Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 398/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_398/2009

Urteil vom 18. Dezember 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Seiler,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Parteien
Q.________, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Walter Studer,
Beschwerdeführer,

gegen

BVG-Sammelstiftung Swiss Life, c/o Schweizerische Lebensversicherungs- und
Renten-anstalt, General Guisan-Quai 40, 8002 Zürich, vertreten durch
Rechtsanwalt Jean-Michel Duc,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 5. März 2009.

Sachverhalt:

A.
Der 1949 geborene Q.________ arbeitete von Dezember 1988 bis Ende August 1992
als Maler bei der Firma M.________. Am 10. November 1988 erlitt er ein
Direkttrauma des rechten Knies, am 31. Juli 1990 bei einem Autounfall in
Italien eine offene Knieverletzung links sowie verschiedene weitere
Verletzungen. Für die Unfallfolgen erbrachte die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) die gesetzlichen Leistungen. Nach Auflösung
des Anstellungsverhältnisses wurde Q.________ zu Lasten der
Invalidenversicherung vom 26. Juli 1993 bis 12. Oktober 1995 zum
Elektronik-Verdrahter umgeschult. Vom 1. Februar 1996 bis Ende Januar 1998 war
er als Betriebsmitarbeiter bei der Firma P.________ tätig und für die
berufliche Vorsorge bei der ASPIDA Sammelstiftung für die Durchführung der
BVG-konformen Vorsorgemassnahmen (im Folgenden: ASPIDA) versichert. Auf
Anmeldung vom 14. Dezember 1999 hin wurde Q.________ ab 1. Juli 2000 bei einem
Invaliditätsgrad von 100 % eine ganze Rente der Invalidenversicherung
zugesprochen (Verfügung der IV-Stelle des Kantons Aargau vom 12. Juni 2003).
Mit Schreiben vom 21. November 2003 lehnte es die ASPIDA ab, Q.________
Leistungen für die Erwerbsunfähigkeit zu erbringen, weil diese vor dem 1.
Februar 1996 eingetreten sei.

B.
Am 3. Mai 2005 liess Q.________ beim Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich Klage einreichen mit dem Antrag, die ASPIDA sei zu verpflichten, ihm ab
1. Juli 2000 gemäss den reglementarischen Bestimmungen eine Invalidenrente auf
der Grundlage eines Invaliditätsgrades von 100 %, zuzüglich Zins zu 5 % auf den
seit Klageeinreichung verfallenen Leistungen, zuzusprechen. Nach Beizug der
Akten der Invalidenversicherung und der SUVA wies das kantonale Gericht die
Klage mit Entscheid vom 20. April 2006 ab. Es stellte im Wesentlichen fest,
dass keine Bindung an die Rentenverfügung der Invalidenversicherung bestehe und
die Arbeitsunfähigkeit, welche zur Invalidität führte, nicht während der
Anstellung des Versicherten bei der Firma P.________ eingetreten sei. In der
Folge gelangte Q.________ an das Bundesgericht (bis 31. Dezember 2006
Eidgenössisches Versicherungsgericht), welches die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit Urteil vom 17. April 2007 (B 64/06) in dem
Sinne teilweise guthiess, dass es den angefochtenen Entscheid vom 20. April
2006 aufhob und die Sache an das Sozialversicherungsgericht zurückwies, damit
es, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über die Klage neu
entscheide. Im Übrigen wies es die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.
In der Folge zog das Sozialversicherungsgericht zusätzliche Unterlagen bei. Mit
Entscheid vom 5. März 2009 wies es die Klage wiederum ab.

C.
Q.________ lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten das
in der Klage vom 3. Mai 2005 gestellte Rechtsbegehren erneuern.
Die BVG-Sammelstiftung Swiss Life, Rechtsnachfolgerin der ASPIDA, schliesst auf
Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
1.1 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.2 Feststellungen der Vorinstanz zur gesundheitlich bedingten
Arbeitsunfähigkeit (Eintritt, Grad, Dauer, Prognose usw.) betreffen Tatfragen,
soweit sie auf der Würdigung konkreter Umstände beruhen, und sind daher
lediglich unter eingeschränktem Blickwinkel überprüfbar (Art. 97 Abs. 1 BGG
sowie Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG; vgl. BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 f.). Dies
gilt auch für den Zeitpunkt des Eintritts des berufsvorsorgerechtlichen
Versicherungsfalles, d.h. der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität
geführt hat (Urteil 9C_182/2007 vom 7. Dezember 2007). In dieser Hinsicht
besteht ein wesentlicher kognitionsrechtlicher Unterschied zum Urteil B 64/06
(vgl. dortige Erwägung 1).

