Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 285/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_285/2009

Urteil vom 16. März 2010
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiberin Dormann.

Verfahrensbeteiligte
D.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Dünner,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Thurgau,
St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Arbeitsunfähigkeit),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom
18. Februar 2009.

Sachverhalt:

A.
Die 1946 geborene Dr. med. dent. D.________ war bis September 2005 als
selbständige Zahnärztin tätig. Im März 2006 meldete sie sich unter Hinweis auf
Fibromyalgie und Wirbelsäulendefekte bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. Nach diversen Abklärungen und Durchführung des
Vorbescheidverfahrens verneinte die IV-Stelle des Kantons Thurgau mit Verfügung
vom 17. Juli 2008 einen Rentenanspruch mit der Begründung, es bestehe lediglich
eine 30%-ige Arbeitsunfähigkeit in der angestammten Tätigkeit.

B.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau wies die dagegen erhobene Beschwerde
mit Entscheid vom 18. Februar 2009 ab.

C.
Dr. med. dent. D.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des angefochtenen
Entscheids und der Verfügung vom 17. Juli 2008 sei ihr ab frühestmöglichem
Zeitpunkt eine ganze IV-Rente zuzusprechen; eventualiter sei ein Obergutachten
bei einem Facharzt der Orthopädie/ orthopädischen Chirurgie zur Frage der
Arbeitsfähigkeit einzuholen und anschliessend der Rentenanspruch durch die
Verwaltung neu zu verfügen.
Sowohl die IV-Stelle als auch das kantonale Gericht schliessen auf Abweisung
der Beschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine
Stellungnahme verzichtet.

Erwägungen:

1.
1.1 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.2 Die Ergebnisse der Beweiswürdigung im Allgemeinen (vgl. ULRICH MEYER in:
Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N 34 zu Art. 105 BGG; MARKUS
SCHOTT, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N 29 zu Art. 95 BGG,
je mit Hinweisen) und die auf der Würdigung ärztlicher Berichte und Gutachten
beruhenden gerichtlichen Feststellungen zum Gesundheitsschaden und zur (Rest-)
Arbeitsfähigkeit (Art. 6 und Art. 16 ATSG) im Besonderen sind tatsächlicher
Natur (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 398 f.) und einer bundesgerichtlichen Korrektur
somit nur nach Massgabe von Art. 105 Abs. 2 BGG zugänglich (E. 1.1). Zu den in
dieser Bestimmung erwähnten, frei zu prüfenden Rechtsverletzungen im Sinne von
Art. 95 BGG gehören unter anderem die Missachtung der bundesrechtlichen
Anforderungen an den Beweiswert ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 125 V
351 E. 3a S. 352), des Untersuchungsgrundsatzes, der Pflicht zu
inhaltsbezogener, umfassender, sorgfältiger und objektiver Beweiswürdigung
(Art. 61 lit. c ATSG) sowie der Regeln über die antizipierte Beweiswürdigung
(Urteil 9C_833/2007 vom 4. Juli 2008 E. 2.2 mit Hinweisen, in: Plädoyer 2009/1
S. 70).

2.
2.1 Es steht fest und ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin unter
gesundheitlichen Beeinträchtigungen leidet. Streitig und zu prüfen ist die
Einschränkung in der Arbeitsfähigkeit und der darauf beruhende Anspruch auf
eine Invalidenrente.

2.2 Bei der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit stützt sich die Verwaltung (und
im Beschwerdefall das Gericht) auf Unterlagen, welche von ärztlichen und
gegebenenfalls auch anderen Fachleuten zur Verfügung zu stellen sind. Aufgabe
des Arztes oder der Ärztin ist es, den Gesundheitszustand zu beurteilen und
dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten
die versicherte Person arbeitsunfähig ist. Im Weiteren sind die ärztlichen
Auskünfte eine wichtige Grundlage für die Beurteilung der Frage, welche
Arbeitsleistungen der Person noch zugemutet werden können (BGE 132 V 93 E. 4 S.
99 f.). Hinsichtlich des Beweiswertes eines Arztberichtes ist entscheidend, ob
dieser für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen
beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten
(Anamnese) abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen
Zusammenhänge sowie der medizinischen Situation einleuchtet und ob die
Schlussfolgerungen der Experten begründet sind (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232;
125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis).

