Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 369/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_369/2009

Urteil vom 18. September 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Parteien
B.________,
vertreten durch Advokat Erich Züblin,
Beschwerdeführer,

gegen

INTRAS Krankenversicherung, Leistungscenter Basel, Münchensteinerstrasse 127,
4001 Basel,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Krankenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des
Kantonsgerichts Basel-Landschaft
vom 11. März 2009.

Sachverhalt:

A.
A.a B.________ ist bei der Intras Krankenkasse (im Folgenden: Intras),
krankenpflegeversichert. Wegen einer Nervenkrankheit (Chorea Huntington) war er
ab dem Jahre 1992 beinahe ununterbrochen in der Klinik X.________
hospitalisiert. Mit Verfügung vom 4. Januar und Einspracheentscheid vom 15.
Februar 1999 verneinte die Intras die Spitalbedürftigkeit des B.________. Das
Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft hiess die dagegen erhobene
Beschwerde des B.________ mit Entscheid vom 17. April 2000 gut.
A.b Mit Formularbericht zur vertrauensärztlichen Beurteilung der
Spitalbedürftigkeit vom 13. Juli 2005 erklärte Dr. med. K.________, Arzt an der
Klinik X.________, gegenüber der Intras, aufgrund der Stabilisierung des
Gesundheitszustandes von B.________ sei eine "Umtaxierung auf Pflegestufe
gerechtfertigt". Daraufhin teilte die Intras der Klinik X.________ mit
Schreiben vom 29. Juli 2005 mit, für B.________ bis 31. August 2005 die Kosten
auf der Basis der Akuttaxe zu übernehmen und ab September 2005 die Pflegetaxe
auf der Basis der BESA-Stufe 4. Am 25. November 2005 erliess die Intras eine
entsprechende Verfügung und bestätigte diese mit Einspracheentscheid vom 10.
April 2008.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde des B.________ wies das Kantonsgericht
Basel-Landschaft mit Entscheid vom 11. März 2009 ab.

C.
B.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides beantragen, die Intras sei zu
verpflichten, auch nach dem 31. August 2005 die medizinische Behandlung "in
Anwendung der bei Akut-Spitalbedürftigkeit massgebenden Spitaltaxen" zu
übernehmen. Zugleich ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege
und Verbeiständung, zieht dieses Gesuch aber in der Folge wieder zurück.

Vorinstanz und Bundesamt für Gesundheit, Kranken- und Unfallversicherung,
verzichten auf eine Vernehmlassung. Die Intras schliesst auf Abweisung der
Beschwerde.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung
von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig
ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105
Abs. 2 BGG).

2.
2.1 Die Vorinstanz legt die gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze zur
Leistungspflicht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Art. 24 ff.
KVG) sowie zu dem für die Vergütung von Spitalaufenthalten anwendbaren Tarif
(Art. 49 und 50 KVG) zutreffend dar. Korrekt sind auch die Hinweise auf die
Rechtsprechung zur Abgrenzung von Akutspital- und Pflegebedürftigkeit im Sinne
von Art. 49 und 50 KVG (BGE 126 V 323 E. 2b S. 326, 124 V 362 E. 2 S. 365 f.).
Darauf wird verwiesen.

2.2 Das Bundesgericht erwog in BGE 126 V 323 (E. 2b S. 326) - welchen die
Vorinstanz zu Recht zitiert -, dass die Leistungspflicht für stationäre
Behandlung eine Krankheit voraussetzt, welche eine Akutbehandlung oder
medizinische Rehabilitation unter Spitalbedin- gungen erforderlich macht. Die
Spitalbedürftigkeit ist gegeben, wenn die notwendigen diagnostischen und
therapeutischen Massnahmen nur in einem Spital zweckmässig durchgeführt werden
können oder die Möglichkeiten ambulanter Behandlung erschöpft sind und nur noch
im Rahmen eines Spitalaufenthaltes Aussicht auf einen Behandlungserfolg
besteht. Der Krankheitszustand der versicherten Person muss einen
Spitalaufenthalt nicht unbedingt erforderlich machen; es genügt, wenn die
medizinische Behandlung wegen besonderer persönlicher Lebensumstände nicht
anders als im Spital durchgeführt werden kann (vgl. hiezu auch Urteile K 53/04
26. August 2004 und K 68/06 vom 27. November 2006). Hingegen hat der
Krankenversicherer nicht dafür aufzukommen, wenn ein Versicherter trotz nicht
mehr bestehender Spitalbedürftigkeit aus sozialen Überlegungen oder mangels
Platzangebot in einem Pflegeheim weiterhin in einer Heilanstalt untergebracht
ist (BGE 124 V 362 E. 1b; Urteil K 20/06 vom 20. Oktober 2006, E 1 und 3.4).