2.
Die Vorinstanz hat unter Hinweis auf Art. 23 BVG in der vorliegend anwendbaren,
bis Ende 2003 gültig gewesenen Fassung und die hiezu ergangene Rechtsprechung
(BGE 123 V 262 E. 1b S. 264; 121 V 97 E. 2a S. 101; 120 V 112 E. 2b S. 116)
richtig dargelegt, dass die Beschwerdegegnerin nur leistungspflichtig ist, wenn
der Beschwerdeführer bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur
Invalidität geführt hat, bei ihr versichert war und wenn zwischen der während
des Vorsorgeverhältnisses eingetretenen Arbeitsunfähigkeit und der späteren
Invalidität ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang gegeben ist (BGE
130 V 270 E. 4.1 S. 275). Zutreffend ist auch, dass die Vorsorgeeinrichtung bei
den vorliegenden Gegebenheiten nicht an die Feststellungen der IV-Organe zum
Invaliditätsgrad und zum Beginn der zur Invalidität führenden
Arbeitsunfähigkeit gebunden ist, wie das Bundesgericht bereits im
Rückweisungsurteil vom 17. April 2007 festgehalten hat. Im
berufsvorsorgerechtlichen Verfahren ist somit selbstständig zu prüfen, wann
eine Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist, die zu einer Invalidität geführt hat.

3.
Im Urteil vom 17. April 2007 hat das Bundesgericht zunächst dargelegt, in der
Zeit von Januar 1996 bis April 1997 habe keine erhebliche Beeinträchtigung der
Arbeitsfähigkeit bestanden. Damit liege eine wesentliche Unterbrechung der
Arbeitsunfähigkeit vor, weshalb eine Leistungspflicht der früheren
Vorsorgeeinrichtungen entfalle. Weiter hat es festgestellt, dass für die gemäss
Arztberichten im April 1997 eingetretene Verschlechterung des
Gesundheitszustandes keine objektiven Befunden hätten erhoben werden können und
der Verdacht auf eine funktionelle Komponente geäussert worden sei. Von den
SUVA-Ärzten sei auf zunehmend in den Vordergrund tretende psychosomatische
Faktoren sowie eine Schmerzverarbeitungsstörung geschlossen worden. Ferner sei
eine Diskrepanz zwischen den subjektiven Beschwerden und den objektiven
Befunden erkannt worden. Die von der IV-Stelle angeordnete psychiatrische
Abklärung habe zur Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung geführt. Unter
diesen Umständen frage sich, ob überhaupt eine leistungsbegründende Invalidität
vorliege; dies sei im Lichte der im Rahmen von Art. 4 IVG entwickelten
Rechtsprechung (BGE 130 V 352 ff. und 396 ff.; 131 V 49 ff.) sowie unter
Berücksichtigung der anwendbaren reglementarischen Bestimmungen zu beurteilen.
Der von der Invalidenversicherung eingeholte Bericht des Externen
Psychiatrischen Dienstes X.________ vom 4. März 2003 bilde keine hinreichende
Grundlage für die Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer bei Aufbietung
der ihm zumutbaren Willensanstrengung in der Lage wäre, die Schmerzen zu
überwinden und die verbleibende Arbeitskraft zu verwerten. Im Übrigen bleibe
offen, ob nicht neben der Schmerzstörung somatische Befunde bestünden, die für
sich alleine eine relevante Beeinträchtigung der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit
zu begründen vermöchten. Im Sinne dieser Erwägungen wies das Bundesgericht die
Sache zu ergänzenden Beweismassnahmen und neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurück. Die Erwägungen, auf welche das Rückweisungsurteil verweist, sind für
das Sozialversicherungsgericht verbindlich (BGE 113 V 159), woran sich mit dem
Inkrafttreten des BGG am 1. Januar 2007 nichts geändert hat (Urteil 9C_703/2009
vom 30. Oktober 2009).

