Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 375/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_375/2009

Urteil vom 8. Oktober 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Borella, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiberin Dormann.

Parteien
AXA Stiftung Berufliche Vorsorge,
vertreten durch Rechtsanwältin Isabelle Schwander, Beschwerdeführerin,

gegen

S.________ GmbH,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge (vorinstanzliches Verfahren),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 10. Februar 2009.

Sachverhalt:

A.
Die Firma S.________ GmbH war seit 1. Januar 2000 für die Durchführung der
beruflichen Vorsorge mit Vertrag Nr. ... an die Winterthur-Columna, Stiftung
für die berufliche Vorsorge (heute: AXA Stiftung Berufliche Vorsorge,
Winterthur; nachfolgend: AXA) angeschlossen. Mit Zahlungsbefehl Nr. ... vom
Februar 2007 des Betreibungsamtes X.________ leitete die Vorsorgeeinrichtung
für ausstehende Prämien, Beiträge und Zinsen die Betreibung ein, worauf die
S.________ GmbH ohne Begründung Rechtsvorschlag erhob. Nachdem die daraufhin
von der S.________ GmbH zugesagte Bezahlung der Ausstände nicht erfolgte, wurde
mit Zahlungsbefehl Nr. ... vom April 2008 des Betreibungsamtes X.________
erneut die Betreibung für Forderungen im Betrag von Fr. 3'782.80 (nebst Zins)
eingeleitet. Auch dagegen erhob die Arbeitgeberin unbegründeten
Rechtsvorschlag.

B.
Am 13. Mai 2008 machte die Vorsorgeeinrichtung ihre Ausstände klageweise
geltend. Nachdem sich die S.________ GmbH trotz zweimaliger Aufforderung nicht
vernehmen liess, hiess das Versicherungsgericht des Kantons Aargau die Klage
mit Entscheid vom 10. Februar 2009 gut, verpflichtete die S.________ GmbH, der
AXA den Betrag von Fr. 3'969.20 nebst Zins zu 5 % ab 2. April 2008 zu bezahlen
(Dispositiv-Ziffer 1) und hob den Rechtsvorschlag in der Betreibung Nr. ... des
Betreibungsamtes X.________ auf (Dispositiv-Ziffer 2). Wegen mutwilliger
Prozessverursachung auferlegte es der unterlegenen Beklagten Gerichtskosten von
Fr. 403.- (Dispositiv-Ziffer 3), hingegen sprach es der AXA als
Sozialversicherungsträgerin keine Parteientschädigung zu (Dispositiv-Ziffer 4).

C.
Die AXA lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und
beantragen, es sei Dispositiv-Ziffer 4 des angefochtenen Entscheides aufzuheben
und ihr eine Prozessentschädigung für das erstinstanzliche Verfahren in der
Höhe von Fr. 963.45 zuzusprechen; unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu
Lasten der Beschwerdegegnerin, eventuell des Versicherungsgerichtes.
Das kantonale Gericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde, während die
S.________ GmbH und das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine
Stellungnahme verzichten.
Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem
die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).

2.
Streitig und zu prüfen ist einzig, ob die anwaltlich vertretene und im
vorinstanzlichen Verfahren obsiegende Vorsorgeeinrichtung aufgrund mutwilliger
Prozessverursachung Anspruch auf eine Parteientschädigung hat.

3.
3.1 Die bundesrechtliche Minimalanforderung der Kostenlosigkeit des Verfahrens
nach Art. 73 Abs. 2 BVG (SR 831.40) steht unter dem Vorbehalt des allgemeinen
sozialversicherungsrechtlichen Verfahrensgrundsatzes, dass die Partei nicht in
Mutwilligkeit oder Leichtsinn verfallen ist (BGE 126 V 143 E. 4a S. 149 f.; SZS
2003 S. 360, B 108/01 E. 5.1.1, mit weiteren Hinweisen). Die Bejahung einer
mutwilligen oder leichtsinnigen Prozessführung führt zur Pflicht, nicht nur die
Verfahrenskosten zu tragen (BGE 118 V 316), sondern auch die obsiegende
Vorsorgeeinrichtung, soweit anwaltlich (oder sonst wie qualifiziert, d.h. im
Rahmen eines den Ersatz der Verbeiständungskosten begründenden
Mandatsverhältnisses mit einer Fachperson) vertreten, zu entschädigen,
vorausgesetzt es finde sich im kantonalen Verfahrensrecht für einen solchen
Parteientschädigungsanspruch die erforderliche gesetzliche Grundlage (BGE 128 V
323 E. 1a S. 323 f.;127 V 205; 126 V 143 E. 4 S. 149 ff.; SZS 2003 S. 360, B
108/01 E. 5.1.1).

Wer als Arbeitgeber Rechnungen und Mahnungen betreffend die berufliche Vorsorge
nicht beachtet, sich deswegen von der Vorsorgeeinrichtung betreiben lässt,
diese - bei materiell offensichtlich unbegründetem Standpunkt - mittels
Rechtsvorschlag zwingt, den Rechtsweg zu beschreiten, in eben diesem selber
veranlassten Prozess nichts von sich hören lässt und somit nicht das Geringste
zur Klärung des Sachverhalts beiträgt, handelt mutwillig. Eine solche
Prozessverursachung verbunden mit der durch Untätigkeit geprägten Haltung im
Gerichtsverfahren, welche insgesamt auf eine Verzögerungstaktik des
Zahlungspflichtigen hinausläuft, ist durch Auferlegung von Kosten zu
sanktionieren (BGE 124 V 285 E. 4b S. 289, mit weiteren Hinweisen).

