Mit
Mitteilungen vom 5. und 6. Juni 2007 sprach sie J.________ die Behandlung der
Geburtsgebrechen Nr. 313 und Nr. 497 (hier beschränkt auf die Zeit vom 10. bis
22. Juli 2006) zu. Am 7. Juni 2007 verfügte sie die Übernahme der
Physiotherapie zur Behandlung des Geburtsgebrechens Nr. 462 (für die Dauer vom
10. Juli 2006 bis 31. Juli 2008); bei dieser Gelegenheit hielt sie fest, die
Wachstumshormonbehandlung gehe nicht zu ihren Lasten. Der behandelnde Arzt PD
und später Prof. Dr. med. E.________, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin,
speziell Wachstum, Hormonstörungen und Diabetes (nachfolgend: Prof.
E.________), intervenierte mit Schreiben vom 3. Juli 2007 bei der
Invalidenversicherung und ersuchte darum, bei J.________ im Rahmen des
Geburtsgebrechens Nr. 462 nicht nur ein Prader-Willi-Syndrom anzuerkennen,
sondern auch einen davon unabhängig bestehenden Wachstumshormonmangel. Mit
Vorbescheid vom 3. September 2007 und Verfügung vom 9. Mai 2008 verneinte die
IV-Stelle die Pflicht zur Behandlung mit Wachstumshormonen, da der Nachweis
eines Mangels nicht lege artis erfolgt sei.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau mit Entscheid vom 3. März 2009 aus der Begründung heraus gut, der
Nachweis eines Wachstumshormonmangels sei von Prof. E.________ als einem
Facharzt für pädiatrische Endokrinologie gestellt worden, der das gesamte
Krankheitsbild zuverlässig beurteilt habe.

C.
Die IV-Stelle des Kantons Aargau erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten und beantragt Aufhebung des kantonalen Entscheides;
eventualiter sei die Sache zu weiteren Abklärungen über den Nachweis eines
Hormonmangels an sie zurückzuweisen.
J.________ beantragt Nichteintreten auf die Beschwerde, eventualiter deren
Abweisung und subeventualiter die Anordnung eines medizinischen
Gerichtsgutachtens; zudem sei die IV-Stelle zu verhalten, die Kosten einer im
Hinblick auf das letztinstanzliche Verfahren abgefassten Stellungnahme des
Prof. E.________ vom 13. Juli 2009 zu vergüten.
Die Vorinstanz beantragt Abweisung, das Bundesamt für Sozialversicherungen
Gutheissung der Beschwerde.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung
der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig
ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105
Abs. 2 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen im Verfahren vor
Bundesgericht nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der
Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).

2.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen über den Anspruch auf medizinische
Eingliederungsmassnahmen im Allgemeinen (Art. 12 IVG) und bei Geburtsgebrechen
im Besonderen (Art. 13 Abs. 1 IVG) sowie den Begriff des Geburtsgebrechens
(Art. 3 Abs. 2 ATSG), welches den Anspruch auf Leistungen der
Invalidenversicherung begründet (Art. 13 Abs. 2 IVG in Verbindung mit der Liste
im Anhang zur GgV) und die nach Art. 2 Abs. 1 Satz 2 IVV für die
Leistungspflicht der Invalidenversicherung vorausgesetzte Wissenschaftlichkeit
der medizinischen Massnahme zutreffend dargelegt.

