Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 219/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_219/2009

Urteil vom 21. August 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Kernen, Seiler,
Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiber Fessler.

Parteien
Firma G.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Hardy Landolt,
Beschwerdeführer,

gegen

Ausgleichskasse Schwyz,
Rubiswilstrasse 8, 6438 Ibach,
Beschwerdegegnerin,

B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. René Hegner.

Gegenstand
Alters- und Hinterlassenenversicherung
(Beitragspflicht, Abgrenzung selbständige und unselbständige Erwerbstätigkeit),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom
29. Januar 2009.

Sachverhalt:

A.
Mit Einspracheentscheid vom 11. Juli 2008 verpflichtete die Ausgleichskasse
Schwyz - in Bestätigung ihrer Verfügungen vom 28. Dezember 2004 und 11. Januar
2005 - die Firma G.________ zur Bezahlung von bundes- und kantonalrechtlichen
Sozialversicherungsbeiträgen auf den 19.. und 20.. an B.________ ausgerichteten
Entgelten für seine Tätigkeit als Autoverkäufer in der Höhe von Fr. 7'343.75
(19..) und Fr. 13'545.45 (20..).

B.
Die Beschwerde der Firma G.________ wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Schwyz mit Entscheid vom 29. Januar 2009 ab.

C.
Die Firma G.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
und subsidiär Verfassungsbeschwerde führen mit den Rechtsbegehren, der
Entscheid vom 29. Januar 2009 sei aufzuheben, eventualiter die Sache im Sinne
der Erwägungen an das kantonale Verwaltungsgericht zurückzuweisen. In einer
eigenen Eingabe äussert sich auch der Firmeninhaber selber zur Sache.
Die Ausgleichskasse schliesst auf Abweisung der Beschwerde, desgleichen
B.________, soweit darauf einzutreten ist, während das kantonale Gericht keinen
Antrag stellt. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine
Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist zulässig (Art.
82 lit. a BGG). Mit ihr können auch eine willkürliche Rechtsanwendung oder
Sachverhaltsfeststellung oder andere Verfassungsverletzungen gerügt werden
(Art. 95 lit. a BGG). Für die gleichzeitig erhobene subsidiäre
Verfassungsbeschwerde bleibt kein Raum (Art. 113 BGG) und es ist darauf nicht
einzutreten.

1.2 Das Bundesgericht legt seinem Urteil - von hier nicht interessierenden
Ausnahmen abgesehen - den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat. Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen oder
auf Rüge hin (Art. 97 Abs. 1 BGG) berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Die konkrete Beweiswürdigung ist
wie die darauf beruhende Sachverhaltsfeststellung ebenfalls nur unter diesem
eingeschränkten Blickwinkel überprüfbar (Urteil 9C_454/2009 vom 3. April 2009
E. 1.2 mit Hinweisen).

Die Beweiswürdigung durch das kantonale Gericht verletzt Bundesrecht,
namentlich wenn es den Sinn und die Tragweite eines Beweismittels
offensichtlich falsch eingeschätzt, ohne sachlichen Grund ein wichtiges und für
den Ausgang des Verfahrens entscheidendes Beweismittel nicht beachtet oder aus
den abgenommenen Beweisen unhaltbare Schlüsse gezogen hat (BGE 129 I 8 E. 2.1
S. 9; Urteil 9C_214/2009 vom 11. Mai 2009 E. 3.1 mit Hinweisen).

1.3 Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als
erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Dies
ist dann der Fall, wenn eine bereits bei Erlass des angefochtenen Entscheids
bestandene Tatsache erst durch den vorinstanzlichen Entscheid rechtswesentlich
wird (Hansjörg Seiler und andere, Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2007, N. 3 und 6
zu Art. 99 BGG). Inwiefern diese Voraussetzung gegeben ist und das neue
Vorbringen nicht bereits im vorinstanzlichen Verfahren eingebracht werden
konnte und musste, ist näher darzulegen (Urteil 4A_223/2007 vom 30. August 2007
E. 3.2. in fine; Urteil 9C_157/2009 vom 3. Juli 2009 E. 1.2).

