Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 330/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_330/2009

Urteil vom 19. Juni 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Seiler,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Parteien
C.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Nicole Vögeli Galli,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, 8087 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 2. März 2009.

Sachverhalt:

A.
Die 1953 geborene, verheiratete C.________ war seit 1983 teilzeitlich als
Mitarbeiterin in der Zeitungsabteilung bei der Firma A.________ AG tätig. Auf
Ende Januar 2005 kündigte die Arbeitgeberin das Anstellungsverhältnis. Das
Gesuch der Versicherten um Zusprechung einer Invalidenrente lehnte die
IV-Stelle des Kantons Zürich gestützt auf medizinische und erwerbliche
Abklärungen mit Verfügung vom 31. Mai 2005, bestätigt mit Einspracheentscheid
vom 20. September 2005, ab. Die hiegegen eingereichte Beschwerde hiess das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 30. November
2006 insoweit gut, dass es die Sache unter Aufhebung des Einspracheentscheides
zu ergänzenden Abklärungen und neuer Verfügung an die IV-Stelle zurückwies.
Diese führte eine ergänzende Haushaltabklärung bei der Versicherten durch, zog
zwei neue Arztberichte bei und ordnete im Vorbescheidverfahren ein
interdisziplinäres Gutachten an (Expertise der Dres. med. J.________, Facharzt
für Rheumatologie, und S.________, Facharzt für Psychiatrie, vom 27. Oktober
2008). Mit Verfügung vom 25. November 2008 lehnte die IV-Stelle das
Rentengesuch wiederum ab.

B.
C.________ liess Beschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, unter Aufhebung der
Verfügung vom 25. November 2008 sei ihr rückwirkend ab 1. Januar 2003 eine
Dreiviertelsrente der Invalidenversicherung zuzusprechen. Mit Entscheid vom 2.
März 2009 wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde
ab.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt die Versicherte
den vorinstanzlich gestellten Hauptantrag wiederholen; evtl. sei die Sache zu
neuer Beurteilung an das kantonale Gericht zurückzuweisen.

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde, während das Bundesamt für
Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu
Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
Die IV-Stelle, auf deren Verfügung die Vorinstanz verweist, hat die
Bestimmungen über den Umfang des Rentenanspruchs und die gemischte Methode der
Invaliditätsbemessung richtig wiedergegeben, sodass darauf verwiesen wird.
Ergänzend ist festzuhalten, dass die allfällig verminderte Leistungsfähigkeit
im erwerblichen Bereich oder im Aufgabenbereich (gemäss Art. 27 IVV [in der
seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung]) infolge der Beanspruchung im jeweils
anderen Tätigkeitsfeld nur unter besonderen Voraussetzungen zu berücksichtigen
ist (BGE 134 V 9 E. 7 S. 11 ff.).

3.
Es ist unbestritten, dass der Invaliditätsgrad der Versicherten nach der
gemischten Methode mit Anteilen von je 50 % Haushalt und Erwerbstätigkeit zu
bemessen ist. Zu prüfen ist, wie es sich mit der Leistungsfähigkeit im Haushalt
verhält. Während es die Vorinstanz als erwiesen erachtet, dass die
Beschwerdeführerin aus gesundheitlichen Gründen in dem von der Verwaltung im
Bericht vom 13. November 2007 festgestellten Ausmass von 22,65 % eingeschränkt
sei, vertritt diese die Auffassung, die Beeinträchtigung in diesem Umfang sei
nur massgebend, wenn sie die Hausarbeit auf die gesamte, ihr zur Verfügung
stehende Zeit verteilen könne, was im konkreten Fall nicht zutreffe. Streitig
ist ferner der Grad der Behinderung im erwerblichen Bereich.

4.
4.1 Was die Einschränkung in den einzelnen Teilbereichen der Arbeit im Haushalt
wie auch bei der Haushaltführung insgesamt betrifft, handelt es sich um eine
Tatfrage (vgl. Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 693/06 vom 20. Dezember
2006). Das Bundesgericht ist demnach an die entsprechenden Feststellungen der
Vorinstanz gebunden, soweit diese nicht offensichtlich unrichtig sind oder auf
einer Bundesrechtsverletzung beruhen (E. 1 hievor).