4.
4.1 In Nachachtung des Rückweisungsurteils vom 17. April 2007 hat die
Vorinstanz Berichte der Internistin Frau Dr. med. W.________ vom 10. Oktober
2007 und des Dr. med. T.________, Facharzt für Physikalische Medizin, vom 29.
Oktober 2007, samt jeweiligem Krankendossier, beigezogen. Im Wesentlichen
gestützt auf diese Unterlagen und in Würdigung der gesamten medizinischen Akten
gelangte das Sozialversicherungsgericht zur Auffassung, es liege kein
echtzeitliches ärztliches Zeugnis vor, welches den Eintritt einer dauernden
Arbeitsunfähigkeit in einer sitzenden Tätigkeit während des
Versicherungsverhältnisses mit der Vorsorgeeinrichtung bescheinigt. Frau Dr.
med. W.________ behandle den Beschwerdeführer erst seit August 1999, weshalb
auf die von ihr für die Zeit davor attestierte Arbeitsunfähigkeit nicht
abgestellt werden könne. Dr. med. T.________ wiederum habe den Versicherten in
der Zeit vom 15. Januar 1996 bis 14. Juli 1998 gar nie gesehen. Aus den
überzeugenden kreisärztlichen Berichten der Dres. med. L.________ und
S.________ ergebe sich, dass der Beschwerdeführer aus rein somatischer Sicht
für die bei der Firma P.________ ausgeübte Tätigkeit in den Jahren 1999 und
2000 nach wie vor voll arbeitsfähig war. Was die psychische Seite betrifft,
könne den Berichten der Dres. med. T.________ und Frau W.________ entnommen
werden, dass aus diesem Grund erst seit 23. Februar 1999 eine Beeinträchtigung
der Leistungsfähigkeit besteht. Damit sei nicht erstellt, dass der Versicherte
spätestens seit Beendigung des Versicherungsverhältnisses mit der
Beschwerdegegnerin ununterbrochen zu mindestens 20 % arbeitsunfähig gewesen
ist.

4.2 Die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, namentlich zur Frage nach
dem Eintritt der andauernden Arbeitsunfähigkeit, sind entgegen den Vorbringen
in der Beschwerde weder offensichtlich unrichtig, noch beruhen sie auf einer
Bundesrechtsverletzung, weshalb das Bundesgericht davon auszugehen hat (E. 1
hievor). Das Sozialversicherungsgericht hat in Befolgung des
Rückweisungsurteils vom 17. April 2007 die psychische Seite des
Gesundheitsschadens geprüft und ist, wie erwähnt, zum Schluss gelangt, dass bis
23. Februar 1999 keine psychisch begründete Arbeitsunfähigkeit bestanden habe.
Aufgrund dieser auf den ärztlichen Angaben beruhenden Feststellung erübrigte
sich die Prüfung der Frage, ob die später eingetretene Arbeitsunfähigkeit im
Lichte der Rechtsprechung gemäss BGE 130 V 352 invalidisierend sei, weil im
Jahre 1999 längst keine Versicherungsdeckung bei der Beschwerdegegnerin mehr
bestand. Was die im Rückweisungsurteil angeordnete Abklärung der Frage
anbelangt, ob neben der somatoformen Schmerzstörung somatische Befunde
bestünden, hat die Vorinstanz unter Berücksichtigung aller in der Zeit ab der
Verschlechterung des Gesundheitszustandes im April 1997 erhobenen somatischen
Befunde gestützt auf die vorhandenen Arztberichte überzeugend dargelegt, dass
im Verhältnis zum Ausgangspunkt April 1997 während der Versicherungsdauer und
in der Folge noch bis im Jahr 2000 keine dauerhafte Verschlimmerung mit
entsprechender Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist.

4.3 Soweit der Beschwerdeführer unter Hinweis auf das Reglement der ASPIDA vom
1. Januar 1985 und den dort verwendeten Invaliditätsbegriff geltend macht, die
durch psychosoziale Faktoren oder ein somatoformes Schmerzsyndrom bewirkte
Invalidität begründe ohne weiteres einen Rentenanspruch, kann ihm nicht gefolgt
werden. Auch nach Ziff. 7.1.1 des Reglements setzt Invalidität eine infolge von
Krankheit, Unfall oder Zerfall der geistigen oder körperlichen Kräfte
eingeschränkte Arbeitsfähigkeit voraus. Rein subjektive, in der Person des
Versicherten liegende Gründe sind damit auch nach dem Reglement der ASPIDA
nicht beachtlich.
Im Übrigen erschöpfen sich die Ausführungen in der Beschwerde weitgehend in
einer im Rahmen der geltenden Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts
unzulässigen, appellatorischen Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung.
Eine vom angefochtenen Entscheid abweichende Einschätzung der ärztlichen
Beurteilungen des Gesundheitszustandes und der Stellungnahmen zum Grad der
Arbeitsunfähigkeit ist nicht geeignet, eine rechtsfehlerhafte
Sachverhaltsfeststellung oder eine anderweitige Bundesrechtsverletzung des
kantonalen Gerichts zu begründen.

4.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem unterliegenden
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Als mit
öffentlich-rechtlichen Aufgaben betraute Organisation hat die
Beschwerdegegnerin keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3
BGG; BGE 128 V 124 E. 5b S. 133).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 18. Dezember 2009
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Widmer