2.
Die sozialversicherungsrechtliche Beitragspflicht Erwerbstätiger richtet sich
unter anderem danach, ob das in einem bestimmten Zeitraum erzielte
Erwerbseinkommen als solches aus selbständiger oder aus unselbständiger
Erwerbstätigkeit zu qualifizieren ist (Art. 5 und 9 AHVG sowie Art. 6 ff.
AHVV). Nach der Rechtsprechung beurteilt sich die Frage, ob im Einzelfall
selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit vorliegt, nicht auf Grund der
Rechtsnatur des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien. Entscheidend sind
vielmehr die wirtschaftlichen Gegebenheiten. Die zivilrechtlichen Verhältnisse
vermögen dabei allenfalls gewisse Anhaltspunkte für die AHV-rechtliche
Qualifikation zu bieten, ohne jedoch ausschlaggebend zu sein. Als unselbständig
erwerbstätig ist im Allgemeinen zu betrachten, wer von einem Arbeitgeber in
betriebswirtschaftlicher und/oder arbeitsorganisatorischer Hinsicht abhängig
ist und kein spezifisches Unternehmerrisiko trägt. Die Vielfalt der im
wirtschaftlichen Leben anzutreffenden Sachverhalte zwingt dazu, die
beitragsrechtliche Stellung einer erwerbstätigen Person jeweils unter Würdigung
der gesamten Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Weil dabei vielfach
Merkmale beider Erwerbsarten zu Tage treten, muss sich der Entscheid oft danach
richten, welche dieser Merkmale im konkreten Fall überwiegen (BGE 123 V 161 E.
1 S. 162 f., 122 V 169 E. 3a 171, je mit Hinweisen; SVR 2007 AHV Nr. 12, H 102/
06 E. 6.2).

3.
Das kantonale Gericht hat wie schon die Ausgleichskasse die gesamten Umstände
dahingehend gewürdigt, die für unselbständige Erwerbstätigkeit sprechenden
Merkmale überwögen. Besonders ins Gewicht falle, dass der Beigeladene
hinsichtlich der fraglichen Tätigkeit als Autoverkäufer keinerlei
unternehmerische Risiken zu tragen gehabt habe. Weder habe er Kosten bezahlen
noch Investitionen tätigen müssen. Im Gegenteil habe er die Infrastruktur der
Firma (Ausstellungsraum, Computer, Telefon, Fax etc.) kostenlos nützen können.
Zudem sei ihm ungeachtet der Anzahl verkaufter Fahrzeuge monatlich eine
Entschädigung von rund Fr. 7'500.- ausbezahlt worden. An der Qualifikation
unselbständiger Erwerbstätigkeit vermöchten die Vorbringen in der Beschwerde
nichts zu ändern.

4.
Die Beschwerdeführerin rügt eine offensichtlich unrichtige bzw. willkürliche
Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung durch das kantonale Gericht.

4.1 Das kantonale Gericht hat dargelegt, welche Umstände für den
unselbständigen und welche für den selbständigen Charakter der Tätigkeit des
Beigeladenen als Autoverkäufer für die Beschwerdeführerin 19.. und 20..
sprechen. Soweit die Beschwerdeführerin ohne nähere Begründung diese Umstände
anders gewichtet und daraus andere Schlüsse zieht, vermag sie keine Verletzung
von Bundesrecht, insbesondere keine unhaltbare Beweiswürdigung durch die
Vorinstanz darzutun. Dasselbe gilt auch in Bezug auf die Ausführungen in der
Eingabe des Firmeninhabers.

4.2 In der Beschwerde wird erstmals vorgebracht, der Inhaber der am Recht
stehenden Firma sei seit .... 1999 invalid und beziehe eine halbe
Invalidenrente. Er sei daher Anfang 1999 gesundheitsbedingt vor die Alternative
gestellt worden, entweder das Geschäft zu verkaufen, einen Arbeitnehmer
anzustellen oder einen auf eigene Rechnung tätigen Vermittler beizuziehen, wie
das im Autogeschäft üblich sei. Der Beigeladene habe sich für die
Vermittlungslösung interessiert, nicht zuletzt deshalb, weil er nach dem ....
erlittenen Konkurs weiter selbständig erwerbend habe sein wollen. Der
Firmeninhaber führt in seiner Eingabe aus, der Beigeladene habe Abbruchautos
und Eintauschfahrzeuge verkauft sowie auf Garantierbeiten und Rädern, die den
Kunden unentgeltlich überlassen worden seien, Quittungen ausgestellt und den
Erlös in den eigenen Sack gesteckt. Die Zulässigkeit der neuen Vorbringen,
soweit sie überhaupt von Relevanz sind und nicht nur für selbständige, sondern
auch für unselbständige Erwerbstätigkeit sprechen, wird damit begründet, sie
seien notwendig, um die Unrichtigkeit der vorinstanzlichen
Sachverhaltsfeststellung zu beweisen. Dies genügt indessen nicht um darzutun,
inwiefern die neu geltend gemachten Tatsachen erst durch den vorinstanzlichen
Entscheid rechtswesentlich geworden sind (E. 1.3). Die neuen Vorbringen sind
somit unzulässig und haben unbeachtet zu bleiben.

