Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 374/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_374/2009

Urteil vom 15. April 2010
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.

Verfahrensbeteiligte
D.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Hardy Landolt,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle Schwyz, Rubiswilstrasse 8, 6438 Ibach,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom
26. März 2009.

Sachverhalt:

A.
Die 1949 geborene D.________ bezog wegen der Folgen eines am 3. März 1995
erlittenen HWS-Traumas (chronifiziertes, zervikocephales und zervikobrachiales
Schmerzsyndrom sowie leichte bis mässiggradige neuropsychologische
Funktionsstörung) ab März 1996 eine ganze (Invaliditätsgrad: 100 %) und ab
Oktober 1996 eine halbe Rente der Invalidenversicherung (Invaliditätsgrad: 50
%). Am 4. Februar 2003 teilte die IV-Stelle Schwyz D.________ mit, dass bei der
Überprüfung des Invaliditätsgrades keine Änderung festgestellt worden sei und
weiterhin Anspruch auf die bisherige Rente bestehe.
Mit Schreiben vom 11. Oktober 2006 liess D.________ um Eröffnung eines
Revisionsverfahrens ersuchen unter Hinweis darauf, dass sich ihr
Gesundheitszustand gemäss ihrem Hausarzt Dr. med. W.________, FMH Allgemeine
Medizin (Berichte vom 7. und 22. November 2005), verschlechtert habe. Nach
Durchführung des Vorbescheidverfahrens lehnte die IV-Stelle das
Rentenerhöhungsgesuch ab und hielt gleichzeitig fest, gemäss Beurteilung ihres
Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) seien die Akten ausreichend und eine
medizinische Abklärung deshalb nicht erforderlich (Verfügung vom 6. November
2008).

B.
Die von D.________ mit dem Antrag auf Aufhebung der Verwaltungsverfügung und
Rückweisung der Sache an die IV-Stelle im Sinne der Erwägungen erhobene
Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz mit Entscheid vom 26.
März 2009 ab.

C.
D.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
subsidiär Verfassungsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, der kantonale
Entscheid sei aufzuheben und die Sache sei im Sinne der Erwägungen an das
Verwaltungsgericht zurückzuweisen.
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:

1.
1.1 Gemäss Art. 82 lit. a BGG ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten zulässig. Mit ihr können auch eine willkürliche Beweiswürdigung
oder Sachverhaltsfeststellung oder andere Verfassungsverletzungen gerügt werden
(Art. 95 lit. a BGG). Für die gleichzeitig erhobene subsidiäre
Verfassungsbeschwerde bleibt kein Raum (Art. 113 BGG) und es ist darauf nicht
einzutreten (Urteil 9C_219/2009 vom 21. August 2009 E. 1.1).

1.2 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter
anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
unvollständige Feststellung der rechtserheblichen Tatsachen sowie die
Nichtbeachtung des Untersuchungsgrundsatzes nach Art. 43 Abs. 1 ATSG und Art.
61 lit. c ATSG durch den Versicherungsträger oder das kantonale
Versicherungsgericht stellen eine solche Verletzung dar (Urteil 9C_802/2008 vom
22. Dezember 2008 E. 1.1 mit Hinweisen). Der Verzicht auf weitere Abklärungen
oder im Beschwerdefall auf Rückweisung der Sache an die Verwaltung zu diesem
Zwecke (antizipierte Beweiswürdigung; Urteil 9C_561/2007 vom 11. März 2008 E.
5.2.1) verletzt etwa dann Bundesrecht, wenn der festgestellte Sachverhalt
unauflösbare Widersprüche enthält oder wenn eine entscheidwesentliche Tatfrage,
wie namentlich Gesundheitszustand und Arbeitsfähigkeit einer versicherten
Person, auf unvollständiger Beweisgrundlage beantwortet wird (Urteile 9C_276/
2009 vom 24. Juni 2009 E. 3 und 9C_410/2008 vom 8. September 2008 E. 3.3.1 mit
Hinweisen).
Im Übrigen ist die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz - von hier nicht
interessierenden Ausnahmen abgesehen - für das Bundesgericht verbindlich, wenn
sie nicht offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne
von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Die konkrete Beweiswürdigung
ist wie die darauf beruhende Sachverhaltsfeststellung ebenfalls nur unter
diesem eingeschränkten Blickwinkel überprüfbar (Urteile 9C_276/2009 vom 24.
Juni 2009 E. 3 und 9C_410/2008 vom 8. September 2008 E. 3.3.1).

