Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 206/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_206/2009

Urteil vom 3. April 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiberin Amstutz.

Parteien
W.________,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 29.
Januar 2009.

Sachverhalt:

A.
W.________ (geboren 1968) bezog nach erfolgter Umschulung auf Kosten der
Invalidenversicherung (Handelsschulabschluss 1994) ab 1. Juli 1996 (Verfügung
der IV-Stelle des Kantons Bern vom 4. Juni 1998) bis zur revisionsweisen
Leistungseinstellung auf Ende August 2000 (Verfügung vom 11. Juli 2000 und
bestätigender Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 17.
November 2000) eine halbe Härtefallrente der Invalidenversicherung. Ein am 1.
Juni 2002 gestelltes Gesuch um erneute Übernahme von Umschulungskosten wies die
IV-Stelle mit unangefochten gebliebener Verfügung vom 7. Februar 2003 ab.
Nachdem die Verwaltung ein erneutes Leistungsbegehren (Umschulung/Rente) vom 1.
Februar 2004 mit Verfügung vom 26. August 2004 und bestätigendem
Einspracheentscheid vom 23. November 2004 abgewiesen und das beschwerdeweise
angerufene Verwaltungsgericht des Kantons Bern auf Rückweisung der Streitsache
an die Verwaltung zwecks weiterer Abklärungen und Neuverfügung erkannt hatte
(Entscheid vom 19. August 2005), verneinte die IV-Stelle - im Wesentlichen
gestützt auf das veranlasste Gutachten des Medizinischen Zentrums X.________
vom 14. März 2007 und die im Vorbescheidverfahren eingeholte Stellungnahme des
Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) vom 26. Mai 2008 - abermals den Anspruch
auf berufliche Massnahmen (Verfügung vom 30. Mai 2008) und auf eine
Invalidenrente (Verfügung vom 2. Juni 2008).

B.
Die gegen die Verfügungen vom 30. Mai und 2. Juni 2008 erhobene Beschwerde des
W.________ wies das Verwaltungsgericht mit Entscheid vom 29. Januar 2009 ab.

C.
W.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
sinngemässen Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei ihm eine
Invalidenrente zuzusprechen, eventualiter der Anspruch auf berufliche
Massnahmen (Umschulung) zu bejahen.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Dabei legt das
Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann eine - für den Ausgang des
Verfahrens entscheidende (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) - Sachverhaltsfeststellung
von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder wenn sie auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG
beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; Ausnahme: Beschwerden gemäss Art. 97 Abs. 2 BGG
[Art. 105 Abs. 3 BGG]).

2.
Soweit der Beschwerdeführer mit dem geäusserten Wunsch nach einer "öffentlichen
Anhörung mit Zeugen und Zuschauern" sinngemäss um Durchführung einer
öffentlichen Verhandlung ersucht, ist dem nicht stattzugeben. Die Durchführung
einer öffentlichen Verhandlung setzt im Sozialversicherungsprozess
grundsätzlich einen im erstinstanzlichen Verfahren zu stellenden Parteiantrag
voraus (BGE 122 V 47 E. 3a S. 55 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 125 V 37 E. 2 S.
38). Versäumt eine Partei die rechtzeitige Geltendmachung des Anspruchs auf
öffentliche Verhandlung, hat dieser grundsätzlich als verwirkt zu gelten (BGE
122 V 47 E. 3b/bb S. 56; Urteil 8C_790/2008 vom 29. Dezember 2008, E. 8. März
2008, E. 3.1 mit Hinweis). Begehren um eine persönliche Anhörung oder
Befragung, ein Parteiverhör, eine Zeugeneinvernahme oder einen Augenschein sind
praxisgemäss als blosse Beweisanträge zu qualifizieren, welchen nicht die
Bedeutung eines Antrags auf öffentliche Verhandlung im Sinne von Art. 6 Ziff. 1
EMRK zukommt (BGE 122 V 47 E. 3a S. 55 und Urteil I 98/07 vom 18. April 2007 E.
3.2.2, je mit Hinweisen). Ob im vorliegenden Fall bloss ein Beweisantrag
vorliegt oder nicht, kann offen bleiben, da das erstmals im bundesgerichtlichen
Verfahren geäusserte Begehren jedenfalls verspätet ist. Im Übrigen ist der hier
massgebende Sachverhalt aktenmässig erstellt und hängt dessen Beurteilung nicht
vom persönlichen Eindruck der Partei ab (vgl. E. 4 hernach; in SVR 2006 BVG Nr.
19 S. 66 publ. E. des Urteils BGE 132 V 127; Urteile 9C_555/2007 vom 6. Mai
2008, E. 3.3.2 und Urteil 8C_396/2008 vom 22. September 2008, je mit
Hinweisen).