4.3 Die Vorinstanz ist nicht von einem unzutreffenden Begriff des spezifischen
Unternehmerrisikos ausgegangen. Dieses besteht darin, dass unabhängig vom
Arbeitserfolg Kosten anfallen, die der Selbständigerwerbende oder der
Arbeitgeber selber zu tragen hat (BGE 122 V 169 E. 3b S. 172; Urteil des Eidg.
Versicherungsgerichts H 77/04 vom 19. Mai 2005 E. 4.2). Solche Kosten sind dem
Beigeladenen nicht entstanden. Entscheidend ist, dass die Vorinstanz
verbindlich festgestellt hat, dem Beigeladenen seien unabhängig von der Anzahl
verkaufter Autos monatlich stets rund Fr. 7'500.- ausbezahlt worden, was gegen
ein Unternehmerrisiko und für unselbständige Erwerbstätigkeit spricht. Wenn die
Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang vorbringt, jener habe sein
Monatseinkommen dirigiert, bleibt sie die Erklärung schuldig, wie und in
welchem Sinne.

4.4 Nach unbestrittener Feststellung der Vorinstanz hatte der Beigeladene am
.... 1999 eine Einzelfirma gegründet und sich ab .... 1999 als
Selbständigerwerbender registrieren lassen. Dabei ging es offenbar ebenfalls um
den Verkauf von Autos. Dies allein spricht indessen nicht gegen den
unselbständigen Charakter der Tätigkeit für die Beschwerdeführerin. Bei
mehreren gleichzeitig ausgeübten Tätigkeiten ist grundsätzlich jede gesondert
daraufhin zu prüfen, ob es sich um eine selbständige oder unselbständige
Erwerbstätigkeit handelt. Selbständigkeit schliesst eine Tätigkeit als
Unselbständigerwerbender nicht aus. Selbst Arbeiten für ein und dieselbe Firma
können teils selbständiger, teils unselbständiger Natur sein (BGE 122 V 169 E.
3b S. 172; AHI 1995 S. 25, H 29/94 E. 2a). In diesem Sinne kann ein
selbständigerwerbender Autoverkäufer - beitragsrechtlich - gleichzeitig in
unselbständiger Stellung für eine ebenfalls im Autoverkauf tätige Firma
arbeiten. Die Beschwerdeführerin versucht, die Tätigkeit des Beigeladenen für
sie als Teil seiner zur selben Zeit selbständig ausgeübten Tätigkeit
darzustellen, was ihr indessen nicht gelingt. Unbestrittenermassen arbeitete
der Beigeladene in ihrem Namen und auf ihre Rechnung. Dass dessen Einzelfirma
und die am Recht stehende Firma wirtschaftlich gesehen keine Einheit bildeten,
steht ausser Frage.

4.5 Schliesslich ist auf die unbestrittene Tatsache hinzuweisen, dass die SUVA
den Beigeladenen mit Bezug auf seine Tätigkeit als Autoverkäufer für die
Beschwerdeführerin 19.. und 20.. als Unselbständigerwerbenden eingestuft hat.
Der Entscheid des Unfallversicherers ist für die Ausgleichskasse grundsätzlich
verbindlich, wie im Einspracheentscheid vom 11. Juli 2008 richtig festgehalten
wurde (vgl. Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H 191/05 vom 30. Juni 2006
E. 2.2). Diese Bindungswirkung besteht zwar für das Gericht nicht, doch soll es
in den Entscheid der SUVA nur eingreifen, wenn dieser im Ergebnis fragwürdig
ist (BGE 101 V 87 E. 3 S. 90). Von dieser Regel abzuweichen besteht auf Grund
des Gesagten kein Anlass.
Der vorinstanzliche Entscheid verletzt Bundesrecht nicht.

5.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und dem Beigeladenen eine
Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG; BGE 97 V 28 E. 5 in fine
S. 32).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen.

2.
Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1600.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Die Beschwerdeführerin hat den Beigeladenen für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2500.- zu entschädigen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 21. August 2009

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Fessler