Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 315/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_315/2009

Urteil vom 18. September 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiberin Amstutz.

Parteien
K.________, vertreten durch Rechtsanwalt Marc Spescha,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Thurgau,
St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
unentgeltlicher Rechtsbeistand im
IV-Vorbescheidverfahren,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom
25. Februar 2009.

Sachverhalt:

A.
Nach Zusprechung einer von 1. Januar bis 31. Dezember 1998 befristeten
Invalidenrente (Verfügung der IV-Stelle des Kantons Thurgau vom 19. September
2000; bestätigt mit Entscheid der AHV/IV-Rekurskommission vom 12. Februar 2001)
sowie verfügungsweiser Ablehnung eines erneuten Leistungsbegehrens am 15.
November 2002 (Rente; berufliche Massnahmen) meldete sich der 1952 geborene
K.________ am 21./29. Dezember 2006 (Posteingang) erneut bei der
Invalidenversicherung zum Bezug einer Invalidenrente an. Auf ablehnenden
Vorbescheid der IV-Stelle des Kantons Thurgau vom 26. März 2008 hin (Verneinung
des Anspruchs auf eine Invalidenrente mangels eines rentenbegründenden
Invaliditätsgrades [18.19 %]) liess der Versicherte die Zusprechung einer
halben Invalidenrente ab 1. Januar 2006 sowie die Gewährung der unentgeltlichen
Verbeiständung für das Vorbescheidverfahren beantragen. Letzteres Gesuch wies
die IV-Stelle mit Verfügung vom 14. August 2008 ab. Gleichentags teilte sie
K.________ mit neuem Vorbescheid mit, auf das Rentenbegehren vom Dezember 2006
werde mangels Glaubhaftmachung einer Verschlechterung des Gesundheitszustands
seit der letzten, leistungsverweigernden Verfügung vom 15. November 2002 nicht
eingetreten; daran hielt sie trotz Einwänden des Rechtsvertreters (Schreiben
vom 16. September 2008) mit Verfügung vom 13. Oktober 2008 fest, bei
gleichzeitigem Nichteintreten auf das erneut gestellte Gesuch um unentgeltliche
Verbeiständung im Vorbescheidverfahren.

B.
Gegen die Verfügung vom 14. August 2008 liess K.________ am 16. September 2008
beim Versicherungsgericht des Kantons Thurgau Beschwerde erheben mit dem
Antrag, in Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts sei ihm für das
IV-Vorbescheidverfahren die unentgeltliche Verbeiständung zu gewähren; zudem
sei der unterzeichnete Anwalt (auch) für das kantonale Beschwerdeverfahren als
unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bestellen. Mit Entscheid vom 25. Februar 2009
wies das Versicherungsgericht die Beschwerde und das Verbeiständungsgesuch für
das kantonale Verfahren ab (Verfahren VV.2008.444).

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt K.________
beantragen, es sei der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und ihm die
unentgeltliche Verbeiständung sowohl für das IV-Vorbescheidverfahren als auch
für das kantonale Beschwerdeverfahren zu bewilligen. Des Weitern wird um
Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Verbeiständung für das
bundesgerichtliche Verfahren ersucht.

Die IV-Stelle des Kantons Thurgau beantragt Abweisung der Beschwerde. Das
Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Nach den zutreffenden Erwägungen des kantonalen Gerichts setzt der Anspruch auf
unentgeltliche Verbeiständung im Verwaltungsverfahren (Art. 37 Abs. 4 ATSG) -
wie im Beschwerdeverfahren (Art. 61 lit. f ATSG) - die Bedürftigkeit der
gesuchstellenden Partei, die fehlende Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren
(vgl. dazu BGE 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135 mit Hinweisen) sowie die sachliche
Gebotenheit des Beizugs eines Anwalts voraus (BGE 132 V 200 E. 4.1 S. 200 f.
und E. 5.1.3 S. 204; vgl. auch Art. 29 Abs. 3 BV). Ebenfalls richtig
wiedergegeben hat die Vorinstanz die Rechtsprechung, wonach im
Vorbescheidverfahren ein Anspruch auf anwaltliche Verbeiständung nur in
Ausnahmefällen besteht, in denen ein Rechtsanwalt beigezogen wird, weil
schwierige rechtliche oder tatsächliche Fragen dies als notwendig erscheinen
lassen und eine Verbeiständung durch Verbandsvertreter, Fürsorger oder andere
Fach- und Vertrauensleute sozialer Institutionen nicht in Betracht fällt (BGE
132 V 200 E. 4. 1 S. 201).

2.
2.1 Die Vorinstanz hat zutreffend erkannt, dass die in E. 1 hievor genannten
Voraussetzungen mit Bezug auf das hier strittige Verwaltungsverfahren nicht
erfüllt sind, sich dort insbesondere keine besonderen oder umstrittenen
Rechtsfragen stellten und sich die Streitsache - angesichts der einzig
aufgeworfenen Fragen nach dem Ausmass der Arbeitsunfähigkeit und der
Durchführung des (allgemeinen) Einkommensvergleichs - nicht von einem "normalen
Durchschnittsfall" im Sachgebiet der Invalidenversicherung unterscheidet
(vorinstanzlicher Entscheid, E. 2.3). Dem kantonalen Gericht ist namentlich
darin beizupflichten, dass die Gewährung der unentgeltlichen Verbei-ständung in
der hier zu beurteilenden Angelegenheit darauf hinaus liefe, dass der Anspruch
in praktisch allen oder zumindest den meisten Vorbescheid-/ Einspracheverfahren
der Invalidenversicherung bejaht werden müsste, was indessen einem generellen
Anspruch auf einen unentgeltlichen anwaltlichen Vertreter im
Verwaltungsverfahren gleich-käme und der - von einem "sehr strengen Massstab"
ausgehenden (Urteil 9C_991/2008 vom 18. Mai 2009, E. 4.4.1 mit Hinweis auf BGE
132 V 200 E. 5.1.3 in initio S. 204) - gesetzlichen Konzeption widerspräche
(vgl. Urteile 9C_165/2009 vom 7. August 2008, E. 1.2; I 113/07 vom 21. März
2007 und I 746/06 vom 8. November 2006).

