Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 34/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

9C_34/2009 {T 0/2}

Urteil vom 24. Februar 2010
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiber Traub.

Parteien
F._________, vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Hebeisen,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Thurgau,
St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom
19. November 2008.

Sachverhalt:

A.
Die IV-Stelle des Kantons Thurgau sprach dem 1968 geborenen F._________ für
Leistungseinschränkungen, welche sich aus einer gutachtlich diagnostizierten
anhaltenden somatoformen Schmerzstörung im Sinne einer Konversionsstörung
(Verdacht auf schwere dissoziative Störung) ergaben (Arbeitsfähigkeit von 70
Prozent für leichte körperliche Tätigkeiten), aufgrund eines Invaliditätsgrades
von 45 Prozent mit Wirkung ab Oktober 2001 eine Viertelsrente zu, dies zunächst
für den Zeitraum ab Dezember 2005 (mit Einspracheentscheid vom 28. September
2007 bestätigte Verfügung vom 3. November 2005). Nach abgeschlossenem
Verrechnungsverfahren gegenüber der Sozialhilfe erkannte die Verwaltung für den
Zeitraum von Oktober 2001 bis November 2005 auf die nämliche Leistung
(Verfügung vom 11. September 2006). Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau
hat die gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde am 19. November 2008
gutgeheissen und die Sache zur Durchführung des Vorbescheidverfahrens an die
IV-Stelle zurückgewiesen.

B.
Die gegen den Einspracheentscheid vom 28. September 2007 erhobene Beschwerde
wies das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau hingegen ab, soweit der
Beschwerdeführer eine höhere Rente als die ihm mit Verfügung vom 3. November
2005 zugesprochene Viertelsrente beanspruche. Gleichzeitig hob das kantonale
Gericht den Einspracheentscheid vom 28. September 2007 auf und wies die Sache
zur weiteren Abklärung und anschliessenden Verfügung "über den Rentenanspruch
einer Viertelsrente ab 1. Dezember 2005" an die IV-Stelle zurück (Entscheid VV
368 vom 19. November 2008).

C.
F._________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, es sei ihm, nach Aufhebung des vorinstanzlichen und des
Einspracheentscheids, ab Oktober 2001, eventuell ab Dezember 2005, eine
Invalidenrente zuzusprechen. Eventuell sei die Sache zur neuen Beurteilung an
die Vorinstanz oder an die Verwaltung zurückzuweisen.

Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine
Stellungnahme.

Erwägungen:

1.
1.1 Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die
Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29
Abs. 1 BGG; BGE 134 V 138 E. 1 Ingress S. 140).

1.2 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist nur zulässig
gegen Entscheide, welche das Verfahren abschliessen (Art. 90 BGG). Ein
Rückweisungsentscheid schliesst das Verfahren nicht ab und ist somit nach der
Regelung des BGG kein Endentscheid.

2.
2.1 Gegenstand dieses Verfahrens ist die Anspruchsberechtigung ab Dezember
2005. In der hier strittigen, durch Einspracheentscheid vom 28. September 2007
bestätigten Verfügung vom 3. November 2005 wurde zunächst nur für diesen
(nachgelagerten) Zeitraum verfügt. Nach abgeschlossenem Verrechnungsverfahren
mit der Sozialhilfebehörde erkannte die Verwaltung auch für den Zeitraum
Oktober 2001 bis November 2005 auf die nämliche Leistung (Verfügung vom 11.
September 2006). Die kantonale Beschwerde gegen diesen Entscheid hat die
Vorinstanz am 19. November 2008 (VV 369) gutgeheissen und die Sache zur
Durchführung des Vorbescheidverfahrens an die IV-Stelle zurückgewiesen.

2.2 Die Vorinstanz weist die Sache im angefochtenen Entscheid an die IV-Stelle
zurück, damit diese ein interdisziplinäres medizinisches Gutachten ergänzen
lasse im Hinblick auf die Frage, ob die somatoforme Schmerzstörung aufgrund der
konkreten Fallumstände zu einer Leistungspflicht der Invalidenversicherung
führe. Anhand der Akten legt das Gericht gleichzeitig fest, dass - unter
Vorbehalt anderweitiger Erkenntnisse aus der veranlassten Abklärung - der
Invaliditätsgrad 45 Prozent betrage, also (allenfalls) eine Viertelsrente
geschuldet sei.

3.
Der Beschwerdeführer macht geltend, dabei handle es sich um einen
Teilentscheid, der nach Art. 91 BGG beim Bundesgericht anfechtbar sei.