3.
Streitig ist die Spitalbedürftigkeit des Versicherten ab dem 1. September 2005.

3.1 Die Vorinstanz erwog, gestützt auf die Einschätzung des Dr. med. K.________
vom 13. Juli 2005 und die - vom Versicherten im vorinstanzlichen
Beschwerdeverfahren ins Recht gelegten - Beurteilungen des Dr. med. S.________,
FMH für Neurologie, vom 6. August 2008 und 23. April 2007, seien die
Voraussetzungen für die Pflege des Beschwerdeführers im Altersheim gegeben, da
keine akute Spitalbedürftigkeit mehr vorliege. Konkrete Indizien, wonach es bei
der Pflege Probleme gäbe, fehlten; zudem sei seit der Verlegung des
Versicherten ins Pflegeheim vom November 2005 nur ausnahmsweise, insbesondere
wegen Magensondenernährung, eine Hospitalisierung erforderlich gewesen. Dass
das kantonale Versicherungsgericht am 17. April 2000 die akute
Spitalbedürftigkeit bejaht habe, ändere nichts, da es den Krankenkassen offen
stehen dürfe und müsse, "von Zeit zu Zeit" eine Neubeurteilung vorzunehmen.

3.2 Der Beschwerdeführer rügt, der angefochtene Entscheid verstosse gegen Art.
17 Abs. 2 ATSG (Revision von Dauerleistungen). Die Vorinstanz begründe ihren
Entscheid einzig mit fehlenden Indizien für Probleme in der Pflege und der
Tatsache, dass seit November 2005 nur ausnahmsweise eine Überweisung in die
Spitalpflege erforderlich gewesen sei. Sie zeige aber nicht auf, inwiefern sich
der Gesundheitszustand seit 15. Februar 1999 effektiv dauernd und erheblich
verändert habe. Die kurze, nicht näher begründete und in sich widersprüchliche
Einschätzung des über keine neurologische Facharztausbildung verfügenden Dr.
med. K.________, welche einerseits festhalte, der "Score" sei erreicht,
anderseits aber die Spitalbedürftigkeit verneine, erfülle nicht die
Anforderungen an eine beweiskräftige ärztliche Beurteilung. Auch den
Ausführungen des Dr. med. S.________ lasse sich keine dauernde und erhebliche
Veränderung des Gesundheitszustandes entnehmen. Im Eventualstandpunkt bringt
der Versicherte vor, das kantonale Gericht habe den Sachverhalt offensichtlich
unrichtig festgestellt und sei in Willkür verfallen, soweit es von einer
Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse ausgehe.

4.
4.1 Es ist unbestritten, dass der Versicherte aufgrund seiner progredient
verlaufenden Erkrankung in schwerstem Masse pflegebedürftig ist. Während in
einem früheren Krankheitsstadium (auch) eine intensive fachpsychiatrische
ärztliche und pflegerische Behandlung in stationärer Umgebung notwendig war und
die Ärzte an der Klinik X.________ mit Schreiben vom 6. August 1998 zuhanden
der Beschwerdegegnerin ausführten, das "aktuelle Erkrankungsstadium"
überfordere "derzeit noch die Möglichkeit einer Pflegeheimplatzierung" (zumal
der Beschwerdeführer ein krankheitsbedingt aggressives Verhalten gezeigt habe
und tätlich geworden sei; Formularbericht der Klinik X.________ vom 9.
September 1998), ist von einer derartigen Behandlungsbedürftigkeit in den
aktuellen Beurteilungen nicht mehr die Rede. In seinem Schreiben vom 6. August
2008 führte Dr. med. S.________ die erforderlichen pflegerischen Massnahmen im
Einzelnen an. Gemäss diesen Angaben benötigt der Beschwerdeführer nebst Eingabe
der Nahrung mit erheblichem Zeitaufwand und Eingabe der Medikamente auch
häufige Umlagerungen (trotz Spezialmatraze), regelmässige Pflege bei
unwillkürlichen Ausscheidungen, Pflege der Haut, Pflege allfälliger Katheter,
bei Bedarf Absaugen und Vermittlung menschlicher Beziehung.