2.2 Was der Beschwerdeführer letztinstanzlich dagegen vorbringen lässt, ist
nicht geeignet, ein abweichendes Ergebnis zu begründen. Der Umstand, dass die
IV-Stelle in einem ersten Vorbescheid vom 26. März 2008 die Abweisung des
Leistungsbegehrens mangels eines anspruchsbegründenden Invaliditätsgrades, im -
diesen ersetzenden - zweiten Vorbescheid (vom 14. August 2008) jedoch das
Nichteintreten auf die Neuanmeldung mangels Glaubhaftmachung einer wesentlichen
Verschlechterung seit November 2002 in Aussicht stellte, begründet keine
erhöhte Komplexität des Verfahrens; dies gilt umso mehr, als die Verwaltung im
zweiten Vorbescheid einfach und klar dargelegt hat, weshalb und inwiefern die
Begründung der bevorstehenden Verfügung modifiziert wird. Aus beiden
Vorbescheiden war sodann ohne Weiteres erkennbar, aufgrund welcher
medizinischen und erwerblichen Annahmen (100%ige Arbeitsfähigkeit in
leidensangepassten, rückenschonenden Tätigkeiten; Vergleichseinkommen) die
Verwaltung zum Schluss gelangte, dass dem Versicherten weiterhin die Erzielung
eines rentenausschliessenden Einkommens zu erzielen in der Lage ist.
(Verbreitete) Sprachschwierigkeiten und fehlende Rechtskenntnisse allein
vermögen entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers die Notwendigkeit der
anwaltlichen Verbeiständung bereits im Vorbescheidverfahren respektive einen
"Ausnahmefall" im Sinne der Rechtsprechung (E. 1. hievor) nicht zu begründen.
Die aus diesen oder ähnlichen Gründen auf Unterstützung angewiesenen
Rechtssuchenden haben sich in einem - wie hier - sachverhaltlich wie rechtlich
relativ einfach gelagerten Verwaltungsverfahren mit dem Beizug von Fach- und
Vertrauensleuten sozialer Institutionen/unentgeltlicher Rechtsberatungen zu
behelfen (E. 1 hievor; zum Gerichtsverfahren, für welches weniger strenge
Anforderungen gelten, vgl. Urteil I 812/05 vom 24. Januar 2006, E. 4.3). Dass
solches objektiv nicht möglich sei, behauptet der Beschwerdeführer zu Recht
nicht. Nicht gefolgt werden kann seinem Standpunkt, die von ihm angestrebte
Änderung seines ausländerrechtlichen Status' (Erhalt der
Niederlassungsbewilligung B) verbunden mit seiner Sozialhilfeabhängigkeit mache
die Inanspruchnahme von rechtlicher Hilfe und Unterstützung durch den
Sozialdienst oder andere soziale Institutionen im
sozialversicherungsrechtlichen Verfahren unzumutbar. Daraus entstehende
konkrete Nachteile sind weder dargetan noch ersichtlich; sie werden
insbesondere nicht durch die aktenkundige Ablehnung des Gesuchs um Erteilung
der Niederlassungsbewilligung B durch das in Sozialversicherungsangelegenheiten
nicht zuständige Migrationsamt des Kantons Thurgau vom 18. Mai 2007 belegt.

3.
Mit Blick auf die rechtsprechungsgemäss strengen Anforderungen an die
Notwendigkeit anwaltlicher Vertretung im Verwaltungsverfahren und den hier
nicht besonders hohen Komplexitätsgrad der IV-Streitigkeit hat die Vorinstanz
die Gewinnaussichten der vorinstanzlich gegen die Verfügung vom 14. August 2008
eingereichten Beschwerde ex ante betrachtet zu Recht als beträchtlich geringer
als die Verlustgefahren eingeschätzt und somit das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege für das kantonale Beschwerdeverfahren zutreffend wegen
Aussichtslosigkeit der Rechtsvorkehr verneint (BGE 131 I 113 E. 3.7.3 S. 122;
129 I 129 E. 2.3.1 S. 135; 128 I 225 E. 2.5.3 S. 235, mit Hinweisen).

4.
Auf die Erhebung von Gerichtskosten wird umständehalber verzichtet (Art. 66
Abs. 1 Satz 2 BGG), womit das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege insoweit
gegenstandslos ist. Bezüglich der unentgeltlichen Verbeiständung für das
letztinstanzliche Verfahren ist es zufolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde
abzuweisen (Art. 64 Abs. 2 BGG; vgl. Rechtsprechungshinweise E. 3 hievor in
fine).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 18. September 2009

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Amstutz