3.
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). In
diesem Rahmen prüft das Bundesgericht frei, ob der vorinstanzliche Entscheid
von einem richtigen Verständnis der Rechtsbegriffe ausgeht und auf der
korrekten Subsumtion des Sachverhalts unter die einschlägigen Rechtsnormen
beruht (Urteile 9C_552/2007 E. 2 vom 17. Januar 2008 E. 2 in fine und 9C_68/
2007 vom 19. Oktober 2007 E. 2.2; Seiler/von Werdt/Güngerich, Kommentar zum
Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, N. 13 zu Art. 97; Ulrich Meyer, Basler
Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, Basel 2008, N. 4 zu Art. 97 BGG). Demnach
ist überprüfbar, ob die Vorinstanz zu Recht zum Schluss gekommen ist, dass bei
unbestrittenem Vorliegen eines Prader-Willi-Syndroms und einer fachärztlich
pädiatrisch-endokrinologischen Diagnosestellung eines daneben unabhängig
bestehenden Wachstumshormonmangels die Voraussetzungen für die Übernahme der
Behandlung durch die Invalidenversicherung gegeben sind. Dem Antrag der
Beschwerdegegnerin, auf die Beschwerde nicht einzutreten, weil die
vorinstanzliche Feststellung des Hormonmangels eine Sachverhalts- und keine
Rechtsfrage betreffe und keine Rügen im Sinne von Art. 105 Abs. 2 BGG
vorgebracht würden, ist nicht zu entsprechen. Die Beurteilung erfasst
rechtsprechungsgemäss lediglich die Verhältnisse, wie sie sich bis zum Erlass
der angefochtenen Verwaltungsverfügung (9. Mai 2008) entwickelt haben (BGE 125
V 146 E. 2c S. 150).

4.
4.1 Die Leistungspflicht der Invalidenversicherung bei medizinischen Massnahmen
im Allgemeinen (Art. 12 IVG) und bei Geburtsgebrechen (Art. 13 IVG) im
Besonderen setzt u.a. voraus, dass die Massnahmen nach bewährter Erkenntnis der
medizinischen Wissenschaft angezeigt sind und den therapeutischen Erfolg in
einfacher und zweckmässiger Weise anstreben (Art. 2 Abs. 1 IVV und Art. 2 Abs.
3 GgV). Nach der Rechtsprechung gilt eine Behandlungsart dann als bewährter
Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft entsprechend, wenn sie von
Forschenden und Praktizierenden der medizinischen Wissenschaft auf breiter
Basis anerkannt ist. Das Schwergewicht liegt auf der Erfahrung und dem Erfolg
im Bereich einer bestimmten Therapie (BGE 115 V 191 E. 4b S. 195, 123 V 53 E.
2b/aa S. 58, je mit Hinweisen; AHI 2001 S. 76 f. E. 1b). Die für den Bereich
der Krankenpflegeversicherung entwickelte Definition der Wissenschaftlichkeit
findet prinzipiell auch auf die medizinischen Massnahmen der
Invalidenversicherung Anwendung. Eine Vorkehr, welche mangels
Wissenschaftlichkeit nicht durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung
zu übernehmen ist, kann grundsätzlich auch nicht als medizinische Massnahme
nach Art. 12 oder 13 IVG zu Lasten der Invalidenversicherung gehen. Die in
diesem Sinne lautende, zum KUVG ergangene Rechtsprechung (BGE 123 V 60 E. 2b/cc
mit Hinweisen; AHI 2001 S. 76 f. E. 1b) ist unter der Herrschaft des seit 1.
Januar 1996 geltenden KVG weiterhin anwendbar (Urteile I 519/03 vom 11.
Dezember 2003 E. 5, I 757/02 vom 11. März 2003 E. 2.1, I 462/01 vom 4. Juli
2002 E. 2a, I 120/01 vom 25. Oktober 2001 E. 2a). Medizinische
Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung (Art. 12 und 13 IVG) sowie
Analysen und Arzneimittel (Art. 4bis IVV) werden somit nur unter der
Voraussetzung gewährt, dass sie wissenschaftlich anerkannt sind
(wissenschaftlich nachgewiesene Wirksamkeit, vgl. dazu BGE 129 V 167 E. 3.2 S.
170 f. mit Hinweisen, bzw. wissenschaftliche Anerkennung, vgl. BGE 125 V 21 E.
5a in fine S. 28, 123 V 53 E. 2b/cc S. 60; Urteil I 519/03 vom 11. Dezember
2003 E. 5.1).

