Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 390/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_390/2009

Urteil vom 24. Juni 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Seiler,
Gerichtsschreiber Schmutz.

Parteien
M.________,
Beschwerdeführer,

gegen

CSS Kranken-Versicherung AG, Tribschenstrasse 21, 6005 Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Krankenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 16.
März 2009.

Sachverhalt:

A.
Mit Einspracheentscheid vom 1. Oktober 2008 bestätigte die CSS
Kranken-Versicherung AG ihre Verfügung vom 29. Mai 2008, mit welcher sie das
Gesuch des M.________ um Kostengutsprache für das Medikament Bondronat in Höhe
von Fr. 6021.95 abgelehnt hatte.

B.
Auf die hiegegen eingereichte Beschwerde trat das Verwaltungsgericht des
Kantons Bern mit Entscheid vom 16. März 2009 nicht ein, weil sie am 7. November
2008 verspätet eingereicht worden sei.

C.
M.________ erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt sinngemäss, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei dem
Fristwiederherstellungsgesuch stattzugeben und das kantonale Gericht zu
verpflichten, auf die Beschwerde einzutreten.

Erwägungen:

1.
Anfechtungsobjekt ist der Entscheid des kantonalen Gerichts vom 16. März 2009,
mit welchem auf die Beschwerde nicht eingetreten worden ist. Es handelt sich
dabei um einen das vorinstanzliche Verfahren abschliessenden Endentscheid im
Sinne von Art. 90 BGG, gegen welchen die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten offen steht (BGE 132 V 74 E. 1.1 S. 76).

2.
2.1 Krankheit kann ein unverschuldetes, zur Wiederherstellung einer Frist
führendes Hindernis sein, doch muss die Erkrankung derart sein, dass die
rechtsuchende Person oder ihre Vertretung durch sie davon abgehalten wird,
selber innert Frist zu handeln oder doch eine Drittperson mit der Vornahme der
Handlung zu beauftragen (Urteil 2C_401/2007 vom 21. Januar 2008 E. 3.3).
Voraussetzung ist, dass die körperliche, geistige oder psychische
Beeinträchtigung jegliches auf die Fristwahrung gerichtetes Handeln wie etwa
den Beizug eines (Ersatz-)Vertreters verunmöglichte (Urteil P 47/06 vom 4.
Dezember 2006 E. 5.2 mit Hinweisen).

2.2 Die Erkrankung hört auf, ein unverschuldetes Hindernis im Sinne von Art. 41
ATSG zu sein, sobald es für den Betroffenen objektiv und subjektiv zumutbar
wird, die Rechtshandlung selber vorzunehmen oder die als notwendig erkennbare
Interessenwahrung an einen Dritten zu übertragen (BGE 119 II 86 E. 2a S. 87 mit
Hinweisen; 112 V 255).

2.3 Eine Wiederherstellung zugelassen wurde etwa bei einem an einer schweren
Lungenentzündung erkrankten und hospitalisierten Versicherten oder bei einer
Person, die wegen schwerer nachoperativer Blutungen massive zerebrale
Veränderungen aufwies, intellektuell stark beeinträchtigt und daher während der
gesamten Rechtsmittelfrist weder fähig war, selber Beschwerde zu erheben, noch
sich bewusst werden konnte, dass sie jemanden mit der Interessenwahrung hätte
betrauen sollen (BGE 112 V 255 E. 2a S. 255 f. mit Hinweisen; in HAVE 2007 S.
317 zusammengefasstes Urteil C 272/03 vom 9. Juli 2004 E. 2.2).

2.4 Nicht gewährt wurde die Wiederherstellung dagegen in Fällen eines
immobilisierten rechten Armes und einer schweren Grippe, wo keine objektiven
belegten Anhaltspunkte dafür bestanden, dass der Rechtsuchende nicht im Stande
gewesen wäre, trotz der Behinderung fristgerecht zu handeln oder nötigenfalls
einen Vertreter mit der Interessenwahrung zu betrauen (BGE 112 V 255 E. 2a S.
256 mit Hinweisen; Urteil 2C_401/2007 vom 21. Januar 2008 E. 3.3).

2.5 Bedeutsam für die Frage, ob Krankheit im Sinne eines unverschuldeten
Hindernisses die Partei von eigenem fristgerechten Handeln oder der
Beauftragung eines Dritten abgehalten hat, ist vor allem die letzte Zeit der
Rechtsmittelfrist, weil die gesetzliche Regelung jedermann dazu berechtigt, die
notwendige Rechtsschrift erst gegen das Ende der Frist auszuarbeiten und
einzureichen. Erkrankt die Partei eine gewisse Zeit vor Fristablauf, so ist es
ihr in aller Regel möglich und zumutbar, ihre Interessen selber zu verteidigen
oder die Dienste eines Dritten in Anspruch zu nehmen; erkrankt die Partei
dagegen ernsthaft gegen das Ende der Frist, so wird sie im Allgemeinen nicht in
der Lage sein, selber zu handeln oder einen Dritten zu beauftragen, weshalb in
solchen Fällen die Wiederherstellung zu gewähren ist (BGE 112 V 255 E. 2a S.
256 in fine mit Hinweis).

3.
3.1 Die Vorinstanz hat den Entscheid damit begründet, angesichts des Umstandes,
dass der Beschwerdeführer am 5. November 2008 in der Lage gewesen sei, selber
eine rechtsgenügliche Beschwerde zu verfassen, sei davon auszugehen, er sei
aufgrund seiner Erkrankung nicht derart stark beeinträchtigt gewesen, dass er
sich nicht bewusst werden konnte, jemanden mit der Interessenwahrung betrauen
zu müssen (E 3.2 Abs. 2). Es sei ihm somit trotz des reduzierten
Gesundheitszustandes möglich und zumutbar gewesen, am 5. oder 6. November 2008
(= letzter Tag der Frist) eine Hilfsperson (Kurier- oder Taxidienst oder
bekannte Person) mit der rechtzeitigen Postaufgabe zu betrauen.

3.2 Was der Beschwerdeführer vorbringt, rechtfertigt wie bereits vorinstanzlich
erwogen nach der Rechtsprechung nicht die Annahme eines unverschuldetes
Hindernisses im Sinne des Art. 41 ATSG: Trotz der Entfernung von einem
Kilometer bis zum nächsten Nachbarn oder 25 Kilometern zum Postamt wäre es ihm
bereits am 6. November 2008 und nicht erst am Folgetag objektiv und subjektiv
möglich und zumutbar gewesen, den Weg anzutreten oder einen Dritten damit zu
beauftragen.

3.3 Es war auch nicht so, dass er erst gegen Ende der Frist ernsthaft erkrankte
und so allenfalls aufgrund der konkreten Umstände die Wiederherstellung der
Frist zu gewähren wäre. Mangels Vorliegens der formellen Voraussetzungen ist
das kantonale Gericht darum auf die Beschwerde zu Recht nicht eingetreten.

4.
Die Gerichtskosten werden dem Beschwerdeführer als unterliegender Partei
auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 24. Juni 2009

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Schmutz