Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 361/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_361/2009

Urteil vom 19. August 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Borella, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Parteien
R.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Nicole Vögeli Galli,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 28. Februar 2009.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 16. April 2007 lehnte die IV-Stelle des Kantons Zürich das
Gesuch des 1961 geborenen R.________ um Zusprechung einer Invalidenrente nach
durchgeführtem Vorbescheidverfahren ab.

B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 28. Februar 2009 ab.

C.
R.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei ihm für
die Zeit vom 1. Februar 2007 bis 31. Juli 2008 eine Viertelsrente der
Invalidenversicherung zuzusprechen; eventuell sei die Sache zu neuer
Entscheidung an das kantonale Gericht zurückzuweisen.
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
Streitig und zu prüfen ist aufgrund des gestellten Rechtsbegehrens einzig, ob
der Beschwerdeführer, der vom 1. November 2006 bis 31. Januar 2007 im Rahmen
der Einarbeitung als Allrounder bei der Firma C.________ Taggelder bezogen
hatte, ab 1. Februar 2007 bis 31. Juli 2008 Anspruch auf eine Viertelsrente der
Invalidenversicherung hat. Zwar sind im Beschwerdeverfahren grundsätzlich nur
die Verhältnisse bis zum Zeitpunkt der Verwaltungsverfügung (hier: 16. April
2007) zu beurteilen (BGE 129 V 167 E. 1 S. 169). Ausnahmsweise kann das Gericht
aber aus prozessökonomischen Gründen das Prozessthema über den
Verfügungszeitpunkt hinaus ausdehnen, wenn die Sache spruchreif ist und die
Verfahrensrechte der Parteien respektiert worden sind (BGE 130 V 138 E. 2.1 S.
140 mit Hinweisen). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt: Der
Beschwerdeführer hatte bereits im kantonalen Verfahren mit Eingabe vom 14.
August 2008 geltend gemacht, er erziele ab 1. August 2008 ein
rentenausschliessendes Einkommen, und das Rechtsbegehren auf Rentenzusprechung
bis 31. Juli 2008 beschränkt. Die Beschwerdegegnerin konnte sich im kantonalen
Verfahren wie auch vor Bundesgericht dazu äussern. Es wird von keiner Seite
geltend gemacht, die Verhältnisse hätten sich im Zeitraum vom 16. April 2007
bis 31. Juli 2008 geändert. Es steht daher nichts entgegen, das gestellte
Begehren bis 31. Juli 2008 zu beurteilen, zumal nur eine vom Bundesgericht frei
überprüfbare Rechtsfrage zur Diskussion steht.

3.
3.1 Für die Ermittlung des beim Einkommensvergleich nach Art. 16 ATSG
heranzuziehenden hypothetischen Einkommens ohne Invalidität (Valideneinkommen)
stellte die Vorinstanz auf den Durchschnitt des vom Versicherten in den Jahren
1998 bis 2002 bei der Frima B.________ AG erzielten Lohnes ab. Dabei
resultierte ein Erwerbseinkommen von Fr. 103'464.-. Gestützt auf die
Lohnstrukturerhebung 2006 des Bundesamtes für Statistik (TA 1, Männer,
Anforderungsniveau 3 [Berufs- und Fachkenntnisse vorausgesetzt]), legte das
kantonale Gericht das Invalideneinkommen sodann nach Vornahme eines
behinderungsbedingten Abzuges vom Tabellenlohn von 10 % auf Fr. 63'140.- fest,
womit sich ein Invaliditätsgrad von aufgerundet 39 % ergab.

3.2 Demgegenüber vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, das
Valideneinkommen, resultierend aus dem Durchschnittslohn der Jahre 1998 bis
2002, sei der Nominallohnentwicklung anzupassen; dies habe die Vorinstanz ohne
Grund unterlassen, obwohl sie für die Festsetzung des Invalideneinkommens die
Tabellenlöhne 2006 als massgebend erachtete. Unter Berücksichtigung der
Nominallohnentwicklung von 2002 bis 2006 ergebe sich ein Valideneinkommen von
Fr. 107'877.80. Verglichen mit dem Invalideneinkommen von Fr. 63'140.-
resultiere ein Invaliditätsgrad von 41,4 %, der den Anspruch auf die beantragte
Viertelsrente begründe.