3.2 Die in zeitlicher Hinsicht (vgl. § 84 des aargauischen Gesetzes über die
Verwaltungsrechtspflege vom 4. Dezember 2007 [SAR 271.200]) massgebliche
kantonalrechtliche Grundlage findet sich in den bis 31. Dezember 2008 geltenden
Bestimmungen von § 2 der Verordnung über die Rechtspflege in der beruflichen
Vorsorge vom 2. Juli 1984 (SAR 271.133; VRbV) in Verbindung mit § 41 Abs. 2 der
Verordnung über die Rechtspflege in Sozialversicherungssachen vom 22. Dezember
1964 (VRS). Lässt sich nach kantonalem Recht die streitige Forderung nicht
unter den in § 41 Abs. 2 VRS genannten Begriff "Verfahrenskosten" subsumieren,
ist gemäss § 2 VRbV in Verbindung mit §§ 42 und 30 VRS die Regelung von § 112
Abs. 1 der Zivilprozessordnung vom 18. Dezember 1984 (SAR 221.100; ZPO) als
Grundlage für die Auferlegung einer Parteientschädigung heranzuziehen, zumal
der Verweis von § 30 VRS hinsichtlich der Prozesskosten auch Parteikosten
umfasst (vgl. § 100 Abs. 1 ZPO).
Die Feststellungen des kantonalen Gerichts, wonach die Beschwerdegegnerin als
angeschlossene Arbeitgeberin Rechnungen und Mahnungen der Vorsorgeeinrichtung
nicht beachtet, in den Betreibungsverfahren unbegründet Rechtsvorschlag erhoben
und sich im Gerichtsverfahren auch innert Nachfrist nicht geäussert habe, sind
nicht offensichtlich unrichtig und daher für das Bundesgericht verbindlich (E.
1). Zu Recht hat die Vorinstanz dieses Verhalten als mutwillig bezeichnet und
der Beschwerdegegnerin daher Gerichtskosten auferlegt. Weshalb dieses Gebaren
in Bezug auf das Gericht oder die Vorsorgeeinrichtung unterschiedlich zu
qualifizieren sein soll, ist nicht einzusehen. Daran ändert auch nichts, dass
der obsiegende Sozialversicherungsträger grundsätzlich keinen Anspruch auf
Parteientschädigung hat, steht diese Regelung doch in engem Zusammenhang mit
der grundsätzlichen Kostenfreiheit des Verfahrens (Art. 73 Abs. 2 BVG; BGE 126
V 143 E. 4b S. 150 f.). Weiter steht fest, dass die Vorsorgeeinrichtung im
vorinstanzlichen Verfahren durch eine Anwältin vertreten war, weshalb der
Anspruch auf Parteientschädigung ohne weiteres zu bejahen ist (BGE 127 V 205).
Ob - aufgrund des unbestrittenen Sachverhaltes und der einfachen Rechtslage -
eine qualifizierte Verbeiständung geboten war, ist dabei nicht ausschlaggebend;
der allenfalls geringe Aufwand ist bei der Festsetzung der Höhe der
Parteientschädigung angemessen zu berücksichtigen.

3.3 Die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin hat ihre Kostennote im
vorinstanzlichen Verfahren eingereicht. Das kantonale Gericht hat sich in
seiner Stellungnahme insofern zu deren Höhe geäussert, als es dadurch einen
relativ geringen Aufwand für die Klage als belegt erachtete. Dem ist
beizupflichten, weshalb sich die Parteientschädigung für das vorinstanzliche
Verfahren durch das Bundesgericht (Art. 68 Abs. 5 BGG) auf die beantragten Fr.
963.45 festsetzen lässt.

4.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdegegnerin kostenpflichtig
(Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist der obsiegenden
Beschwerdeführerin nicht zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG): Die Gründe, die zum
letztinstanzlichen Verfahren geführt haben (E. 3.2), sind nicht auf das
Verhalten der Beschwerdegegnerin zurückzuführen, so dass für das vorliegende
Verfahren mutwillige oder leichtsinnige Prozessführung nicht gegeben ist (BGE
118 V 169 E. 7, 117 V 349 E. 8 mit Hinweis; Urteil B 21/00 vom 24. Mai 2000 E.
5). Ebenso stellt der zu korrigierende Entscheid der Vorinstanz keine
qualifizierte Verletzung der Rechte der Beschwerdeführerin dar (vgl. Art. 68
Abs. 4 in Verbindung mit Art. 66 Abs. 3 BGG; GEISER, in: Basler Kommentar zum
Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 25 zu Art. 66 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des
Kantons Aargau vom 10. Februar 2009 wird insoweit abgeändert, als die
Beschwerdegegnerin verpflichtet wird, der Beschwerdeführerin für das kantonale
Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 963.45 zu bezahlen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 8. Oktober 2009
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin:

Borella Dormann