2.
Im angefochtenen Entscheid werden die Bestimmungen über den Begriff der
Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 8 ATSG) und den Umfang
des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG von vom 1. Januar 2004 bis 31. Dezember
2007 gültig gewesenen Fassung und Art. 28 Abs. 2 IVG in der seither in Kraft
stehenden Fassung) sowie die Voraussetzungen für eine Revision der
Invalidenrente (Art. 17 ATSG; BGE 134 V 131 E. 3 S. 132 mit Hinweisen) und die
dabei zu vergleichenden Sachverhalte (BGE 134 V 131 E. 3 S. 132 f.; 133 V 108
E. 5.4 S. 114, je mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.
3.1 Die Vorinstanz erwog, es sei fraglich, ob mit den hausärztlichen Berichten
vom 7. November 2005 und 22. Februar 2006 (wie dies die IV-Stelle angenommen
habe) überhaupt eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes glaubhaft
gemacht worden sei, weil diese Berichte einzig auf den Angaben der
Beschwerdeführerin beruhten. Da die Verwaltung aber auf das Revisionsgesuch
eingetreten sei, habe sie die Sache materiell abklären und sich vergewissern
müssen, ob die ihrer Auffassung nach glaubhaft gemachte Veränderung tatsächlich
eingetreten sei. Den von ihr mit einem Verlaufsbericht des Hausarztes vom 13.
März 2007 und einer Stellungnahme des Dr. med. B.________ von der Klinik
X.________ (Untersuch vom 28. März 2006 mit der Empfehlung einer chirurgischen
Massnahme) ergänzten Akten lasse sich entnehmen, dass die Beschwerdeführerin
seit 2001, in welchem Jahr sie - am 2. September 2001 - erneut einen Autounfall
erlitt, lediglich in physiotherapeutischer/chiropraktischer Behandlung sowie in
der TCM Praxis gewesen sei und sich weder psychiatrisch noch sonst wie
spezialärztlich behandeln lassen habe; weitere Berichte oder Gutachten lägen
nicht vor. Bei dieser Aktenlage habe die IV-Stelle davon ausgehen dürfen, dass
sich die Hirnleistungsstörung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht derart
verschlimmert habe, dass der Beschwerdeführerin eine 50%ige Arbeitstätigkeit
nicht mehr zumutbar sei, zumal die Versicherte aufgrund der geltend gemachten
massiven Mehreinschränkung nicht einmal einen Spezialarzt aufgesucht habe und
auch nicht an einen solchen weiterverwiesen worden sei. Allein aufgrund eines
subjektiv verschlechtert empfundenen Gesundheitszustandes sei die IV-Stelle
nicht verpflichtet gewesen, ein Gutachten anzuordnen oder abzuwarten. Dies habe
sich im vorliegenden Fall insbesondere deshalb nicht gerechtfertigt, weil die
Beschwerdeführerin die Hirnleistungsstörung schon früher als schwerer
eingeschätzt habe als die Gutachter und/oder auf die verschiedenen Ausfälle
fixiert gewesen sei. Zusammenfassend sei der Beschwerdeführerin zumutbar, in
einer leidensangepassten Tätigkeit weiterhin mindestens 50 % zu arbeiten.

3.2 Die Beschwerdeführerin rügt, der Sachverhalt sei in Verletzung des
Untersuchungsgrundsatzes ungenügend abgeklärt worden, indem Vorinstanz und
IV-Stelle es unterlassen hätten, ein Gutachten erstellen zu lassen. Des Weitern
seien die vorhandenen Sachverhaltselemente offensichtlich unrichtig
interpretiert worden; es betreffe dies namentlich die vorinstanzliche Annahme,
es sei keine objektiv feststellbare Verschlechterung als Folge des Unfalles vom
2. September 2001 eingetreten, die Ärzte der Klinik X.________ hätten sie am
28. März 2006 untersucht und ihr eine chirurgische Massnahme empfohlen und sie
sei eine Aggravantin bzw. unglaubwürdig, weil sie nach dem Erstunfall die
Hirnleistungsstörung als schwerer eingeschätzt habe als die Gutachter. Was
schliesslich die Zumutbarkeitsbeurteilung im angefochtenen Entscheid anbelangt,
rügt die Versicherte in tatsächlicher Hinsicht, diese beruhe auf einer
offensichtlich unrichtigen Annahme der erwerblichen Leistungsfähigkeit, und in
rechtlicher Hinsicht, der Zumutbarkeitsgrundsatz sei zu streng gehandhabt
worden.