4.
4.1 Bei der Feststellung der beiden hypothetischen Vergleichseinkommen handelt
es sich um eine Tatfrage, soweit sie auf konkreter Beweiswürdigung beruht,
hingegen um eine Rechtsfrage, soweit sich der Entscheid nach der allgemeinen
Lebenserfahrung richtet (BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399). Dementsprechend ist die
Frage, welche hypothetischen Erwerbseinkommen im Rahmen des
Einkommensvergleichs nach Art. 16 ATSG miteinander in Beziehung zu setzen sind,
eine Rechtsfrage, die vom Bundesgericht frei zu prüfen ist, dies analog zur
Frage, ob Tabellenlöhne anwendbar sind und welches die massgebende Tabelle ist
(SVR 2009 IV Nr. 6 S. 11). Ohne Bindung an die Darlegungen der Vorinstanz zu
prüfen ist somit auch die hier interessierende Rechtsfrage, ob im angefochtenen
Entscheid richtigerweise von einer Anpassung des Valideneinkommens an die
Nominallohnentwicklung abgesehen wurde.

4.2 Eine Anpassung des Valideneinkommens an die Nominallohnentwicklung erfolgt
rechtsprechungsgemäss nicht nur in Fällen, in welchen vom hypothetischen
Einkommen eines einzelnen Jahres ausgegangen wird (BGE 129 V 222 E. 4.3.1 S.
224), sondern auch dann, wenn das hypothetische Einkommen ohne Invalidität -
wie im vorliegenden Fall - nach Massgabe eines Durchschnittslohnes ermittelt
wird (Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 316/04 vom 23.
Dezember 2004). Andernfalls wäre die Anforderung, dass die beiden
hypothetischen Einkommen auf zeitidentischer Grundlage zu erheben sind (BGE 129
V 222 E. 4.1 S. 223 mit Hinweis), nicht erfüllt, wenn das Invalideneinkommen
auf Grund der Verdienstverhältnisse in einem einzigen Jahr oder eines
Tabellenlohnes ermittelt wird. Die Vorinstanz hat denn auch ihre Feststellung,
dass es bei der gewählten Vorgehensweise nicht gerechtfertigt sei, die
Nominallohnentwicklung zu berücksichtigen, nicht begründet. In der Tat besteht
kein Anlass, die dem Anstieg der Lebenshaltungskosten entsprechende
Lohnentwicklung ausser Acht zu lassen, wenn dem Valideneinkommen ein
Durchschnittslohn zugrunde liegt; denn dieser ist ebenso wenig der
Nominallohnentwicklung angepasst wie ein in einem einzelnen zurückliegenden
Jahr erzieltes Einkommen, das selbstverständlich auf den für den
Einkommensvergleich massgebenden Zeitpunkt der eingetretenen Teuerung
angeglichen wird.

4.3 Unter Einbezug der Nominallohnentwicklung der Jahre 2002 - 2006 ergibt sich
gemäss Schweizerischem Lohnindex des Bundesamtes für Statistik ein
Valideneinkommen von rund Fr. 107'877.-. Der Invaliditätsgrad beläuft sich
damit auf abgerundet 41 %. Nachdem der Beschwerdeführer auf den 1. August 2008
eine neue Anstellung mit einem höheren Verdienst gefunden hat, liegt der
Invaliditätsgrad ab diesem Zeitpunkt zufolge des höheren Invalideneinkommens
unter 40 %. Die Viertelsrente ist demzufolge antragsgemäss für die Zeit vom 1.
Februar 2007 bis 31. Juli 2008 zuzusprechen, ohne dass zu prüfen wäre, ob die
Invalidenrente, bezüglich deren Befristung die Revisionsbestimmungen analog
anwendbar wären (Art. 17 Abs. 1 ATSG; Art. 88a Abs. 1 IVV; vgl. BGE 109 V 125
E. 4a S. 126), allenfalls länger ausgerichtet werden müsste (Art. 107 Abs. 1
BGG).

5.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden
IV-Stelle aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese hat dem Beschwerdeführer
überdies eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts
des Kantons Zürich vom 28. Februar 2009 und die Verfügung der IV-Stelle des
Kantons Zürich vom 16. April 2007 werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass
der Beschwerdeführer für die Zeit vom 1. Februar 2007 bis 31. Juli 2008
Anspruch auf eine Viertelsrente der Invalidenversicherung hat.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2800.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu entschädigen.

4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
zurückgewiesen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 19. August 2009

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber:

Borella Widmer