Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 346/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_346/2009

Urteil vom 5. Oktober 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Kernen,
Gerichtsschreiber Nussbaumer.

Parteien
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Claudia Starkl,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern
vom 4. März 2009.

Sachverhalt:
A.________ (geboren 1957) bezog ab 1. Februar 1997 zunächst eine halbe
Härtefallrente und ab 1. Mai 1997 eine ganze Invalidenrente (Verfügungen der
IV-Stelle Luzern vom 26. November 1998 und 19. Februar 1999). Im Rahmen eines
im Sommer 2005 eingeleiteten Revisionsverfahrens, in welchem u.a. ein
polydisziplinäres Gutachten des medizinischen Begutachtungsinstituts X.________
vom 7. März/ 17. April 2007 eingeholt worden war, setzte die IV-Stelle Luzern
nach Ermittlung eines Invaliditätsgrades von 56 % mit Verfügung vom 25.
September 2007 die ganze Rente auf eine halbe herab.
Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons
Luzern mit Entscheid vom 4. März 2009 teilweise gut und änderte die Verfügung
vom 25. September 2007 in dem Sinne ab, als die Herabsetzung auf eine halbe
Rente erst auf den 1. November 2007 erfolgt. Im Übrigen wies es die Beschwerde
ab.
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die IV-Stelle
zu verpflichten, ihr auch nach dem 1. Oktober 2007 eine ganze Invalidenrente
auszurichten. Eventuell sei die Angelegenheit zur weiteren
Sachverhaltsabklärung an die IV-Stelle zurückzuweisen. Ferner beantragt sie die
unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung.
Die IV-Stelle Luzern schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 134 V 250 E.
1.2 S. 252 mit Hinweisen; 133 III 545 E. 2.2 S. 550; 130 III 136 E. 1.4 S.
140). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen
Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur
die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).

1.2 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann deren
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Eine unvollständige
Sachverhaltsfeststellung stellt eine vom Bundesgericht ebenfalls zu
korrigierende Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 lit. a BGG dar (SEILER/VON
WERDT/GÜNGERICH, Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, Bern 2007 N 24 zu Art.
97).

2.
2.1 Das kantonale Gericht stellte in tatsächlicher Hinsicht fest, dem
ursprünglichen Rentenbeschluss vom 23. Juli 1998 hätten einerseits rheumatische
Beschwerden (chronische Oligoarthritis, Gonarthritis links) und andererseits
eine neurologische Problematik (zentral vestibuläre Störung mit den Folgen von
Gleichgewichtsstörungen, Kopfschmerzen, Schluckstörungen und Nystagmus sowie
Blickparese) zugrunde gelegen. Die Versicherte habe im Februar 1997 ein akutes
zerebrales Ereignis mit multifokalen Ausfällen erlitten. Auf dieses habe die
IV-Stelle gemäss Feststellungsblatt zum Rentenbeschluss in der Rentenzusprache
abgestellt. Der Versicherten sei vom 1. Februar bis 30. April 1997 aufgrund der
rezidivierenden Arthritiden bei einem Invaliditätsgrad von 40 % eine halbe
Rente zugesprochen worden. Die Annahme einer vollen Arbeitsunfähigkeit und
damit einhergehend die Erhöhung des Invaliditätsgrades auf 100 % ab 1. Mai 1997
seien aufgrund der neu aufgetretenen neurologischen Problematik, d.h. der
zerebralen Komplikation mit vestibulären Störungen im Rahmen einer (vermuteten)
Vaskulitis erfolgt. Die Herabsetzung der Rente mit Verfügung vom 25. September
2007 beruhe auf der Annahme, dass heute aus rheumatologischer Sicht eine 50%ige
Restarbeitsfähigkeit ausgewiesen sei, dagegen aus neurologischer Sicht keine
krankheitswertige Diagnose mehr gestellt werden könne und im Übrigen auch aus
psychiatrischer Sicht keine Einschränkung in der Arbeitsfähigkeit bestehe.
Gestützt auf das polydisziplinäre Gutachten des medizinischen
Begutachtungsinstituts X.________ vom 7. März/17. April 2007 kam das kantonale
Gericht zum Schluss, dass sich im Vergleich zur Sachlage im Zeitpunkt der
ursprünglichen Rentenverfügung sowohl hinsichtlich Diagnose, als auch in Bezug
auf die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit eine Verbesserung ergeben habe. Als
limitierend seien zwar nach wie vor die arthritischen Beschwerden sowie auch
das lumbovertebrale Schmerzsyndrom zu betrachten, welchen mit Anpassung des
Arbeitsplatzes begegnet werden könne. Dagegen sei es aus neurologischer Sicht
zu einer Verbesserung des Gesundheitszustandes gekommen. Die Erhöhung der
Invalidenrente ab dem 1. Mai 1997 sei aufgrund zerebraler Komplikationen im
Rahmen einer (vermuteten) Vaskulitis erfolgt. Heute könnten keine Residuen
dieser Störung mehr objektiviert werden. Somit lägen aus neurologischer Sicht
keine Befunde oder Diagnosen mehr vor, welche die Arbeitsfähigkeit
einschränkten. Die Versicherte sei in der Lage, eine körperlich leichte,
vorwiegend sitzende Tätigkeit auszuüben. Zumutbar sei eine tägliche Präsenz von
sechs bis acht Stunden, wobei mit Ausfällen und damit mit einer
Leistungseinschränkung während der Arbeitszeit zu rechnen sei. Aus der
reduzierten Präsenzzeit und der Leistungsminderung während der Arbeitszeit
ergebe sich ein Gesamtleistungsvermögen von 50 %. Diese Restarbeitsfähigkeit
sei verwertbar, da sich im ausgeglichenen Arbeitsmarkt Stellenangebote mit
nötigen flexiblen Arbeitsbedingungen finden liessen (Hinweis auf AHI 1998 S.
287 E. 3b und Urteil 9C_95/2007 vom 29. August 2007 E. 4.3). Bei einem
Einkommen als Gesunde von Fr. 47'153.- und einem Invalideneinkommen von Fr.
21'368.- (unter Berücksichtigung eines Abzugs vom Tabellenlohn von 15 %) ergebe
sich ein Mindereinkommen von Fr. 25'785.-, woraus ein Invaliditätsgrad von 55 %
resultiere.

