Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 307/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_307/2009

Urteil vom 25. August 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiber Ettlin.

Parteien
G.________,
vertreten durch Schweizer Paraplegiker-Vereinigung, Dr. iur. Elisabeth
Scherwey,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Hilfsmittel),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
vom 26. Februar 2009.

Sachverhalt:

A.
Die 1957 geborene G.________ bezieht wegen einer Multiplen Sklerose
verschiedene Leistungen der Invalidenversicherung (Rente,
Hilflosenentschädigung, diverse Hilfsmittel). Am 14. Mai 2007 (Eingang am 12.
Juni 2007) liess die Versicherte bei der IV-Stelle den Antrag auf
Kostenübernahme für eine behinderungsbedingte bauliche Anpassung der Küche
stellen. Zudem beantragte sie einen Lift-Rollstuhl. Nach Abklärung der
Auswirkungen der genannten Hilfsmittel auf die funktionelle Leistungsfähigkeit
im Haushalt (Abklärungsbericht vom 20. August 2007) bejahte die Verwaltung den
Anspruch auf einen Lift-Rollstuhl (Mitteilung vom 30. August 2007). Hingegen
verfügte die IV-Stelle aufgrund einer im Rahmen des Vorbescheidverfahrens
abgegebenen und den Abklärungsbericht korrigierenden Stellungnahme vom 17./ 19.
Dezember 2007 die Ablehnung der Kostenübernahme für die baulichen Massnahmen,
was sie mit einer durch den Küchenumbau zu erwartenden Verbesserung der
Arbeitsfähigkeit von bloss 4 % begründete (Verfügung vom 8. Januar 2008).

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
mit Entscheid vom 26. Februar 2009 ab.

C.
G.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, es sei, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids,
Kostengutsprache für die baulichen Änderungen der Küche zu erteilen.
Eventualiter sei die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

Die IV-Stelle beantragt die Abweisung der Beschwerde und das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Stellungnahme.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG).
Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Artikel 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des
Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt
seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es
kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen
oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).

2.
Im angefochtenen Entscheid werden die Rechtsgrundlagen für die Zusprechung von
Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung zutreffend dargelegt (Art. 8 Abs.
1 und Abs. 3 lit. d IVG in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 IVG; Verordnung über
die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung vom 29. November
1976 [HVI]). Sodann weist der Entscheid korrekt auf die gesetzliche Grundlage
der Hilfsmittelliste (Art. 21 Abs. 4 IVG) und deren Konkretisierung in der HVI
hin. Richtig führte die Vorinstanz an, dass kostspielige Hilfsmittel für die
Tätigkeit im Aufgabenbereich nur abgegeben werden, wenn damit die
Leistungsfähigkeit beachtlich gesteigert oder erhalten werden kann, was bei
einer Verbesserung von 10 % grundsätzlich der Fall ist (Kreisschreiben über die
Abgabe von Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung [KHMI], Rz. 1019; BGE
129 V 67 E. 2.2 S. 69; Urteil 9C_246/2007 vom 16. Oktober 2007 E. 3.1).
Schliesslich werden die beweisrechtlichen Anforderungen an Abklärungsberichte
erörtert (BGE 130 V 61 E. 6.2 S. 62). Darauf ist zu verweisen.

3.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine
bauliche Anpassung der Küche als Hilfsmittel der Invalidenversicherung hat.

3.1 Das kantonale Gericht erwog, der Abklärungsbericht vom 20. August 2007
erfülle die beweisrechtlichen Anforderungen und die IV-Stelle habe in
überzeugender Weise den Tätigkeitsbereich "Ernährung" (Rüsten/Kochen/Anrichten/
Reinigungsarbeiten in der Küche/ Vorrat) ohne Behinderung mit 40 % des gesamten
Haushalts gewichtet. Ebenso betrage die Einschränkung in diesem Bereich ohne
die beiden Hilfsmittel 40 %. Mit Recht sei sie davon ausgegangen, im Bereich
"Ernährung" habe der Lift-Rollstuhl eine Reduktion der Einschränkung von 20 %
zur Folge, wogegen der Küchenumbau zu einer zusätzlichen Reduktion von 10 %
(gewichtet 4 %) beitrage. Die nach Einsatz der Hilfsmittel insgesamt
verbleibende Resteinschränkung im Bereich "Ernährung" belaufe sich auf 10 %.

