Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 274/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_274/2009

Urteil vom 18. Juni 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Seiler,
Gerichtsschreiberin Dormann.

Parteien
T.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Guido Brusa,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 9. Februar 2009.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 21. September 1998 verneinte die IV-Stelle des Kantons Zürich
mangels leistungsbegründender Invalidität einen Rentenanspruch der 1962
geborenen T.________, was vom Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
(Entscheid vom 21. Januar 2000) und dem Eidgenössischen Versicherungsgericht
(Urteil vom 16. Mai 2001) bestätigt wurde. Im Juli 2001 meldete sich T.________
erneut zum Rentenbezug bei der Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle wies das
Begehren mit Verfügung vom 10. Dezember 2002 ab, was das kantonale Gericht
wiederum bestätigte (Entscheid vom 27. November 2003). Die hiergegen erhobene
Beschwerde der Versicherten hiess das Eidgenössische Versicherungsgericht mit
Urteil vom 13. Dezember 2004 insoweit gut, als es die Sache zu weiteren
Abklärungen im Sinne der Erwägungen und anschliessender Neuverfügung an die
Verwaltung zurückwies. Nach weiteren Ermittlungen und Durchführung des
Vorbescheidverfahrens verneinte die IV-Stelle mit Verfügung vom 9. Juli 2007
bei einem Invaliditätsgrad von 33 % abermals einen Rentenanspruch.

B.
Die Beschwerde der T.________ wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich mit Entscheid vom 9. Februar 2009 ab.

C.
T.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, unter Aufhebung des Entscheides vom 9. Februar 2009 seien ihr
die gesetzlichen Leistungen zuzusprechen.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde, während das kantonale
Gericht und das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Stellungnahme
verzichten.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerdeführerin verlangt die Durchführung einer öffentlichen mündlichen
Verhandlung. Soweit ein solcher Anspruch aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK abgeleitet
wird, ist er verwirkt, da im vorinstanzlichen Verfahren kein entsprechender
Antrag gestellt wurde (vgl. BGE 122 V 47 E. 3a S. 55; Urteil K 9/07 vom 25.
März 2008 E. 5.1). Ebenso wenig besteht gestützt auf Art. 57 oder 58 BGG Anlass
zu einer mündlichen Verhandlung oder Beratung.

2.
Mit der angefochtenen Verfügung entschied die IV-Stelle einzig über den
Anspruch auf eine Invalidenrente, und in der dagegen erhobenen Beschwerde wurde
in materieller Hinsicht nur eine Rente beantragt. Die Vorinstanz hat daher zu
Recht ausschliesslich den Rentenanspruch beurteilt; bei einem Invaliditätsgrad
von 33 % grundsätzlich in Frage kommende Ansprüche auf berufliche Massnahmen
(Art. 15 ff. IVG; BGE 130 V 488 E. 4.2 S. 490; 124 V 108 E. 2 S. 110 f.; 116 V
80 E. 6 S. 80 ff.) bildeten demgegenüber nicht Streitgegenstand des
vorinstanzlichen Verfahrens (BGE 125 V 413 E. 1 S. 414 f.). Schliesslich
bezieht sich auch die Beschwerdebegründung einzig auf die Rentenfrage. Soweit
darüber hinaus die Zusprache der "gesetzlichen Leistungen" verlangt wird, ist
auf die Beschwerde nicht einzutreten.

3.
3.1 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter
anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).
Das Bundesgericht prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem
Verfassungsrecht nicht von Amtes wegen, sondern nur insoweit, als eine solche
Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2
BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254 mit Hinweisen). Es obliegt daher der
Beschwerde führenden Person, klar und detailliert anhand der Erwägungen des
angefochtenen Entscheides darzulegen, welche verfassungsmässigen Rechte
inwiefern durch den kantonalen Entscheid verletzt sind (BGE 134 II 244 E. 2.2
S. 246 mit weiteren Hinweisen).

3.2 Die Beschwerdeführerin erwähnt in allgemeiner Weise einige
verfassungsmässige Grundrechte und beanstandet angebliche formelle Mängel des
angefochtenen Entscheides. Sie legt aber nicht dar, inwiefern dadurch die
genannten Grundrechte verletzt sein sollen. Auf die entsprechenden Ausführungen
- insbesondere in den Ziffern 2.1.2 bis 2.1.4 der Beschwerde - ist daher nicht
näher einzugehen.