4.2 Der Leistungsanspruch bei Geburtsgebrechen gemäss Art. 13 IVG besteht -
anders als nach der allgemeinen Bestimmung des Art. 12 IVG - unabhängig von der
Möglichkeit einer späteren Eingliederung in das Erwerbsleben oder in den
Aufgabenbereich (Art. 8 Abs. 2 IVG). Eingliederungszweck ist die Behebung oder
Milderung der als Folge eines Geburtsgebrechens eingetretenen Beeinträchtigung
(BGE 115 V 202 E. 4e/cc S. 205; SVR 2003 IV Nr. 12 S. 35 E. 1.2, Nr. 16 S. 48
E. 2.3).

4.3 Die Verwaltung als verfügende Instanz und - im Beschwerdefall - das Gericht
dürfen eine Tatsache nur dann als bewiesen annehmen, wenn sie von ihrem
Bestehen überzeugt sind (Kummer, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. Aufl.,
Bern 1984, S. 136). Im Sozialversicherungsrecht hat das Gericht seinen
Entscheid, sofern das Gesetz nicht etwas Abweichendes vorsieht, nach dem
Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu fällen. Die blosse
Möglichkeit eines bestimmten Sachverhalts genügt den Beweisanforderungen nicht.
Der Richter und die Richterin haben vielmehr jener Sachverhaltsdarstellung zu
folgen, die sie von allen möglichen Geschehensabläufen als die
Wahrscheinlichste würdigen (BGE 126 V 353 E. 5b S. 360, 125 V 193 E. 2 S. 195,
je mit Hinweisen).

5.
Streitig ist der Anspruch der Beschwerdegegnerin auf medizinische
Eingliederungsmassnahmen in Form einer Wachstumshormontherapie durch die
Invalidenversicherung.

5.1 Laut Rz. 462 des Kreisschreibens des Bundesamtes für Sozialversicherungen
über die medizinischen Eingliederungsmassnahmen (KSME) kann bei angeborenen
Störungen der hypothalamohypophysären Funktion (hypophysärer Kleinwuchs,
Diabetes insipidus, Prader-Willi-Syndrom und Kallmann-Syndrom) eine Behandlung
mit Wachstumshormon nur bei nachgewiesenem Wachstumshormonmangel übernommen
werden. Beim Prader-Willi-Syndrom z.B. setzt dies voraus, dass zusätzlich ein
Wachstumshormonmangel ausgewiesen ist. Der Nachweis des Wachstumshormonmangels
muss lege artis erfolgen. In Zweifelsfällen (Diagnose nicht durch einen
Facharzt für pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie gestellt oder
Wachstumshormonmangel bei Diagnose SGA [small for gestational age] geltend
gemacht) ist an das Bundesamt für Sozialversicherungen zu gelangen (nach der
hier anwendbaren Fassung der Weisungen noch an den Regionalen Ärztlichen Dienst
[RAD]).

5.2 Ein Jahr nach der Geburt hat der behandelnde Facharzt Prof. E.________ im
Schreiben vom 3. Juli 2007 ausgeführt, bei der Beschwerdegegnerin liege ein vom
Prader-Willi-Syndrom unabhängiger klassischer Wachstumshormonmangel vor. Das
Kind habe im Anschluss an die Geburt ein ungenügendes Wachstum gezeigt. Am 19.
September 2006 habe eine Bestimmung des "IGF-1" [= Abk. für insulin-like growth
factors; Wachstumsfaktoren, die an der normalen körperlichen Entwicklung
beteiligt sind] einen unmessbar tiefen Wert ergeben. Dies gelte bei normal
schweren Kindern (wie damals der Beschwerdegegnerin) als eindeutiger Nachweis
für das Vorliegen eines Wachstumshormonmangels; bei Kindern dieses Alters könne
man noch keine Wachstumshormon-Stimulationstests machen. Der Verlauf der
Wachstumshormon-Substitutionsbehandlung, nämlich das exemplarische
Aufholwachstum (Grössenwert zu Beginn auf "P 8", nach drei Monaten auf "P 41"
und nach sechs Monaten auf "P 66") habe den gewünschten Erfolg gezeigt; dies
sei ein weiteres eindeutiges Zeichen für das Vorliegen eines Hormonmangels. Das
kantonale Gericht hat darauf als - im Sinne der zitierten Verwaltungspraxis -
massgebliche spezialärztliche (pädiatrisch-edokrinologische) Beurteilung
abgestellt und die gegenteilig lautende Auffassung der RAD-Ärztin in ihren
Stellungnahmen (vom 3. August 2007 und 1. April 2008) im Hinblick auf deren
fehlende Spezialisierung einerseits und das Alter der Beschwerdegegnerin sowie
die damit einhergehende Nichtdurchführbarkeit der Stimulationstests anderseits
verworfen.