4.2 Indem das Sozialversicherungsgericht von der von der IV-Stelle im
Abklärungsbericht vom 13. November 2007 ermittelten Einschränkung im Haushalt
von 22,65 % ausgegangen ist, hat es einerseits den rechtserheblichen
Sachverhalt unvollständig und damit in Verletzung von Bundesrecht (Art. 97 Abs.
1 und 105 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 95 lit. a BGG) festgestellt. Ferner hat
es Art. 28a Abs. 3 IVG betreffend die Invaliditätsbemessung im gemischten
Verfahren und die dabei nach neuester Rechtsprechung massgebenden Grundsätze
zur Beachtlichkeit von Wechselwirkungen zwischen Erwerbs- und Aufgabenbereich
(BGE 134 V 9) missachtet, worin ebenfalls eine Bundesrechtsverletzung (Art. 95
lit. a BGG) zu erblicken ist. Denn das kantonale Gericht hat übersehen, dass
die Voraussetzungen, unter denen das im häuslichen Aufgabenbereich infolge der
Beanspruchung durch die Erwerbsarbeit reduzierte Leistungsvermögen
berücksichtigt werden kann (BGE 134 V 9 E. 7.3.6 S. 14), erfüllt sind: Nach den
Feststellungen im Abklärungsbericht Haushalt vom 13. November 2007 ist die
Versicherte in ihrer Leistungsfähigkeit im Haushalt bei gleichzeitiger Ausübung
einer erwerblichen Tätigkeit im Ausmass von 50 % offenkundig zusätzlich
erheblich eingeschränkt, weil sie nur verlangsamt und in Etappen Hausarbeiten
verrichten kann; dies fällt bei einem vollen Pensum im Haushalt, wovon die
Abklärungsperson ausging ("weil die Versicherte nicht mehr einer
Erwerbstätigkeit nachgeht, steht ihr [für die Haushaltarbeiten] der ganze Tag
zur Verfügung"), nicht in gleicher Weise ins Gewicht wie im Fall einer
zusätzlich verrichteten Teilzeitarbeit ausser Haus, weil dann die erforderliche
Zeit für die Hausarbeit nicht zur Verfügung steht.

4.3 Mit Blick auf den rechtsprechungsgemäss zulässigen Maximalansatz von 15
ungewichteten Prozentpunkten, bis zu welchem die Wechselwirkungen zwischen den
Beeinträchtigungen im erwerblichen und im Haushaltbereich als zusätzlich
limitierend berücksichtigt werden können (BGE 134 V 9 E. 7.3.6 S. 14), trägt im
vorliegenden Fall eine über die Ergebnisse der Haushaltabklärung hinausgehende
Reduktion der Arbeitsfähigkeit im Haushaltbereich um 10 % zufolge der
Beanspruchung durch eine teilzeitliche Erwerbstätigkeit von 50 % den
tatsächlichen Verhältnissen Rechnung. Es ist damit von einer Behinderung im
Haushaltbereich von 32,65 % (22,65 % + 10 %) auszugehen.

5.
5.1 In erwerblicher Hinsicht liegt laut Feststellungen des
Sozialversicherungsgerichts für angepasste Tätigkeiten eine Arbeitsunfähigkeit
von 50 % vor. Diesbezüglich stützt es sich zur Hauptsache auf das
interdisziplinäre Gutachten der Dres. med. J.________ und S.________ vom 27.
Oktober 2008, welches im Übrigen mit der Einschätzung des medizinischen
Zentrums H.________ vom 25. April 2005 übereinstimme. Zusätzlich in die
Beweiswürdigung einbezogen hat das kantonale Gericht auch die Berichte der
Dres. med. P.________ und E.________.