3.2 Die Beschwerdeführerin kritisiert, die Vorinstanz habe sich bei ihrer
Beurteilung auf den Abklärungsbericht vom 20. August 2007 gestützt, ohne die am
17./19. Dezember 2007 erfolgte korrigierende Stellungnahme der Verwaltung zu
berücksichtigen. Diese Kritik trifft zu: Die (gewichtet) 4%ige Verringerung der
Arbeitsunfähigkeit durch den Küchenumbau, auf welche das kantonale Gericht
schliesst, ergibt sich aus dem Bericht vom 20. August 2007 und beachtet die
spätere Korrektur der Invalidenversicherung in der Stellungnahme vom 17./ 19.
Dezember 2007 nicht. Danach müsste (bei gleichbleibender Resteinschränkung von
10 %) die durch den Küchenumbau erzielbare Reduktion der Arbeitsunfähigkeit
höher ausfallen, weil der Abklärungsbericht dem Lift-Rollstuhl Erleichterungen
zuschreibt, welche bei richtiger Betrachtung mit dem Küchenumbau in
Zusammenhang stehen.

3.3 Abgesehen vom Aspekt der korrigierenden Stellungnahme vom 17./19. Dezember
2007 erfüllt der Abklärungsbericht vom 20. August 2007 grundsätzlich die
beweisrechtlichen Anforderungen (vgl. E. 2 hievor; Urteil I 246/05 vom 30.
Oktober 2007 E. 5.2.1) und ist als massgeblich zu betrachten, zumal auch die
Beschwerdeführerin die darin enthaltenen sachverhaltlichen Feststellungen nicht
substantiiert in Frage stellt. Sie rügt indessen, in der korrigierenden
Stellungnahme werde die im Abklärungsbericht vom 20. August 2007 fehlerhafte
erste Angabe der mit dem Einsatz der Hilfsmittel zu erwartenden
Leistungsbesserung nicht durch korrekte und genaue Zahlen ersetzt. Der
Sachverhalt sei damit unvollständig festgestellt (Art. 95 lit. a BGG, vgl.
Urteil 9C_53/2008 vom 18. Februar 2009 E. 1.3, in: Plädoyer 2009/2 S. 69).

4.
4.1 Zwischen den Parteien ist unstrittig, dass der Bereich "Ernährung" einen
Anteil von 40 % am gesamten Haushalt einnimmt. Sodann besteht Einigkeit über
die im genannten Bereich ohne Lift-Rollstuhl und Küchenumbau vorhandene
Leistungseinbusse von 40 % und die mit den genannten Hilfsmitteln insgesamt
erreichbare Verbesserung der Arbeitsfähigkeit um 30 %, was die Einschränkung
auf noch 10 % sinken lässt. Hievon geht auch die ergänzende Stellungnahme vom
17./19. Dezember 2007 aus. Die Beschwerdeführerin bestreitet zu Recht auch
nicht, dass die leistungsbegründende Verbesserung um gewichtet 10 % mit Bezug
auf den Küchenumbau und den Lift-Rollstuhl je getrennt zu prüfen ist und für
jedes der beiden Hilfsmittel jeweils erfüllt sein muss. Weil der Anteil des
Ernährungsbereichs am gesamten Haushalt 40 % beträgt, bedürfte es zur
Begründung des Anspruchs auf den Küchenumbau einer ungewichteten
Leistungsverbesserung von 25 % (40 % x 0,25 = 10 %). Unbestritten ist im
Weiteren der Anspruch auf den Lift-Rollstuhl, womit bezogen auf dieses
Hilfsmittel eine Leistungsverbesserung von zumindest (gewichteten) 10 % im
ganzen Haushalt für das Bundesgericht verbindlich festgestellt ist (Art. 105
Abs. 1 BGG). Es fragt sich, ob bei dieser Sachlage Raum für eine dem
Küchenumbau im Bereich "Ernährung" zuzurechnende Verbesserung von zumindest
ungewichteten 25 % besteht.