3.
Hinsichtlich der für die Beurteilung der Leistungsstreitigkeit massgebenden
ATSG- und IVG-Bestimmungen sowie der einschlägigen Rechtsprechung namentlich
zum Beweiswert ärztlicher Berichte und Gutachten und zur Beweiswürdigung (BGE
125 V 351 E. 3 S. 352 ff., 122 V 157 E. 1c S. 160 ff., je mit Hinweisen; vgl.
auch BGE 132 V 393 E. 4.1 S. 400; zur antizipierten Beweiswürdigung Urteil des
Eidg. Versicherungsgerichts I 362/99 vom 8. Februar 2000 [E. 4, mit Hinweisen],
publ. in: SVR 2001 IV Nr. 10 S. 28; vgl. auch BGE 131 I 153 E. 3 S. 157, 130 II
425 E. 2.1 S. 428, 124 I 208 E. 4a S. 211, je mit Hinweisen) wird auf die
zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid und mit der Vorinstanz zudem
auf deren Erwägungen im Entscheid vom 19. August 2005 verwiesen.

4.
Streitig und zu prüfen ist der auf Neuanmeldung vom Februar 2004 hin verneinte
Umschulungs- und Rentenanspruch, namentlich das Ausmass der zumutbarerweise
verwertbaren Restarbeitsfähigkeit.

4.1 Entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen ist bei der Beurteilung der
Streitfrage in zeitlicher Hinsicht auf die Entwicklung der Verhältnisse seit
der letzten rechtskräftigen Verfügung der IV-Stelle vom 7. Februar 2003
abzustellen, nachdem darin gestützt auf die seit der Rentenaufhebungsverfügung
vom 11. Juli 2000 neu vorliegenden medizinischen Akten nicht nur ein
Umschulungsanspruch verneint, sondern - in impliziter Bestätigung der
Rentenverfügung aus dem Jahre 2000 - auch ausdrücklich festgehalten wurde, der
Versicherte sei in seiner aktuellen Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter
"mindestens 50 %" arbeitsfähig und vermöge dabei "ein rentenausschliessendes
Einkommen" zu erzielen.

4.2 Gestützt auf das Gutachten des Medizinischen Zentrums X.________ vom 14.
März 2007 ist die Vorinstanz zum Schluss gelangt, dass dem an Rückenbeschwerden
leidenden Beschwerdeführer aus rein somatischer Sicht unverändert leichte,
wechselbelastende Tätigkeiten (ohne Heben von Lasten über 10 kg),
einschliesslich die bisherige Arbeit als kaufmännischer Angestellter,
vollumfänglich zumutbar seien. Die für die ursprüngliche Rentenzusprache
ursächlich gewesene - zuletzt in der rechtskräftigen Verfügung vom 7. Februar
2003 bestätigte (E. 4.1 hievor) - Leistungseinschränkung von 50 % aus
psychischen Gründen sei heute mangels eines diagnostizierten psychischen
Leidens mit Krankheitswert nicht mehr ausgewiesen, sodass insoweit von einer
Verbesserung des Gesundheitszustands auszugehen sei.