5.2 Die Einwendungen der Beschwerdeführerin gegen die Festsetzung der
Arbeitsunfähigkeit auf 50 % sind nicht stichhaltig. Das subjektive, in der
Beschwerde wiederholt zum Ausdruck kommende Empfinden, in einem höheren Ausmass
arbeitsunfähig zu sein, vermag die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung
nicht als offensichtlich unrichtig erscheinen zu lassen. Im Übrigen erschöpfen
sich die Ausführungen in der Beschwerde im Wesentlichen in einer im Rahmen der
geltenden Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts unzulässigen,
appellatorischen Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung. Die Tatsache,
dass die Vorinstanz auf die Gutachter des medizinischen Zentrum H.________
sowie die Experten Dres. med. J.________ und S.________ abstellte, welche eine
Fibromyalgie diagnostizierten, daraus hinsichtlich der Festsetzung der
Arbeitsunfähigkeit aber nicht die von der Versicherten gewünschten Schlüsse
zogen, stellt weder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs noch der Regeln der
Invaliditätsbemessung dar.

5.3 Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass die Fibromyalgie
zahlreiche mit der somatoformen Schmerzstörung gemeinsame Aspekte aufweist,
sodass es aus juristischer Sicht gerechtfertigt ist, die von der Rechtsprechung
im Bereich der somatoformen Schmerzstörungen entwickelten Grundsätze bei der
Würdigung des invalidisierenden Charakters einer Fibromyalgie analog anzuwenden
(BGE 132 V 65 E. 4 S. 70).

Der Gutacher Dr. med. S.________, Facharzt für Psychiatrie, hat der anhaltenden
somatoformen Schmerzstörung und der mittelgradigen depressiven Episode einen
Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit zuerkannt. Insgesamt haben beide
Teilgutachter, unter Berücksichtigung der ebenfalls diagnostizierten
Fibromyalgie, die Arbeitsunfähigkeit auf 50 % festgelegt, womit der
weitgehenden Übereinstimmung der beiden Krankheitsbilder Rechnung getragen
wurde. Indem das kantonale Gericht unter diesen Umständen der im Gutachten vom
27. Oktober 2008 enthaltenen Arbeitsunfähigkeitsschätzung gefolgt ist, hat es
den relevanten medizinischen Sachverhalt nicht mangelhaft festgestellt.
Da der rechtserhebliche medizinische Sachverhalt umfassend, mittels zweier
fachärztlicher Gutachten, abgeklärt wurde, erübrigen sich auch
Aktenergänzungen. Der Eventualantrag ist somit unbegründet.

6.
Im erwerblichen Bereich ermittelte die Vorinstanz in Übereinstimmung mit der
IV-Stelle eine Einbusse von 47 %. Die Beschwerdeführerin stellt diese
Berechnung, abgesehen vom zu Grunde liegenden Arbeitsunfähigkeitsgrad von 50 %,
wozu in den vorstehenden Erwägungen Stellung genommen wurde (E. 5 hievor),
nicht in Frage. Der aus den Einschränkungen in den beiden Teilbereichen
Haushaltführung und Erwerbstätigkeit resultierende, vorinstanzlich auf 35 %
festgesetzte Invaliditätsgrad, der keinen Rentenanspruch begründet, ist somit
auf 40 % zu erhöhen ([32,65 x 0,5] + [47 x 0,5] = 39,825; BGE 130 V 121).

7.
Der Rentenanspruch entstand gemäss Art. 28 Abs. 1 lit. b IVG in Verbindung mit
Art. 29 Abs. 1 IVG (je in der vorliegend anwendbaren, seit 1. Januar 2008 in
Kraft stehenden Fassung) am 1. Juli 2004, nachdem die Versicherte während eines
Jahres durchschnittlich zu mindestens 40 % arbeitsunfähig sowie in der Folge zu
mindestens 40 % invalid war und sich am 30. Januar 2004 bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug angemeldet hatte.

8.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten den Parteien je zur
Hälfte aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die IV-Stelle hat der
Beschwerdeführerin überdies eine reduzierte Parteientschädigung zu bezahlen
(Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde werden der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 2. März 2009 und die
Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 25. November 2008 aufgehoben. Es
wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin ab 1. Juli 2004 Anspruch auf
eine Viertelsrente der Invalidenversicherung hat.

2.
Von den Gerichtskosten von Fr. 500.- werden Fr. 250.- der Beschwerdeführerin
und Fr. 250.- der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1500.- zu entschädigen.

4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
zurückgewiesen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der Ausgleichskasse Zürcher Arbeitgeber und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 19. Juni 2009

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Widmer