3.3 Weiter rügt die Beschwerdeführerin, dass im vorinstanzlichen Verfahren kein
zweiter Schriftenwechsel durchgeführt wurde. Das kantonale Gericht hat einen
zweiten Schriftenwechsel anzuordnen, wenn nach dem ersten Unklarheiten
verbleiben, namentlich weil in der Beschwerdeantwort neue Aspekte vorgebracht
werden. Der Anspruch einer Partei, im Rahmen eines Gerichtsverfahrens zu
replizieren, bildet einen Teilgehalt des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art.
29 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK; vgl. BGE 133 I 98 E. 2.1 und 2.2 S. 99;
133 I 100 E. 4.5 und 4.6 S. 104; Urteil 8C_845/2008 vom 4. März 2009 E. 4.1).
Er dient jedoch nicht der Ausdehnung der gesetzlichen Beschwerdefrist (Art. 60
Abs. 1 ATSG) zwecks Ergänzung der Begründung. Im konkreten Fall hat die
IV-Stelle in der Beschwerdeantwort unter Verweis auf die angefochtene Verfügung
auf eine Stellungnahme zur Beschwerde verzichtet und sich jeglicher materiellen
Bemerkungen enthalten. Unter diesen Umständen bestand keine Veranlassung zu
einem zweiten Schriftenwechsel.

3.4 Der Vorwurf der Verweigerung eines Beweisverfahrens ist identisch mit der
Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung und wird in diesem
Zusammenhang beurteilt (vgl. E. 4).

4.
4.1 Die Verwaltung veranlasste eine interdisziplinäre Begutachtung der
Versicherten durch die Medizinische Abklärungsstation des Spitals X.________
(MEDAS); diese erstattete am 29. August 2006 das entsprechende Gutachten. Mit
den angeblichen formellen Mängeln im Rahmen dieser Begutachtung hat sich die
Vorinstanz auseinandergesetzt. Diesbezüglich wird in der Beschwerde keine
substantiierte Kritik vorgebracht, weshalb sich weitere Ausführungen erübrigen.

4.2 Gestützt auf das MEDAS-Gutachten hat die Vorinstanz die Arbeitsfähigkeit
für jede körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere wechselbelastende
Tätigkeit in lufthygienisch einwandfreier Umgebung (ausser Küchen und
Laboratorien) auf 67 % festgesetzt. Entgegen der Behauptung der
Beschwerdeführerin hat sie die Addition der in den Teilgutachten attestierten
Arbeitsunfähigkeiten nicht bloss mit - zutreffenden - allgemeinen Überlegungen
abgelehnt, sondern unter ausdrücklichem Hinweis auf die abschliessende
Einschätzung im Gutachten, welche auf dem Konsens der Dres. med. P.________ und
H.________ beruhte und der auch drei beteiligte Konsiliarärzte zustimmten.

4.3 Im Übrigen erschöpfen sich die inhaltlichen Vorbringen zum MEDAS-Gutachten
und zu den darauf gestützten Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz in
appellatorischer und daher unzulässiger Kritik (Urteile 9C_688/2007 vom 22.
Januar 2008 E. 2.3 und 4A_28/2007 vom 30. Mai 2007 E. 1.3 [in BGE 133 III 421
nicht publiziert]). Inwiefern das Gutachten den bundesrechtlichen Anforderungen
an den Beweiswert (vgl. BGE 125 V 351 E. 3 S. 352 ff.) nicht genügen soll, ist
nicht ersichtlich. Die vorinstanzliche Feststellung in Bezug auf die
Arbeitsfähigkeit der Versicherten ist nicht offensichtlich unrichtig und daher
für das Bundesgericht verbindlich (E. 3.1).

4.4 Dass die Vorinstanz stillschweigend von der Verwertbarkeit der
Arbeitsfähigkeit für leidensangepasste Tätigkeiten auf dem allgemeinen
ausgeglichenen Arbeitsmarkt ausgegangen ist, beruht weder auf einer
mangelhaften Feststellung des Sachverhalts noch verstösst es sonst wie gegen
Bundesrecht (ZAK 1991 S. 318, I 350/89 E. 3b; Urteile 8C_489/2007 vom 28.
Dezember 2007 E. 4.1 und 9C_446/2008 vom 18. September 2008 E. 3.4). Das Finden
einer zumutbaren Stelle erscheint nicht zum Vornherein als ausgeschlossen,
zumal die Verwaltung Tätigkeiten wie Überwachungen und Begleitungen in Heimen
oder Abpacken in Reinräumen nannte. Insbesondere spricht auch die Tatsache,
dass die Versicherte seit Beendigung des Arbeitsverhältnisses Ende Dezember
1997 nicht mehr erwerbstätig war, nicht gegen die Verwertbarkeit der
verbleibenden Arbeitsfähigkeit. Ausserdem sind an die Konkretisierung von
Arbeitsgelegenheiten und Verdienstaussichten praxisgemäss nicht übermässige
Anforderungen zu stellen (Urteile 9C_744/2008 vom 19. November 2008 E. 3.2 und
9C_236/2008 vom 4. August 2008 E. 4.2; Urteil des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts I 349/01 vom 3. Dezember 2003 E. 6.1).