3.3 Die Auffahrkollision vom 2. September 2001 ist nicht echtzeitlich
medizinisch dokumentiert und wird in den Berichten des Dr. med. W.________
erstmals anfangs 2003 erwähnt, wobei der Arzt damals davon ausging, dass sich
der Gesundheitszustand nicht auf Dauer wesentlich verändert habe. In seinem
Bericht vom 9. Juli 2003 attestierte der Hausarzt der Versicherten sodann
weiterhin eine Arbeitsfähigkeit von 50 %, sprach aber von einer
Verschlechterung der Verhältnisse an der HWS und LWS sowie von eventuell
vermehrten Hirnleistungsstörungen. Erst in seiner Stellungnahme vom 22.
November 2005 ist die Rede von einer (entgegen seiner ursprünglichen
Einschätzung) mit dem Unfall von 2001 beginnenden zusätzlichen Beeinträchtigung
der Arbeitsfähigkeit von 50 %, wobei er diese auf eine Zunahme der
Hirnleistungsstörung zurückführte (vgl. Bericht vom 22. Februar 2006) und der
IV-Stelle im Verlaufsbericht vom 13. März 2007 (ebenso wie im Schreiben vom 4.
Mai 2007) die Durchführung einer neuropsychologischen Abklärung empfahl, um die
Defizite der Hirnleistung zu objektivieren. Für seine Feststellung, die
Hirnleistungsstörung habe zugenommen, stützte sich Dr. med. W.________ indessen
allein auf die Angaben der Versicherten, welche offenbar beklagte, dass sie
Schwierigkeiten habe, sich zu konzentrieren oder unter Stress zu arbeiten, fast
nicht mehr selbständig arbeiten könne sowie Ermutigung und Vorschriften
brauche, wie die Arbeit zu erledigen sei (Bericht vom 7. November 2005). Wie
ein Vergleich mit den gesundheitlichen Verhältnissen zur Zeit der erstmaligen
Rentenzusprechung zeigt, stimmen diese Beschwerden nun aber mit den von der
Versicherten damals angegebenen Beeinträchtigungen (unter anderem eine
Verminderung der Konzentrations- und Merkfähigkeit sowie eine erhöhte
Ermüdbarkeit; vgl. psychiatrisches Gutachten vom 14. November 1999) und den von
der Neuropsychologin Dr. phil. J.________ in ihrem Bericht vom 11. Dezember
1998 festgehaltenen Befunden (schwankende Konzentration, kognitive
Verlangsamung und reduzierte Daueraufmerksamkeit [vor allem Störungen bei
geteilter Aufmerksamkeit], leicht erschwertes Lernen und reduziertes Erfassen
und Verarbeiten komplexer Inhalte) im Wesentlichen überein. Hinzu kommt, dass
sich die Versicherte, obwohl ihr (psychisches) Leiden gemäss Gutachten vom 14.
November 1999 einer Therapie zugänglich wäre, nie in Behandlung begeben und
auch Dr. med. W.________ die Versicherte weder an einen Spezialarzt noch an
einen Therapeuten weiterverwiesen hat. Bei dieser Sachlage ist nicht zu
beanstanden, dass IV-Stelle und Vorinstanz in antizipierter Beweiswürdigung auf
die Anordnung einer neuropsychologischen Abklärung verzichtet haben und davon
ausgegegangen sind, dass sich die gesundheitlichen Verhältnisse im massgebenden
Vergleichszeitraum nicht anspruchserheblich verändert haben. Daran vermöchte
auch der von der Beschwerdeführerin im letztinstanzlichen Verfahren
eingereichte Bericht des Universitätsspitals Y.________, Rheumaklinik und
Institut für Physikalische Medizin, vom 26. Januar 2009 nichts zu ändern, weil
er keine Hinweise für eine anspruchsrelevante Verschlechterung der
gesundheitlichen Verhältnisse im massgebenden Zeitraum enthält, weshalb offen
gelassen werden kann, ob er überhaupt berücksichtigt werden könnte (Art. 99
Abs. 1 BGG).
Ebenfalls offenbleiben kann, ob, wie die Beschwerdeführerin rügt (vgl. E. 3.2),
der Sachverhalt im angefochtenen Entscheid insofern offensichtlich unrichtig
festgestellt wurde, als sie "nie, auch nicht am 28. März 2006, in der Klinik
X.________ untersucht" und ihr auch keine chirurgische Massnahme empfohlen
worden sei. Zwar bestehen erhebliche Zweifel, ob das entsprechende in den Akten
liegende Dokument der Klinik X.________ vom 19. April 2007 sich auf die
Beschwerdeführerin bezieht (unter anderem stimmen Vorname, Adresse,
Geburtsdatum und AHV-Nummer nicht überein). Da dem Aktenstück aber keine
entscheidwesentliche Bedeutung beigemessen worden ist, vermag die
Beschwerdeführerin auch daraus nichts zu ihren Gunsten abzuleiten.

4.
Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art.
66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 15. April 2010

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Keel Baumann