4.3 Der Beschwerdeführer rügt die vorinstanzlichen Tatsachenfeststellungen (BGE
132 V 393 E. 3.2 S. 398; Urteil I 692/06 vom 19. Dezember 2006, E. 3.1) zu
Recht nicht als offensichtlich unrichtig (Art. 105 Abs. 2 BGG). Soweit er der
Vorinstanz sinngemäss eine bundesrechtswidrige Beweiswürdigung vorwirft, ist
die Beschwerde unbegründet: Die vorinstanzlichen Schlussfolgerungen beruhen auf
einer umfassenden, sorgfältigen, objektiven und inhaltsbezogenen Würdigung der
medizinischen Aktenlage (BGE 132 V 393 E. 4.1 S. 400) und insbesondere auf
einer dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) genügenden
Auseinandersetzung mit den vorinstanzlich erhobenen Einwänden des Versicherten.
Namentlich mit Blick auf die beweisrechtlich bedeutsame Verschiedenheit von
Behandlungs-/Therapieauftrag einerseits und Begutachtungsauftrag andererseits
(vgl. BGE 124 I 170 E. 4 S. 175; s. auch I 701/05 vom 5. Januar 2007, E. 2 in
fine, mit zahlreichen Hinweisen) ist es weder willkürlich noch verletzt es die
bundesrechtlichen Grundsätze über die Beweiswürdigung (E. 3. hievor), dass das
kantonale Gericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG)
der - von den begutachtenden Spezialärzten gemeinsam erarbeiteten, unter
Berücksichtigung sämtlicher relevanten Vorakten und der geklagten Beschwerden
erfolgten - Einschätzung der Restarbeitsfähigkeit im Gutachten des
Medizinischen Zentrums X.________ vom 14. März 2007 ausschlaggebendes Gewicht
beigemessen hat. Ein unauflösbarer Widerspruch zur übrigen medizinischen
Aktenlage liegt bezogen auf den hier massgebenden Zeitraum ab Februar 2003
(letzte rechtskräftige Verfügung der Beschwerdegegnerin [E. 4.1 hievor] und
frühestmöglicher Zeitpunkt der Rentenzusprache [IV-Anmeldung Februar 2004; Art.
48 Abs. 2 IVG, in Kraft gestanden bis Ende 2007]) bis 2. Juni 2008 (Erlass der
Rentenverfügung als zeitliche Grenze der richterlichen Überprüfungsbefugnis;
BGE 130 V 445 E. 1.2 S. 445; 129 V 1 E. 1.2 S. 4, 354 E. 1 S. 356, je mit
Hinweisen) entgegen den Einwänden des Versicherten nicht vor: Im
rechtskräftigen Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 19. August 2005 war
verbindlich festgestellt worden, dass sich eine über Februar 2003 hinaus
bestehende Arbeitsunfähigkeit nicht somatisch, sondern nur mit psychischen
Gesundheitsbeeinträchtigungen erklären lassen könnte, solche jedoch im
Neuanmeldungsverfahren mangels hinlänglicher fachärztlicher Abklärungen nicht
mit dem erforderlichen Beweisgrad ausgewiesen seien. Nachdem das nunmehr
eingeholte Gutachten des Medizinischen Zentrums X.________ aufgrund der
spezialärztlichen Untersuchung des Dr. med. L.________, Facharzt FMH für
Psychiatrie und Psychotherapie, vom 27. Februar 2007 einen krankheitswertigen
psychischen Gesundheitsschaden verneint hat und für die Zeit nach Februar 2003
keine schlüssig begründete abweichende fachärztliche Einschätzung vorliegt, ja
insbesondere dem Bericht der behandelnden Dr. med. F.________, Fachärztin für
Psychiatrie und Psychotherapie, vom 25. April 2008 keinerlei fachspezifische
Diagnose (vgl. BGE 131 V 49 E. 1.2 S. 50, mit Hinweisen) entnommen werden kann,
ist die vorinstanzliche Feststellung einer (auch) aus psychischer Sicht nunmehr
vollen Arbeitsfähigkeit nicht offensichtlich unrichtig oder Ergebnis
rechtsfehlerhafter Beweiswürdigung. Eine allfällige Verschlechterung des
Gesundheitszustands seit anfangs Juni 2008 ist nach den zutreffenden Erwägungen
des kantonalen Gerichts nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, weshalb
die diesen späteren Zeitraum beschlagenden Berichte der Y.________ AG vom 24.
November 2008, des Chiropraktors Dr. med. E.________ vom 8. Dezember 2008 und
des Dr. med. H.________, Facharzt FMH für Neurochirurgie, vom 9. Januar 2009
unbeachtlich sind.

4.4 Auf die vorinstanzliche Invaliditätsbemessung (Art. 16 ATSG) ist mangels
entsprechender Parteivorbringen nicht zurückzukommen (vgl. Art. 107 Abs. 1
BGG), sodass es mit der Verneinung eines Umschulungs- und Rentenanspruchs sein
Bewenden hat.

5.
Die zu erhebenden Gerichtskosten (Art. 65 BGG) gehen ausgangsgemäss zu Lasten
des Beschwerdeführers (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 3. April 2009

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Amstutz