4.2 Die Pflegebedürftigkeit in höchstem Masse - nicht zuletzt aufgrund des von
Dr. med. S.________ beschriebenen, nunmehr schwersten demenziellen Syndroms -
bedeutet indes nicht, dass auch die Spitalbedürftigkeit gegeben wäre. Die
Ausführungen des Dr. med. K.________ zu den erforderlichen pflegerischen
Massnahmen lassen, zusammen mit seiner Feststellung, es sei zu einer gewissen
Stabilisierung gekommen, und unter Berücksichtigung der seit November 2005
nurmehr ausnahmsweise erforderlich gewesenen Spitalpflege darauf schliessen,
dass die medizinischen Massnahmen und ärztlichen Kontrollen weiter in den
Hintergrund getreten sind, zumal den neuesten ärztlichen Einschätzungen nicht
entnommen werden kann, der Beschwerdeführer bedürfe unverändert im gleichen
Umfang der früher erforderlich gewesenen intensiven (psychiatrischen) Therapie
(E. 4.1 hievor). Dass das Fortschreiten einer chronischen Krankheit zu einer
Veränderung und insbesondere auch zu einer abnehmenden Intensität der
medizinischen Massnahmen bzw. zu einer Verlagerung von therapeutischen zu
pflegerischen Massnahmen führen kann, wenn ein Stadium erreicht wird, in
welchem grundsätzlich nur noch Pflege, nicht aber eine Therapie möglich ist,
entspricht im Übrigen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. Urteil K 157
/04 vom 14. April 2005 betreffend Alzheimer-Krankheit). Nach dem Gesagten hat
das kantonale Gericht kein Bundesrecht verletzt, indem es ohne weitere
Abklärungen auf die Beurteilung der Dres. med. K.________ und S.________
abgestellt hat, wonach die nunmehr erforderliche Betreuung auch in einem
Pflegeheim erfolgen kann. Dass der Gesundheitszustand des Versicherten nach wie
vor gewissen Schwankungen unterliegt, ändert daran nichts, zumal weder eine
schubweise Verschlimmerung des Leidens geltend gemacht wird, welche
vorübergehend wieder zu einer Akutspitalbedürftigkeit führen könnte, noch sich
entsprechende Anhaltspunkte aus den Akten ergeben (im Gegenteil waren, wie
dargelegt, seit dem Übertritt ins Altersheim vom November 2005 nurmehr
"ausnahmsweise" Spitalbehandlungen erforderlich). Ob es sich bei der
Heilbehandlung um eine Dauerleistung im Sinne von Art. 17 Abs. 2 ATSG handelt,
ist bereits deshalb nicht entscheidwesentlich, weil auch bei Dauerleistungen
eine geringfügige Änderung des Sachverhalts Anlass zu einer Revision geben
kann, sofern sie zu einer Über- oder Unterschreitung eines Schwellenwertes
führt (BGE 133 V 545 E. 6.3 S. 547). Unbegründet ist das Argument des
Beschwerdeführers, die Vorinstanz stütze sich auf eine Situation, die
rechtswidrig geschaffen worden sei (Verlegung in das Altersheim gegen seinen
Willen). Denn die Beurteilungen durch die Dres. med. K.________ und S.________,
auf die sich die Vorinstanz stützt, lassen sich unabhängig davon erstellen, ob
und weshalb sich der Beschwerdeführer im Altersheim befindet. Schliesslich kann
der Beschwerdeführer nicht eine Vergütung zum Spitaltarif erlangen, indem er
ohne Spitalbehandlungsbedürftigkeit in einer Heilanstalt verbleibt (E. 2.2).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung
Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich
mitgeteilt.

Luzern, 18. September 2009
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Bollinger Hammerle