5.3 Die Beschwerdeführerin hält entgegen, eine einzelne Bestimmung des
IGF-1-Wertes genüge auch im Neugeborenen- und Säuglingsalter für den lege artis
Nachweis eines solchen Hormonmangels nicht; es bedürfe dazu mehrerer und
anderer Tests, insbesondere eines Wachstums-Stimulationstests. Der RAD habe am
1. April 2008 festgehalten, die Wachstumshormontherapie werde nicht
grundsätzlich abgelehnt, es müsse aber abgewartet werden, bis die
Beschwerdegegnerin in einem Alter sei, in dem die entsprechenden Untersuchungen
durchgeführt werden können. Sei dann der formelle Nachweis eines Mangels
erbracht, könne bei der Invalidenversicherung erneut ein Behandlungsgesuch
eingereicht werden.

6.
6.1 Von Amtes wegen zu prüfen ist zunächst, ob die Übernahme einer solchen
Behandlung im Rahmen des Geburtsgebrechens Nr. 462 grundsätzlich in Frage
kommt; denn im Urteil I 19/03 vom 29. Januar 2004 E. 4.2.4 hat das
Eidgenössische Versicherungsgericht die Leistungspflicht der
Invalidenversicherung verneint, weil die damals geltende Fassung der "Liste der
pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel mit Preisen"
(Spezialitätenliste; SL) dies bei Vorliegen eines Prader-Willi-Syndroms nicht
vorsah. Es waren die Spezialitäten "Norditropin" mit der Limitation "Anwendung
nur bei nachgewiesenem Somatropin-Mangel beim Kind" - Somatropin ist das
menschliche Wachstumshormon - und "Genotropin" mit der Limitation "Anwendung
nur bei nachgewiesenem Somatropin-Mangel; bei Erwachsenen nach vorgängiger
Kostengutsprache durch den Vertrauensarzt des Krankenversicherers" aufgeführt.
Ebenfalls mit der Limitierung "Anwendung nur bei nachgewiesenem
Somatropin-Mangel beim Kind" waren die Produkte "Humotrope" und "Saizen"
genannt. Eine ausdrückliche Erwähnung des Prader-Willi-Syndroms als Indikation
zur Anwendung dieser Produkte enthielt die SL dagegen nicht. Das Gericht kam
darum zum Schluss, die Wirksamkeit der Wachstumshormonbehandlung beim
Prader-Willi-Syndrom sei für die Belange der Invalidenversicherung im Rahmen
von Art. 12 und 13 IVG nur dann als wissenschaftlich hinreichend erhärtet
anzusehen, wenn von einem Somatropin-Mangel im Sinne der Limitierung in der SL
ausgegangen werden könne oder wenn deren diesbezügliche Ergänzung im konkreten
Verfahren gerechtfertigt und zulässig sei (a.a.O., E. 4.2.1).