2.2 Die tatsächlichen Feststellungen des kantonalen Gerichts sind nicht
mangelhaft im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG. Namentlich ist die vorinstanzliche
Schlussfolgerung, der gesundheitliche Zustand der Beschwerdeführerin habe sich
gegenüber dem Zeitpunkt der ursprünglichen Rentenverfügung verbessert, nach der
Aktenlage nicht offensichtlich unrichtig, noch ist darin eine willkürliche
Beweiswürdigung zu erblicken. Eine Beweiswürdigung ist nicht bereits
willkürlich, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar
vorzuziehen wäre, sondern erst, wenn der Entscheid offensichtlich unhaltbar
ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht oder auf einem
offenkundigen Fehler beruht (BGE 127 I 54 E. 2b S. 56; vgl. auch BGE 135 V 2 E.
1.3 S. 4 f.). Aus dem Feststellungsblatt zum Rentenbeschluss der IV-Stelle vom
9. Juli 1998 geht hervor, dass die Erhöhung des Invaliditätsgrades auf 100 % ab
1. Mai 1997 vor allem mit der seit 4. Februar 1997 bestehenden zentralen
vestibulären Störung begründet wurde und wegen der Kombination Arthrose und
Vaskulitis von voller Arbeitsunfähigkeit auszugehen sei. Nach dem Gutachten des
medizinischen Begutachtungsinstitut X.________ vom 7. März/ 17. April 2007
blieb von dem im Februar 1997 erlittenen akuten zerebralen Ereignis mit
multifokalen neurologischen Ausfällen als Residualbefund eine leichtgradige
oberflächliche Sensibilitätsstörung auf der rechten Körperseite bestehen,
welche jedoch auf die Arbeitsfähigkeit keine Auswirkungen habe. Daraus durfte
das kantonale Gericht, ohne Bundesrecht zu verletzen, auf eine
revisionsrechtlich erhebliche Veränderung des Gesundheitszustandes schliessen.
Daran ändert nichts, dass die Beschwerdeführerin nicht unter der damals
vermuteten Vaskulitits leidet, sondern unter familiärem Mittelmeerfieber. Die
Auffassung des kantonalen Gerichts, das Gutachten des medizinischen
Begutachtungsinstituts X.________ vom 7. März/ 17. April 2007 entspreche den
Anforderungen der Rechtsprechung an ein Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352
mit Hinweis) ist sodann in tatsächlicher Hinsicht weder offensichtlich
unrichtig noch ist darin eine willkürliche Beweiswürdigung oder eine
Bundesrechtsverletzung zu erblicken. Schliesslich lässt sich auch die Folgerung
des kantonalen Gerichts nicht beanstanden, die Restarbeitsfähigkeit der
Beschwerdeführerin sei trotz den in regelmässigen Abständen auftretenden
Fieberschüben auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt verwertbar.

3.
Bei diesem Verfahrensausgang ist die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art.
66 Abs. 1 BGG). Ihr kann die unentgeltliche Rechtspflege (Prozessführung und
Verbeiständung; Art. 64 BGG) gewährt werden, da die entsprechenden
Voraussetzungen erfüllt sind (BGE 135 I 2 E. 7.1; 125 V 201 E. 4a S. 202 und
371 E. 5b S. 372). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG
aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu
leisten haben wird, wenn sie später dazu in der Lage ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt,
zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege indes auf die Gerichtskasse
genommen.

3.
Rechtsanwältin Claudia Starkl wird für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr.
2800.- entschädigt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, des Ausgleichskasse Luzern und dem
Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 5. Oktober 2009
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Nussbaumer