5.
5.1 In Bezug auf die erwerblichen Auswirkungen der gesundheitlichen
Beeinträchtigungen kritisiert die Beschwerdeführerin die Anwendung der
statistischen Methode mit der Begründung, sie habe bereits als Gesunde im
Vergleich zum statistischen Durchschnittseinkommen nur einen minimalen Lohn
erzielt. Diesen Umstand hat die Vorinstanz indessen bereits in die
Invaliditätsgradberechnung einbezogen: Sie hat die Vergleichseinkommen
parallelisiert (BGE 134 V 322 E. 4.1 S. 325 f. mit Hinweisen), indem sie das
gestützt auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit ermittelte,
unterdurchschnittlich tiefe Valideneinkommen auf den branchenüblichen
Durchschnittswert (SVR 2009 IV Nr. 7 S. 13, 9C_488/2008 E. 6.5) von Fr.
42'905.- erhöht hat. Damit hat sie das Valideneinkommen jedenfalls nicht zu
tief angesetzt (vgl. zur Publikation in BGE 135 vorgesehenes Urteil 8C_652/2008
vom 8. Mai 2009 E. 6.1).

5.2 Weiter verlangt die Beschwerdeführerin die Berücksichtigung eines
Teilzeitabzuges vom Invalideneinkommen, weil teilzeitliche Erwerbstätigkeit
durchschnittlich um 18 % geringer entlöhnt werde als vollzeitliche. Die von ihr
vorgelegten Zahlen beziehen sich auf einen Gesamtvergleich über alle
Lohnstufen. Die Lohndifferenz lässt sich mit der Tatsache erklären, dass
Teilzeitarbeit generell häufiger in Tief- als in Hochlohnbereichen verrichtet
wird. Die Teilzeitbeschäftigung wirkt sich bei Frauen, bezogen auf das hier
anzuwendende Anforderungsniveau 4 (einfache und repetitive Tätigkeiten) und bei
dem der Beschwerdeführerin noch zumutbaren Pensum von 67 % im Vergleich zu
einer Vollzeitbeschäftigung sogar proportional lohnerhöhend aus (vgl.
Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik [LSE], sowohl im
massgeblichen Vergleichsjahr 2002 [Tabelle T8* S. 28] als auch im statistisch
aktuellsten Jahr 2006 [Tabelle T2* S. 16]). Gestützt auf den reduzierten
Beschäftigungsgrad lässt sich somit ein Abzug vom Tabellenlohn nicht
rechtfertigen (vgl. BGE 129 V 472 E. 4.3.2. S. 484; 126 V 75 E. 5b S. 79 f.;
Urteil 9C_382/2007 vom 13. November 2007 E. 6.2).

5.3 Der Einschränkung der Arbeitsfähigkeit auf Tätigkeiten in lufthygienisch
einwandfreier Umgebung hat die Vorinstanz mit einem Abzug von 10 % Rechnung
getragen. Dies ist nicht zu beanstanden; insbesondere ist nicht ersichtlich,
dass die Höhe des Abzugs eine rechtsfehlerhafte Ermessensausübung
(Ermessensüberschreitung, -missbrauch oder -unterschreitung; vgl. BGE 132 V 393
E. 3.3 S. 399) darstellen soll.

5.4 Das kantonale Gericht hat das Invalideneinkommen unter Berücksichtigung des
Tabellenlohnes (LSE 2002, Tabelle TA1, Total Frauen, Anforderungsniveau 4), der
durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit, der auf 67 % reduzierten
Arbeitsfähigkeit und eines Abzuges von 10 % auf Fr. 28'816.- festgelegt, was
einen Invaliditätsgrad von 33 % ergibt. Die vorinstanzliche
Invaliditätsbemessung ist weder offensichtlich unrichtig, noch beruht sie auf
einer Rechtsverletzung. Die Beschwerde ist unbegründet.

6.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 18. Juni 2009
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Dormann