6.2 Prof. E.________ hat im Schreiben vom 3. Juli 2007 ausgeführt, dass bei der
damals 1-jährigen Beschwerdegegnerin neben dem Prader-Willi-Syndrom ein
"klassischer" Wachstumshormonmangel vorliege. Davon ist auszugehen, auch wenn
die Beschwerdeführerin darauf beharrt, eine wie hier einzelne Bestimmung des
IGF-1-Wertes reiche zu dieser Feststellung nicht aus. Wie die Vorinstanz mit
Recht dargelegt hat, schreibt Rz. 462 KSME für die Diagnose eines
Wachstumshormonmangels einen Nachweis lege artis vor. Dazu werden bei Kindern
verschiedene Tests durchgeführt (Grössenvergleich mit dem Altersdurchschnitt
sowie Relation der Grösse des Kindes zur Grösse der Eltern; Bestimmung des
IGF-1-Wertes im Blut und seines Bindungsproteins IGFBP-3; Stimulationstests mit
Clonidin, Arginin oder mit Insulin). Im Falle der Beschwerdegegnerin
diagnostizierte der Spezialist Prof. E.________ den Wachstumshormonmangel
aufgrund der Grössenvergleiche und einer Bestimmung des IGF-1-Wertes, welcher
ergab, dass die Konzentration dieses Wachstumsfaktors im Blut unmessbar niedrig
war. Ein Wachstums-Stimulationstest konnte damals aus Altersgründen noch nicht
erfolgen. Wie die Vorinstanz zutreffend festgestellt hat, ist aber weder im
Gesetz (noch seinen Ausführungsbestimmungen) noch im KSME verbindlich
festgesetzt, dass ein pharmakologischer Wachstums-Stimulationstest für den
Nachweis eines Hormonmangels vorausgesetzt ist. Gemäss Rz. 462 KSME ist in
Zweifelsfällen - so wenn die Diagnose nicht durch einen Facharzt für
pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie gestellt wird - an die Verwaltung
(früher RAD, jetzt Bundesamt) zu gelangen. Hier stellte die Diagnose des
Wachstumsmangels mit Prof. E.________ ein Facharzt für Kinder- und
Jugendmedizin, speziell Wachstum, Hormonstörungen und Diabetes, der das gesamte
Krankheitsbild der Beschwerdegegnerin beurteilen konnte und die damals
geeigneten Tests durchgeführt hat; dies muss für den Nachweis lege artis
genügen, denn es ist unbestritten, dass ein Stimulationstest bei dem Alter der
Beschwerdegegnerin nicht durchgeführt und darum auch nicht verlangt werden
konnte. Wie die Vorinstanz zusammenfassend richtig festgestellt hat, ist der
Nachweis für einen Wachstumshormonmangel lege artis erbracht worden, und hat
die Beschwerdeführerin die Wachstumshormonbehandlung der Beschwerdegegnerin zu
übernehmen. Diese Beurteilung präjudiziert die Anspruchsberechtigung nach
Erlass der Verfügung vom 9. Mai 2008 nicht (E. 3 in fine).

7.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die unterliegende Beschwerdeführerin
kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).

8.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, der von ihr in Auftrag gegebene Bericht des
Prof. E.________ vom 13. Juli 2009 sei von der Beschwerdeführerin zu vergüten.
Dieser Anspruch kann allein schon deswegen nicht in diesem Prozess geltend
gemacht werden, weil sich die Beurteilung auf die Bundesrechtsmässigkeit des
angefochtenen Entscheides (Art. 90 BGG) beschränkt. Davon abgesehen wäre eine
Ausdehnung des Prozessthemas auf die Vergütung der Kosten dieses Berichtes auch
novenrechtlich unzulässig, da der vorinstanzliche Entscheid den Standpunkt der
Versicherten schützte - diese somit keine Veranlassung hatte, Beschwerde ans
Bundesgericht einzulegen -, weshalb von einer durch den vorinstanzlichen
Entscheid veranlassten Aktenergänzung (Art. 99 Abs. 1 BGG) offensichtlich nicht
die Rede sein kann, sodass ein zulässiges Novum schon aus diesem Grund zu
verneinen wäre.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'000.- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 10. November 2009
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Schmutz