3.1 Nach Art. 91 lit. a BGG ist die Beschwerde zulässig gegen einen Entscheid,
der nur einen Teil der gestellten Begehren behandelt, wenn diese Begehren
unabhängig von den anderen beurteilt werden können. Nicht als Teilentscheid,
sondern als Zwischenentscheid, der (nur) unter den Voraussetzungen des Art. 93
Abs. 1 BGG selbständig angefochten werden kann, gilt hingegen der
vorinstanzliche Entscheid, in welchem eine materielle Teilfrage beantwortet
(beispielsweise die anwendbare Methode der Invaliditätsbemessung) und die Sache
zur Abklärung einer anderen Teilfrage (beispielsweise des medizinischen
Sachverhalts) an die Verwaltung zurückgewiesen wird. Somit sind auch
Rückweisungsentscheide, mit denen eine materielle Grundsatzfrage entschieden
wird, keine Teilentscheide im Sinne von Art. 91 lit. a BGG, da es sich dabei
nicht um Entscheide über Begehren handelt, die unabhängig von den anderen
Fragen beantwortet werden können (BGE 133 V 477 E. 4.2 S. 481). Insoweit steht
fest, dass jedenfalls die abschliessende Festlegung eines den Streitgegenstand
bestimmenden Teilaspektes eines Rechtsverhältnisses (etwa einer
versicherungsmässigen Voraussetzung oder eines für die massliche und zeitliche
Leistungsfestsetzung massgebenden Faktors; BGE 125 V 413 E. 2 S. 415) keinen
Teilentscheid darstellt (vgl. Urteil 8C_420/2008 vom 31. März 2009 E. 1.2).

3.2 Damit stellt sich die Frage, ob ein Teilentscheid lediglich dann vorliegt,
wenn über eines von mehreren sozialversicherungsrechtlichen
Leistungsverhältnissen (im Sinne von unterschiedlichen Rechtstiteln)
abschliessend befunden wird, oder ob unter Art. 91 lit. a BGG auch Festlegungen
fallen, die im Rahmen eines einheitlichen Rechtsverhältnisses Gegenstand eines
selbständigen Begehrens im Sinne von Art. 99 Abs. 2 oder Art. 107 Abs. 1 BGG
sein könnten. Ungeachtet dieser anderweitigen Verwendung des Begriffs des
"Begehrens" im BGG ist ausschlaggebend, dass das Rentenverhältnis als Ganzes
den Streitgegenstand bildet. Wenn somit das kantonale Gericht die Sache zur
Abklärung der Frage an die Verwaltung zurückweist, ob ein rechtserheblicher
Gesundheitsschaden vorliegt, und gleichzeitig eine höhere Leistung als eine
Viertelsrente ausschliesst, so handelt es sich bei Letzterem nicht um einen
letztinstanzlich selbständig anfechtbaren Teilentscheid, sondern um einen
Zwischenentscheid. Hinzu kommt, dass sich die vorinstanzliche Vorgabe nicht
auch auf den bezüglich der Anspruchsberechtigung noch offenen vorausgehenden
Zeitraum Oktober 2001 bis November 2005 bezieht, was die Annahme eines
Teilentscheides ohnehin ausschliesst (BGE 135 V 148 E. 5.2 S. 151).

3.3 Ein Zwischenentscheid ist gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG nur anfechtbar, wenn er
einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a) oder wenn die
Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit
einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges
Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). Ersterer Ausnahmegrund ist nicht
gegeben, weil der Beschwerdeführer einerseits die erhobenen Rügen - betreffend
Berücksichtigung und Würdigung des medizinischen Tatbestands einerseits und die
Bemessung des Valideneinkommens anderseits - mit dem Endentscheid wird
vorbringen können (Art. 93 Abs. 3 BGG). Anderseits trägt selbst der Nachteil
offensichtlich unnötiger Abklärungen nicht den von der Rechtsprechung
vorausgesetzten rechtlichen Charakter (Urteil 9C_301/2007 vom 28. September
2007 E. 2.2).

Hinsichtlich der zweitgenannten Sachurteilsvoraussetzung ist nicht erkennbar,
dass mit einer Gutheissung der Beschwerde ein bedeutender Aufwand eingespart
werden könnte. Die Vorinstanz hat die IV-Stelle angewiesen, die
Entscheidungsgrundlagen um eine gutachtliche Stellungnahme zur Frage der
invalidisierenden Auswirkung der somatoformen Schmerzstörung unter dem Aspekt
der Kriterien gemäss BGE 131 V 49 zu ergänzen. Auf Beschwerden gegen
vorinstanzliche Rückweisungsentscheide, mit denen einzig eine ergänzende
Sachverhaltsabklärung angeordnet wird, ist in der Regel nicht einzutreten (vgl.
etwa Urteile 9C_446/2007 vom 5. Dezember 2007 E. 3 und 8C_224/2007 vom 23.
Oktober 2007 E. 2.3).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 200.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 24. Februar 2010

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Traub