4.2 Gemäss Abklärungsbericht von 20. August 2007 (i.V.m. der ergänzenden
Stellungnahme vom 17./19. Dezember 2007) verbleibt im Bereich "Ernährung" nach
Einsatz beider Hilfsmittel eine Resteinschränkung von ungewichtet 10 %. Wie
gezeigt bedarf es zur Begründung des Anspruchs auf den Küchenumbau im Bereich
"Ernährung" der Leistungsverbesserung um mindestens 25 %. Damit sind 35 % (25 %
+ 10 %) der für das Bundesgericht verbindlich festgestellten gesamthaften
Einschränkung von 40 % absorbiert (vgl. E. 4.1 hievor), und dem Lift-Rollstuhl
bliebe bloss mehr ein Verbesserungspotential von (ungewichtet) maximal 5 %.
Davon ist aufgrund der (als solche nicht substantiiert in Frage gestellten)
Feststellungen über die mit den Hilfsmitteln einhergehenden Erleichterungen im
Abklärungsbericht vom 20. August 2007 indes nicht auszugehen; denn der
Rollstuhl wirkt sich nicht einzig erleichternd aus, weil die Beschwerdeführerin
nicht mehr seitwärts arbeiten muss (was später als fehlerhaft anerkannt wurde),
sondern auch weil sie beim Kochen in die Pfannen sehen kann, die Arme zum
Rühren nicht mehr hochheben muss, auch an der Küchenablage rüsten und das
Geschirr bis in die oberen Schränke versorgen kann sowie jedes Regal erreicht
und ihr die Reinigung des Backofens möglich ist, mithin generell die Reinigung
der Küche erleichtert würde. Insbesondere kann sie den Lift-Rollstuhl in der
Höhe verstellen, ohne Spasmen auszulösen, was mit dem Levo-Rollstuhl nicht mehr
möglich war (Stellungnahme SAHB vom 11. Juli 2007). Der Abklärungsbericht und
die korrigierende Stellungnahme können nicht so verstanden werden, dass all
diese Erleichterungen nur eine Verbesserung um 5 % zur Folge hätten. Weil der
Lift-Rollstuhl eine über 5 % hinausgehende Leistungssteigerung erwarten lässt,
ist der Verbesserungsspielraum für den Küchenumbau kleiner als 25 %, was den
Anspruch nicht zu begründen vermag.

4.3 Selbst wenn mit der Beschwerdeführerin dem Lift-Rollstuhl ohne
gleichzeitigen Küchenumbau im Vergleich zum zuvor verwendeten Levo-Rollstuhl
keine eigentliche Leistungssteigerung zugeschrieben wird, hingegen der
Lift-Rollstuhl die gewichtete Arbeitsunfähigkeit im Bereich "Ernährung" im
Verbund mit dem Küchenumbau um die im Abklärungsbericht vom 20. August 2007
festgehaltenen 12 % (von 16 % auf 4 %) verbessern könnte, änderte das Ergebnis
nicht. Denn die Leistungssteigerung von 12 % (ungewichtet 30 %; vgl. E. 4.1
hievor) nach umgebauter Küche und unter Einsatz des Lift-Rollstuhls schliesst
eine gewichtete Verbesserung von 10 % durch jedes der beiden Hilfsmittel
rechnerisch aus; dies obwohl der Lift-Rollstuhl ausserhalb des Bereichs
"Ernährung" gemäss der nicht offensichtlich unrichtigen Feststellung im
angefochtenen Entscheid eine Leistungsverbesserung von gewichtet 4 % erzielt.
Von der 12%igen Leistungssteigerung im Bereich "Ernährung" muss der
Lift-Rollstuhl einen Anteil von wenigstens 6 % (ungewichtet 15 %) beanspruchen,
um das erforderliche Richtmass von 10 % erreichen zu können. Zufolge dessen
verbleibt für den Küchenumbau ein Anteil von ebenfalls 6 %, was nicht
ausreicht. Trotzdem ist die Sichtweise falsch, der Lift-Rollstuhl trage im
Vergleich zum Levo-Rollstuhl zu keiner Verbesserung im Bereich "Ernährung" bei;
bestünde doch sonst von vornherein kein Anspruch auf den Lift-Rollstuhl (vgl.
zudem E. 4.2 hievor). Weil der Rechtsanspruch auf den Lift-Rollstuhl
unbestritten ist, steht fest, dass dieser zumindest 15 % (gewichtet 6 %) zur
Leistungssteigerung von 30 % im Bereich "Ernährung" beiträgt (vgl. E. 4.1
hievor), weshalb dem Küchenumbau für den Rechtsanspruch ungenügende 15 %
(gewichtet 6 %) verbleiben.

Wie gezeigt, lässt sich eine gewichtete Leistungsverbesserung durch den
Küchenumbau von mindestens 10 % so oder anders nicht begründen, weshalb von der
Rückweisung der Sache zu ergänzender Sachverhaltsfeststellung abzusehen ist.

5.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 65 Abs. 4 lit. a, Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 25. August 2009
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Ettlin