Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 172/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_172/2009

Urteil vom 15. Mai 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiber Schmutz.

Parteien
D.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Stephan Müller,

gegen

IV-Stelle Basel-Stadt, Lange Gasse 7, 4052 Basel,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom
18. November 2008.

Sachverhalt:

A.
D.________, geboren 1974, arbeitete bis April 2000 in verschiedenen Bereichen,
zuletzt als Serviceangestellter im Gastgewerbe. Am 31. Oktober 2002 meldete er
sich zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung an und beantragte
berufliche Massnahmen. Mit Verfügung vom 4. September 2003 lehnte die IV-Stelle
Basel-Stadt das Gesuch wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht ab. Am 5.
Oktober 2006 reichte D.________ ein neues Leistungsgesuch ein und suchte um
berufliche Massnahmen sowie Rente nach. Für das Begehren machte er psychische
Gründe geltend. Die IV-Stelle holte ein Gutachten des Dr. med. A.________,
Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 21. Dezember 2007 ein. Mit Vorbescheid
vom 12. Februar 2008 teilte sie D.________ mit, es werde ihm rückwirkend ab
Oktober 2005 eine auf Ende März 2007 befristete ganze Rente ausgerichtet. Auf
Einwände des Versicherten hin erliess sie am 3. Juni 2008 eine dem Vorbescheid
entsprechende Verfügung.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde mit dem Antrag auf Zusprechung der ganzen
Invalidenrente bis zum 31. März 2008 und einer Viertelsrente ab 1. April 2008
wies das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt mit Entscheid vom 18. November
2008 ab.

C.
D.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt, es sei ihm vom 1. Oktober 2005 bis 29. Februar 2008 eine ganze Rente
zuzusprechen; ferner beantragt er die unentgeltliche Rechtspflege.

Die IV-Stelle beantragt Abweisung der Beschwerde. Vorinstanz und Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichten auf Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung
der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig
ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105
Abs. 2 BGG). Die gesetzliche Kognitionsbeschränkung gilt namentlich für die
Einschätzung der gesundheitlichen und leistungsmässigen Verhältnisse (Art. 6
ATSG), wie sie sich bei der revisionsweisen Anpassung einer Invalidenrente nach
Art. 17 ATSG wegen Tatsachenänderungen (Gesundheitszustand, Arbeits- und
Erwerbsunfähigkeit usw.) im revisions- oder neuanmeldungsrechtlich
massgeblichen Vergleichszeitraum (BGE 133 V 108; Urteil I 692/06 vom 19.
Dezember 2006, E. 3.1) entwickelt haben. Dies gilt auch im Falle einer
rückwirkenden Zusprechung einer befristeten und/oder abgestuften
Invalidenrente.

2.
Die Vorinstanz hat eine anspruchsrelevante Verbesserung des
Gesundheitszustandes bejaht und hierzu Feststellungen getroffen, die für das
Bundesgericht grundsätzlich verbindlich sind (E. 1). Der Beschwerdeführer
stimmt den Einschätzungen für die Zeit bis Ende 2006 (volle Arbeitsunfähigkeit)
und ab der Begutachtung am 20. November 2007 (volle Arbeitsfähigkeit in einer
angepassten Tätigkeit) zu. Mit Bezug auf die Zwischenphase vom 1. Januar 2007
bis 20. November 2007 rügt er, das kantonale Gericht habe den rechtserheblichen
Sachverhalt (Verlauf der Arbeitsunfähigkeit) offensichtlich unrichtig und
bundesrechtswidrig festgestellt. Seine Begründung stützt sich vorab auf die vom
Gutachten abweichende Beurteilung des behandelnden Arztes. Es trifft zwar zu,
dass die Vorinstanz die Einschätzungen des Dr. med. B.________, Spezialarzt FMH
Psychiatrie/Psychotherapie, (Zeugnis vom 28. März 2007 und Bericht vom 6. Mai
2008) und des Experten Dr. med. A.________ (Gutachten vom 21. Dezember 2007 und
ergänzende Stellungnahme vom 12. April 2008) als minimal divergierend
bezeichnet hat. Sie hat dies unter Berücksichtigung der Rechtsprechung getan,
wonach Berichte behandelnder Ärzte aufgrund der Verschiedenheit von Expertise
und Therapie (siehe Urteil 9C_705/2007 vom 18. August 2008, E. 4.1.1, mit
zahlreichen Hinweisen) grundsätzlich mit Vorbehalt zu würdigen sind (BGE 125 V
351 E. 3b/cc S. 353). Dies gilt auch für den therapeutisch tätigen Psychiater
mit seinem besonderen Vertrauensverhältnis zum Patienten (siehe Urteil I 655/05
vom 20. März 2006, E. 5.4). Die Vorinstanz hat zudem korrekt begründet (E.
4.4), weshalb dem Gutachten zu folgen ist.

3.
Der Experte diagnostizierte aufgrund der Untersuchung vom 20. November 2007
eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und schizoiden
Anteilen sowie einen Status nach depressiver Episode. Eine Depression konnte er
nicht mehr objektivieren. Er erachtete es dem Exploranden als ohne weiteres
zumutbar, die Willensanstrengung aufzubringen, zwar nicht mehr im Service im
Gastgewerbe, aber sonst zeitlich und leistungsmässig uneingeschränkt einer
Tätigkeit nachzugehen. Er hat zudem schlüssig begründet, warum der Zeitpunkt
der Wiedererlangung der vollen Arbeitsfähigkeit rückwirkend auf den
Jahresbeginn 2007 festzulegen ist. In den Akten finden sich deutliche Anzeichen
dafür, dass der Krankheitswert des psychischen Leidens ab diesem Zeitpunkt
nicht mehr so stark ausgeprägt war, dass die Arbeitsfähigkeit wesentlich
beeinträchtigt worden ist: Dr. med. B.________ hat im Bericht vom 6. Mai 2008
ausgeführt, bis Mitte Juni 2007 habe keine Behandlungsvereinbarung getroffen
werden können, da nur wenige Sitzungen stattgefunden hätten. Der
Beschwerdeführer hielt sich dann auch noch längere Zeit in X.________ auf,
bevor er sich am 20. November 2007 zur Begutachtung zu Dr. med. A.________ und
anschliessend in Behandlung bei Dr. med. B.________ begab. Er legt nicht
überzeugend dar, warum es dem Gutachter - anders als in gleich gelagerten
Fällen die Regel - nicht möglich gewesen sein sollte, aufgrund der Akten und
anamnestischer Angaben über eine angemessene Zeitspanne in die Vergangenheit
eine zuverlässige Einschätzung abzugeben. Der blosse Verweis auf den
Arztbericht des Dr. med. B.________ vom 6. Mai 2008 macht dies nicht plausibel.
Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung ist nicht offensichtlich
unrichtig.

4.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seinem Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege wird entsprochen (Art. 64 BGG; BGE 125 V 201 E. 4a S. 202). Er hat
der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn er später dazu in der Lage ist (Art.
64 Abs. 4 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

4.
Advokat Stephan Müller wird als unentgeltlicher Anwalt des Beschwerdeführers
bestellt, und es wird ihm für das bundesgerichtliche Verfahren aus der
Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 15. Mai 2009

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Schmutz