2.3 Bei der Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit der Beschwerdeführerin hat sich
die Vorinstanz auf das von der IV-Stelle bei der Medizinischen Abklärungsstelle
(MEDAS) in Auftrag gegebene Gutachten vom 15. Mai 2008 gestützt und
festgestellt, die Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin in ihrer bisherigen
Tätigkeit belaufe sich auf 70%. Die Beschwerdeführerin stellt den Beweiswert
des MEDAS-Gutachtens in Abrede.

2.4 Die Vorinstanz hat dem MEDAS-Gutachten nach einlässlicher, überzeugender
und freier Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG) zu Recht (E. 2.2) Beweiskraft
beigemessen. Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin hat sie sich
nachvollziehbar über die diskrepanten Einschätzungen unterschiedlicher
medizinischer Fachleute betreffend die Arbeitsunfähigkeit geäussert. So hat sie
nicht offensichtlich unrichtig festgestellt (E. 1.1), bei der
Arbeitsfähigkeitsschätzung des Dr. med. B.________ (Gutachten vom 29. August
2006) habe die (rheumatologische; vgl. BGE 132 V 65 E. 3.2 S. 68) Diagnose der
Fibromyalgie im Vordergrund gestanden und sei eine psychiatrische Beurteilung
der Zumutbarkeit der Schmerzüberwindung vorbehalten gewesen (BGE 132 V 65 E.
4.1 S. 70). Dies steht auch im Einklang mit der Stellungnahme des Regionalen
Ärztlichen Dienstes (RAD) vom 21. September 2006. Dass Dr. med. I.________ am
24. Mai 2007 eine "frozen shoulder" feststellte, Dr. med. J.________ diese
Diagnose im Rahmen seines rheumatologischen MEDAS-Konsiliums gestützt auf
eigene Untersuchungen und mangels entsprechender Befunde hingegen verneinte,
vermag den Beweiswert des Gutachtens nicht zu schmälern. Die Diagnose der
Spondylarthrose L5/S1 ist, wie von der Vorinstanz zutreffend aufgezeigt, im
MEDAS-Gutachten berücksichtigt worden, weshalb die Rüge der Beschwerdeführerin,
auf einen wesentlichen Diagnosepunkt sei nicht eingegangen worden, unbegründet
ist. Dass sich die Einschätzungen der Arbeitsfähigkeit oder der
Behandlungsoptionen eines Rheumatologen von denjenigen eines Orthopäden oder
Neurochirurgen unterscheiden, genügt nicht, um die fachliche Qualifikation
eines MEDAS-Gutachters zu bezweifeln. Schliesslich hat die Vorinstanz in
pflichtgemässer antizipierender Beweiswürdigung (BGE 122 V 157 E. 1d S. 162)
auf weitere fachmedizinische Abklärungen verzichtet. Im Übrigen ist die
Beweiswürdigung nicht bereits dann willkürlich, wenn eine andere Lösung
vertretbar oder sogar vorzuziehen wäre, sondern erst, wenn das Ergebnis
offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass
verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE
134 II 124 E. 4.1 S. 133; 133 I 149 E. 3.1 S. 153 mit Hinweisen).

2.5 Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz zu Recht festgestellt, dass der
Beschwerdeführerin kein Anspruch auf eine Invalidenrente zusteht (Art. 28 Abs.
1 lit. b und c IVG resp. Art. 29 Abs. 1 lit. b und Art. 28 Abs. 1 IVG in der
bis 31. Dezember 2007 geltenden Fassung [AS 2003 3837]).

3.
Dem Ausgang dieses kostenpflichtigen Verfahrens (Art. 65 Abs. 1 und Abs. 4 lit.
a BGG) entsprechend sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen
(Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 16. März 2010

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Dormann